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Gefahren von außen – Zug nach Griechenland 336 – Erneuerung des Bundes von Korinth – Das Ende des Attalos – Die Nachbarn im Norden – Feldzug nach Thrakien, an die Donau, gegen die Illyrier – Zweiter Zug nach Griechenland – Zerstörung Thebens – Zweite Erneuerung des Bundes von Korinth
Rasch und mit fester Hand hatte Alexander die Zügel der Herrschaft ergriffen, die Ruhe im Innern hergestellt. Aber von außen liefen höchst beunruhigende Nachrichten ein.
In Kleinasien hatte Attalos, auf seine Truppen rechnend, die er zu gewinnen verstanden, den Plan gefaßt, unter dem Scheine, die Ansprüche seines Großneffen, des Sohnes der Kleopatra, zu vertreten, die Herrschaft an sich zu reißen; seine Heeresmacht, und noch mehr die Verbindungen, die er mit den Feinden Makedoniens angeknüpft hatte, machten ihn sehr gefährlich. Dazu begann eine Bewegung in den hellenischen Landen, die einen allgemeinen Abfall besorgen ließ. Die Athener hatten auf die Nachricht von Philipps Tod – die erste empfing Demosthenes durch geheime Boten des Strategen Charidemos, der wohl in der Nähe der thrakischen Küsten auf Station war – ein Freudenfest gefeiert, dem Gedächtnis des Mörders einen Ehrenbeschluß gewidmet; Demosthenes selbst hatte diese Anträge gestellt, er hatte, in der Ratsversammlung sprechend, Alexander einen Gimpel genannt, der sich aus Makedonien nicht hinaus wagen werde; er setzte alles in Bewegung, Athen, Theben, Thessalien, das ganze Hellas zum offenen Bruch mit Makedonien zu vermögen, als bände der Eid des mit dem Vater geschworenen Bundesvertrages die Staaten, die ihm geschworen, nicht gegen den Sohn. Er sandte seine Boten und Briefe an Attalos, er verhandelte mit Persien über Subsidien gegen Makedonien. Athen rüstete eifrig zum Kriege, machte die Flotte bereit; Theben schickte sich an, die makedonische Besatzung aus der Kadmeia zu treiben; die Aitoler, bisher Freunde Makedoniens, beschlossen, die von Philipp aus Akarnanien Verjagten mit gewaffneter Hand zurückzuführen; die Ambrakioten verjagten die makedonische Besatzung und richteten Demokratie ein; Argos, die Eleier, Arkader, alle waren bereit, das makedonische Joch von sich zu werfen, und Sparta hatte sich ihm nie unterworfen.
Umsonst schickte Alexander Gesandte, die sein Wohlwollen und seine Achtung vor den bestehenden Freiheiten versicherten; die Hellenen schwelgten in der Zuversicht, daß nun die alte Zeit des Ruhmes und der Freiheit zurückgekehrt sei; sie meinten, der Sieg sei unzweifelhaft; bei Chaironeia habe die ganze makedonische Macht unter Philipp und Parmenion mit Mühe die Heere Athens und Thebens besiegt; jetzt seien alle Hellenen vereint, ihnen gegenüber ein Knabe, der kaum seines Thrones sicher sei, und lieber in Pella peripatetisieren, als mit Hellas zu kämpfen wagen werde; sein einziger erprobter Feldherr Parmenion sei in Asien, mit ihm ein bedeutender Teil des Heeres, schon von den persischen Satrapen bedrängt, ein anderer unter Attalos bereit, sich für die Hellenen gegen Alexander zu erklären; selbst die thessalischen Ritter, selbst das Kriegsvolk der Thraker und der Paionen sei der makedonischen Macht entzogen, nicht einmal der Weg nach Hellas ihr mehr offen, wenn Alexander wagen sollte, sein Reich den Einfällen der nordischen Nachbarn und den Angriffen des Attalos preiszugeben. In der Tat drohten alle Völker im Norden und Osten, sich der Abhängigkeit von Makedonien zu entziehen, oder bei dem ersten Anlaß die Grenzen des Reiches räuberisch zu überfallen.
Alexanders Lage war peinlich und dringend; seine Freunde – auch die jüngst verbannten waren zurückgekehrt – beschworen ihn, nachzugeben, ehe alles verloren sei, sich mit Attalos zu versöhnen und das vorausgesandte Heer an sich zu ziehen, die Hellenen gewähren zu lassen, bis der erste Rausch vorüber sei, die Thraker, Geten, Illyrier durch Geschenke zu gewinnen, die Abtrünnigen durch Gnade zu entwaffnen. So hätte sich freilich Alexander in Makedonien recht festsetzen und ein glücklicher König seines Landes werden können; er hätte vielleicht allmählich denselben Einfluß über Hellas und dieselbe Macht über die umwohnenden Barbaren, die sein Vater gehabt hatte, gewinnen, ja endlich wohl auch an einen Zug nach Asien denken können, wie der Vater sein Leben lang. Alexander war anderer Art; der Entschluß, den er faßte, zeigt ihn in der ganzen Macht und Kühnheit seines Geistes. Wie von einem Helden späterer Jahrhunderte gesagt worden ist: »Sein Genius zog ihn.«
Das Gewirr der Gefahren ordnete sich in drei Massen: der Norden, Asien, Hellas. Zog er gegen die Völker im Norden, so gewann Attalos Zeit, seine Macht zu verstärken und vielleicht nach Europa zu führen; das Bündnis der hellenischen Städte erstarkte, und er war gezwungen, als Treubruch und offene Empörung der Staaten zu bekämpfen, was jetzt noch als Parteisache und als Einflüsterungen verbrecherischer und von persischem Golde bestochener Demagogen bestraft werden konnte. Zog er gegen Hellas, so konnte auch eine geringe Macht den Marsch durch die Pässe sperren und lange aufhalten, während Attalos durch nichts gehindert war, in seinem Rücken zu operieren und sich mit den aufrührerischen Thrakern zu vereinen. Das Unstatthafteste war, gegen Attalos selbst zu ziehen; die griechischen Staaten wären zu lange sich selbst überlassen gewesen, Makedonen gegen Makedonen zum Bürgerkriege geführt, in dem vielleicht persische Satrapen den Ausschlag gegeben hätten, endlich Attalos, der nur als Verbrecher angesehen werden durfte, als eine Macht behandelt worden, gegen die zu kämpfen den König in den Augen der Hellenen und Barbaren erniedrigt hätte. Verstand man ihn zu treffen, so war die Kette gesprengt, und das weitere fand sich von selbst.
Attalos wurde als des Hochverrats schuldig zum Tode verurteilt; einer der ›Freunde‹, Hekataios von Kardia, erhielt den Befehl, an der Spitze eines Korps nach Asien überzusetzen, sich mit den Truppen Parmenions zu vereinigen, Attalos lebend oder tot nach Makedonien einzubringen. Da von den Feinden im Norden schlimmstenfalls nicht mehr als verwüstende Einfälle zu fürchten waren, und ein späterer Zug sie leicht unterwerfen konnte, beschloß der König mit seinem Heere in Hellas einzurücken, bevor ihm dort eine bedeutende Heeresmacht entgegengestellt werden konnte.
Um diese Zeit kamen Boten des Attalos nach Pella, welche die Gerüchte, die über ihn verbreitet seien, Verleumdung nannten, in schönklingenden Worten seine Ergebenheit versicherten und zum Zeichen seiner aufrichtigen Gesinnung die Briefe, die er von Demosthenes über die Rüstungen in Hellas empfangen habe, in des Königs Hand legten. Der König, der aus diesen Dokumenten und aus Attalos Annäherung auf den geringen Widerstand, den er in Hellas zu erwarten habe, schließen konnte, nahm seinen Befehl nicht zurück; auf des alten Parmenion Diensttreue, obschon Attalos dessen Schwiegersohn war, konnte er sich verlassen.
Er brach jetzt gegen Thessalien auf; er zog an der Meeresküste den Pässen des Peneios zu; den Hauptpaß Tempe, sowie den Seitenpaß Kallipeuke fand er stark besetzt. Sie mit der Waffe in der Hand zu nehmen, war schwierig, jeder Verzug gefahrbringend; Alexander schuf sich einen neuen Weg. Südwärts vom Hauptpaß erheben sich die Felsmassen des Ossa, weniger steil vom Meere her als neben dem Peneios emporsteigend; zu diesen minder steilen Stellen führte Alexander sein Heer, ließ, wo es nötig war, Stufen in das Gestein sprengen und kam, so das Gebirge übersteigend, in die Ebene Thessaliens, im Rücken des thessalischen Postens. Er war ohne Schwertstreich Herr des Landes, das er gewinnen, nicht unterwerfen wollte, um für den Perserkrieg der trefflichen thessalischen Reiter gewiß zu sein. Er lud die Edlen Thessaliens zu einer Versammlung; er erinnerte an die gemeinschaftliche Abstammung vom Geschlecht Achills, an die Wohltaten seines Vaters, der das Land von dem Joche des blutigen Tyrannen von Pherai befreit und durch die Wiederherstellung der uralten Tetrarchien des Aleuas für immer vor Aufständen und Tyrannei gesichert habe; er verlangte nichts, als was sie freiwillig seinem Vater gegeben hätten, und die Anerkennung der in dem hellenischen Bunde demselben übertragenen Hegemonie von Hellas; er versprach, die einzelnen Familien und Landschaften, wie sein Vater, in ihren Rechten und Freiheiten zu lassen und zu schützen, in den Perserkriegen ihren Rittern den vollen Anteil an der Kriegsbeute zu geben, Phthia aber, die Heimat ihres gemeinsamen Ahnherrn Achilles, durch Steuerfreiheit zu ehren. Die Thessaler eilten, so günstige und ehrenvolle Bedingungen anzunehmen, durch gemeinsamen Beschluß Alexander in den Rechten seines Vaters zu bestätigen, endlich, wenn es not tue, mit Alexander zur Unterdrückung der Unruhen gen Hellas zu ziehen. Wie die Thessaler, so mit dem gleichen Entgegenkommen gewann er die anwohnenden Ainianen, Malier, Doloper, – Stämme, deren jeder in dem Rat der Amphiktyonen eine Stimme hatte, und mit deren Zutritt ihm der Weg durch die Thermopylen offen stand.
