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Die Malerei und das neue Testament

27. Oktober 1885.

Akademischer Vortrag, gehalten in der Aula des Museums. Manuskript, 13 Quartblätter, im Jac. Burckhardt-Archiv, Nr. 171.

 

Das Thema ist dem Wortlaut nach endlos; das Werk von anderthalb Jahrtausenden ist in ihm beschlossen. Wenn schon so viel versprochen wird, warum nicht außer der Malerei auch die Skulptur? warum nicht außer dem neuen Testament auch noch das alte, und das Fortklingen des Heiligen in der Legende? Wir müßten aber damit den größten Teil der christlichen Kunstgeschichte behandeln.

Statt dessen ist unser Thema hier auf das engste zu begrenzen, zunächst dem Umfang nach auf das neue Testament; dann soll unsere Aufgabe nicht sein, nachzuweisen, welche Szenen von den verschiedenen Kunstzeiten, Schulen und Meistern gemalt und wie sie gemalt worden sind, sondern wir werden nur die wirklich kunstüblich gewordenen Szenen nach ihren verschiedenen Graden der malerischen Darstellbarkeit in Kürze zu prüfen haben.

Dargestellt wurde unendlich vieles aus dem neuen Testament um des religiösen Sachinhaltes willen, zum Beispiel in Zyklen von Glasgemälden und Fresken, in Miniaturen der Handschriften und später in Bibel-Illustrationen, oft ohne weitere Rücksicht auf malerische Wünschbarkeit. Die Kirche verlangte von den altchristlichen Zeiten an aus dogmatischen Gründen die Verwirklichung biblischer Ereignisse, mochten sie dazu geeignet sein oder nicht.

Wie vollkommen die Kirche der Malerei das Gesetz machte, wie sie die Auswahl und Feststellung der einzelnen Szenen und der dazu erforderlichen Figuren in ihrer Hand behielt, lehrt sehr genau das byzantinische Malerbuch. Dasselbe beschreibt eine außerordentlich große Zahl von biblischen Momenten, welche dargestellt werden mußten als fortlaufende Bilderbibel für das Volk, ohne die mindeste Rücksicht auf die malerische Wünschbarkeit, ja auch nur auf die Möglichkeit. Denn sehr vielen Ereignissen, welche sich bildlich gar nicht völlig verwirklichen ließen, mußte durch beigeschriebene Sprüche nachgeholfen werden. Und auch unser abendländisches Mittelalter hat in ganz ähnlicher Weise Malerei und Skulptur der heiligen Geschichte absolut dienen lassen. Erst im Verlauf der Jahrhunderte nahmen in der Kunst diejenigen biblischen Szenen überhand, für welche sich eine Vorliebe gebildet hatte. Das Persönliche macht sich von zwei Seiten geltend über die lehrende Absicht der Kirche hinaus: einerseits waren es Stifter und Stiftungen, welche die Szenen des höchsten Gefühls, der tiefsten Andacht bevorzugten, und andererseits gewannen auch die Künstler ein entscheidendes Wort in dieser Sache und gaben den darstellungsfähigsten Szenen überhaupt von sich aus das Uebergewicht. So gewiß es für die Kunst ein Glück gewesen war, in der Dienstbarkeit der Religion Schutz zu finden vor der Barbarei wilder und unfertiger Zeiten, so gewiß konnte sie ihre höchste Vollendung nur erreichen, wenn ihr Verhältnis zur Religion das eines freien Gebens und Empfangens wurde.

In diesem umgrenzten Umfang genommen sind die neutestamentlichen Aufgaben ein gewaltiges Geschenk der Religion an die Malerei und ein für die ganze Welt gültiges. Nicht die politische Macht, nicht der Wille eines einzelnen Volkes oder Jahrzehnts hat diese Szenen vorgeschrieben; sie haben die Allverständlichkeit in allen Zeiten und Ländern voraus und werden dieselbe behaupten bis ans Ende der Tage. Die Kunst aber hat in jedem Jahrhundert ihr Bestes aufgewandt zu deren Verherrlichung. Noch einmal und mit siegreicher Evidenz zeigt es sich, daß in der Kunst nicht ein stets neues Was, nicht die beständige materielle Neuerfindung von noch nicht dagewesenen Aufgaben das Entscheidende ist, sondern das Wie, welches sich hier in der stets neuen Auffassung und Gestaltung des Feststehenden offenbart. Hier meldet sich nämlich das trostreiche Phänomen, daß gerade die häufigsten Darstellungen keine Ermüdung der Kunst mit sich führen, sondern vielmehr eine Reihe der allergrößten Meisterwerke aller Zeiten in sich enthalten, ja derartige Lösungen der betreffenden Aufgaben, daß alles Verlangen und Wünschen einstweilen nicht mehr darüber hinaus kann. Das höchste Ausreifen der erzählenden Kunst, und zwar in einem überaus verschiedenen und stets erneuten Wie, ist einem begrenzten Kreise von Darstellungen zu Gute gekommen.

