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Die Vorbereitungen zum Kriege – Das Münzwesen – Die Bundesverhältnisse des Königtums – Die Armee – Übergang nach Asien – Schlacht am Granikos – Okkupation der Westküste Kleinasiens – Eroberung von Halikarnaß – Zug durch Lykien, Pamphylien, Pisidien – Organisation der neuen Gebiete
Alexanders Unternehmen erscheint auf den ersten Blick in nicht geringem Mißverhältnis zu den Hilfsmitteln, die ihm zur Verfügung standen. Und nur die kleinere Hälfte seines Werkes war, den Feind aus dem Felde zu schlagen; er mußte daran denken, wie die Erfolge der Waffen dauernd gemacht werden sollten.
Denn der räumlichen Ausdehnung nach kam das Ländergebiet, über dessen Kräfte er verfügen konnte, kaum dem dreißigsten Teile des Perserreiches gleich; nicht minder ungleich stellte sich das Zahlenverhältnis der Bevölkerungsmassen hier und dort, seiner und der persischen Streitkräfte zu Wasser und zu Lande. Fügt man hinzu, daß der makedonische Schatz beim Tode Philipps erschöpft und mit fünfhundert Talenten Schulden belastet war, während in den Schatzkammern des Großkönigs zu Susa, Persepolis, Ekbatana usw. ungeheuere Vorräte edlen Metalls aufgehäuft lagen, daß Alexander nach Beendigung seiner Rüstungen, zu denen er achthundert Talente hatte aufnehmen müssen, nicht mehr als sechzig Talente zur Verfügung hatte, den Krieg gegen Asien zu beginnen, so erscheint sein Unternehmen tollkühn und fast chimärisch.
Der Charakter der uns erhaltenen Überlieferungen gestattet nicht, aus ihnen auf die Fragen, die sich hier aufdrängen, Antwort zu erwarten. Selbst der verständige Arrian gibt nur den äußeren, fast nur den militärischen Sachverlauf mit gelegentlicher moralischer Würdigung seines Helden, kaum daß er von denen, die militärisch in Rat und Tat seine Helfer waren, mehr als die Namen anführt; von der Verwaltung, den Finanzen, den politischen Organisationen, von der Kanzlei, dem Kabinett des Königs, von den Personen, die in diesen Funktionen des Königs Werkzeuge waren, sagt er nichts; er unterläßt es, sich und dem Leser klarzumachen, wie die Taten und Erfolge, von denen er berichtet, möglich waren und wirklich wurden, mit welchen Mitteln, inwieweit vorausgeplant, von welchen Zielen und nach welchen praktischen Gesichtspunkten bestimmt, durch welche Macht des Willens, der überlegenen Einsicht, der militärischen und politischen Genialität.
Aus der Fülle von Fragen, die damit angedeutet sind, genügt es vorerst, diejenigen hervorzuheben, die hier an der Schwelle des staunenswürdigsten Siegeslaufes die wesentlichen sind.
Es hat nicht an solchen gefehlt, die dem Charakter Alexanders und seiner Genialität damit gerecht zu werden glaubten, daß sie ihn wie einen Phantasten darstellten, der mit seinen nicht minder enthusiastischen Kriegsvölkern nach Asien gezogen sei, die Perser zu schlagen, wie und wo er sie fände, vom Zufall erwartend, wie ihn der nächste Tag weiter führen werde. Andere haben gemeint, daß er den Gedanken, mit dem sich sein Vater getragen, den Philosophen, Redner, Patrioten immer von neuem empfohlen, der recht eigentlich von der hellenischen Bildung gezeugt und entwickelt worden sei, nur eben ausgeführt habe.
Der Gedanke, bevor er zur Tat geworden, ist nur ein Traum, ein Phantom, ein Spiel der erregten Phantasie; erst dem, der ihn ausführt, gewinnt er Gestalt, Fleisch und Bein, den Impuls eigener Bewegung, das Hier und Jetzt seines Wirkens und mit den Bedingungen und Gegenwirkungen in Raum und Zeit immer neue Schranken, immer schärfere Ausprägungen, mit denen seiner Kraft zugleich die seiner Schwächen.
Ist Alexander wie ein Abenteurer, wie ein Träumer hinausgezogen mit dem summarischen Gedanken, Asien bis zu den ungekannten Meeren, die es umgrenzen, zu erobern? oder hat er gewußt, was er wollte und was er wollen konnte? hat er danach seine militärischen und politischen Pläne entworfen, seine Maßregeln getroffen?