Die schnelle Einnahme und Beruhigung Thessaliens hatte den hellenischen Staaten nicht Zeit gelassen, die wichtigen Pässe des Oitagebirges zu besetzen. Es lag nicht in Alexanders Plan, durch gewaltsame Maßregeln einer Bewegung, die womöglich nur als das törichte Werk einer Partei erscheinen sollte, Vorwand und Bedeutung zu geben. Durch die Nähe der makedonischen Heeresmacht erschreckt, beeilten sich die Hellenen den Schein tiefen Friedens anzunehmen; weil demnach die früheren Verhältnisse, wie sie von Philipp gegründet waren, noch bestanden, berief Alexander die Amphiktyonen nach den Thermopylen, forderte und erhielt von ihnen durch gemeinsamen Beschluß die Anerkennung seiner Hegemonie. In derselben Absicht gewährte er den Ambrakioten die Autonomie, die sie mit der Austreibung der makedonischen Besatzung hergestellt hatten: er habe selbst sie ihnen anbieten wollen, sie seien ihm nur zuvorgekommen.
Wenn auch die Thessaler, die Amphiktyonen Alexanders Hegemonie anerkannt hatten, von Theben, Athen, Sparta waren keine Gesandten in den Thermopylen erschienen. Vielleicht brach Theben jetzt noch los; es hätte auf die Zustimmung vieler Staaten, vielleicht auf ihren Beistand rechnen können. Freilich gerüstet waren sie nicht; Sparta hatte, seit Epaminondas am Eurotas gelagert, sich nicht erholen können; in der Kadmeia, in Chalkis, auf Euböa, in Akrokorinth lag noch makedonische Besatzung; in Athen war, wie immer, viel deklamiert und wenig getan; selbst als die Nachricht kam, daß der König bereits in Thessalien sei, daß er mit den Thessalern vereint in Hellas einrücken werde, daß er sich über die Verblendung der Athener sehr erzürnt geäußert habe, waren, obschon Demosthenes nicht aufgehört hatte, den Krieg zu predigen, die Rüstungen nicht eifriger betrieben worden. Rasches Vorgehen des makedonischen Heeres konnte Hellas vor großem Unheil retten.
Alexander rückte aus den Thermopylen in die böotische Ebene hinab, lagerte sich nahe bei der Kadmeia; von Widerstand der Thebaner war keine Rede. Als man in Athen erfuhr, daß Theben in Alexanders Händen sei, so daß jetzt ein Marsch von zwei Tagen den Feind vor die Tore der Stadt bringen konnte, verging auch den eifrigsten Freiheitsmännern der Mut; es wurde beschlossen, in Eile die Mauern in Verteidigungsstand zu setzen, das platte Land zu räumen, alle fahrende Habe nach Athen zu flüchten, ›so daß die vielbewunderte und vielumstrittene Stadt wie ein Stall voll Rinder und Schafen wurde‹, aber zugleich beschlossen, dem Könige Gesandte entgegenzuschicken, die ihn begütigen, um Verzeihung bitten sollten, daß seine Hegemonie nicht sofort von den Athenern anerkannt sei; vielleicht ließ sich noch der Besitz von Oropos retten, das man zwei Jahre vorher aus Philipps Hand empfangen hatte. Demosthenes, der mit unter den Gesandten war, kehrte auf dem Kithairon um, entweder seines Schreibens an Attalos eingedenk, oder um sein Verhältnis mit Persien nicht bloßzustellen; er überließ es den anderen Gesandten, die Bitten des attischen Demos zu überbringen. Alexander nahm sie gütig auf, verzieh das Geschehene, erneute die früher mit seinem Vater geschlossenen Verträge, verlangte nur, daß Athen zu den weiteren Verhandlungen Bevollmächtigte nach Korinth sende. Der Demos hielt es angemessen, dem jungen Könige noch größere Ehren als zwei Jahre vorher seinem Vater zu dekretieren.
Alexander zog weiter nach Korinth, wohin die Bevollmächtigten der Bundesstaaten beschieden waren. Auch Sparta mag geladen worden sein; darauf führt die Erwähnung der spartanischen Erklärung: es sei nicht Herkommen bei ihnen, andern zu folgen, sondern selbst zu führen. Alexander hätte sie unschwer zwingen können; es wäre weder klug noch der Mühe wert gewesen; er wollte nichts als die möglichst schleunige Beruhigung Griechenlands und die Anerkennung der Hegemonie Makedoniens gegen die Perser. In diesem Sinne wurde die Formel des Bundes erneut und beschworen, Alexander zum unumschränkten Strategen der Hellenen ernannt.
Alexander hatte erreicht, was er wollte. Es wäre von Interesse, die Stimmung zu kennen, wie sie nun in den hellenischen Landen über ihn war; wahrscheinlich weder so empört, noch so nur erheuchelt, wie es uns der verbissene Freiheitseifer attischer Redner, oder der affektierte Tyrannenhaß griechischer Moralisten der römischen Kaiserzeit möchte glauben machen. Die andere Seite zeigt es, wenn, von den asiatischen Hellenen gesandt, Delios von Ephesos, der Schüler Platons, zu Alexander gekommen war und ihn ›am meisten drängte und entflammte‹, den Krieg gegen die Perser zu beginnen. Unter den ihm Nächstbefreundeten waren Erigyios und Laomedan, geborene Lesbier, nach Amphipolis übersiedelt, denen das Elend ihrer von Perserfreunden beherrschten Heimat bekannt genug gewesen sein wird, – eine traurige Erläuterung der Autonomie, die der Großkönig in dem antalkidischen Frieden den Inseln von Rhodos bis Tenedos zugesichert hatte; für das Griechentum dort gab es keine Rettung, wenn nicht Alexander kam und siegte. In Hellas selbst hatte nur Theben, nicht unverschuldet, den Untergang seiner Autonomie zu beklagen; in Athen war die Stimmung der leichtfertigsten Menge, die je geherrscht hat, je von den letzten Eindrücken und den nächsten Hoffnungen abhängig; und Spartas mürrische Abkehr bezeugt doch mehr Konsequenz der Schwäche als der Stärke, mehr üble Laune als echtes Selbstgefühl. Man darf vermuten, daß der verständigere Teil des hellenischen Volkes sich dem großen nationalen Unternehmen, an dessen Schwelle man stand, und dem jugendlichen Helden, der sich für dasselbe einsetzte, zuwandte; die Tage, welche Alexander in Korinth zubrachte, schienen den Beweis dafür zu geben. Von allen Seiten waren Künstler, Philosophen, politische Männer dorthin geeilt, den königlichen Jüngling, den Zögling des Aristoteles, zu sehen; alle drängten sich in seine Nähe und suchten einen Blick, ein Wort von ihm zu erhaschen. Nur Diogenes von Sinope blieb ruhig in seiner Tonne beim Ringplatz der Vorstadt. So ging Alexander zu ihm; er fand ihn vor seiner Tonne liegen und sich sonnen; er begrüßte ihn, fragte ihn, ob er irgendeinen Wunsch habe; »geh mir ein wenig aus der Sonne«, war des Philosophen Antwort. Der König sagte darauf zu seinem Gefolge: »Beim Zeus, wenn ich nicht Alexander wäre, möchte ich Diogenes sein.« Vielleicht nur eine Anekdote, wie deren unzählige von dem Sonderling erzählt wurden.
Alexander kehrte mit dem Winter nach Makedonien zurück, um sich zu dem bis jetzt verschobenen Zuge gegen die barbarischen Völker an der Grenze zu rüsten. Attalos war nicht mehr im Wege; Hekataios hatte sich mit Parmenion vereinigt, und da sie ihre Macht nicht stark genug glaubten, Attalos inmitten seiner Truppen, die er zu gewinnen verstanden hatte, festzunehmen, ließen sie ihn dem Befehl gemäß ermorden; die verführten Truppen, teils Makedonen, teils hellenische Söldner, kehrten zur Treue zurück.
So in Asien; in Makedonien selbst hatte Olympias ihres Sohnes Abwesenheit benutzt, die Wollust der Rache bis auf den letzten Tropfen zu genießen. Der Mord des Königs war, wenn nicht ihr Werk, gewiß ihr Wunsch gewesen; aber noch lebten die, um derentwillen sie und ihr Sohn Unwürdiges hatten dulden müssen; auch die junge Witwe Kleopatra und ihr Säugling sollten sterben. Olympias ließ das Kind im Schoß der Mutter ermorden, und zwang die Mutter, sich am eigenen Gürtel aufzuknüpfen. Es wird berichtet, daß Alexander der Mutter darüber zürnte; mehr als zürnen konnte der Sohn nicht. Noch war der Mut der Gegner nicht gebrochen; immer neue Anzettelungen wurden entdeckt; an einem Plan zur Ermordung Alexanders fand man Amyntas beteiligt, den Sohn des Königs Perdikkas, den Philipp nachmals mit seiner Tochter Kynna vermählt hatte; er wurde hingerichtet.
