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Wohl mögen die Verdächtigen zittern, aber wie viel mehr die offenen Rebellen, die girondistischen Städte des Südens! Die Revolutionsarmee ist ausgezogen unter Ronsin, dem Komödienschreiber, sechstausend Mann stark, »in roter Nachtmütze, in trikolorer Weste, in schwarzplüschenen Hosen, schwarzplüschener Jacke, mit ungeheuern Schnurrbärten, ungeheuern Säbeln, – in carmagnole complète«; Siehe Louvet, p. 301. und sie führt tragbare Guillotinen mit sich. Der Repräsentant Carrier ist nach Nantes gekommen, am Rande der feuerlodernden Vendée, die Rossignol buchstäblich in Brand gesteckt hat. Carrier will untersuchen, welche Art Gefangene man hier macht, welche Mitschuldige sie haben, ob Royalisten oder Girondisten. Seine Guillotine geht beständig, – va toujours, und ebenso eifrig ist seine wollmützige »Compagnie Marat.« Kleine Kinder und Greise werden guillotiniert. So schnell die Maschine ist, so will sie doch nicht genügen, der Scharfrichter und alle seine Knechte sinken nieder, von der Arbeit ermattet, erklären, daß ihre menschlichen Muskeln nicht mehr leisten können. Deux Amis, XII, 249-251. Danach muß man's mit dem Füsilieren versuchen, worauf vielleicht noch entsetzlichere Methoden folgen werden.
In Brest herrscht zu gleichem Ende Jean-Bon Saint-André mit einer Armee roter Nachtmützen. In Bordeaux herrscht Tallien samt seiner Isabeau und Henkern. Guadet, Cussy, Salles, viele fallen; die blutige Pike und Nachtmütze geraten in höchsten Schwung, die Guillotine prägt Geld. Der borstige, fuchshaarige Tallien, einst ein befähigter Redacteur, noch immer jung, ist jetzt äußerst finster geworden; mächtig ist er, ein Pluto auf Erden, und hat die Schlüssel zum Tartarus. Man macht jedoch die Bemerkung, daß eine gewisse Senhorina Cabarus, oder richtiger Senhora und 371 verheiratete, noch nicht verwitwete Dame de Fontenai, ein braunes, schönes Weib, die Tochter des spanischen Kaufmanns Cabarus, – das rote, borstige Antlitz ein wenig gemildert hat, als sie für sich und ihre Freunde flehte, und daß sie erhört wurde. Für ein Weib sind die Schlüssel zum Tartarus, oder irgend eine Art Macht, etwas wert; gegen Liebe ist selbst der finstere Pluto nicht unempfindlich. Wie eine neue Proserpina wird sie von diesem roten finstern Gotte Dis gepflückt; und sie erweicht, wie man sagt, sein steinern Herz ein wenig.
Maignet in Orange im Süden, Lebon in Arras im Norden, werden Weltwunder. Wo immer es nötig, entsteht hier und da ein jakobinisches Volkstribunal mit seinem Nationalrepräsentanten, da, wo vielleicht vor kurzem ein girondistisches Volkstribunal gehaust hatte. Ein Fouché, Maignet, Barras, Fréron durchstreifen die südlichen Departements gleich Schnittern mit ihrer Guillotinesichel. Arbeiter sind viele, groß ist die Ernte. Zu Hunderten und zu Tausenden werden Menschenleben hingemäht, gleich Scheitern in die Flammen geworfen.