Es handelt sich nicht darum, aus der Reihenfolge seiner Erfolge, rückwärts schließend, deren planmäßigen Zusammenhang aufzuweisen und die Evidenz als Beweis zu geben; es fragt sich, ob es Beweise gibt, daß vor dem begonnenen Werk schon vor seinem Geiste stand, wie es werden sollte.
Vielleicht, daß eine Tatsache dafür anzuführen ist, von der freilich unsere Quellen nicht sprechen. Außer wenigen Inschriften und Kunstwerken haben wir unmittelbare Überreste aus jener Zeit nur in den Münzen, deren tausende goldene, silberne, kupferne mit dem Gepräge Alexanders erhalten sind, stumme Zeugen, welche die Forschung endlich zu sprechen gelehrt hat. Verglichen mit den Gold- und Silbermünzen der Perserkönige, der zahllosen Griechenstädte, der makedonischen Könige vor Alexander, ergeben sie einen Vorgang sehr bemerkenswerter Art.
Im Früheren ist erwähnt worden, daß König Philipp in seinen Landen eine neue Münzordnung eingeführt habe; sie war, nach dem Ausdruck eines berühmten Forschers, gleichsam eine entfernte Anbahnung zur Eroberung Persiens. Sie bestand darin, daß er, während in der hellenischen Welt die Silberwährung, wie im Perserreich die Goldwährung herrschte, Gold auf den Fuß der Dareiken prägte, daneben Silber auf denjenigen Fuß, der dem Handelswert des Goldes am nächsten entsprach. Also er setzte die Goldwährung ›nicht an die Stelle, sondern an die Seite der bisher in der griechischen Welt allein üblichen Silberwährung, er führte damit in seinem Reiche Doppelwährung ein‹. Nach dem Verhältnis des Goldes zu Silber, das im Handel 1:12,51 stand, normierte er seine Silberstücke, deren 15 auf ein Goldstück von 8,60 Gr. gehen sollten, auf 7,24 Gr.; es war im wesentlichen der Fuß des verbreiteten rhodischen Silbergeldes.
Die Goldmünzen Alexanders sind von demselben Gewicht und Feingehalt wie die ›Philippeer‹, aber seine Silbermünzen folgen einem völlig andern System; es sind Tetradrachmen von 17,00 bis 17,20 Gr. und deren Stückelung, ganz nach dem attischen System, mit der Wertung des Goldes gegen Silber wie 1: 12,30. Nicht bloß geschah diese Verminderung in der Absicht, von der Doppelwährung des Vaters zur reinen Silberwährung der Hellenen zurückzukehren, wie denn im weiteren die ›Alexanderdrachme‹ zur allgemeinen, in dem ganzen Reiche gültigen Zahlungseinheit erhoben worden ist, sondern – und dies ist das für unsere Frage Bedeutsamere –: es gibt in der großen Masse Drachmengeldes von Alexander auch nicht ein Stück nach dem philippischen Fuß.
Man wird nicht annehmen wollen, daß diese Neuordnung ohne wesentliche Motive eingeführt wurde. Hatte Philipp die Doppelwährung eingeführt, so war seine Absicht gewesen, bei dem Sinken des Goldpreises im Handel mit der griechischen Welt, wo die Silberwährung galt, den Preis beider edlen Metalle zu fixieren und sie damit im Gleichgewicht zu erhalten. Sank der Wert des Goldes weiter, so mußte auch aus Makedonien das Silber abfließen, wie bisher schon aus Persien, in dem Maße, als der Wert des Silbers höher war als der des Goldes, für das man es kaufen konnte. Mit der neuen Münzordnung, die Alexander einführte, war dem persischen Golde sozusagen der Krieg erklärt; das Gold war zur bloßen Ware gemacht, zu einer Ware, die, wenn die Schätze des Perserkönigs erobert und das dort in Masse tot liegende Gold dem Verkehr zurückgegeben wurde, sich immerhin weiter entwerten konnte, ohne daß die auf Silber gestellten Preise in der griechischen Welt dadurch in gleichem Maße erschüttert wurden. Das Silber nach attischem Fuß wurde fortan zum Wertmaß, die Tetradrachme zum Nominal einer Münzeinheit, in der sich ungefähr alle hellenischen Münzsysteme wie eben so viele Brüche in ihrem Generalnenner zusammenfinden konnten. Und nach einem halben Menschenalter war die ›Alexanderdrachme‹ die Weltmünze.
Ob mit dieser Umgestaltung des makedonischen Münzsystems zugleich eine finanzielle Hilfe für die augenblicklichen Geldgeschäfte gesucht wurde, ob Alexander und seine Ratgeber die wirtschaftliche Wirkung der Maßregel berechnet, ob sie die weitere Entwertung des Goldes, wenn die persischen Schätze in Umlauf gesetzt wurden, vorausgesehen haben, muß dahingestellt bleiben. Genug, wenn uns eine tiefeingreifende Maßregel darauf aufmerksam macht, bis zu welchen Punkten hin der große Plan, ehe man zur Ausführung schritt, vorbedacht worden ist.