Indes hatte das nach Asien vorausgesandte Korps sich an der Küste nach Osten und Süden ausgedehnt; das freie Kyzikos an der Propontis stützte dessen linke Flanke, auf der rechten hatte Parmenion Gryneion im Süden des Kaikos besetzt; und schon hatte sich in Ephesos der Demos erhoben, die persisch gesinnte Oligarchie ausgetrieben, für das weitere Vordringen Parmenions ein wichtiger Stützpunkt. Gewiß sah der Demos allerorten, der von Tyrannen wie in den Städten der Insel Lesbos, von Oligarchen wie in Chios und Kos gedrückt und in persischer Obedienz gehalten wurde, mit steigender Erregung auf die Fortschritte der makedonischen Truppen. Mochte deren Voraussendung ein Fehler, für Alexanders Anfänge eine Verlegenheit gewesen sein, jetzt konnte dies Korps und die Aufregung, die es veranlaßte, wenigstens für den thrakischen Feldzug den Rücken decken; die Positionen, die es besetzt hatte, und die makedonische Flotte, die im Hellespont lag, machten einen Versuch der Perser, nach Thrakien hinüberzugehen, unmöglich.
Allerdings war es dringend nötig, die Thraker, Geten, Triballer, Illyrier die Überlegenheit der makedonischen Waffen fühlen zu lassen, um mit ihnen, bevor das große Unternehmen nach Asien begonnen wurde, ein haltbares Verhältnis herzustellen. Diese Völkerschaften, die Makedonien von drei Seiten umgaben, waren in der Zeit Philipps teils zu Untertanen, teils zu pflichtigen Verbündeten des makedonischen Königtums gemacht oder doch, wie die illyrischen Stämme, durch wiederholte Niederlagen in ihren räuberischen Streifzügen gehemmt worden. Jetzt mit Philipps Tode schien diesen Barbaren die Zeit gekommen, der lästigen Dependenz sich zu entschlagen und unter ihren Häuptlingen in alter Unabhängigkeit zu streifen und zu heeren, wie ihre Väter getan.
So standen jetzt die Illyrier unter ihrem Fürsten Kleitos auf, dessen Vater Bardylis, erst Kohlenbrenner, dann König, die verschiedenen Gaue zu gemeinsamen Raubzügen vereint und in den schlimmen Zeiten des Amyntas und des Aloriten Ptolemaios auch makedonische Grenzgebiete besetzt hatte, bis endlich Philipp in schweren Kämpfen ihn bis hinter den lychnitischen See zurückgeworfen hatte. Wenigstens die Pässe im Süden desselben gedachte jetzt Kleitos zu gewinnen. Gemeinsame Sache mit ihm zu machen, rüsteten sich die Taulantiner unter ihrem Fürsten Glaukias, die neben und hinter jenen bis zur Seeküste bei Apollonia und Dyrrhachion saßen. Nicht minder schickten sich die Autariaten, die seit zwei Menschenaltern in den Tälern des Brongos und Angros, der serbischen und bulgarischen Morawa, saßen, von der allgemeinen Bewegung ihrer illyrischen Stammgenossen und der Lust nach Beute ergriffen, zu einem Einbruch in das makedonische Gebiet an.
Noch gefährlicher schien der zahlreiche, den Makedonen feindliche Thrakerstamm der Triballer, die jetzt im Norden des Haimosgebirges und längs der Donau hinab wohnten. Sie hatten schon einmal, um 370, als die Autariaten sie aus ihrem Lande an der Morawa verdrängt hatten, den Weg über die Gebirge bis Abdera gefunden und waren dann mit Beute beladen zur Donau zurückgekehrt, wo sie die Geten aus ihren Sitzen trieben. Die Ausgetriebenen zogen sich auf die weiten Ebenen auf dem linken Donauufer zurück, die wie die Sumpfwälder der Donaumündung und die Steppe der Dobrudscha die Skythen, die der alte König Ateas beherrschte, innehatten; so bedrängten sie ihn, daß der alte König endlich durch Vermittlung der ihm befreundeten Griechen in Apollonia Philipps Hilfe anrief; aber bevor diese kam, hatte er seinen Frieden mit den Geten gemacht und kehrte seine Waffen gegen den, der zu seiner Hilfe heranzog; er büßte es mit schwerer Niederlage (339). Aber den mit reicher Beute heimkehrenden Philipp – er wählte den Weg durch das Gebiet der Triballer – überfielen die, welche er zu schrecken gedacht haben mochte, nahmen ihm einen Teil seiner Beute ab, und die Wunde, die er davontrug, zwang ihn heimzuziehen, ohne sie erst zu züchtigen; im Herbst darauf hatte ihn der amphiktyonische Krieg nach Hellas gerufen, dann die Bewältigung Thebens, die Ordnung des korinthischen Bundes, dann der Krieg gegen die Illyrier Pleurias in Anspruch genommen; bevor er sich gegen die Triballer hatte wenden können, hatte ihn der Tod ereilt. Wie hätten die Aufträge eines jungen Königs und die bekannten Spannungen am Hofe zu Pella nicht die Triballer ebenso locken sollen wie die Illyrier?
Wenn sie sich jetzt erhoben, so würden die ihnen nächstgesessenen Thrakerstämme, die ›selbst den Räubern als Räuber furchtbar‹ im Haimos hauseten, die Maider, Besser, Korpillen nicht etwa ihren Einbruch abgewehrt, sondern sich mit ihnen vereint und die Gefahr verdoppelt haben; auch die südlicher in der Rhodope bis zum Nessostal hinab wohnenden, die sogenannten freien Thraker, hätten sicher, wie ehedem bei dem Zug gegen Abdera, mit den Triballern gemeinsame Sache gemacht. Und der im Norden nächstgelegenen, halb untertänigen Gebiete, namentlich des zwischen dem Strymon und dem oberen Axios gelegenen und immer noch bedeutenden Fürstentum der Paionen war das makedonische Königtum noch keineswegs für alle Fälle sicher, obschon sie sich für den Augenblick noch ruhig verhielten. Nicht weniger unzuverlässig schienen die Thraker im Flußgebiet des Hebros und bis an die Propontis im Süden, den Pontos im Osten, einst viele kleine Fürstentümer, zusammen von bedeutender Macht, so lange sie in dem odrysischen Königtum – sie alle stammten aus diesem Königshause des Teres, des Odrysenkönigs in der perikleischen Zeit – eine Art zusammenhaltender Einigung gehabt hatten; von König Philipp waren sie in langen und schweren Kämpfen mehr und mehr getrennt und zur Abhängigkeit gezwungen worden; daß Athen die Wiedereinsetzung des Kersobleptes und des alten Teres von Philipp forderte, hatte den schweren Krieg von 340 veranlaßt. Möglich, daß nach dem Siege von Chaironeia Philipp auch in den thrakischen Verhältnissen Ordnung gemacht hat; es kann kein Zweifel sein, daß einzelne dieser Fürsten ihr Erbe behielten, aber in Dependenz von Makedonien, die ihnen zu ertragen unleidlich genug sein mochte; doppelt unleidlich, da die makedonischen Ansiedlungen am Hebros und vielleicht ein makedonischer Strateg als Statthalter über dieselben sie Ruhe zu halten zwang. Ohne daß diese Völker die Verwirrung nach Philipps Ermordung zu offenbaren Feindseligkeiten benutzt, oder mit den Verschworenen, mit Attalos, mit den Athenern in Verbindung gestanden hätten, war die Besorgnis vor ihnen im Rat Alexanders so groß, daß alle Nachgiebigkeit und selbst, wenn sie abfielen, Nachsicht für geratener hielten, als mit Strenge Unterwürfigkeit und Achtung gegen die bestehenden Verträge zu fordern. Alexander erkannte, daß Nachgiebigkeit und halbe Maßregeln Makedonien, das, wenn es angriff, unüberwindlich war, zur Defensive erniedrigt, die wilden und raublüsternen Barbaren kühner, den Perserkrieg unmöglich gemacht hätten, da man weder die Grenzen ihren Angriffen preisgeben, noch sie als leichtes Fußvolk in den Perserkriegen entbehren konnte.
Jetzt waren die Gefahren im hellenischen Lande glücklich beseitigt und die Jahreszeit so weit vorgerückt, daß man die Gebirge ohne bedeutende Hindernisse zu durchziehen hoffen durfte. Da von den bezeichneten Völkerschaften diejenigen, welche zu Makedonien gehörten, noch nichts Entschiedenes unternommen hatten, oder wenigstens seit Alexanders Rückkehr nach Makedonien an weitere Wagnisse nicht zu denken schienen, da auf der anderen Seite, um sie von jedem Gedanken an Abfall und Neuerungen abzuschrecken, die Überlegenheit der makedonischen Waffen und der bestimmte Wille, dieselben geltend zu machen, gleichsam vor ihren Augen gezeigt werden mußte, so beschloß der König einen Zug gegen die Triballer, welche noch nicht dafür gestraft waren, daß sie Philipp auf dem Rückmarsche vom Skythenzuge überfallen und beraubt hatten.
Dem Könige standen zwei Wege über das Gebirge in das Land der Triballer offen, entweder am Axiosstrom aufwärts durch die nördlichen Pässe und das Gebiet der allezeit treuen Agrianer in die Ebene der Triballer hinabzugehen, oder ostwärts durch das Gebiet der freien Thraker im Tal des Hebros nach dem Haimos hinaufzusteigen, um die Triballer an ihrer Ostgrenze zu überfallen; dieser zweite Weg war vorzuziehen, weil er durch das Gebiet unsicherer Völkerschaften, namentlich der odrysischen Thraker, führte. Zugleich wurde Byzanz aufgefordert, eine Anzahl Kriegsschiffe nach den Donaumündungen zu senden, um den Übergang über diesen Strom möglich zu machen. Antipatros blieb zur Verwaltung des Reiches in Pella zurück.