Marseille wird erobert und unter Kriegsgesetz gestellt. Seht, welch beschmutzte rotbärtige Kornähre ist's, die man da in Marseille abmäht? Einen dicken Mann mit kupferfleckigem Gesicht, mit überreichlichem Bart oder Bartstoppeln von ziegelroter Farbe, den meinen wir. Wer ist's? Bei der Nemesis und den Parzen, es ist Jourdan Coupe-tête! Ihn hat man hier in diesen unter Kriegsgesetz gestellten Distrikten ergriffen, auch ihn rasiert man strenge hinweg mit dem Nationalrasiermesser, dem rasoir national. Herunter ist der eigene Kopf Jourdans des Kopfabschneiders, herunter, wie die Köpfe Deshuttes' und Varignys, die er beim Weiberaufstand auf Piken umhersandte! Nicht mehr wird er im Kehrum durch die Städte des Südens fahren, ein unheilverkündendes Kupferwahrzeichen, nicht mehr als Richter mit Pfeife und Branntwein im Eiskeller von Avignon sitzen. Die alles bergende Erde hat ihn aufgenommen, den aufgeblasenen Ziegelbart; möge man nie wieder seinesgleichen sehen! – Jourdan wird viel genannt unter den Opfern der Guillotine; die andern Hunderte werden nicht genannt. Ach, unkenntlich für uns, liegen sie wie durcheinandergeworfene Reisigbündel aufgehäuft, werden nur nach Karrenladungen gezählt; und doch war kein einzelnes Zweiglein in diesem Haufen, das nicht ein Leben und eine Lebensgeschichte gehabt, das nicht mit 372 derselben Todesangst dahinging, die ein Kaiser beim Sterben fühlen mag.
Am wenigsten von allen Städten kann Lyon der Rache entgehen. Lyon, das wir in jener Nacht, als der Pulverturm in die Luft flog, in fürchterlicher Sonnenhelle sahen, neigte sich ersichtlich einem traurigen Ende zu. Unvermeidlich! Denn was vermochten verzweifelte Tapferkeit und Précy zu thun, wo Dubois-Crancé, taub wie das Verhängnis, streng wie das jüngste Gericht, Lyons Schanzen von Baumwollsäcken erobert hatte, die Stadt immer enger einschloß mit seiner Artillerielava? Nie wollte jener ci-devant d'Autichamp anlangen, nie die geringste Hilfe aus Blankenberg. Die Lyoner Jakobiner waren in Kellern verborgen, die girondistische Munizipalität wurde sorgenblaß, von Hunger, Verrat und Brand bedroht. Précy zog sein Schwert, und mit ihm etwa fünfzehnhundert; sie schwangen sich auf die Pferde, um sich nach der Schweiz durchzuschlagen. Wütend hieben sie ein, wütend wurde auf sie eingehauen; und zusammengehauen, zersprengt, sahen nicht hundert von ihnen die Schweiz. Deux Amis, XI, 145. Lyon ergab sich am 9. Oktober auf Gnade und Ungnade; es ist eine ergebene Stadt geworden. Abbé Lamourette, jetzt Bischof Lamourette, der einst als Gesetzgeber den alten Baiser de l'Amourette oder Delilakuß inscenierte, wird hier ergriffen, nach Paris gesandt, um guillotiniert zu werden; »er schlug das Kreuzeszeichen,« wie erzählt wird, als Tinville ihm das Todesurteil eröffnete, und starb als beredter, konstitutioneller Bischof. Aber wehe nun allen Bischöfen, Priestern, Aristokraten und Föderalisten, die in Lyon sind! Die Manen Chaliers müssen versöhnt werden. Die Republik, wie eine rasende Hexe, hat schon den rechten Arm entblößt, um ans Werk zu gehen. Seht, der Repräsentant Fouché. Fouché von Nantes, ein Name, der bekannt genug werden wird, er geht mit einer patriotischen Compagnie in wunderbarer Prozession, um, wie gebührend, den Leichnam Chaliers aus seinem Grabe zu erheben. Ein Esel, in einen Priestermantel gehüllt, eine Bischofsmütze auf dem Kopfe und am Schwanze Meßbücher nach sich schleppend, ja wie einige sagen, sogar die Bibel, schreitet durch die Straßen Lyons, begleitet von zahlreichen Patrioten und unter einem Höllenlärm; so geht's zum Grabe Chaliers. Der Leichnam wird ausgegraben und verbrannt, die Asche in eine Urne gesammelt, um vom Pariser 373 Patriotismus angebetet zu werden. Die heiligen Bücher werden ebenfalls verbrannt, ihre Asche in alle Winde zerstreut. All dies geht vor sich unter dem Rufe: »Rache, Rache!« – die, wie Fouché schreibt, genommen werden soll. Moniteur du 17 Novembre 1793.