Eine zweite Vorfrage ist, wie das Unternehmen, zu dem Alexander auszog, basiert war, oder ob es sein Wille war, sobald er den Hellespont hinter sich hatte, seine Basis aufzugeben und, wie man wohl den Ausdruck gebraucht hat, die Schiffe hinter sich zu verbrennen.
Dem weiteren Verlauf der Darstellung muß es vorbehalten bleiben, zu rechtfertigen, warum auf die so gestellte Alternative hier nicht eingegangen werden kann. Wenigstens vorerst lag für Alexander alles daran, seiner Basis sicher zu sein, und nur so weit er es militärisch und politisch war, konnte er den entscheidenden ersten Stoß wagen und dessen Wirkung zu entwickeln hoffen.
Der Machtbereich Alexanders erstreckte sich von Byzanz bis zum Eurotas und landeinwärts über den Haimos und Pindos bis gegen die Donau und die Adria; ein Gebiet, das von den vier Seiten des Ägäischen Meeres die nördliche und westliche wie im rechten Winkel umschloß, während dessen Ostseite die zum Perserreich gehörenden, aber von Griechenstädten besetzten Gestade Kleinasiens bildeten; Kreta, das der offenen Südseite dieses Meeres vorliegt, war griechisch, aber eine Welt für sich wie Großgriechenland und Sizilien, wie die Griechenstädte im Norden und Süden des Pontos.
Vollkommen sicher war Alexander des Gebietes, das auf dem Scheitel jenes rechten Winkels lag und gleichsam den Keil- und Schlußstein seines Machtbereiches bildete. Hier in den makedonischen Landen, mit Einschluß der Tymphaia und Parauaia im Westen, des Strymonlandes im Osten, war er der geborene König, dem der Adel, der Bauer, die Städte – auch die griechischer Gründung, wie Amphipolis – unbedingt ergeben waren.
An dieses Kernland seiner Macht schlossen sich die übrigen Gebiete rechts und links und rückwärts in den mannigfachsten politischen Formen von völliger Abhängigkeit bis zur losen Föderation.
Von besonderer Wichtigkeit war das thrakische Land, derjenige Teil des Machtbereiches, der vom Eingang des Hellespontes bis zum Ausgang des Bosporus der Küste Kleinasiens naheliegt und sie flankiert. Das Thrakerreich, das einst das Becken des Hebros bis in die Berge hinauf beherrscht hatte, war von König Philipp zerstört worden, und wenn noch, wie es scheint, ein Rest derselben als Fürstentum der Odrysen bestand, so war es von Makedonien bis zur Heeresfolge abhängig. Thrakien war, wenn es gestattet ist den römischen Begriff zu antizipieren, eine Provinz des makedonischen Staates geworden. Sie zu behaupten waren an dominierenden Punkten des Landes die neuen Städte Philippopolis, Kalybe, Beroa, Alexandropolis gegründet und kolonisiert worden, nicht freie Kolonien in althellenischer Art, sondern militärische Stationen, immerhin mit bürgerlichem Gemeinwesen und kommunaler Autonomie, in die zur Füllung aus der Nähe und Ferne zum Teil zwangsweise Ansiedler gesetzt wurden. Das Land Thrakien stand – wenigstens seit 335 wissen wir davon – unter makedonischen Strategen. Es muß dahingestellt bleiben, wie weit der Amtsbereich des Strategen über die Haimospässe hinaus sich erstreckte, und ob ein zweiter Strateg, wie eine unsichere Nachricht aus dem Jahre 331 oder 326 vermuten läßt, diese Gegenden ›am Pontos‹ verwaltete, oder ob die Völkerschaften vom Haimos bis zur Donau und ihren Mündungen nach dem Feldzug von 335 nur zu friedlicher Nachbarschaft und vielleicht Tribut verpflichtet waren. Die Griechenstädte an der thrakischen Küste des Pontos, von Apollonia und Mesembria bis Kallatis und Istros hinauf, waren wohl schon dem Philipp befreundet; aber sie scheinen auch nach dem Feldzug von 335 nicht in ein engeres Verhältnis zu Makedonien getreten zu sein. Von Byzanz wurden zu jenem Feldzug Schiffe an die Donau gesandt, gewiß auf Grund eines nur symmachischen Verhältnisses; denn Byzanz hat in der Zeit Alexanders und der Diadochen keine Alexandermünzen geprägt, war also ein selbständiger Staat geblieben wie die griechischen Städte des korinthischen Bundes; ob Byzanz diesem beigetreten war, ob es nicht vielmehr Verträge für sich mit Makedonien geschlossen hatte, muß dahingestellt bleiben.