Von Amphipolis aus zog der König zuerst gegen Osten, dann im Nessostal hinauf, Philippoi und den Orbelos ihm zur Linken, die sogenannten freien Thraker in das hohe Gebirge werfend. Darauf ging er über die Rhodope, um durch das Gebiet der Odryser zu den Haimospässen zu gelangen. Nach einem Marsche von zehn Tagen, so heißt es, war Alexander am Fuß des Gebirgs; der Weg, der sich hier eng und steil zwischen den Höhen hindurchdrängt, war von den Feinden besetzt, die mit aller Macht den Übergang hindern zu wollen schienen, teils Gebirgsbewohner dieser Gegend, teils freie Thraker. Nur mit Dolch und Jagdspieß bewaffnet, mit einem Fuchsbalg statt des Helmes bedeckt, so daß sie gegen die schwerbewaffneten Makedonen nicht das Feld halten konnten, wollten sie die feindliche Schlachtlinie, wenn sie gegen die Höhen anrückte, durch das Hinunterrollen ihrer vielen Wagen, mit denen sie die Höhen besetzt hatten, zerreißen und in Verwirrung bringen, um über die aufgelösten Reihen herzufallen. Alexander, der die Gefahr sah und sich überzeugte, daß der Übergang an keiner anderen Stelle möglich sei, gab dem Fußvolk die Weisung, sobald die Wagen herabrollten, überall, wo es das Terrain gestattete, die Linie zu öffnen und die Wagen durch diese Lücken hinfahren zu lassen; wo sie nicht nach den Seiten hin ausweichen könnten, sollten die Leute, das Knie gegen den Boden gestemmt, die Schilde über ihre Häupter fest aneinanderstießen, damit die niederfahrenden Wagen über sie wegrollten. Die Wagen kamen und jagten teils durch die Öffnungen, teils über die Schilddächer hinweg, ohne Schaden zu tun. Mit lautem Geschrei drangen jetzt die Makedonen auf die Thraker ein; die Bogenschützen, vom rechten Flügel aus vorgeschoben, wiesen die anprallenden Feinde mit ihren Geschossen zurück und deckten den bergaufsteigenden Marsch der Schwerbewaffneten; so wie diese in geschlossener Phalanx nachrückten, vertrieben sie mit leichter Mühe die schlechtbewaffneten Barbaren aus ihrer Stellung, so daß sie dem auf dem linken Flügel mit den Hypaspisten und Agrianern anrückenden König nicht mehr standhielten, sondern die Waffen wegwarfen und, so gut sie konnten, bergab flüchteten. Sie verloren fünfzehnhundert Tote; ihre Weiber und Kinder und alle ihre Habe wurde den Makedonen zur Beute, und unter Lysanias und Philotas in die Seestädte auf den Markt geschickt.
Alexander zog nun die sanfteren Nordabhänge des Gebirges hinab in das Tal der Triballer, über den Lyginos, der hier etwa drei Märsche von der Donau entfernt strömt. Syrmos, der Triballerfürst, hatte, von Alexanders Zuge in Kenntnis gesetzt, die Weiber und Kinder der Triballer zur Donau vorausgeschickt und sie auf die Insel Peuke überzusetzen befohlen; ebendahin hatten sich bereits die den Triballern benachbarten Thraker geflüchtet; auch Syrmos selbst war mit seinen Leuten dahin geflohen; die Masse der Triballer dagegen hatte sich rückwärts dem Flusse Lyginos zu, von dem Alexander tags zuvor aufgebrochen war, gezogen, wohl um sich der Pässe in seinem Rücken zu bemächtigen. Kaum hatte das der König erfahren, so kehrte er schnell zurück, um sie aufzusuchen, und überraschte sie, da sie sich eben gelagert hatten; sie stellten sich schnell an dem Saume des Waldes auf, der sich an dem Fluß entlangzog. Während die Kolonnen der Phalanx heranzogen, ließ Alexander die Bogenschützen und Schleuderer vorauseilen, mit Pfeilen und Steinen die Feinde auf das offene Feld zu locken. Diese brachen hervor, und indem sie, namentlich auf dem rechten Flügel, sich zu weit vorwagten, sprengten rechts und links drei Ilen der Ritterschaft auf sie ein; schnell rückten im Mitteltreffen die anderen Ilen und hinter ihnen die Phalanx vor; der Feind, der sich bis dahin wacker gehalten hatte, stand dem Andrang der geharnischten Reiter und der geschlossenen Phalanx nicht und floh durch den Wald zum Fluß zurück; dreitausend kamen auf der Flucht um, die anderen retteten sich, durch das Dunkel des Waldes und der hereinbrechenden Nacht begünstigt.
Alexander setzte seinen früheren Marsch fort und kam am dritten Tag an die Ufer der Donau, wo ihn bereits die Schiffe von Byzanz erwarteten; sofort wurden sie mit Bogenschützen und Schwerbewaffneten bemannt, um die Insel, auf welche sich die Triballer und Thraker geflüchtet hatten, anzugreifen; aber die Insel war gut bewacht, die Ufer steil, der hier eingeengte Strom reißend, der Schiffe zu wenig, und die Geten am Nordufer schienen bereit, mit ihnen gemeinsame Sache zu machen. Alexander zog seine Schiffe zurück und beschloß sofort, die Geten am jenseitigen Ufer anzugreifen; wenn er durch ihre Demütigung Herr der beiden Ufer war, konnte sich auch die Donauinsel nicht halten.
Die Geten, etwa viertausend Mann zu Pferde, und mehr als zehntausend zu Fuß, hatten sich am Nordufer der Donau vor einer schlecht befestigten Stadt, die etwas landeinwärts lag, aufgestellt; sie mochten erwarten, daß der Feind tagelang brauchen werde, über den Strom zu kommen, daß sich so Gelegenheit finden werde, die einzelnen Abteilungen, die landeten, zu überfallen und aufzureiben. Es war in der Mitte des Mai, die Felder neben der Getenstadt mit Getreide bedeckt, das hoch genug in den Halmen stand, um landende Truppen dem Auge des Feindes zu entziehen. Alles kam darauf an, die Geten mit schnellem Überfall zu fassen; da die Schiffe aus Byzanz nicht Truppen genug aufnehmen konnten, so brachte man aus der Gegend eine Menge kleiner Nachen zusammen, deren sich die Einwohner bedienen, wenn sie auf dem Strome fischen oder Freibeuterei treiben oder Freunde im anderen Dorfe besuchen; außerdem wurden die Felle, unter denen die Makedonen zelteten, mit Heu ausgefüllt und fest zusammengeschnürt. In der Stille der Nacht setzten fünfzehnhundert Reiter und viertausend Mann Fußvolk unter Führung des Königs über den Strom, landeten unter dem Schutz des Getreidefeldes unterhalb der Stadt. Mit Tagesanbruch rückten sie durch die Saaten vor, voraus das Fußvolk, mit der Weisung, das Getreide mit den Sarissen niederzuschlagen und, bis sie an ein unbebautes Feld kämen, vorzurücken. Dort ritt die Reiterei, die bisher dem Fußvolke gefolgt war, unter des Königs Anführung bei dem rechten Flügel auf, während links, an den Fluß gelehnt, die Phalanx in ausgebreiteter Linie unter Nikanor vorrückte. Die Geten, erschreckt durch die unbegreifliche Kühnheit Alexanders, der so leicht den größten aller Ströme, und das in einer Nacht, überschritten, eilten, weder dem Andrang der Reiter, noch der Gewalt der Phalanx gewachsen, sich in die Stadt zu werfen; und als sie auch dahin die Feinde nachrücken sahen, flüchteten sie, indem sie von Weibern und Kindern mit sich nahmen, was die Pferde tragen konnten, weiter ins Innere des Landes. Der König rückte in die Stadt ein, zerstörte sie, sandte die Beute unter Philippos und Meleagros nach Makedonien zurück, opferte am Ufer des Stromes dem Retter Zeus, dem Herakles und dem Strome Dankopfer. Es war nicht seine Absicht, die Grenzen seiner Macht bis in die weiten Ebenen, die sich nordwärts der Donau ausbreiten, auszudehnen; der breite Strom war, nachdem die Geten die Macht der Makedonen kennengelernt hatten, eine sichere Grenze, und in der Nähe weiter kein Volksstamm, dessen Widerstand man zu fürchten gehabt hätte. Nachdem der König mit jenen Opfern das nördlichste Ziel seiner Unternehmungen bezeichnet hatte, kehrte er noch desselben Tages von einer Expedition, die ihn keinen Mann gekostet hatte, in sein Lager jenseits des Flusses zurück.
Nach einer so schnellen und erfolgreichen Unternehmung schickten die Völkerschaften, die in der Nähe der Donau wohnten, Gesandte mit den Geschenken ihres Landes in des Königs Lager, baten um Frieden, der ihnen gern gewährt wurde; auch der Triballerfürst Syrmos, der wohl einsah, daß er seine Donauinsel nicht zu halten imstande sein werde, unterwarf sich. Hieher kam auch von den Bergen am adriatischen Meer eine Gesandtschaft keltischer Männer, die, wie ein Augenzeuge erzählt, groß von Körper sind und Großes von sich denken, und, von des Königs großen Taten unterrichtet, um seine Freundschaft werben wollten. Beim Gelage fragte sie der junge König, was sie wohl am meisten fürchteten? Er meinte, sie sollten ihn nennen; sie antworteten: »Nichts, als daß etwa der Himmel einmal auf sie fallen möchte; aber eines solchen Helden Freundschaft gelte ihnen am höchsten.« Der König nannte sie Freunde und Bundesgenossen und entließ sie reich beschenkt, meinte aber nachmals doch, die Kelten seien Prahler.