Es ist eine andere Welt als die der antiken Kunst, und unser Reichtum besteht darin, daß wir beiden gerecht werden und beide genießen können. Eine parallele Betrachtung gestatten sie schon deshalb nicht im vollen Sinne des Wortes, weil das aus dem Altertum Erhaltene weit wichtigstenteils aus Skulpturen und zwar aus Einzelgestalten besteht, während in der christlichen Welt der Akzent auf der Malerei und auf dem Erzählenden liegt; Mittel und Gesetze der beiden Künste aber sind so verschieden, daß sie über das Geleistete nicht mit einander um die Palme streiten können. Wenn es sich dann um die Gegenstände handelt, so hat das Altertum voraus, daß die Gestalten seiner ausgereiften Kunst zugleich Gestalten seiner Poesie und freie ideale Schöpfungen sind, während die christliche Kunst an eine historische Ueberlieferung gebunden ist. Da nun die Antike schon die vollendete Schönheit vorwegnahm in ihren sämtlichen Gottheiten und Heroen, was sollte der christlichen Kunst noch bleiben?

Es ist der Ausdruck alles Seelischen in Zügen und Gebärden, eine Fülle der schönsten und ergreifendsten Regungen. Auch dem Altertum sind sie nicht fremd gewesen; es gibt uns die heitere Fröhlichkeit in bacchischen und Kindergestalten, die leise Wehmut in so manchem göttlichem Haupt, wie das des vatikanischen Hermes, den Schmerz in Niobe und den Ihrigen, den Jammer des Helden in Laokoon, den wilden Zorn in den Kampfreliefs und ganz mächtig und groß am pergamenischen Altar. Allein nur wo die Malerei herrscht und ihre Aufgaben vorwiegen wird die vollkommene allseitige Entwicklung des Ausdruckes, sowohl des dauernden, im Charakter, als auch des momentanen, und zwar in reicher Abstufung, erreicht werden. Und nun hat die christliche Kunst auch ihre besondere Idealität zu erreichen: es ist die des Reinen und Heiligen in ihren Hauptgestalten, und wenn dieselben auftreten, umgeben vom Elend der Welt und von der Bosheit der Widersacher, so wird eben durch die Macht des Gegensatzes jene Idealität zur ergreifendsten Wirkung gelangen.

Diese Welt des Ausdruckes ist die große Errungenschaft der religiösen Malerei, und die hier gewonnenen Mittel, die hier bewußt gewordenen Kräfte sind dann auch der ganzen profanen Kunst bis in die Genremalerei hinein zu Gute gekommen. Vielleicht würde das Vermögen dazu auch in der profanen Kunst mit der Zeit von sich aus erwacht sein; allein wer will die große Förderung leugnen, welche dabei von der heiligen Kunst ausgegangen ist?

Das Leben Christi beginnt in der Kunst schon mit seinen Vorfahren. Dies sind jene gekrönten Gestalten unter Baldachinen auf Teppichgrund, welche in den Chören großer und reicher gotischer Kirchen die Oberfenster einzunehmen pflegen. Noch einmal und in ganz anderer Weise, als ausruhend Wartende, zum Teil in ganzen Familien, hat Michelangelo sie an den Oberwänden und Gewölbekappen der sixtinischen Kapelle dargestellt.

Unzählige Male sind die vier Evangelisten gemalt worden, und hier treffen wir schon öfter auf eine der höchsten psychologischen Aufgaben der Kunst: auf die Inspiration, vorzüglich bei Johannes; mag er als Jüngling oder als Greis auftreten, dort bei Domenichino, hier bei Fiesole am Gewölbe der Kapelle Nicolaus' V.

Auch der Engel muß hier noch gedacht werden, bevor von den erzählenden Darstellungen die Rede ist. Sie sind ursprünglich eine Anleihe aus der antiken Kunst, welche in ihren Niken oder Viktorien die jugendliche geflügelte Gestalt in langem Gewande bis zur größten Schönheit ausgebildet hatte. Das christliche Weltalter verlieh ihnen eine neue Seele. Als alleinige völlig freie Idealgestalten der christlichen Kunst dürfen sie unsere genaueste Teilnahme erwecken; hier erreichten die großen Meister nicht nur eine himmlische Reinheit, sondern sie wußten damit zu verbinden den Ausdruck des Jubels in den himmlischen Glorien und den der tiefen Klage, wenn die Engel den Gekreuzigten umschweben. Das große Fresko des B. Luini in Lugano wird schon um dieser obern Gruppe wegen jedem ernsten Beschauer unvergeßlich bleiben. An den Engeln lernte die Malerei auch das Schweben schön und großartig darstellen.