Sehr bemerkenswert ist, daß von fast allen Griechenstädten der thrakischen Südküste Alexandermünzen geprägt sind, wie von den makedonischen Pella, Amphipolis, Skione usw.; also sie stehen wie diese unter dem makedonischen Münzgesetz, sie sind wie diese, immerhin mit kommunaler Autonomie, nicht mehr ›Selbst-Staaten‹. Von diesen, wenn man will, königlichen Städten in Thrakien liegen Abdera, Maroneia auf der Straße zum Hellespont, Kardia auf dem Eingang zur Chersones, Krithote am Nordeingang des Hellespont, gegenüber von Lampsakos, Sestos und Koile an der Stelle des Überganges nach Abydos, Perinthos und Selymbria an der Propontis.
Im Norden Makedoniens ist das Fürstentum der Paionen und weiter das der Agrianer unter der Hoheit Makedoniens, mit dem Recht oder der Pflicht des Waffendienstes in dem Heere des Königs; wenigstens von den paionischen Fürsten gibt es auch aus der Zeit Alexanders Münzen, aber weder nach dem makedonischen Münzfuß, noch mit dem Gepräge Alexanders.
Die Völkerschaften im Norden von ihnen bis zum Adriatischen Meere, die Triballer, Autariaten, Dardaner, die Taulantiner, die Illyrier des Kleitos sind mit dem Feldzuge von 335 zur Ruhe und zu Verträgen gezwungen, in denen sie ihre Abhängigkeit von Makedonien haben anerkennen müssen; ob bis zur Tributpflichtigkeit, muß dahingestellt bleiben.
Sehr eigentümlich ist das Verhältnis des Königtums von Epiros zu Makedonien. Seit König Philipp es dem Arybbas entrissen und an dessen Neffen Alexandros, den Bruder der Olympias, übergeben und bis an den ambrakischen Busen erweitert hatte, stand es wie eine natürliche Stütze an der Seite Makedoniens; die Vermählung des jungen Königs mit Philipps Tochter, vielleicht eine Art Mitbesitz der Königin Olympias, schien es noch enger an das makedonische Interesse knüpfen zu müssen. Wie seltsam, daß trotzdem die Epiroten weder in den Kämpfen von 335 für Makedonien eintreten, noch an dem großen Zuge nach Asien sich beteiligen; vielmehr unternimmt der Epirotenkönig ein Jahr darauf ›mit fünfzehn Kriegsschiffen und zahlreichen Fahrzeugen zum Transport von Schiffen und Pferden‹ seinen Zug nach Italien, man kann nicht einmal sagen, ob im Einverständnis mit Makedonien. Wäre ein solches zu erweisen, so gewönne man für diese Auffassung der politischen Gedanken dieser Zeit ein wichtiges Moment mehr. Aber vielleicht darf man sich erinnern, daß die Verfassung der Molosser bei weitem nicht in dem Maße königlich war, wie die makedonische, sondern durch die Eide, die der König dem Volk, das Volk dem Könige leistete, in hohem Maße gebunden, wohl so, daß der König nur über das, was sein Königsgut ihm brachte, freie Verfügung hatte; und so mag der Molosserkönig seinen Zug nach Italien nicht im Namen des epirotischen Staates unternommen, sondern auf eigene Kosten und Gefahr ein geworbenes Heer nach Italien geführt haben, um, wie ähnlich mehr als ein spartanischer König, in fremdem Dienst zu kämpfen.
In welcher Weise die griechischen Staaten sich zu Makedonien verhielten, ist schon früher angeführt worden. Es wird hier nötig sein, auf diese Frage zurückzukommen, um einige Punkte von politischer Bedeutung zu berühren, die freilich nicht mehr alle ins klare zu bringen sind.
Nicht erst der korinthische Bund knüpfte die Thessaler an Alexander; in eigener Verfassung standen sie in ihren vier Landschaften zu einem Gemeinwesen vereint neben Makedonien, jener Verfassung, die ihnen König Philipp gegeben oder erneut hatte, und kraft deren die militärischen und finanziellen Mittel des Landes dem makedonischen Könige so gut wie zur freien Verfügung standen. Ob in dieser Verfassung auch die Bergstämme Thessaliens, die von alters her ›zugewandten Kantone‹, die Doloper, Ainianen, Malier usw., begriffen waren, oder ob nur die amphiktyonische Verbindung sie an Makedonien knüpfte, ist nicht mehr zu erkennen.