Nachdem so mit der Bewältigung der freien Thraker auch die odrysischen zur Ruhe gezwungen, mit dem Siege über die Triballer die makedonische Hoheit über die Völker südwärts der Donau hergestellt, durch die Niederlage der Geten die Donau als Grenze gesichert, somit der Zweck dieser Expedition erreicht war, eilte Alexander südwärts, durch das Gebiet der ihm verbündeten Agrianer nach Makedonien zurückzukehren. Er hatte bereits die Nachricht erhalten, daß der Fürst Kleitos mit seinen Illyriern sich des Passes von Pelion bemächtigt habe, daß der Taulantinerfürst Glaukias schon heranziehe, sich mit Kleitos zu vereinigen, daß die Autariaten mit ihnen im Einverständnis sich anschickten, das makedonische Heer in seinem Marsche durch die Gebirge zu überfallen.
Alexanders Lage war schwierig; noch mehr als acht Tagemärsche von den Pässen der Westgrenze entfernt, welche die Illyrier bereits überschritten hatten, war er nicht mehr imstande, Pelion, den Schlüssel zu den beiden Flußtälern des Haliakmon und des Apsos (Devol), zu retten; hielt ein Überfall der Autariaten ihn auch nur zwei Tage auf, so waren die vereinten Illyrier und Taulantiner stark genug, von Pelion aus bis in das Herz Makedoniens vorzudringen, die wichtige Linie des Erigonstromes zu besetzen und, während sie selbst die Kommunikation mit ihrer Heimat durch den Paß von Pelion offen hatten, den König von den südlichen Landschaften seines Reiches und von Griechenland abzuschneiden, wo bereits gefährliche Bewegungen merkbar wurden. Freilich lag Philotas mit einer starken Besatzung in der Kadmeia, und Antipatros in Makedonien hatte noch Truppen zur Hand, ihn zu unterstützen; aber ohne die Heeresmacht, die mit dem Könige war, vermochten sie wenig; und diese Heeresmacht war in ernstem Gedränge; für Alexander stand Großes auf dem Spiel; ein unglückliches Treffen, und alles, was er und sein Vater mühsam erreicht hatten, stürzte zusammen.
Langaros, der Fürst der Agrianer, der ihm schon bei Philipps Lebzeiten unzweideutige Beweise seiner Anhänglichkeit gegeben, und dessen Kontingent in dem eben beendeten Feldzuge mit ausgezeichnetem Mute gefochten hatte, war ihm mit seinen Hypaspisten und den schönsten und tüchtigsten Truppen, die er sonst noch hatte, entgegengekommen; und als nun Alexander, voll Besorgnis über den Aufenthalt, den ihm die Autariaten verursachen könnten, sich nach ihrer Macht und Bewaffnung erkundigte, berichtete ihm Langaros, er brauche vor diesen Menschen, den schlechtesten Kriegsvölkern im Gebirge, nicht besorgt zu sein; er selbst wolle, wenn der König es gestatte, in ihr Land einfallen, so daß sie genug mit sich selbst zu tun haben und an feindliche Überfälle nicht weiter denken sollten. Alexander gab seine Zustimmung, und Langaros drang plündernd und verwüstend in ihre Täler ein, so daß sie den Marsch der Makedonen nicht weiter störten. Der König ehrte die treuen Dienste des treuen Bundesgenossen, verlobte ihn mit seiner Halbschwester Kynna und lud ihn ein, nach Beendigung des Krieges nach Pella zu kommen, um die Hochzeit zu feiern. Langaros starb gleich nach dem Zuge auf dem Krankenbette.
In dem mächtigen Gebirgswall, der die Wasserscheide zwischen den makedonischen und illyrischen Strömen bildet, ist südöstlich vom lychnitischen See (dem See von Ochrida) eine fast zwei Meilen breite Lücke, durch die der Apsos (Devol) nach Westen fließt; sie bildet das natürliche Tor zwischen dem makedonischen Oberlande und Illyrien. König Philipp hatte nicht eher geruht, als bis er sein Gebiet bis an den See erweitert hatte; unter den Positionen und Kastellen, welche die Wege dorthin beherrschten, war die Bergfestung Pelion die beste und wichtigste; wie ein Außenwerk gegen die Vorberge nach Illyrien zu gelegen, die sie im Kreise umgaben, schützte sie auch den Weg, der aus dem Tale des Erigon südwärts zu dem des Haliakomen und in das südliche Makedonien führte; die Straße von hier nach Pelion ging an dem eingeschnittenen Bette des Apsos hinab und war stellenweise so eng, daß ein Heer kaum zu vier Schilden hindurchziehen konnte. Diese wichtige Position war bereits in den Händen des illyrischen Fürsten; Alexander rückte in Eilmärschen den Erigon aufwärts, um womöglich die Festung vor Ankunft der Taulantiner wieder zu nehmen.
Vor der Stadt angekommen, bezog er am Apsos ein Lager, um am folgenden Tage zu stürmen. Kleitos hatte schon auch die waldigen Höhen rings um die Stadt besetzt, so den Rücken der Feinde, wenn sie den Angriff versuchen sollten, bedrohend; nach der Sitte seines Landes schlachtete er zum Opfer drei Knaben, drei Mädchen, drei schwarze Widder und rückte dann vor, als wolle er mit den Makedonen handgemein werden; doch sobald diese gegen die Höhen anrückten, verließen die Illyrier eiligst ihre feste Stellung, ließen selbst die Schlachtopfer liegen, die den Makedonen in die Hände fielen, und zogen sich in die Stadt zurück, unter deren Mauern sich jetzt Alexander lagerte, um sie, da der Überfall mißlungen war, mit einer Umwallung einzuschließen und zur Übergabe zu zwingen. Aber schon am folgenden Tage zeigte sich Glaukias mit einer starken Heeresmacht auf den Höhen; Alexander mußte es aufgeben, mit seinen gegenwärtigen Streitkräften auf die mit Kriegsvolk gefüllte Festung Sturm zu wagen, bei dem er den Feind auf den Bergen im Rücken gehabt hätte. Es bedurfte in dieser Stellung großer Vorsicht. Philotas, der mit einem Trupp Reiterei und den nötigen Gespannen zum Fouragieren abgeschickt wurde, wäre fast in die Hände der Taulantiner gefallen; nur Alexanders schnelles Nachrücken mit den Hypaspisten, den Agrianern und Bogenschützen, und dreihundert von der Ritterschaft sicherte Philotas Rückkehr, rettete den wichtigen Transport. Die Lage des Heeres wurde von Tag zu Tag peinlicher; in der Ebene fast eingeschlossen, hatte Alexander weder Truppen genug, Entscheidendes gegen die Macht beider Fürsten zu wagen, noch hinreichend Proviant, um sich bis zur Ankunft von Verstärkungen zu halten; er mußte zurück, aber der Rückzug schien doppelt gefährlich. Kleitos und Glaukias glaubten nicht ohne Grund, den König auf diesem höchst ungünstigen Boden in ihren Händen zu haben; die überragenden Berge hatten sie mit zahlloser Reiterei, mit vielen Akontisten, Schleuderern und Schwerbewaffneten besetzt, die das Heer in jenem engen Wege überfallen und niedermetzeln konnten, während die Illyrier aus der Festung den Abziehenden in den Rücken fielen.
Durch eine kühne Bewegung, wie sie nur ein makedonisches Heer auszuführen imstande war, machte Alexander die Hoffnungen der Feinde zuschanden. Während die meisten der Reiterei und sämtliche Leichtbewaffnete, dem Feinde in der Stadt zugewandt, jede Gefahr von dieser Seite unmöglich machten, rückte die Phalanx, zu einhundertzwanzig Mann Tiefe formiert, die Flanken mit zweihundert Reitern gedeckt, in der Ebene vor, mit der größten Stille, damit die Kommandos schnell vernommen würden. Die Ebene war bogenförmig von Höhen umschlossen, von welchen herab die Taulantiner die Flanken der vorrückenden Masse bedrohten; aber das ganze Viereck fällte die Speere, drang gegen die Höhen vor, machte dann plötzlich rechts um, rückte in dieser Richtung vor, kehrte sich, da ein anderer Haufen der Feinde die neue Flanke bedrohte, gegen diesen; so abwechselnd, vielfach mit der größten Präzision eine Stelle mit der anderen tauschend, rückten die Makedonen zwischen den feindlichen Höhen hin, formierten sich endlich aus der linken Flanke ›wie zu einem Keile‹, als wollten sie durchbrechen. Bei dem Anblick dieser unangreifbaren und mit ebensoviel Ordnung wie Schnelligkeit ausgeführten Bewegungen wagten die Taulantiner keinen Angriff und zogen sich von den ersten Anhöhen zurück. Als nun aber die Makedonen das Schlachtgeschrei erhoben und mit den Lanzen an ihre Schilde schlugen, kam ein panischer Schrecken über die Barbaren, und eiligst flohen sie über die Höhen nach der Stadt hinein. Nur eine Schar hielt noch eine Anhöhe besetzt, über welche der Weg führte; Alexander befahl den Hetairen seiner Stabswache, aufzusitzen, gegen die Anhöhe vorzusprengen; wenn der Feind Miene machte, sich zu widersetzen, sollte die Hälfte von ihnen von den Pferden springen und gemischt mit denen zu Pferd zu Fuß kämpfen. Aber die Feinde zogen sich, sobald sie dies Heranstürmen sahen, rechts und links von der Anhöhe hinab. Der König besetzte nun diese, ließ die noch übrigen Ilen der Ritterschaft, die zweitausend Bogenschützen und Agrianer eilig nachrücken, dann die Hypaspisten und nach ihnen die Phalangen durch den Fluß gehen und jenseits in Schlachtordnung links aufrücken, die Wurfgeschütze dort auffahren. Er selbst blieb indes auf jener Anhöhe mit der Nachhut und beobachtete die Bewegungen der Feinde, welche kaum den Übergang des Heeres bemerkten, als sie auch schon an den Bergen hin vorrückten, um über die mit Alexander zuletzt Abziehenden herzufallen. Ein Ausfall des Königs gegen sie und der Schlachtruf der Phalanx, als wolle sie durch den Fluß zurück anrücken, schreckte sie zurück, und Alexander führte seine Bogenschützen und Agrianer im vollen Laufe in den Fluß. Er selbst ging zuerst hinüber und ließ, sobald er sah, daß seine Nachhut vom Feinde gedrängt wurde, das Wurfgeschütz gegen die Feinde jenseits spielen, die Bogenschützen mitten im Fluß umwenden und schießen; während nun Glaukias mit seinen Taulantinern sich nicht in die Schußweite wagte, gingen die letzten Makedonen über den Fluß, ohne daß Alexander auch nur einen Mann verloren hätte; er selbst hatte an den gefährlichsten Punkten gefochten, er war am Halse durch einen Keulenschlag, am Kopfe durch einen Steinwurf verwundet.