Die Kinderengel, welche erst seit dem XV. Jahrhundert in der Kunst auftreten, genossen eine große Förderung durch die Studien, welche jetzt für das Christuskind gemacht wurden, an dessen Idealität und Lebensfülle die ihrige Teil nahm. Nur so hat es kommen können, daß derselbe Rafael, welcher den Christusknaben der Madonna del passeggio schuf, auch das wunderbare Kind mit der Schrifttafel im Vordergrund der Madonna di Foligno malen konnte. Die spätere Kunst hat die Kinderengel oft in großer Profusion verwendet, Rubens in ganzen Guirlanden, Murillo in zerstreuten Gruppen, je nachdem der Wind die Wolken treibt, auf welchen sie sich befinden. Im einzelnen wird man auch hier noch viel Schönes und Liebliches finden.

Zu völliger Individualität ausgebildet sind die drei Erzengel. Rafael als Begleiter des jungen Tobias ist dann überhaupt zum Angelus Custos der Jugend geworden in herrlichen Bildern der italienischen Kunst. Michael ist nach der Andacht des Mittelalters der Seelenwäger im Weltgericht und der Sieger über die dunkeln Mächte; in gewaltigem Schwung saust er mit der Lanze auf den Satan nieder. Gabriel ist der Engel der Verkündigung, und mit dieser, mit einem jener Themata, wie sie die hohe Kunst nicht herrlicher wünschen kann, beginnen dann die erzählenden Darstellungen. Hier haben auch Schulen, welchen die lebendige Bewegung noch weniger zu Gebote stand, wie die altflandrische und altdeutsche, ein höchstes erreichen können in der Anmut und Innerlichkeit der beiden Köpfe, in der weihevollen Stille der Vision, welche von glänzenden Spätitalienern nicht mehr so erstrebt noch erreicht worden ist.

Die Heimsuchung der Maria ist vor allem einer der Anlässe gewesen, die Landschaft walten zu lassen, und zwar das Gebirge, über welches Maria zu Elisabeth kam. Die moderne Landschaft mag es sich offen gestehen, daß auch sie im Heiligtum und für das Heiligtum entstanden ist; eine höhere Macht hat über die elementare Natur den Segen sprechen müssen, damit sie darstellungswürdig und schön wurde. Die Begegnung der beiden Frauen verlangt eine reine Empfindung, welche auch Malern ersten Ranges nicht immer eigen gewesen ist, wohl aber zum Beispiel unserm kräftigen Hans Baldung in dem einen Flügel des Freiburger Hochaltars, und es tut uns wohl, ihn hier nennen zu können als einen, der in der Hauptsache neben den berühmten Heimsuchungen von Palma Vecchio, Rafael, Paolo Veronese und Rubens seinen besondern Sieg behält. Ihm wie dem Mariotto Albertinelli haben die beiden Gestalten im Vordergrund genügt, während bei andern durch Zutat des Zacharias, des Joseph und der Dienerschaft die Szene zu einer bloßen anmutigen Begrüßung geworden ist.

Die Vermählung der Maria, mit dem Doppelchor von Jungfrauen und Freiern aus einer mittelalterlichen Sage, ist für uns eins geworden mit einem Wunderwerk des jugendlichen Rafael, das keiner mehr erreicht hat.

Es folgt die Geburt, nach alter Kunstübung vereinigt mit der Anbetung der Hirten. Wir werden sogleich von der Anbetung der Könige zu sprechen haben, welche in der Kunst so viel mehr in den Vordergrund tritt; die Anbetung der Hirten aber ist das gemütlich schönere Thema, weil es gar keine Zeremonie ist, sondern rein in Rührung und Entzücken aufgeht. Es sind die Armen, aber sie sind die ersten Zeugen, und Engel haben es ihnen verkündigt und sie – laut den Malern – auch bis in die Hütte begleitet. Hier kommt die Schönheit besonders des armen italienischen Rassevolkes vom greisen Hirten bis zum jungen Hirtenmädchen zu ihrem Rechte; bisweilen blasen einige von ihnen den Dudelsack und Pfeife, als Hirtenfreude. Da die Szene eine nächtliche ist, wagten es erst flandrische und deutsche Meister, wie Baldung und Holbein, das Licht von dem strahlenden Kinde in der Krippe ausgehen zu lassen; erst einige Jahre später schuf Correggio seine heilige Nacht. Rubens aber, in den mindestens fünf Bildern dieses Inhaltes, ist herzlich und gemütlich wie irgendwo.

Nun erst kommt das mächtige, von Segen für die Kunst triefende Thema der Anbetung der Könige. So wie der ferne Orient auf göttliche Weisung hergezogen kam, so ist seither die Kunst von sechzehn Jahrhunderten seit den altchristlichen Sarcophagen und Mosaiken periodisch hergezogen gekommen und hat dieser Aufgabe jedesmal ihre vollen Kräfte und Gaben dargebracht: et obtulerunt ei munera.