Auch die Aitoler scheinen nicht in dem korinthischen Bunde gestanden, sondern ihre früheren Sonderverträge mit Makedonien, durch die sie 338 Herren von Naupaktos geworden waren, erneut zu haben.
Der korinthische Bund umfaßte ›Hellas bis zu den Thermopylen‹; nur Sparta war nicht beigetreten. Aus den früher angeführten Artikeln der Bundesverfassung erhellt, daß sie nicht bloß der führenden Macht dienen sollte, sich der Hegemonie über Hellas und der hellenischen Kontingente zum Perserkriege zu versichern, sondern zugleich den Landfrieden innerhalb des Bundesgebietes und den Besitzstand auf Grund der 338 getroffenen Feststellungen zu erhalten, und jeden ferneren Einfluß der persischen Politik auf die einzelnen verbündeten Staaten auszuschließen. Über die Organisation des Bundes fehlen weitere Nachrichten in dem Maße, daß nicht einmal zu erkennen ist, ob das Synedrion in Korinth dauernd vereinigt war oder nur zu gewissen Zeiten zusammentrat, ob Makedonien in demselben Sitz und Stimme hatte, ob nicht vielmehr Makedonien außer dem Bunde stand und der König nur als ›unumschränkter Feldherr‹ für den Perserkrieg über die vertragsmäßigen Kontingente und die auswärtige Politik der Bundesstaaten die Verfügung hatte. In dem Seebunde der perikleischen Zeit hatte Athen über seine Bundesgenossen eine wirkliche Herrschaft gehabt und streng genug gehandhabt, selbst ihre Prozesse vor die attischen Gerichtshöfe gezogen; in dem zweiten attischen Seebunde hatte der attische Staat und die Gesamtheit der autonomen Bundesgenossen nebeneinander gestanden, in der Art, daß das Synedrion der Verbündeten, ständig in Athen versammelt, mit Rat und Volk von Athen über die zu treffenden Maßregeln verhandelte und auf die Anträge des Synedrion der Demos von Athen die entscheidenden Beschlüsse faßte. Wenn König Philipp bei Gründung des korinthischen Bundes sich mit einer ungleich loseren Form begnügte, wenn Alexander trotz des zweimal gegebenen Anlasses deren nicht festere forderte oder erzwang, so muß es ihnen entweder nicht nötig oder unmöglich erschienen sein, diese Föderation nach heutiger Ausdrucksweise über die bloß völkerrechtliche zu einer staatsrechtlichen Vereinigung zu entwickeln.
Man wird dies beachten müssen, um die Konsequenzen, die sich daraus ergaben, richtig zu würdigen. Die Art, wie der Bund gegründet, wie er dann gebrochen und von neuem beschworen worden war, zeigte hinlänglich, daß die geschworenen Eide allein nicht ausreichten, Alexander der Hilfe der Bundesstaaten gegen den Großkönig und ihres Beharrens bei der gemeinsamen Politik zu versichern. Wenigstens ein Surrogat dafür gab das Parteiwesen in fast jeder hellenischen Stadt und der althergebrachte echt partikularistische Nachbarhader der Städte untereinander; und es konnte die makedonische Politik kein Vorwurf treffen, wenn sie ihren Anhängern Vorschub leistete, um nicht das Heft in die Hände derer kommen zu lassen, die nach Lage der Dinge die persische Partei waren, wenn sie fortfuhren, wider den geschlossenen Bund zu arbeiten. Zur weiteren Sicherung lagen in Akrokorinth, in Chalkis, auf Euböa, in der Kadmeia makedonische Besatzungen; und als ihr Rückhalt, keineswegs bloß um die Barbarenstämme jenseits des Haimos und in Illyrien in Respekt zu halten, ließ Alexander bei seinem Ausmarsch eine bedeutende Kriegsmacht, vielleicht die volle Hälfte der eigentlich makedonischen Truppen in Makedonien zurück, die sich zugleich mit dem jährlichen Nachwuchs an Rekruten verstärkte und als Depot der für die Armee in Asien auszubildenden Ersatztruppen diente.