Durch diese Bewegung hatte Alexander nicht bloß sein Heer aus augenscheinlicher Gefahr gerettet, sondern er konnte von seiner Stellung am Ufer des Flusses aus alle Wege und Operationen der Feinde übersehen und sie in Untätigkeit halten, falls er Verstärkungen heranziehen wollte. Indes gaben ihm die Feinde früher Gelegenheit, einen Handstreich auszuführen, der dem Kriege hier ein schnelles Ende machte. Sie hatten sich, in der Meinung, jener Rückzug sein ein Werk der Furcht gewesen, in langer Linie vor Pelion gelagert, ohne sich mit Wall und Graben zu schützen, oder auf den Vorpostendienst die nötige Sorgfalt zu wenden. Das erfuhr Alexander; in der dritten Nacht ging er unbemerkt mit den Hypaspisten, Agrianern, Bogenschützen und zwei Phalangen über den Fluß und ließ, ohne die Ankunft der übrigen Kolonnen abzuwarten, die Bogenschützen und Agrianer vorrücken; diese brachen an der Seite des Lagers ein, wo am wenigsten Widerstand möglich war; und die Feinde, aus tiefem Schlaf aufgeschreckt, unbewaffnet, ohne Leitung oder Mut zum Widerstande, wurden in den Zelten, in der langen Gasse des Lagers, auf dem regellosen Rückzüge niedergehauen, viele zu Gefangenen gemacht, den anderen bis an die Berge der Taulantiner nachgesetzt; wer entkam, rettete sich mit Verlust seiner Waffen. Kleitos selbst hatte sich in die Stadt geworfen, sie dann angezündet und sich unter dem Schutz der Feuersbrunst zu Glaukias in das Taulantinerland geflüchtet. So wurde die alte Grenze auf dieser Seite wieder gewonnen und den besiegten Fürsten, wie es scheint, unter der Bedingung der Friede gegeben, daß sie die Oberhoheit Alexanders anerkannten.
Die raschen und heftigen Stöße, mit denen der König, mehr als einmal in gewagten Angriffen, die Illyrier niederwarf, lassen seine Ungeduld erkennen, hier fertig zu werden. Während er mit den Illyriern noch vollauf zu tun hatte, war im Süden eine Bewegung ausgebrochen, die, wenn sie nicht schnell gedämpft wurde, den großen Plan des Perserzuges noch lange hindern, wenn nicht für immer unmöglich machen konnte.
Die Hellenen hatten zwar Alexanders Hegemonie anerkannt, das Bündnis mit ihm auf dem Bundestage zu Korinth beschworen; aber er war ja nun mit seiner Kriegsmacht weit hinweg, und die Worte derer, die an die alte Freiheit und den alten Ruhm mahnten, fanden bald offene Ohren und Herzen. Freilich solange in der Hofburg von Susa noch Alexanders Jugend verachtet wurde, hielt man sich wohl in Hellas still, den Athenern wird noch in den Ohren geklungen haben, was ihnen jüngst der Großkönig geschrieben: ›ich will euch kein Geld geben, bittet mich nicht, denn ihr bekommt doch nichts‹. Aber allmählich sah man in Asien ein, was für ein Feind dem Reich in Alexander erstanden sei. Freilich wurde Memnon – sein Bruder war wohl nicht mehr am Leben – mit fünftausend hellenischen Söldnern gegen die bereits in Asien gelandeten makedonischen Truppen ins Feld geschickt. Aber die Bewegung unter den asiatischen Hellenen drohte ihm einen schweren Stand; es gab kein besseres Schutzmittel als das oft erprobte, die Feinde des Reiches in Hellas und durch die Hellenen zu bekämpfen.
Dareios erließ ein Schreiben an die Hellenen, sie zum Kriege gegen Alexander aufzufordern; er sandte Geld an die einzelnen Staaten, nach Athen dreihundert Talente, die der Demos noch verständig genug war nicht anzunehmen; aber Demosthenes nahm sie, um sie im Interesse des Großkönigs und gegen den beschworenen Frieden zu verwenden. Er stand mit dem Strategen des Großkönigs in brieflichem Verkehr, natürlich um für den Kampf gegen Alexander Mitteilungen zu geben und zu empfangen. Hand in Hand mit Lykurgos und den andern gleichgesinnten Volksführern, tat er, was nötig war einen neuen Kampf gegen die makedonische Macht vorzubereiten und einzuleiten, namentlich die Flüchtlinge Thebens, deren viele in Athen Aufnahme gefunden, zu neuen Wagnissen aufzuregen. Je ferner Alexander war, je länger er fern blieb, desto größer wurde der Mut und der Eifer dieser Partei; schon wurden Gerüchte von einer Niederlage Alexanders im Lande der Triballer verbreitet und geglaubt. Auch in Arkadien, in Elis, in Messenien, bei den Aitolern erwachte die alte Neuerungssucht und neue Hoffnungen; vor allen fühlten die Thebaner das Joch der makedonischen Herrschaft; die Besatzung in ihrer Burg schien sie unablässig an ihre jetzige Schmach und den Verlust ihres einstigen Ruhmes zu mahnen.
Da verbreitete sich gewisse Nachricht, Alexander sei im Kampf gegen die Triballer gefallen; Demosthenes brachte einen Menschen vor das versammelte Volk, der eine Wunde aus derselben Schlacht aufzuweisen hatte, in der Alexander vor seinen Augen gefallen sein sollte. Wer konnte zweifeln? wer hätte nicht mit Freuden sich von denen überzeugen lassen, die sagten: jetzt sei die Zeit gekommen, des makedonischen Joches frei zu werden; die Verträge, die man mit Alexander geschlossen, hätten mit seinem Tode ein Ende; der Großkönig, bereit, die Freiheit der hellenischen Staaten zu schützen, habe reichliche Subsidien in die Hände der Männer, welche mit ihm nichts als das Wohl und die Freiheit der Hellenen im Sinne hätten, zur Unterstützung aller gegen die Makedonen gerichteten Unternehmungen niedergelegt. Nicht weniger als das persische Gold wirkte für solche Pläne, daß neben Demosthenes der unbestechliche Lykurgos für sie sprach. Das Notwendigste war, daß ungesäumt gehandelt, daß mit einer großen Tat der allgemeinen Erhebung ein Mittelpunkt gegeben wurde.
Begreiflich, daß in dem schwergestraften Theben, daß unter den Geflüchteten und Verbannten Thebens in Athen und überall die Stimmung dazu war, das Äußerste zu wagen. Schon einmal waren Verbannte von Athen aus zur Befreiung der Kadmeia ausgezogen; Pelopidas hatte sie geführt, die Siege von Leuktra und Mantineia waren die schönsten Früchte jener Heldentat gewesen. Freilich in dem Bundesvertrage hatte jede Stadt ausdrücklich gelobt, nicht gestatten zu wollen, daß von ihr aus Flüchtlinge die Heimkehr zu erzwingen unternähmen; aber der König, mit dem man den Bund beschworen, war jetzt tot. Gewiß nicht ohne Einverständnis mit Demosthenes, vielleicht von ihm mit einem Teil des persischen Geldes, das in seinen Händen war, unterstützt, verließen mehrere der Flüchtlinge Athen; nachts kamen sie nach Theben, wo ihre Freunde sie schon erwarteten. Sie begannen damit, zwei Führer der makedonischen Partei, die, nichts ahnend, von der Kadmeia herabgekommen waren, zu ermorden. Sie beriefen die Bürgerschaft zur Versammlung, berieten, was geschehen, was zu hoffen sei; sie beschworen das Volk bei dem teuren Namen der Freiheit und des alten Ruhmes, das Joch der Makedonen abzuschütteln, ganz Griechenland und der persische König sei bereit, ihnen beizustehen; und als sie verkündeten, daß Alexander nicht mehr zu fürchten, daß er in Illyrien gefallen sei, da beschloß das Volk, die alte Freiheit wieder herzustellen, wieder Böotarchen zu bestellen, die Besatzung aus der Kadmeia zu vertreiben und an die anderen Staaten Gesandte um Hilfe zu senden.