Zu den fünf Hauptfiguren, der Mutter, des Kindes und der Könige gesellte sich freilich aus lauter eifriger Andacht allmählich ein gewaltiges Gefolge, bis in weite Ferne, bis zur Heeresmacht, welche zwischen Gebirgen heranzieht; ja Benozzo Gozzoli in den Fresken der mediceischen Kapelle des Palazzo Ricardi führte den Zug um drei Wände des Raumes herum Späterer Nachtrag: Cf. auch Gaudenzio in einer Capelle del sacro monte von Varallo.. In der nächsten Nähe entstand vollends ein Gedränge, wie auf dem berühmten Altarwerk des Gentile da Fabriano. Da war es Zeit, wieder in das Einfach-Mächtige einzulenken, und dies war die Aufgabe, welche sich Lionardo setzte in dem unvollendeten, nur angelegten Bilde der Uffizien; Mutter und Kind in der Mitte des Bildes sind hier umgeben von einem strengen Halbkreis von Stehenden, Gebückten und Knieenden, voll der tiefsten Erregung. Auf diesem Pfade schritt dann Rafael weiter in einer seiner spätesten Kompositionen, einem mächtigen Breitbild, welches uns freilich nur in unwürdiger, willkürlicher Uebersetzung durch einen der Teppiche der sogenannten zweiten Reihe überliefert ist. Aber die Schönheit eines großen rafaelischen Motives ist eine untödliche. Auch hier nehmen Mutter und Kind vor dem Gemäuer die Mitte des Bildes ein; rechts und links Gruppen, welche sich malerisch völlig aufwiegen. Links sind es die Asiaten, deren Typus und Tracht zum Teil von den Barbaren aus antiken Statuen und Reliefs entlehnt ist, alle in einem und demselben heftigen Zug auf die Knie geworfen mit vorgestreckten Armen; rechts hat Rafael wohl ein anderes Volk, die Hellenen darstellen wollen, denn hier sind Bewegung, Ausdruck, Gestalt und Tracht wundersam individuell abgestuft.

Ganz als wäre aber diese Szene noch völlig frisch und nie gemalt worden, hat Paolo Veronese mindestens fünf große Darstellungen derselben, alle von einander unabhängig, hinterlassen, und Rubens hat sie zwölfmal, jedesmal mit neuem Feuer komponiert, jedesmal als wäre ihm das Thema vorher nie begegnet. Und von all dieser Herrlichkeit kehren wir so gerne zu Zeiten wieder in die alten Schulen zurück und verehren auch im Kölner Dombild des Meisters Stephan das höchste, was seine Zeit und Kunst empfand und was sie vermochte.

Die Darstellung im Tempel verherrlicht in der Regel die priesterliche Würde auf das höchste, indem Simeon, gen Himmel schauend, die Worte eines bald selig Sterbenden ausspricht. Nur das allervorzüglichste dieser Bilder von Fra Bartolomeo Galerie-Zitat: im Belvedere (in Wien). erteilt dem Christuskinde selbst die höchste Funktion; während Simeon zu Maria leise redet, spendet es den Segen und deutet mit der Linken auf seine Brust. An stiller Harmonie, an Weisheit der malerischen Aequivalente, an Schönheit und Würde der einzelnen Gestalten steht dies Bild auf der vollen Sonnenhöhe aller Kunst.

Die Mutter mit dem Kinde und das erweiterte Thema der heiligen Familie, ein Gegenstand, welchen die christliche Kunst bekanntlich vor dem ganzen Altertum voraus hat, offenbart in jeder Schule und bei jedem Maler, welches das Vermögen der Lieblichkeit und die Gabe der höhern Stimmung sei. Auch wenn diese Aufgabe hundert Jahre lang keinen berühmten Künstler beschäftigt, so wird sie nach einer solchen Pause immer wieder neugeboren ans Licht treten.

Der Kindermord von Bethlehem gelangte wahrscheinlich auf die Altäre, weil man an vielen Orten Reliquien der unschuldigen Kinder zu besitzen glaubte. Meister der Bewegung und des Ausdruckes, wie Rafael, Guido und Rubens haben das Thema in ergreifender Weise behandelt; aber man wird es nie zu den glücklichen rechnen.

Die Flucht nach Aegypten und die Ruhe auf der Flucht, beides oft in Geleit von Engeln, sind als Themata der Malerei über jedes Lob erhaben. Welche liebliche Inspiration leitete Baldung, als er Maria mit dem Kinde unter einer Palme vorbeireiten ließ, deren Zweige von Engelkindern niedergebeugt werden, damit eines davon dem Christuskind Datteln reichen könne! Beide Themata sind auch für die höhere Weihe der Landschaftsmalerei von größter Bedeutung geworden, von dem zauberhaft geschlossenen Walddickicht des Correggio Galerie-Zitat: Madonna della scodella, Parma. bis zu dem offenen paradiesischen Gelände bei Claude Lorrain Galerie-Zitat: Galerie Doria..