Noch blieb ein sehr wesentlicher Übelstand. Die makedonische Seemacht war bei weitem nicht der persischen gewachsen. Der Großkönig konnte, wie sich demnächst zeigte, ohne weiteres vierhundert Kriegsschiffe in See schicken, seine Flotte war die der Phoiniker und Kyprier, der besten Seeleute der alten Welt; mit den Inseln der Westküste Kleinasiens, die, obschon nach dem antalkidischen Frieden autonom, unter Tyrannen oder Oligarchen ganz zur Verfügung des Großkönigs standen, war er, wenn er wollte, Herr des Ägäischen Meeres. Hätten die Staaten des korinthischen Bundes ihre Kriegsschiffe mit denen Makedoniens vereint, – und Athen allein hatte deren über dreihundertfünfzig in seinen Schiffshäusern – so wäre es leicht gewesen, sich dieses Meeres zu versichern, bevor die persische Seemacht herankam. Die makedonische Politik hat es weder bei der Gründung des Bundes noch bei dessen Erneuerung für möglich oder für rätlich erachtet, bedeutende maritime Leistungen von den hellenischen Staaten zu fordern. Wenn sie es vorzog, dem Kampfe wider die Persermacht auch für den ersten einleitenden Feldzug wesentlich den Charakter eines Landkrieges zu geben, so liegt es auf der Hand, daß es politische, nicht militärische Gründe waren, die sie dazu bestimmten.
Alexander mußte sich mit seiner Landmacht des Erfolges völlig sicher halten, oder richtiger – denn hier schließt sich unsere dritte Frage an – er mußte die Stärke der nach Asien bestimmten Feldarmee, ihre Ausrüstung, ihre Organisation, das Verhältnis der Waffen in ihr so berechnet haben, daß er sich des Erfolges völlig sicher halten durfte.
Die makedonische Kriegsmacht hatte schon König Philipp auf etwa dreißigtausend Mann Fußvolk und gegen viertausend Reiter gebracht; sie hatte unter ihm ihre eigentümliche Ausbildung erhalten; es war die entwickelte hellenische Militärorganisation, auf die Verhältnisse Makedoniens übertragen und ihnen entsprechend weiter gebildet; sie war natürlich darauf gestellt, die verschiedenen Waffen, Infanterie und Kavallerie, leichte und schwere Truppen, Landesaufgebot und Soldtruppen in ungleich freierer und wirksamerer Durchbildung, als in der hellenischen Kriegskunst bisher erreicht war, verwenden zu können.
Bei seinem Aufbruch nach Asien ließ Alexander, freilich nach einer Angabe, die sich als sehr unzuverlässig erweist, zwölftausend Mann Fußvolk und fünfzehnhundert Reiter unter Antipatros Befehl in Makedonien zurück, und ihre Stelle ersetzten fünfzehnhundert thessalische Reiter, sechshundert Reiter und siebentausend Mann Fußvolk hellenischer Bundestruppen, fünftausend hellenische Söldner, außerdem Thraker zu Fuß, odrysische und paionische Reiter. Die Gesamtstärke des Heeres, das nach dem Hellespont marschierte, wird nach der sichersten Überlieferung auf ›nicht viel über dreißigtausend Mann zu Fuß und mehr als fünftausend Reiter‹ angegeben.
Die Gesamtmasse des Fußvolkes und der Reiterei war nach den Waffen und zum Teil nach Landsmannschaften geteilt, nicht nach Art der römischen Legionen und der Divisionen neuester Zeit, die in ihrer Verbindung aller Waffen gleichsam Armeen im Kleinen sind. Gegen Feinde, wie die Völkermassen Asiens, die, ohne militärische Ordnung und Kunst, zu einem Hauptschlage zusammengerafft, mit einer Niederlage alles verloren geben, mit einem Siege über organisierte Truppen nichts als erneute Gefahr gewinnen, gegen solche Feinde hat die Ordnung nach der Waffe und der Landsmannschaft den Vorzug der einfachsten taktischen Form und der natürlichen inneren Geschlossenheit; in denselben Gegenden, in denen Alexanders Phalanx des Dareios Heer übermannte, erlagen sieben römische Legionen den ungestümen Angriffen der Parther.
Das Heer, das Alexander nach Asien führte, behielt als Grundlage die makedonische Organisation. Die Kontingente der Bundesgenossen, die hinzukamen, sowie die außer dem alten Bestande von Geworbenen neu hinzugefügten Mietvölker dienten nur dazu, diese Organisation, der sie eingefügt wurden, nach ihren beiden Elementen der Beweglichkeit und der Stetigkeit möglichst zu vervollständigen.
In der hellenischen Taktik war das schwere Fußvolk die überwiegende Waffe gewesen, bis in den Peltasten eine leichtere Infanterie hinzugefügt worden war, der die Spartaner erlagen. Auch in dem makedonischen Heere bildeten in der Schlachtordnung diese beiden Formen des Fußvolkes, die Phalangen und die Hypaspisten, die der Zahl nach stärkste Macht.