Alles schien ihrem Unternehmen den glücklichsten Erfolg zu versprechen; die Eleier hatten bereits die Anhänger Alexanders verjagt; die Aitoler waren in Bewegung, Athen rüstete, Demosthenes sandte Waffen nach Theben, die Arkader rückten aus, den Thebanern zu helfen. Und als Gesandte des Antipatros nach dem Isthmus kamen, die schon bis dahin Vorgerückten an die geschlossenen Verträge zu mahnen, zur vertragsmäßigen Bundeshilfe aufzufordern, hörte man nicht auf sie, sondern auf die flehende Bitte der thebanischen Gesandten, die mit wollenumwundenen Ölzweigen in den Händen, zum Schutz der heiligen Sache anriefen. Alles ließ den besten Erfolg hoffen. Die Kadmeia ward mit Palisaden und anderen Werken eingeschlossen, so daß der Besatzung dort weder Hilfe noch Lebensmittel zukommen konnten; die Thebaner hatten ihre Sklaven freigegeben, sie und die Metoiken zum Kriege gerüstet; sie waren mit Vorräten und Waffen vollauf versehen; bald mußte die Kadmeia fallen, dann war Theben und ganz Hellas frei, dann die Schande von Chaironeia gerächt, und der Bundestag von Korinth, dies Trugbild von Selbständigkeit und Sicherheit, verschwand vor dem fröhlichen Lichte eines neuen Morgens, der schon über Hellas heranzubrechen schien.
Da verbreitete sich das Gerücht, ein makedonisches Heer rücke in Eilmärschen heran, stehe nur zwei Meilen entfernt in Onchestos. Die Führer beschwichtigten das Volk: es werde Antipatros sein; seit Alexander tot sei, brauche man die Makedonen nicht mehr zu fürchten. Dann kamen Boten: es sei Alexander selbst; sie wurden übel empfangen: Alexandros, der Lynkestier, Aeropos Sohn, sei es. Tags darauf stand der König, der totgeglaubte, mit seinem Heere unter den Mauern der Stadt.
Wie alles in diesem ersten Kriege des Königs überraschend, plötzlich, wie voll Nerv und Muskel ist, so vor allem dieser Marsch. Vierzehn Tage vorher hatte er den letzten Schlag bei Pelion getan; auf die Nachrichten, was in Theben geschehen, war er aufgebrochen, in sieben Tagen durch das Gebirg bis Pellineion am oberen Peneios marschiert; nach raschem Weitermarsch zum Spercheios, durch die Thermopylen, nach Böotien hinein, stand er jetzt bei Onchestos, zwei Meilen von Theben, fast sechzig Meilen von Pelion. Sein plötzliches Erscheinen hatte zunächst den Erfolg, daß die arkadischen Hilfsvölker nicht über den Isthmus hinauszurücken wagten, daß die Athener ihre Truppen so lange zurückzuhalten beschlossen, bis sich der Kampf gegen Alexander entschieden habe, daß sich die Orchomenier, Plataier, Thespier, Phokier, andere Feinde der Thebaner, die sich schon der ganzen Wut ihrer alten Peiniger preisgegeben glaubten, sich mit doppeltem Eifer den Makedonen anschlossen. Der König hatte nicht im Sinn, sofort zur Gewalt zu schreiten, er führte sein Heer von Onchestos heran, ließ es vor den nördlichen Mauern nahe beim Gymnasion des Jolaos lagern; er erwartete, daß die Thebaner angesichts seiner Macht die Torheit ihres Unternehmens erkennen und um gütlichen Vergleich bitten würden. Sie waren, obschon ohne alle Aussicht auf Hilfe, so weit entfernt, sich beugen zu wollen, daß sie ihre Reiter und leichtes Volk sofort einen Ausfall machen ließen, der die feindlichen Vorposten zurückdrängte, und die Kadmeia nur eifriger bedrängten. Auch jetzt noch zögerte Alexander einen Kampf zu beginnen, der, einmal begonnen, schweres Unheil über eine hellenische Stadt bringen mußte; er rückte am zweiten Tage an das südliche Tor, welches nach Athen hinausführt und an welches innerhalb die Kadmeia stößt; er bezog hier ein Lager, um zur Unterstützung der in der Burg liegenden Makedonen in der Nähe zu sein; er zögerte noch weiter mit dem Angriff. Man sagte, er habe die in der Stadt wissen lassen, daß, wenn sie den Phoinix und Prothytes, die Urheber ihres Abfalls, auslieferten, das Geschehene vergeben und vergessen sein solle. Es gab manche in der Stadt, die empfahlen und verlangten, daß man an den König senden und um Verzeihung für das Geschehene bitten sollte; aber die Böotarchen, die Verbannten, die, welche sie zur Rückkehr aufgefordert hatten, von Alexander keiner freundlichen Aufnahme gewärtig, reizten die Menge zum hartnäckigsten Widerstande; es soll dem König geantwortet sein: wenn er den Frieden wolle, so möge er ihnen Antipatros und Philotas ausliefern; es soll die Aufforderung erlassen sein, wer mit ihnen und dem Großkönige Hellas befreien wolle, möge zu ihnen in die Stadt kommen. Alexander wollte auch jetzt noch nicht angreifen.
Aber Perdikkas, der mit seiner Phalanx die Vorhut des makedonischen Lagers hatte und in der Nähe der feindlichen Außenwerke stand, hielt die Gelegenheit zu einem Angriffe so günstig, daß er Alexanders Befehl nicht abwartete, gegen die Verschanzungen anstürmte, sie durchbrach und über die Vorwache der Feinde herfiel. Schnell brach auch Amyntas mit seiner Phalanx, die zunächst an der des Perdikkas stand, aus dem Lager hervor, und folgte ihm zum Angriff auf den zweiten Wall. Der König sah ihre Bewegungen und fürchtete für sie, wenn sie allein dem Feinde gegenüber blieben; er ließ eilig die Bogenschützen und Agrianer in die Umwallung eindringen, das Agema nebst den anderen Hypaspisten ausrücken, aber vor den äußeren Werken Halt machen. Da fiel Perdikkas schwer verwundet beim Angriff auf den zweiten Wall, doch die zwei Phalangen, in Verbindung mit den Schützen und Agrianern, erstürmten den Wall und drangen durch den Hohlweg des elektrischen Tores in die Stadt bis zum Herakleion vor. Da wandten sich plötzlich und mit lautem Geschrei die Thebaner, stürzten sich auf die Makedonen, so daß diese mit bedeutendem Verluste – siebzig von den Bogenschützen fielen, unter ihnen ihr Führer, der Kreter Eurybotas – fliehend sich auf die Hypaspisten zurückzogen. In diesem Augenblick rückte Alexander, der die Thebaner ohne Ordnung die Fliehenden verfolgen sah, mit geschlossener Phalanx schnell auf sie an. Sie wurden zurückgeworfen, und ihr Rückzug war so übereilt, daß die Makedonen mit ihnen in das Tor eindrangen, während an anderen Stellen die Mauern, die wegen der vielen Außenposten ohne Verteidiger waren, erstiegen und besetzt, die Verbindung mit der Kadmeia hergestellt wurde. Jetzt war die Stadt so gut wie verloren; die Besatzung der Kadmeia warf sich mit einem Teile der Hereingedrungenen in die Unterstadt auf das Amphieion; andere stiegen über die Mauern und rückten im Sturmschritt auf den Markt. Umsonst kämpften die Thebaner mit der größten Tapferkeit; von allen Seiten drangen die Feinde ein; überall war Alexander und befeuerte die Seinen durch Wort und Beispiel; die thebanische Reiterei, in die Straßen zersprengt, jagte durch die noch freien Tore ins offene Feld hinaus; von dem Fußvolk rettete sich, wer es konnte, ins Feld, in die Häuser, in die Tempel, die mit wehklagenden Weibern und Kindern angefüllt waren. Voll Erbitterung richteten jetzt nicht sowohl die Makedonen, als die Phokier, die Platäer und die übrigen Böoter ein gräßliches Blutbad an; selbst Weiber und Kinder wurden nicht geschont, ihr Blut besudelte die Altäre der Götter. Erst das Dunkel der Nacht machte dem Plündern und Morden ein Ende; von den Makedonen sollen fünfhundert gefallen, von den Thebanern sechstausend erschlagen worden sein, bis des Königs Befehl dem Gemetzel ein Ende machte.
Am folgenden Tage berief er eine Versammlung der Bundesgenossen, welche an dem Kampfe teilgenommen hatten, und überwies ihnen die Entscheidung über das Schicksal der Stadt. Die Richter über Theben waren dieselben Plataier, Orchomenier, Phokier, Thespier, welche den furchtbaren Druck der Thebaner lange hatten erdulden müssen, deren Städte ehemals von ihnen zerstört, deren Söhne und Töchter von ihnen geschändet und als Sklaven verkauft waren. Sie beschlossen: die Stadt solle dem Erdboden gleichgemacht, das Land, mit Ausnahme des Tempellandes, unter Alexanders Bundesgenossen verteilt, alle Thebaner mit Weib und Kind in die Sklaverei verkauft, nur den Priestern und Priesterinnen, den Gastfreunden Philipps, Alexanders, der Makedonen die Freiheit geschenkt werden; Alexander gebot auch Pindars Haus und Pindars Nachkommen zu verschonen. Dann wurden dreißigtausend Menschen jedes Alters und Standes verkauft und in die weite Welt zerstreut, hierauf die Mauern niedergerissen, die Häuser ausgeräumt und zerstört; das Volk des Epaminondas war nicht mehr, die Stadt ein grauenvoller Schutthaufen, ›der Kenotaph ihres Ruhmes‹; eine makedonische Wache oben auf der einsamen Burg hütete die Tempel und ›die Gräber der Lebendigen‹.