Nun folgt allerdings eine für die Kunst wahrhaft gefährliche Szene: Christus als Knabe unter den Schriftgelehrten, wobei die geistige und seelische Ueberlegenheit einer einzelnen Gestalt über eine große antipathische Majorität zur Geltung gebracht werden soll. Geschickte Meister wie Jordaens und Rembrandt mochten zwar mit äußern Kunstmitteln, Kolorit, Mitwirkung der Kostüme und der Tempelarchitektur und anderm noch immer ansehnliche Bilder hervorbringen, konnten aber die schwere Inkongruenz, welche in der Sache liegt, nicht verbergen. Doch hat die Welt wenigstens einmal erfahren müssen, wie sich ein Genius höchsten Ranges zu diesem Momente stellen würde, und zwar durch das von Lionardo entworfene und vielleicht angefangene, von B. Luini Späterer Nachtrag: eher A. Solario? ausgeführte Bild der Nationalgalerie. Wie so gerne bei Gegenständen, welche schon durch physiognomische Gegensätze erledigt werden können, sind es diesmal bloße Halbfiguren, und Tempel und Accessorien haben einem bloßen dunkeln Grunde Platz gemacht; Christus aber, in Gestalt eines jugendlichen Engels von überirdischer Schönheit, argumentiert nicht gegen die vier anwesenden Schriftgelehrten, sondern er spricht nach vorn zum Beschauer.

Im spätern Leben Christi sind die Gespräche mit den Pharisäern und Schriftgelehrten bekanntlich nie ausgegangen, und zwei dieser Momente: Die Szene der Ehebrecherin und des Zinsgroschen, sind wahrhaft kunstüblich geworden. Allein die Malerei nahm den Schriftgelehrten hier schon durch ihre geringere Zahl und durch Beschränkung auf Halbfiguren oder Kniefiguren gewissermaßen die physische Uebermacht und stellte ihnen einen erwachsenen Christus voll Hoheit gegenüber, welcher überdies im vollen Lichte zu stehen pflegt, während jene das Licht vom Rücken haben. Tizian hat den Zinsgroschen sogar auf zwei Halbfiguren beschränkt und auf dieses Bild seinen höchsten Christustypus verwendet. Und doch wird die noch mächtigere Wirkung jenem Bilde Lionardos mit der jugendlichen Engelgestalt verbleiben.

Neben der Jugend Christi tritt nun Persönlichkeit und Geschichte Johannes des Täufers groß und bedeutungsvoll in die Kunst ein, welche dem Vorläufer viele Einzeldarstellungen, auch durch Rafael und Tizian, und ganze Zyklen gewidmet hat, letztere durch Dom. Ghirlandajo und A. del Sarto. Denn für diese Florentiner war der Täufer der große Schutzheilige ihrer Stadt. Es gibt einzelne herrliche Bilder, da Johannes seine Zuhörer auf den in der Ferne wandelnden Christus weist, und der Jordan rief öfter einer schönen Landschaft; in höherem Grade kunstüblich wurde aber nur die Taufe Christi und das letzte Schicksal des Täufers. Die Taufe hat aus der goldenen Zeit ein Wunderbild wie das des Cesare da Sesto Galerie-Zitat: beim Duca Scotti in Mailand. aufzuweisen und aus dem XV. Jahrhundert das Gemälde von Verrochio Späterer Nachtrag: der Francia in Dresden., und auch bei den Spätern gehört diese Szene meist zum vorzüglichsten und reinsten, was sie geschaffen haben; so bei Guido Reni Galerie-Zitat: Belvedere., Albani Galerie-Zitat: Pinacoteca zu Bologna. und Maratta (Chor von S. Maria degli Angeli zu Rom). Guido verlieh seinem Christus die tiefste Andacht, dem Täufer Größe. – Was jedoch auf die Enthauptung folgt, die Tochter des Herodes mit oder ohne Umgebung und ihr Verhalten zum Haupte des Johannes, ist überhaupt nicht im Sinne der religiösen Kunst gemalt worden, wohl aber in allen Schulen um des malerischen Themas willen. Unser Museum besitzt die merkwürdigste Darstellung der Uebergabe des Hauptes, welche die deutsche Kunst hervorgebracht hat: das kleine Prachtbild des Nicolaus Manuel. Rein künstlerisch genommen ist der Kontrast zwischen einem idealen toten Haupt und einem vollen jugendlichen Leben, zwischen einem edeln Opfer und einem herzlosen Triumph recht wohl eine Aufgabe, welcher sich große Kräfte widmen konnten.

Im Leben Christi müssen wir wieder anknüpfen bei der Versuchung; aber dies psychologisch so viel versprechende Thema eignete sich nicht für Altäre, und die wenigen vorzüglichen Darstellungen desselben stammen, so viel mir bekannt ist, von nordischen Malern her. Im untern Freskenzyklus der sixtinischen Kapelle geht wohl eine Versuchung von Sandro Botticelli mit; allein diese wunderliche Komposition erschöpft gerade die seelische Seite der Erzählung nicht.

In jenem nämlichen Zyklus aber finden sich die wunderbarsten Berufungen der Apostel dargestellt, von Dom. Ghirlandajo und Pietro Perugino. Zwar enthalten diese mächtigen Breitbilder nach Art des XV. Jahrhunderts eine zahlreiche Assistenz von Unbeteiligten, welche uns nur als lebendig aufgefaßte Menschen überhaupt interessieren; aber in der Mitte der Bilder geht ein großartiger, weihevoller Moment vor sich. Bei Ghirlandajo knien Petrus und Andreas vor Christus; bei Perugino ist es die Verleihung des Amtes der Schlüssel, vielleicht das Mächtigste, was der noch nicht süßlich gewordene Perugino in seiner besten Zeit gemalt hat; Ausdruck und Gebärde des knieenden Petrus gehören bereits zum ersten der hohen und freien italienischen Kunst.

