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Laßt uns indessen auf das große innere Wunder des Sansculolottismus und der Revolution blicken, sehen, ob es sich regt und wächst, denn hier und nicht anderswo mag noch Hoffnung sein für Frankreich. Das Revolutionswunder formt sich in diesen Tagen schnell, Glied nach Glied, in schreckliche Gestalt und Größe, da vom Berg ein Beschluß um den anderen ausgeht, deren Reihe, der Natur der Sache gemäß, schöpferischen fiats vergleichbar sind. Im letzten März, 1792, sahen wir ganz Frankreich in blindem Schrecken, Stadtbarrieren verschließend, Pech siedend für die Briganten. Glücklicher sind wir diesen März, wo wir dem Schrecken ins Angesicht sehen können, wo ein schöpferischer Berg da ist, der fiat sagen kann. Die Rekrutierung geht mit grimmiger Eile vor sich, doch zögern unsere Freiwilligen, sich auf den Marsch zu machen, ehe nicht der Verrat zu Hause bestraft worden; sie fliegen 298 nicht an die Grenze, sondern nur hin und her, fordernd und schmähend. Der Berg muß neue und immer neue » fiats« aussprechen.
Und thut er's nicht? Ei wohl, man nehme als erstes Beispiel die Comités Révolutionnaires zur Verhaftung verdächtiger Personen. In jeder Stadt Frankreichs sitzt solch ein revolutionärer Ausschuß von zwölf auserwählten Patrioten, verhört Verdächtige, sucht nach Waffen, nimmt Haussuchungen und Verhaftungen vor, sorgt im allgemeinen dafür, daß die Republik keinen Schaden erleide. Durch allgemeines Stimmrecht, jeder in seiner Sektion, gewählt, sind sie eine Quintessenz des Jakobinismus, ihrer vierundvierzigtausend, über ganz Frankreich wachend und thätig. In Paris und in allen Städten muß jede Hausthür die Namen der Bewohner lesbar gedruckt tragen »in einer Höhe von nicht über fünf Fuß vom Boden,« jeder Bürger muß seine vom Sektionspräsidenten unterzeichnete Carte de Civisme vorzeigen können, jedermann bereit sein, Rechenschaft abzulegen über Treue und Glauben. Verdächtige thäten wahrlich besser, diesen Boden der Freiheit zu verlassen. Und doch ist auch das Fortgehen schlimm, denn alle Emigranten sind für Verräter erklärt, ihr Eigentum wird Nationalgut, sie sind »tot vor dem Gesetz,« außer dann, wenn es zu unserem besten ist; dann sollen sie »noch fünfzig Jahre leben vor dem Gesetz« und alle ihnen in dieser Zeit zufallenden Erbschaften auch dem Nationaleigentum zufallen« So cirkuliert eine tolle Lebenskraft des Jakobinismus, mit vierundvierzigtausend Thätigkeitscentren durch alle Fasern Frankreichs.
Sehr merkwürdig auch ist das Tribunal Extraordinaire, Moniteur, No. 70 (du 11 Mars), No. 76, etc. das der Berg dekretiert hat unter dem Widerspruch einiger Girondisten, denn gewiß widerspricht ja ein solcher Gerichtshof aller Formel, während andere Girondisten zustimmten, ja ostentativ dafür waren, denn, o Volk von Paris, hassen wir nicht alle die Verräter? – Das Tribunal vom Siebzehnten im vorigen Herbst war schnell, doch dieses neue soll schneller sein. Fünf Richter, permanente Geschworene, die, zur Vermeidung von Zeitverlust beim Wählen, aus Paris und der Nachbarschaft gewählt werden; diese Jury ist keiner Appellation, kaum irgend einer Prozeßform unterworfen, sondern soll möglichst schnell »sich überzeugen« und der Sicherheit wegen »hörbar abstimmen,« hörbar für die Ohren eines 299 Pariser Publikums. Dies ist das Tribunal Extraordinaire, das in einigen Monaten, wenn es in die lebhafteste Thätigkeit geraten wird, Tribunal Révolutionaire heißen wird, wie es ja von Anfang an sich selbst genannt hat. Mit einem Herman oder einem Dumas als Präsidenten, einem Fouquier-Tinville als Generalanwalt, mit einer Jury von Leuten wie der Bürger Leroi, der sich den Zunamen Dix-Août, »Leroi Zehnter-August« gegeben hat, mit diesen wird es ein Weltwunder werden. Es hat damit der Sansculottismus gegen sich selbst ein scharfes Schwert geschaffen, eine magische, in stygisches Höllenwasser getauchte Waffe, gegen deren Schneide jeder Schild, jede Verteidigung durch Kraft oder durch List wie Luft sein wird. Leben und eherne Thore wird es niedermähen, und das Schwingen dieses Schwertes wird Schrecken über die Seelen der Menschen bringen.