Lyon ist wirklich eine Stadt, die vertilgt werden soll. Sogar der Name soll verschwinden; nicht Lyon von nun an, sondern » Commune affranchie, befreite Gemeinde,« soll es heißen. Es wird, wenn der Jakobinismus richtig prophezeit, dem Erdboden gleich gemacht werden, und auf den Ruinen der Stadt wird eine Säule sich erheben mit der Inschrift: Lyon rebellierte gegen die Republik, Lyon ist nicht mehr. Fouché, Couthon, Collot, die Konventsrepräsentanten folgen einander; da giebt's Arbeit für die Axt des Henkers, für den Hammer, doch nicht zum Aufbauen, sondern zum Niederreißen. Die Häuser sogar, die Häuser der Aristokraten, sie werden zum Tode verurteilt. Es schlägt der gelähmte Couthon, der sich in einem Sessel herzutragen läßt, mit dem Hammer an die Mauer, und sagt sinnbildlich: » La loi te frappe, das Gesetz trifft dich;« dann beginnen die Maurer mit Beil und Brechstange das Werk der Zerstörung. Krachend stürzen Mauern, finster wütet die Wut der Zerstörung, Staubwolken wirbeln im winterlichen Winde. Wäre Lyon aus weicheren Stoffen erbaut gewesen, es wäre in jenen Wochen vollständig verschwunden, und die Jakobiner Prophezeiung wäre in Erfüllung gegangen. Aber Städte werden nicht aus Seifenschaum erbaut, Lyon ist aus Stein erbaut. Lyon, obgleich es »rebellierte gegen die Republik, Lyon ist« – noch immer da, bis auf den heutigen Tag.
Auch haben die Lyoner Girondisten nicht bloß einen einzigen, gemeinsamen Hals, daß man sie mit einem einzigen Schnitt niedermähen könnte. Das Revolutionstribunal hier, und die Militärkommission da, sie guillotinieren und füsilieren, was sie können; die Gossen auf dem Platze des Terreaux fließen rot, es trägt die Rhône zerstückelte Körper auf ihren Wellen dahin. Collot d'Herbois, sagt man, sei einst aus der Lyoner Bühne ausgezischt worden, aber um ihn jetzt von der Bühne zu verscheuchen, in seiner neuen Rolle als Konvents-Repräsentant, welcher Zischlaute bedürfte es da, welcher Weltkatzenmusik, welcher Tartarentrompeten! Zweihundertundneun Verurteilte werden über den Fluß geführt, um auf der Brotteaux-Promenade mit Musketen und Kanonen in Masse 374 erschossen zu werden. Es ist dies die zweite derartige Scene, bei der ersten waren es ihrer Siebzig. Damals wurden die Leichname in die Rhône geworfen, aber die Rhône schwemmte einige ans Ufer, darum sollten diese nun, vom zweitenmal, im Boden begraben werden. Ihr gemeinsames langes Grab ist gegraben, sie stehen in der Reihe an den ausgeworfenen Hügeln lockerer Erde, die jüngeren singen die Marseillaise. Die Jakobiner Garden geben Feuer; aber wieder und wieder müssen sie feuern, das Bajonett und den Spaten brauchen, denn obschon die Unglücklichen alle fallen, so sterben sie nicht alle; – und es wird eine Schlächterei, zu gräßlich, um sie in Worten zu schildern. So gräßlich, daß sogar die Nationalgarden beim Feuern das Gesicht abwenden. Collot reißt einem solchen Nationalgardisten das Gewehr aus der Hand, und damit in unbewegter Ruhe zielend, sagt er: »So soll ein Republikaner feuern.«