Das Lehramt Christi ist kein Gegenstand für die Malerei. Hiemit soll nicht gesagt sein, daß begabte Meister mit Aufwand vieler Kunstmittel nicht ein bestimmtes Gespräch Christi mit den Jüngern kenntlich machen, ja sogar eine Bergpredigt malen könnten; allein malerisch bleibt ein Mißverhältnis übrig zwischen einem Sprechenden und einer großen Menge, die sich nur durch leise Schattierung eines und desselben Ausdruckes unterscheiden kann. Man wird etwa sagen: Ein sichtbarer Vorgang ist für das Auge beinahe unentbehrlich und dieser fehlt hier. Allein die ideale Kunst kennt manche große Szenen ohne allen äußern Vorgang; nur ist es dann ein anderes Beisammensein, als das eines Sprechenden und vieler Hörenden. Wir können aber leicht ins klare kommen, sobald wir sehen, wie völlig genügend, ja mit welcher ergreifenden Deutlichkeit die Malerei das Gespräch Christi mit einem oder zwei Anwesenden darzustellen vermocht hat: Christus mit Nicodemus als Nachtbild, Christus mit Martha und Maria, und vor allem das herrliche Lieblingsthema der Venezianer: Christus mit der Samariterin am Brunnen.

Immerhin hat die Malerei die Lehre Christi so viel als möglich darzustellen versucht, indem sie die Gleichnisse daraus wählte und nach ihrem ganzen Hergang veranschaulichte. Man ging darin oft sehr weit, bis zu den Blinden als Blindenleitern, ja bis zum Splitter in dem Auge des einen und dem Balken im Auge des andern, und zu Anfang des XVII. Jahrhunderts hat Domenico Feti eine ganze Reihe von Genrebildern geschaffen, mit welchen eigentlich Parabeln des neuen Testaments gemeint sind, wie zum Beispiel das Weib, welches den verlorenen Groschen sucht. Das byzantinische Malerbuch vollends nennt vierzig Parabeln, welche gemalt wurden. Kunstberühmt aber wurden vor allem die Geschichte vom verlorenen Sohn und die vom barmherzigen Samariter. Die Deutlichkeit des Sinnbildes und des äußern Herganges in seinen aufeinander folgenden Momenten ließen hier nichts zu wünschen übrig. Für die Geschichte vom reichen Mann und dem armen Lazarus haben wir wenigstens die eine überaus geistvolle Ausführung von Bernard van Orley, auf den Außenflügeln seines Hiobsaltars in der Galerie von Brüssel. Dagegen haben die klugen und törichten Jungfrauen, welche im Mittelalter als Statuen so manches Kirchenportal schmückten, in der großen Malerei des XVI. und XVII. Jahrhunderts keine namhaften Darsteller gefunden, was seinen Grund in der Schwierigkeit haben möchte, sie als nächtliche Gruppe im Streit um das Oel deutlich wirken zu lassen.

Die Wunder sind für die malerische Darstellung in sehr ungleichem Grade geeignet. Der Zusammenhang zwischen einer gewöhnlichen Ursache und einer gewöhnlichen Wirkung, worauf sonst die Sichtbarkeit eines Herganges beruht, ist hier aufgehoben; an ihre Stelle tritt ein Machtwort oder eine Gebärde und daneben ein Ereignis, welches für den gläubigen Sinn allerdings die Folge davon sein soll, es aber für das Auge nicht ist. Die Vervielfachung der Brote und Fische, das Verhalten Christi auf dem Schiffe, besonders Marcus VI, 45, der wunderbare Fischzug, sind von sehr großen Meistern dargestellt worden, aber für die letztere Szene hat es doch der ganzen allerreifsten Kraft Rafaels bedurft, um im ersten Teppich der berühmten Reihe neben der hohen Schönheit auch die überzeugende Deutlichkeit zu erreichen.

Schon weit darstellbarer sind die Heilungen, die Verbindung zwischen dem Wort Christi und der plötzlich aufleuchtenden Hoffnung eines Kranken. Der Teich von Bethesda, wo Christus zu dem Kranken spricht: »Stehe auf, nimm dein Bett und wandle«, hat venezianischen und niederländischen Meistern zugleich den Anlaß geboten, eine große Hallenarchitektur, einen Wasserspiegel, eine Menge von Duldenden darzustellen.