Das Eigentümliche der Phalanx bestand in der Bewaffnung der einzelnen und in ihrer Zusammenordnung. Die Phalangiten sind Hopliten im hellenischen Sinn, wenn nicht ganz so schwer wie die hellenischen; sie sind ausgerüstet mit Helm, Brustharnisch, Beinschienen und einem Rundschilde, der die Breite des Mannes deckt; ihre Hauptwaffe ist die makedonische Sarissa, ein Spieß von vierzehn bis sechzehn Fuß Länge, und das kurze griechische Schwert. Für das Nahgefecht in Masse bestimmt, mußten sie so geordnet sein, daß sie einerseits den heftigsten Anlauf des Feindes ruhig erwarten, andererseits die feindlichen Reihen mit einem Vorstoß zu durchbrechen sicher sein konnten; sie standen in der Regel sechzehn Mann tief, indem die Spieße der ersten fünf Glieder über die Front hinausragten, dem gegen sie anstürmenden Feinde eine undurchdringliche, ja unangreifbare Mauer; die folgenden Reihen legten ihre Sarissen auf die Schultern der Vordermänner, so daß der Angriff dieser ›Schlachthaufen‹ durch die furchtbare Doppelgewalt der Schwere und Bewegung durchaus unwiderstehlich war. Nur die vollendete gymnastische Ausbildung der einzelnen machte die Einheit, Präzision und Schnelligkeit, mit welcher die auf engen Raum zusammengedrängte Menschenmasse die künstlichsten Bewegungen ausführen mußte, möglich; sie sind in der Schlacht, wie zwei Jahrtausende später der Tataren-Aga die geschlossenen brandenburgischen Bataillone, Vierecke von Pikenieren und Musketieren, genannt hat, ›wandernde Kastelle‹. Von diesen makedonischen Hopliten, den ›Pezetairen‹, waren in dem Heere, das nach Asien zog, sechs Taxeis oder Phalangen, die unter den Strategen Perdikkas, Koinos, Amyntas Andromenes Sohn, Meleagros, Philippos Amyntas Sohn, Krateros standen; die Taxeis scheinen kantonweise gebildet zu sein und rekrutiert zu werden, so war die des Koinos aus Elymiotis, die des Perdikkas aus der Orestis und Lynkestis, die des Philippos, die später Polysperchon führte, aus der Tymphaia.
Die hellenischen Schwerbewaffneten, Söldner sowohl wie Bündner, standen unter besonderem Kommando; Strateg der Bündner war Antigonos, der spätere König, Strateg der Söldner Menandros, einer der Hetairen. Für größere Aktionen scheinen diese Bündner und Söldner mit den makedonischen Hopliten kombiniert worden zu sein in der Art, daß die so und so viel Lochen der makedonischen Taxis, die Pezetairoi, mit so und so viel Lochen Bündnern und Söldner die Phalanx des Perdikkas, des Koinos usw. bildeten. Das gesamte schwere Fußvolk in Alexanders Heer mag sich auf vielleicht achtzehntausend Mann belaufen haben.
Sodann die eigentümliche makedonische Truppe der Hypaspisten. Schon der Athener Iphikrates hatte, um eine Waffe zu haben, die behender zum Angriffe als die Hopliten, und schwerer als die Leichtbewaffneten wäre, ein Korps mit linnenen Panzern, mit leichterem Schild und längerem Schwert, als die Hopliten trugen, unter Namen von Peltasten errichtet. In Makedonien fand diese neue Waffengattung Eingang vielleicht für die Truppen, die, im Gegensatz gegen das Aufgebot der Miliz, in beständigem Dienst gehalten wurden, wie ihr Name, der Trabanten (Schildtruppen des Königs) bedeutet, anzudeuten scheint. Der Feldzug von 335 hat uns die Verwendung dieses Korps in mehrfachen Beispielen gezeigt. Oft hinderte das Terrain den vollen Gebrauch der Phalanx, öfter noch waren Überfälle, rasche Züge, Handstreiche aller Art zu wagen, zu denen die Phalangen nicht beweglich, die leichten Truppen nicht fest genug waren; Höhen zu besetzen, Flußübergänge zu forcieren, Kavallerieangriffe zu unterstützen und auszunutzen, waren diese Hypaspisten vor allem geeignet. Das ganze Korps, ›die Hypaspisten der Hetairen‹, wie sie bezeichnet werden, führte Nikanor, dessen Bruder Philotas die Ritterschaft der Hetairen befehligte, der Sohn des Parmenion. Die erste Taxis führte den Namen des Agema, des königlichen Geleites der Hypaspisten.