Dies ist die zweite und glücklicherweise die letzte Füsillade, denn man findet sie zu scheußlich und auch unbequem. Zweihundertundneun wurden hergeführt, einer entrann am Ende der Brücke. Doch seht! Als man die Leichname zählt, so sind es Zweihundertund zehn. Löse uns dies Rätsel, o Collot! Nach langem Raten erinnert man sich, daß zwei Individuen, hier auf der Brotteaux-Promenade, versuchten, die Reihe zu verlassen, in Todesangst beteuernd, daß sie nicht Verurteilte, sondern Polizeikommissare wären. Beide waren dann, weil man ihnen nicht glaubte, zurückgestoßen und mit den übrigen erschossen worden. Deux Amis, XII, 251-262. So haust die Rache einer wütend gewordenen Republik. Sicherlich ist dies, wie sich Barrère ausdrückt, Gerechtigkeit »unter herben Formen, sous des formes acerbes.« Aber die Republik muß, nach Fouché, »zur Freiheit gelangen über Leichen.« Oder, wie wieder Barrère sagt: »Nur die Toten kommen nicht zurück, il n'y a que les morts qui ne reviennent pas.« Schrecken schwebt über allem weit und breit: »Die Guillotine geht nicht übel.«
Bevor die Geschichte diese südlichen Regionen verläßt, über die sie nur von obenhin zu blicken vermag, wird sie für einen Augenblick Halt machen und auf einen Punkt ihren Blick richten: die Belagerung von Toulon. Hier gab es viel Schießen und Bombardieren, man hat in Feldöfen oder Bauernhäusern Kugeln glühend gemacht, die Artillerie wurde gut und schlecht bedient, der Paß von Ollioules und das 375 Fort Malbosquet wurde angegriffen; bis jetzt alles mit geringem Erfolg. Wir haben General Cartaux hier gehabt, ehemals ein Maler, der in den Unruhen von Marseille emporgekommen ist, dann General Doppet, ehemals ein Mediziner, der bei den Unruhen in Piemont emporgekommen, und der auch unter Crancé Lyon genommen hat, aber Toulon nicht zu nehmen vermag. Schließlich haben wir General Dugommier, einen Schüler Washingtons. Auch Konventsrepräsentanten haben wir gehabt, Barras, Salicetti, Robespierre den Jüngeren. Auch einen Artillerie-Chef de brigade, einen äußerst eifrigen Offizier, der sich die nötige Ruhe oft nur inmitten seiner Kanonen gönnt; er ist ein kleiner, schweigsamer, junger Mann, von olivenartiger Gesichtsfarbe, nicht unbekannt für uns, – sein Name ist Buonaparte – einer der besten Artillerieoffiziere, die man je hatte. Und immer noch ist Toulon nicht genommen. Vier Monate schon ist's jetzt her – denn wir sind im Dezember nach dem Sklavenstil, im Frostmonat oder Frimaire nach dem neuen Stil – und noch immer weht dort die verwünschte rotblaue Fahne. Sie verproviantieren sich von der See aus, haben alle Höhen genommen, fällen Holz und verschanzen sich; wie Kaninchen haben sie sich ihr Nest in die Felsen hineingebaut.