Aber wenn wir davon sprechen, wie der formlose Sansculottismus eine Form annimmt, sollten wir nicht vor allem erklären, wie der Formlose sich einen Kopf verschafft? Unbildlich gesprochen bleibt diese Revolutionsregierung bis jetzt in einem sehr anarchischen Zustande. Wohl giebt es einen vollstreckenden Ministerrat mit sechs Mitgliedern, aber diese Minister haben, besonders seit Rolands Rücktritt, kaum gewußt, ob sie Minister sind oder nicht. Konventausschüsse stehen hoch über ihnen, ein Ausschuß so hoch wie der andere: der Ausschuß der Einundzwanzig, der Verteidigungsausschuß, das Komitee der allgemeinen Sicherheit, gleichzeitig oder nacheinander, für spezielle Zwecke. Der Konvent allein ist allmächtig, – besonders wenn die Kommune mit ihm geht, aber er ist zu zahlreich für einen administrativen Körper. Darum erhalten wir gegen Ende März, in dieser gefährlichen, schnell wirbelnden Lage der Republik, noch unser kleines Comité de Salut Public; Moniteur, No. 83 (du 24 Mars 1793), Nos. 86, 98, 99, 100. wie es scheint für verschiedene zufällige Zwecke, die Beschleunigung bedürfen; wie es sich herausstellt, als eine Art Komitee für allgemeine Beaufsichtigung und allgemeine Unterwerfung. Diese neuen Komiteemitglieder müssen wöchentlich Bericht erstatten, beraten aber im geheimen. Sie sind ihrer neun, entschiedene Patrioten alle, darunter Danton, jeden Monat neu zu wählen; – aber warum wählt man sie denn nicht wieder, wenn sie tüchtig sind? Der Kern der Sache ist, daß ihrer bloß neun sind und daß sie im geheimen beraten. Ein 300 unbedeutend scheinendes Ding zuerst, dieses Komitee, aber mit dem Zeug in sich, zu wachsen. Vom Glück, von innerer Kraft des Jakobinismus gefördert, wird es sich alle Komitees und den Konvent selbst zum stummen Gehorsam unterwerfen, die sechs Minister zu fleißigen Schreibern, wird seinen Willen durchsetzen auf der Erde und unter dem Himmel, für einige Zeit. Ein »Komitee der öffentlichen Wohlfahrt,« über das die Welt noch immer schreit und schaudert.
Wenn wir jenes Revolutionstribunal ein Schwert nennen, das der Sansculottismus sich selbst geschaffen hat, dann wollen wir das Gesetz über den Maximalpreis einen Proviantsack nennen, oder Brotbeutel, worin doch noch immer eine Ration Brot zu finden sein mag. Es ist wahr, die Nationalökonomie, der girondistische Freihandel und alle Gesetze von Angebot und Nachfrage sind damit über den Haufen geworfen, aber was hilft's! Der Patriotismus muß leben, die »Habgier der Landwirte« hat einmal kein Herz für die Hungrigen. Weshalb dieses Gesetz eines Maximums, das den höchsten Kornpreis fixiert, mit unendlicher Mühe durchgesetzt wird Moniteur ( du 20 Avril etc. bis 20 Mai, 1793.) und sich nach und nach ausdehnen wird auf ein Maximum des Preises für alle Sorten von Nahrungsmitteln und andern Waren, unter so viel Gereiße und Über-den-Haufen-werfen, als man sich nur vorstellen kann. Denn wenn jetzt, zum Beispiel, der Landwirt nicht verkaufen will? Dann soll er dazu gezwungen werden. Eine genaue Rechnung über das Korn, das er hat, muß den öffentlichen Behörden abgelegt werden. Er sehe wohl zu, daß er nicht zu viel ansagt, denn in diesem Falle werden seine Zinsen, Steuern und Kontributionen sich dementsprechend erhöhen; er sehe wohl zu, daß er nicht zu wenig ansagt, denn an oder vor einem bestimmten Tage, wir wollen annehmen im April, muß weniger als ein Drittel dieser angesagten Menge sich in seinen Scheuern übrig finden, mehr als zwei Drittel müssen gedroschen und verkauft sein. Man kann ihn denunzieren und Strafgelder von ihm erheben.
Durch ein solches unumgehbares Umstürzen aller Handelsverhältnisse will sich der Sansculottismus beim Leben erhalten, da es nicht anders geht. Im allgemeinen ist's halt, wie Camille Desmoulins einmal sagt: »Während die Sansculotten kämpfen, müssen die Herren zahlen.« So kommen denn Impôts progressifs, Progressivsteuern, die mit 301 schnell wachsender Gefräßigkeit die »überflüssigen Revenüen« der Menschen verschlingen; mit über fünfzig Louisdors jährlich ist man schon nicht steuerfrei, geht das Einkommen in die hunderte, so blutet man tüchtig, geht's in die tausende und zehntausende, so blutet man in Strömen. Dann kommen auch Requisitionen, kommt eine »Zwangsanleihe von einer Milliarde,« wo natürlich leihen muß, wer etwas hat. Unerhört genug! Frankreich ist ein Land geworden nicht für die Reichen, sondern für die Armen! Und dann, wenn man flieht, was nützt es? Tot vor dem Gesetz! Nein, zu ihrem verwünschten Besten noch fünfzig Jahre lebendig erhalten! In dieser Art geht's zu, alles fällt über den Haufen unter ça-ira-Singen – und zugleich giebt's endlosen Verkauf von Emigranten-Nationalgütern, Cambon schüttet sein unerschöpfliches Füllhorn von Assignaten aus. Der Handel und die Finanzwirtschaft des Sansculottismus und wie diese mit dem Maximum und den Bäckerqueues, mit Habgier, Hunger, Denunziation und Papiergeld ihr galvanisches Leben führten, wie sie begannen und endeten, – dies bleibt das interessanteste Kapitel der Nationalökonomie, das immer noch geschrieben werden muß. All diese Dinge, stehen die nicht im schreiendsten Gegensatz zu unserer Formel? O Girondisten, Freunde, die Republik, die wir bekommen, ist nicht eine Republik der Tugenden, sondern nur eine Republik der Kräfte; tugendhafter und anderer.