Das Schicksal Thebens war erschütternd; kaum ein Menschenalter früher hatte es die Hegemonie in Hellas gehabt, seine heilige Schar Thessalien befreien, seine Rosse im Eurotas tränken lassen, und jetzt war es von der Erde vertilgt. Die Griechen aller Parteien sind unerschöpflich in Klagen über Thebens Fall, und nur zu oft ungerecht gegen den König, der es nicht retten konnte. Er hat nachmals, wenn Thebaner unter den Söldnerscharen Asiens als Kriegsgefangene in seine Hände fielen, sie nie anders als mit Großmut behandelt; schon jetzt, während der Kampf kaum beendet war, verfuhr er in gleicher Weise. Eine edle Thebanerin, so wird erzählt, wurde gefangen und gebunden vor ihn gebracht; ihr Haus war von Alexanders Thrakern niedergerissen, sie selbst von dem Anführer derselben geschändet, dann unter wilden Drohungen nach ihren Schätzen gefragt; sie hatte den Thraker an einen im Gebüsch versteckten Brunnen geführt: darin seien die Schätze versenkt; und als er hinabstieg, hatte sie Steine auf ihn hinabgeschleudert, bis er tot war. Nun brachten die Thraker sie vor des Königs Richterstuhl; sie sagte aus, sie sei Timokleia, jenes Theagenes Schwester, der als Feldherr bei Chaironeia gegen Philipp für die Freiheit der Hellenen gefallen war. So glaubwürdig wie die Erzählung ist ihr Schluß, daß Alexander der hochherzigen Frau verziehen, ihr und ihren Verwandten die Freiheit geschenkt habe.
Der Fall und Untergang Thebens war wohl dazu angetan, die Hellenen und ihre kurzatmige Begeisterung zu entnüchtern. Die Eleier eilten, die Anhänger Alexanders, die sie verbannt hatten, wieder heimzuführen; die Arkader riefen ihre Kriegsscharen vom Isthmus zurück und verdammten die zum Tode, die zu diesem Hilfszuge gegen Alexander aufgemuntert hatten; die einzelnen Stämme der Aitoler schickten Gesandte an den König und baten um Verzeihung für das, was bei ihnen geschehen sei. Ähnlich anderer Orten.
Die Athener hatten die Flüchtlinge Thebens trotz des Bundeseides heimkehren lassen, hatten auf Demosthenes' Antrag beschlossen, Beistand nach Theben zu schicken, die Flotte auszusenden; aber das Zögern Alexanders hatten sie nicht benutzt, ihre Truppen – in zwei Märschen hätten sie dort sein können – ausrücken zu lassen. Sie feierten gerade die großen Mysterien (im Anfang September), als Flüchtlinge die Nachricht von dem Falle der Stadt brachten; in höchster Bestürzung wurde die Feier unterbrochen, alles bewegliche Gut vom Lande in die Stadt geflüchtet, dann eine Versammlung gehalten, die auf Demades Vorschlag beschloß, eine Gesandtschaft von zehn Männern, die dem Könige genehm seien, zu senden, um wegen seiner glücklichen Rückkehr aus dem Triballerlande und dem illyrischen Kriege, sowie wegen der Unterdrückung und gerechten Bestrafung des Aufruhrs in Theben Glück zu wünschen, zugleich aber um die Vergünstigung zu bitten, daß die Stadt ihren alten Ruhm der Gastfreundschaft und Barmherzigkeit auch an den thebanischen Flüchtlingen bewähren dürfe. Der König forderte die Auslieferung des Demosthenes, des Lykurgos, ferner des Charidemos, des erbitterten Gegners der makedonischen Macht, die seiner Art lukrativer Kriegführung ein Ende machte, des Ephialtes, der jüngst als Gesandter nach Susa gesandt worden war, anderer; denn diese seien nicht bloß die Ursache der Niederlage, die Athen bei Chaironeia erlitten, sondern auch aller der Unbilden, die man nach Philipps Tode sich gegen dessen Andenken und den rechtmäßigen Erben des makedonischen Königtums erlaubt habe; den Fall Theben hätten sie nicht minder verschuldet, als die Unruhestifter in Theben selbst; die von diesen jetzt in Athen Zuflucht gefunden, müßten gleichfalls ausgeliefert werden. Die Forderung Alexanders veranlaßte die heftigsten Erörterungen in der Volksversammlung zu Athen; Demosthenes beschwor das Volk, »nicht wie die Schafe in der Fabel ihre Wächterhunde dem Wolfe auszuliefern«. Das Volk wartete in seiner Ratlosigkeit auf des strengen Phokion Meinung; sein Rat war, um jeden Preis des Königs Verzeihung zu erkaufen und nicht durch unbesonnenen Widerstand zum Unglück Thebens auch noch Athens Untergang hinzuzufügen; jene zehn Männer, deren Auslieferung Alexander forderte, sollten jetzt zeigen, daß sie aus Liebe zum Vaterlande sich auch dem größten Opfer zu unterziehen bereit seien. Demosthenes aber bewog durch seine Rede das Volk, durch fünf Talente den makedonisch gesinnten Redner Demades, daß dieser an den König gesandt wurde und ihn bat, diejenigen, welche strafbar seien, dem Gerichte des athenischen Volkes zu überlassen. Der König tat es, teils aus Achtung vor Athen, teils aus Eifer für den Zug nach Asien, während dessen er keine verdächtige Unzufriedenheit in Griechenland zurücklassen wollte; nur die Verbannung des Charidemos, jenes wüsten Abenteurers, den selbst Demosthenes ehedem verabscheut hatte, wurde vom Könige verlangt; Charidemos floh nach Asien zum Perserkönige. Nicht lange darauf verließ auch Ephialtes Athen und ging zur See fort.
Nachdem auf diese Weise Hellas beruhigt, durch die Vernichtung Thebens und die makedonische Besatzung in der Kadmeia auch für die Zukunft neuen Bewegungen hinlänglich vorgebeugt schien, brach Alexander aus dem Lager vor Theben auf und eilte im Herbste 335 nach Makedonien zurück. Ein Jahr hatte hingereicht, sein vielgefährdetes Königtum fest zu gründen; des Gehorsams der barbarischen Nachbarvölker, der Ruhe in Hellas, der Anhänglichkeit seines Volkes gewiß, konnte er den nächsten Frühling zum Beginn des Unternehmens bestimmen, das für das Schicksal Asiens, für die Geschichte von Jahrhunderten entscheidend werden sollte.
Die nächsten Monate waren den Rüstungen zum großen Kriege gewidmet; von Griechenland, von Thessalien, von den Gebirgen Thrakiens kamen die Scharen der Verbündeten; Söldner wurden geworben, Schiffe zur Überfahrt nach Asien gerüstet. Der König hielt Beratungen, die Operationen des Feldzuges nach den Erkundigungen, die über die Kriegsmacht und Organisation des persischen Reiches, über die Beschaffenheit der östlichen Länder, über die militärische Wichtigkeit der Stromtäler, der Bergzüge, der Städte und Landschaften eingezogen waren, zu entwerfen. Wie gern erführen wir Genaueres darüber, namentlich, ob man am Hofe zu Pella eine Vorstellung von den geographischen Verhältnissen des Reiches, das man anzugreifen gedachte, von dessen Ausdehnung jenseits des Tauros, jenseits des Tigris hatte. Gewiß kannte man die Anabasis des Xenophon, vielleicht die persische Geschichte des Ktesias; manches mochte man von Hellenen, die in Asien in Sold gewesen, von persischen Gesandtschaften, von Artabazos und Memnon, die Jahre lang als Flüchtlinge am makedonischen Hofe gelebt hatten, erkundet haben. Aber wie sorgfältig man Nachrichten gesammelt haben mochte, es konnte kaum mehr sein als ein unsicheres Material zu Entwürfen für den Krieg bis zum Euphrat und allenfalls bis zum Tigris; von der Gestaltung der Länder weiter nach Osten, von den Entfernungen dort hatte man unzweifelhaft keine Vorstellung.
Dann wurden die Angelegenheiten der Heimat geordnet, Antipatros zum Reichsverweser bestellt, mit genügender Heeresmacht, um die Ruhe in Hellas zu sichern, die Grenzen Makedoniens zu decken, die zugewandten Völker umher in Gehorsam zu halten; es wurden die Fürsten der verbündeten Barbarenstämme zur persönlichen Teilnahme am Kampfe aufgefordert, damit das Reich vor Neuerungen desto sicherer, die Stammesgenossen unter ihrer Führung desto tapferer wären. Noch eine Sorge wurde im Kriegsrate besonders von Antipatros und Parmenion angeregt: wessen, im Fall eines unvorhergesehenen Unglückes, die Thronfolge im Reiche sein solle? Sie beschworen den König, sich vor dem Feldzuge zu vermählen und die Geburt eines Thronerben zu erwarten. Er verwarf ihre Anträge: es sei seiner, der Makedonen und Hellenen unwürdig, an Hochzeit und Ehebett zu denken, wenn Asien zum Kampfe bereitstehe. Sollte er warten, bis die schon aufgebotene Flotte der Phoiniker und Kyprioten herankam, das schon aufgebotene Reichsheer des Großkönigs sich sammelte und über den Tauros kam? Er durfte nicht länger zögern, wenn er Kleinasien und damit die Basis zum weiteren Kampf gewinnen wollte.
Es wird berichtet, daß er so verfahren, als wenn er für immer von Makedonien Abschied nehmen wolle. Was daheim ihm gehörte, Landgüter, Waldungen und Dörfer, selbst Hafenzölle und andere Einkünfte, habe er an die Freunde verschenkt, und auf Perdikkas Frage, als fast alles verteilt gewesen sei: was denn ihm bleibe? habe er geantwortet: »die Hoffnung«; da habe denn Perdikkas seinen Anteil verschmäht: »laß uns, die wir mit dir kämpfen werden, die Hoffnung mit dir teilen«; und manche Freunde seien dem Beispiel des Perdikkas gefolgt. Die Erzählung wird übertrieben sein, aber der Stimmung vor dem Auszuge entspricht sie; der König verstand es, sie hoch und höher zu spannen; der Enthusiasmus, der ihn erfüllte, entflammte seine Generale, den ritterlichen Adel, der ihn umgab, das gesamte Heer, das ihm folgte; den Heldenjüngling an ihrer Spitze, forderten sie siegesgewiß eine Welt zum Kampfe heraus.