Der Frostmonat ist noch nicht zum Schneemonat oder Nivose geworden, wenn draußen ein Kriegsrat zusammenberufen wird. Soeben sind Instruktionen von der Regierung und dem Salut public angekommen. Carnot vom Salut public hat uns einen Belagerungsplan gesandt, woran General Dugommier dieses, Kommissär Salicetti jenes auszusetzen hat, und Ansichten und Pläne gehen sehr auseinander, als jener junge Artillerieoffizier zu sprechen sich erkühnt; derselbe, den wir einen Moment des Schlafes erhaschen sahen inmitten seiner Kanonen, der wiederholt in dieser Geschichte schon aufgetaucht ist und der Napoleon Buonaparte heißt. Es ist seine bescheidene Meinung – denn er ist mit Fernglas und Gedanken fleißig herumgeschlichen –, daß ein gewisses Fort l'Eguillette genommen werden kann, plötzlich, mit einer Art Löwensprung. Von dort aus, wenn das Fort einmal in unsern Händen, könnte Toulon bis ins Herz hinein beschossen werden. Die englischen Linien würden von innen nach außen gekehrt, sozusagen, und Admiral Hood und unsere natürlichen Feinde müßten schon den nächsten Tag entweder in See stechen oder sich zu Asche verbrennen lassen. Die Kommissäre runzeln die Brauen mit wegwerfendem Blick: wer ist der 376 junge Herr mit mehr Verstand, als wir alle haben? Der wackere Veteran Dugommier hingegen hält die Idee noch eines Wortes wert, befragt den jungen Herrn, wird überzeugt und das Ende ist: Versuche er's.
Auf dem schweigsamen Bronzegesicht zeigt sich daher jetzt, wo alles so weit ist, ein grimmigerer Ernst als je; dahinter verbirgt sich ein heißeres inneres Feuer als je. Dort drüben siehst du das Fort l'Eguillette, ein verzweifelter, aber möglicher Löwensprung darauf hin, und noch heute muß er versucht werden! Er wird versucht und er gelingt. Durch List und Tapferkeit, indem man durch Schluchten schleicht, durch Feuerhagel sich stürzt, so wird das Fort l'Eguillette gestürmt, genommen; als der Pulverrauch sich verzogen hat, sehen wir die trikolore Fahne wehen. Der bronzefarbige junge Mann hatte recht. Am nächsten Morgen begiebt sich Hood auf seine Schiffe, da er seine inneren Linien dem feindlichen Geschütze ausgesetzt, seine Befestigungen wie von innen nach außen gekehrt findet. Die Royalisten mit sich an Bord nehmend, die es wünschen, lichtet er die Anker. Am 19. Dezember 1793 gehört Toulon wiederum der Republik.
Das Kanonieren in Toulon hat aufgehört und nun kann das Guillotinieren und Füsilieren beginnen. Schrecken des Bürgerkrieges, fürchterlich! Aber wenigstens ist die Schmach englischer Okkupation abgewaschen. Laßt denn ein Bürgerfest stattfinden über ganz Frankreich hin, so schlägt es Barrère oder der Maler David vor, und der Konvent soll insgesamt teilnehmen. Moniteur 1793, Nr. 101 (31. Dezember), 95, 96, 98 etc. Die schändlichen Engländer, so wird gesagt, (mehr für ihr als für unser Interesse besorgt) haben unsere Magazine, Arsenale, Kriegsschiffe im Touloner Hafen, ehe sie abzogen, in Brand gesteckt; bei zwanzig Stück herrlicher Kriegsschiffe, die einzigen, die wir jetzt hatten! Indessen ist's ihnen nicht geglückt, obschon die Flammen weit und hoch um sich griffen; zwei Schiffe, nicht mehr, wurden zerstört, denn es liefen sogar die Galeerensklaven mit Eimern, um zu löschen. Diese selben stolze Schiffe, das Schiff l'Orient und andere, werden erst noch jenen jungen Mann nach Ägypten zu tragen haben. Ehe nicht ihre Zeit gekommen ist, können sie nicht in Asche, nicht in Meeresnymphen verwandelt, noch in die Luft gesprengt oder die Beute Englands werden.