Vollkommene Sichtbarkeit des Vorganges erreicht jedoch die Malerei erst bei den Totenerweckungen. Die Tochter des Jairus und der Jüngling von Nain, jenes eine Szene des geschlossenen Raumes und Lichtes, letzteres ein Hergang im Freien vor dem Stadttor, sind von bedeutenden Meistern behandelt worden. Allem aber geht in der Darstellbarkeit voran die Erweckung des Lazarus; der Bericht ist ein sehr umständlicher, die Szenerie mit dem Grabe eine mächtige, die Anwesenheit der beiden Schwestern ein hoher Gewinn für die Kunst. Kompositionen ersten Ranges sind seit Giotto diesem erschütternden Hergang gewidmet worden: in Konkurrenz mit Rafaels Transfiguration malte Sebastiano del Piombo mit Hilfe Michelangelos das berühmte Bild der Nationalgalerie, welches die höchste künstlerische Meisterschaft und Gelehrsamkeit, nur nichts Ergreifendes hat; hundert Jahre später aber schuf Rubens die jetzt in der Galerie von Berlin befindliche Erweckung des Lazarus. Wem der Riese der erzählenden Macht hie und da in andern Bildern unidealisch und massiv erschienen ist, der komme und bekenne vor diesem wunderbaren Werke, daß eine so ergreifende Darstellung des Herganges sonst überhaupt nicht und ein so erhabener Christus kaum wieder gemalt worden.

Von andern Ereignissen des neuen Testamentes haben die Maler besonders gerne die schon erwähnte Szene von Christus und der Ehebrecherin behandelt, einen psychologisch überaus anregenden Moment, der auch eine große optische Schönheit gestattet, sobald nicht Christus sich auf die Erde bückt, um zu schreiben. Tizian, in dem Bilde des Belvedere zu Wien, hat vielleicht geleistet, was geniale Oekonomie leisten konnte; er beschränkte sich, wie bei wesentlich physiognomischen Aufgaben öfter, auf Kniefiguren und den neutralen Grund einer Mauerkante; keine Architektur, kein Tempel; die Pharisäer haben das Weib ergriffen und Christus überrascht, ja überfallen; Hauptlicht hat nur Christus links, ein zweites Licht die wehmütig niederschauende, von zweien sehr derb gepackte Frau; sämtliche Pharisäer, deren Reden und Zischeln man errät, sind im Halblicht oder im Dunkel gegeben.

Ein schönes Thema, welches meines Erinnerns nur der byzantinischen (Griechisches Zitat}, pag. 191. und dann wieder der protestantischen Malerei seit Cranach angehört, ist Christus, der die Kinder segnet. Dasselbe löste malerisch gesprochen eine andere bis zur Reformation sehr häufig dargestellte Szene ab: die sogenannte Sippschaft Christi. Die spätmittelalterliche Vorstellung hatte nämlich vorausgesetzt, daß die Mütter sämtlicher Apostel Verwandte der Maria gewesen, und damit wurde deren gemeinsame Darstellung samt allen Kindern verlangt, letztere auf der Erde spielend oder in den Armen der Frauen, das Christuskind in der Mitte.

Die Gastmähler des neuen Testamentes sind hauptsächlich, ja fast ausschließlich für die Refektorien reicher Klöster gemalt worden, in einem überwiegend weltlichen Sinn; denn der ältere Klostergebrauch hatte in jenen Räumen nur das Abendmahl und etwa noch die Passion gefordert. Bei der Hochzeit von Cana ist das ohnehin schwer zu verdeutlichende Wunder meist völlig übertönt von den tafelnden Gästen, auch wenn es nicht so glänzend prächtig zugeht, wie in dem berühmten Kolossalbilde des Paolo Veronese. Von demselben großen Meister und seinem Atelier gingen auch mehr oder minder ruhmwürdige Darstellungen der Gastmähler beim Pharisäer oder bei Simon von Bethanien aus. Hier mußte dann Magdalena vorkommen, welche Christo die Füße salbt und mit ihrem Haar abtrocknet, und dies ist einer der merkwürdigen Momente, welche zwar beim Lesen völlig würdige Bilder erwecken, im Gemälde aber etwas anstößiges haben, was auch der größte Maler nicht umgehen könnte. Laut dem Text kann sich Magdalena fast unbemerkt genaht haben und muß erst allgemach beachtet worden sein, während der Maler sogleich die Blicke auf sie lenken muß als auf die Hauptsache. Paolo hat sich auf die verschiedenste Weise zu helfen gesucht, und auf den Bildern des Louvre, der Brera und der Galerie von Turin der Magdalena ganz verschiedene Stellen angewiesen, die bescheidenste in dem Bilde der Brera; das Turiner Bild, als Gemälde das vorzüglichste von allen, ist zugleich in der Wirkung das profanste, nicht nur wegen der vielen neutralen Figuren und Baulichkeiten, sondern weil rechts vorn jene symbolische Handlung dem Beschauer so nahe gerückt ist, welche im Bilde kein richtiges Resultat geben kann. Das orientalische Salben, für uns schon an sich fremdartig, geschieht hier, während Christus sitzend zu den übrigen spricht, und zwar so, als ob er über irgend etwas gleichgültiges spräche.

