Gottfried August Bürger
Gedichte
Gottfried August Bürger

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Zechlied

        Ich will einst, bei Ja und Nein!
Vor dem Zapfen sterben.
Alles, meinen Wein nur nicht,
Laß ich frohen Erben.
Nach der letzten Ölung soll
Hefen noch mich färben.
Dann zertrümmre mein Pokal
In zehntausend Scherben!

Jedermann hat von Natur
Seine sondre Weise.
Mir gelinget jedes Werk
Nur nach Trank und Speise.
Speis und Trank erhalten mich
In dem rechten Gleise.
Wer gut schmiert, der fährt auch gut
Auf der Lebensreise.

Ich bin gar ein armer Wicht,
Bin die feigste Memme,
Halten Durst und Hungerqual
Mich in Angst und Klemme.
Schon ein Knäbchen schüttelt mich,
Was ich auch mich stemme.
Einem Riesen halt ich Stand,
Wann ich zech und schlemme.

Echter Wein ist echtes Öl
Zur Verstandeslampe;
Gibt der Seele Kraft und Schwung
Bis zum Sternenkampe.
Witz und Weisheit dunsten auf
Aus gefüllter Wampe.
Baß glückt Harfenspiel und Sang,
Wenn ich brav schlampampe.

Nüchtern bin ich immerdar
Nur ein Harfenstümper.
Mir erlahmen Hand und Griff,
Welken Haupt und Wimper.
Wann der Wein in Himmelsklang
Wandelt mein Geklimper,
Sind Homer und Ossian
Gegen mich nur Stümper.

Nimmer hat durch meinen Mund
Hoher Geist gesungen,
Bis ich meinen lieben Bauch
Weidlich vollgeschlungen.
Wann mein Kapitolium
Bacchus Kraft erschwungen,
Sing und red ich wundersam
Gar in fremden Zungen.

Drum will ich, bei Ja und Nein!
Vor dem Zapfen sterben.
Nach der letzten Ölung soll
Hefen noch mich färben.
Engelchöre weihen dann
Mich zum Nektarerben:
»Diesen Trinker gnade Gott!
Laß ihn nicht verderben!«

 


 


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