Und so feiert man in ganz Frankreich ein bürgerliches Fest und die Wogen der Freude gehen hoch, und Toulon 377 erlebt ein Füsilieren und zu Tode Kartätschen in Masse, wie's Lyon sah. Und »der Tod ergießt sich in großen Strömen, vomit à grands flots,« und zwölftausend Maurer werden aus der Umgegend requiriert, damit sie Toulon von der Erde wegrasieren. Denn es soll wegrasiert werden, so beantragt Barrère, alles bis auf die National-Marine-Anstalten, und hinfort soll es nicht Toulon heißen, sondern Hafen des Berges. So in schwarzer Todeswolke müssen wir's verlassen, – hoffend nur, daß auch Toulon aus Stein gebaut sei, daß vielleicht nicht einmal zwölftausend Maurer es niederreißen können, bis der Wahnsinn vorübergegangen sein wird.
Man fängt an »in Strömen sich ergießenden Todes« überdrüssig zu werden. Aber nichtsdestoweniger, hörst du's nicht, o Leser (denn der Schall dringt über Jahrhunderte hinaus) durch die Stille der Dezember- und Januar-Nächte über der Stadt Nantes ein verworrenes Lärmen, wie von Flintenschüssen und Tumult, wie von Wut und Klage, sich mit dem immerwährenden Rauschen der Loire dort vermengend? Die Stadt Nantes ist in Schlaf versunken, aber Représentant Carrier schläft nicht, die wollmützige Kompagnie Marat schläft nicht. Warum stößt jenes flache Fahrzeug, jene gabarre, etwa um elf Uhr nachts vom Ufer, mit neunzig Priestern an Bord? Wollen sie nach Belle Isle? In der Mitte des Stromes wird auf ein gegebenes Zeichen die Gabarre mit ihrer ganzen Last versenkt. »Das Urteil der Deportation,« schreibt Carrier, »wurde senkrecht vollstreckt.« Die neunzig Priester mit ihrem Gabarrensarge, liegen tief! Dies ist die erste von Carriers Noyades, die wir Ersäufungen nennen dürfen, und die berüchtigt geworden sind für alle Zeiten.
Guillotiniert wurde in Nantes bis der Scharfrichter totmüde hinsank. Dann füsilierte man »in der Ebene von Saint-Mauve«, Kinder und Weiber mit Kindern an der Brust; Kinder und Weiber bei hundertzwanzig; und bei fünfhundert, so heiß geht's zu in der Vendée. Bis selbst die Jakobiner es müde wurden und alle außer der Kompagnie Marat riefen: Halt. Darum haben wir jetzt das Ersäufen, und am 24. Frostmonat des Jahres 2, der der 14. Dezember 1793 ist, haben wir eine zweite Noyade von »hundertachtunddreißig Personen.« Deux Amis, XII, 266-272; Moniteur du 2 janvier 1794.
Doch warum eine gabarre verschwenden, indem man sie 378 mit versenkt? Man werfe sie hinaus, mit gebundenen Händen, ergieße einen beständigen Bleihagel über die Flußstelle, bis der letzte mit dem Wasser Kämpfende untergegangen ist! Schlecht Schlafende in Nantes, und die Uferdörfer da herum, hören die Schießerei im Nachtwind, wundern sich, was es bedeuten soll. Und Weiber waren in der Gabarre, die von den roten Nachtmützen nackt ausgezogen wurden, die in ihrer Angst baten, daß ihre Hemden ihnen nicht ausgezogen würden. Und kleine Kinder wurden hineingeworfen; vergebens flehten deren Mütter. »Wölflein«, antwortete die Kompagnie Marat, »die zu Wölfen heranwachsen würden.«
Allmählich sieht sogar das Tageslicht Noyaden: Weiber und Männer werden zusammengebunden, Füße an Füße, Hände an Hände, und hineingeworfen; das nennt man Mariage républicain, republikanische Hochzeit. Grausam ist der Panther der wilden Wälder, die ihrer Jungen beraubte Bärin; doch ist im Menschen ein Haß grausamer als der des Thieres. Stumm, allen Leidens nun entrückt, als blasse aufgetriebene Leichen, so treiben die Opfer durcheinander auf der Loire der See zu. Die Flut wälzt sie wieder zurück. Schwärme von Raben verfinstern den Fluß, Wölfe gehen auf Raub aus an den Plätzen, wo die Leichen ans Ufer geschwemmt werden. Carrier schreibt: » Quel torrent révolutionnaire, welch ein revolutionärer Strom.« Denn der Mensch ist toll, und die Zeit ist toll. Das sind Carriers Noyaden, fünfundzwanzig an der Zahl; denn was in der Dunkelheit geschehen, wird einst am Sonnenlicht untersucht Procès de Carrier (4 tomes, Paris, 1795). und nicht vergessen werden Jahrhunderte lang. – Wir wollen uns zu einem andern Anblicke des zu seiner höchsten Vollendung gelangten Sansculottismus wenden, indem wir diesen als den schwärzesten verlassen.