Der höchste Augenblick aus der Zeit des Erdenlebens Christi, die Verklärung auf Tabor, hat feierliche Darstellungen hervorgerufen schon seit dem frühen Mittelalter, und im XV. Jahrhundert hat Giovanni Bellini das strenge, tief andächtig empfundene Bild geschaffen, welches sich im Museum von Neapel befindet, immerhin die weitaus bedeutendste vorrafaelische Transfiguration. Rafaels Gemälde im Vatikan aber, wo die verklärte Szene in Verbindung gebracht ist mit der Geschichte vom besessenen Knaben, ist dann eines der ganz großen Vermächtnisse der reifen italienischen Kunst an die künftigen Völker und Jahrtausende.

Vom Einzug in Jerusalem ist mir keine ältere Darstellung bekannt, welche dem sehr reichen und großartigen Moment gerecht geworden wäre; aus unserm Jahrhundert stammen unter anderm die schönen Kompositionen von Overbeck und von Hippolyte Flandrin in den Fresken von S. Germain des Prés, welche wohl der strengen kirchlichen Kunst genügen, aber die Möglichkeiten des Themas noch lange nicht erschöpfen. Die Doppelbewegung des Zuges Christi und der ihm Entgegenströmenden, der Gegensatz von Jubel und Todesahnung, die grandiose Oertlichkeit mit dem Tempel in der Höhe, dies und so vieles andere scheint noch einer neuen Lösung Raum zu lassen, welche überdies alle Mittel der Farbe, Beleuchtung und Landschaft zu Hilfe nehmen könnte, um dem Einzug in Jerusalem die volle Macht zu verleihen, deren diese Szene fähig wäre.

Ein Moment, welcher nur naturalistischen Schulen und Malern zusagte, war die Vertreibung der Händler aus dem Tempel. In Neapel, wo man vielleicht Mühe hatte, die Kramladen vom Innern der Kirchen fern zu halten, kommen mehrmals große Fresken dieses Inhalts vor; außerdem hat sich Jordaens bei dieser Szene wohl befunden, und auch Rembrandt hat ihr eine berühmte Radierung gewidmet.

Indem wir nun von der Passion zu reden hätten, entsinkt uns der Mut. Wer soll in Kürze berichten, wie hier die Religion die Malerei an der Hand genommen und auf die höchsten Höhen nicht bloß des Empfindens, sondern auch des Könnens hinaufgeführt hat? Die großen Meister haben es nie als eine Zurücksetzung empfunden, daß in der Mitte ihrer Aufgaben sich kein antiker Schönheitsjubel, kein Apollon, noch Dionysos, sondern ein Leiden vorfand; denn hier erst entdeckten sie die höchsten Kräfte in ihrem Innern. Welche Augenblicke für die Malerei! Sie heißen Abendmahl, Gethsemane, Gefangennehmung, Geißelung, Eccehomo, Kreuztragung, Golgatha, Kreuzabnahme; dann die drei Momente: Beklagung, Grabtragung und Grablegung; hierauf folgen die Bilder des Christus in der Vorhölle, der Auferstehung, der Frauen am Grabe, des Christus als Gärtner und endlich jenes erhabene Emmaus. Ueber letzteres allein sei hier ein Wort gestattet. Ein Glücksfall hat es gewollt, daß die größten Meister diese Szene für die Gastquartiere von Klöstern zu schildern bekamen. Das Evangelium verlegt die Wandelung in die bisher stumpfen Augen der beiden Jünger; die Malerei aber hat es wagen dürfen, sie auch in Christus selbst zu verlegen, und bei Giovanni Bellini strahlt auf einmal sichtbar eine übermenschliche Hoheit aus ihm hervor.

Himmelfahrt und Pfingstfahrt sind zwar von berühmten Meistern, letzteres von Tizian und Rubens behandelt worden, aber nicht mit voller Teilnahme. Die Himmelfahrt Christi war völlig in den Schatten geraten neben der Himmelfahrt der Maria.

Die auserlesensten Momente der Apostelgeschichte scheinen auf alle Zeiten erledigt durch Rafaels Kompositionen zu den Teppichen der ersten Reihe. Man würde es schwer haben, sich von derjenigen Erzählungsweise wieder loszumachen, welche ihm auf der Höhe seiner Macht verliehen gewesen ist. Er hat einen Typus der apostolischen Menschheit geschaffen, welcher der bleibende sein wird.

Den Abschluß der großen kirchlichen Aufgaben machen die letzten Dinge. Man überdenke, was Auferstehung und Weltgericht für die Malerei seit den byzantinischen Mosaiken geworden sind, wie sie von Zeit zu Zeit, mit Orcagna, Signorelli und Michelangelo, Rubens und Cornelius deren höchste Kräfte in Anspruch genommen, ja ihre Schicksale bestimmt haben. Den unermeßlichen Reichtum an Ausdruck jeder Art und Stufe einer malerischen Einheit zu unterwerfen, war nur Sache eines ganz außerordentlichen Vermögens; aber dasselbe hat sich mehrmals gefunden und ist bei diesem Thema erst seiner ganzen Macht bewußt geworden.


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