Wirklich sind diese Menschen alle toll, wie's die Zeit ist. Der Repräsentant Lebon in Arras taucht sein Schwert in das Blut, das von der Guillotine fließt und ruft: »Wie ich's gern habe!« Mütter, so sagt man, müssen auf seinen Befehl dabeistehen, während die Guillotine ihre Kinder verschlingt. Ein Musikcorps ist nahe dabei aufgestellt, und beim Falle eines jeden Kopfes stimmt es sein Ça ira an. Les horreurs des prisons d'Arras (Paris 1823). Im Orte Bedouin in der Orange Gegend, ist über Nacht der Freiheitsbaum umgehauen worden. Repräsentant Maignet, in Orange, 379 hört davon, verbrennt den Ort Bedouin bis auf die letzte Hundehütte, guillotiniert die Einwohner, oder treibt sie in die Höhlen und Berge. Montgaillard, IV, 200. Eine und unteilbare Republik! Sie ist die neueste Geburt aus den weiten unorganischen Tiefen der Natur, den Tiefen, die die Menschen Orkus, Chaos, ursprüngliche Nacht nennen; und sie kennt ein Gesetz, das der Selbsterhaltung. Tigresse nationale. Berühre nicht eines ihrer Haare! Rasch und zerfetzend ist ihr Hieb, sieh die Tatze, die sie ausstreckt; – Mitleid dringt nicht in ihr Herz.
Prudhomme, der langweilig prahlende Buchdrucker und nicht unbefähigte Publizist, bis jetzt noch ein jakobinischer Publizist, wird abtrünnig werden und dicke Bände über diese Vorgänge, über die Verbrechen der Revolution schreiben, und unzählige Lügen hinzufügen, als ob die Wahrheit nicht genügte. Wir für unsern Teil finden es erbaulicher, es wohl zu wissen, daß diese Republik und die nationale Tigerin eine Neugeburt ist, eine Naturthatsache unter Formeln, in einem Zeitalter der Formeln; und ferner zu beobachten, meist schweigsam, wie diese so echte Naturthatsache sich unter den gegebenen Verhältnissen benehmen wird. Denn die Formeln sind teilweise echt, teilweise täuschend, untergeschoben. Wir nennen sie, in der Sprache der Metapher regelmäßig modellierte Gestalten, von denen einige Körper und Leben besitzen, die meisten aber leer sind und nach einem deutschen Schriftsteller nur aus »Glasaugen uns anstarren mit einem geisterhaften Anschein von Leben, im Innern aber eine unsaubere Menge von Käfern und Spinnen!« Aber die Naturthatsache, dies mögen wir alle erkennen, ist echt und wahr, die wahrste aller Thatsachen, schrecklich, wie nur der Tod, in ihrer Wahrheit. Was gleich wahr ist, mag ihr die Stirn bieten und ihr trotzen; was aber ist's nicht? –