In der Reiterei den ersten Rang haben die makedonischen und thessalischen Ilen. Sie sind aus dem ritterlichen Adel Makedoniens und Thessaliens; gleich an Waffen, Übung und Ruhm wetteifern sie unter den Augen des Königs, sich auszuzeichnen, der in der Regel an ihrer Spitze steht. Von welcher Bedeutung diese Waffe für Alexanders Unternehmen war, zeigt jede der großen Schlachten, die er geschlagen hat, und vielleicht mehr noch die Kavalkaden, wie die letzte Verfolgung des Dareios, die Jagd auf Bessos. Gleich furchtbar in der Attacke wie im Einzelkampf waren Alexanders Reiter durch Ordnung und Übung der asiatischen Reiterei, in wie großen Massen sie auch erscheinen mochte, überlegen, ihr Angriff auf das feindliche Fußvolk in der Regel entscheidend. Sie haben Helm, Halsberge, Brustharnisch, Achsel- und Hüftstücke; auch das Roß ist an Stirn und Brust gepanzert; sie führen den Stoßspeer und an der Seite das Schwert. Die makedonischen Hetairen führt Philotas, des Parmenion Sohn, wie es scheint mit dem Namen Hipparch; sie führen den Namen der ›Ritterschaft der Hetairen‹. Sie bilden acht Ilen oder Geschwader, die bald nach ihren Ilarchen, bald nach makedonischen Landschaften benannt werden. In der Schlacht bei Arbela stehen die einzelnen Geschwader unter Kleitos, Glaukias, Ariston, Sopolis, Herakleides, Demetrius, Meleagros und Hegelochos. Das Geschwader des Sopolis heißt auch Amphipolis am Strymon, das des Herakleides nach der Landschaft Bottiaia usw. Das des Kleitos wird die königliche Ile genannt und bildete das Agema der Ritterschaft. Unter den thessalischen Ilen ist die von Pharsalos die stärkste und tüchtigste; den Befehl über die thessalische Ritterschaft hat Kalas des Harpalos Sohn.
Auch hellenische Reiter, Bundeskontingente, sind mit im Heer; sie werden in der Regel den thessalischen zugeordnet, aber als besonderes Korps; sie stehn unter Befehl des Philippos, Menelaos Sohn. Geworbene Reiter aus Hellas kommen erst in den späteren Feldzügen vor.
Endlich die leichten Truppen zu Fuß und zu Pferd. Sie kommen teils aus dem oberen Makedonien; teils aus den Ländern der Thraker, Paionen, Agrianer, je nach der Art ihres Landes mit Schutz- und Trutzwaffen gerüstet, durch das in ihrer Heimat übliche Jagen und Wegelagern und die unzähligen kleinen Kriege ihrer Häuptlinge geübt, waren sie zum fliegenden Gefecht, zur Deckung des Marsches, zu alle dem, wozu man im beginnenden achtzehnten Jahrhundert die Panduren, Husaren, Ulanen, Tataren verwenden lernte, geeignet.
Unter dem leichten Fußvolk der Zahl nach am bedeutendsten sind die Thraker, die Sitalkes, wohl aus dem thrakischen Fürstenhause, führt. Daß sie mehrere Taxen bilden, läßt auf ihre Zahl schließen; sie werden als Akontisten, als Speerwerfer bezeichnet; sie scheinen den kleinen Schild geführt zu haben, wie ja die Waffe der Peltasten den Thrakern nachgeahmt worden ist. Dann die Agrianer, auch sie sind Akontisten, sie stehen unter Führung des Attalos, der vielleicht ein Sohn des Fürsten Langaros war. Endlich die Bogenschützen, teils Makedonen, teils Geworbene, wohl meist aus Kreta; fast kein Gefecht, in dem sie und die Agrianer nicht voran sind; in einem Jahre ist dreimal die Stelle des Toxarchen neu besetzt worden; bei Eröffnung des Krieges führte sie Klearchos.
Daneben die leichte Reiterei, teils makedonische, teils Paionen, Odryser, Völkerstämme, deren Tüchtigkeit im Reiterdienst seit alten Zeiten berühmt gewesen ist; ihre Zahl ist nicht festzustellen. Die Paionen führte Ariston, die odrysischen Thraker Agathon, des Tyrimmas Sohn, beide wohl aus fürstlichem Stamm. Sie und das makedonische Korps der Sarissophoren unter des Lynkestiers Amyntas Führung werden unter dem Namen der Prodromen, der Plänkeler, befaßt.
Mit diesen leichten Truppen kam in Alexanders Heer ein Element zur Geltung, das in der hellenischen Kriegskunst bisher nicht in seinem vollen Wert anerkannt worden war. Die leichten Truppen in den griechischen Heeren vor ihm hatten weder durch ihre Anzahl, noch durch ihre Anwendung große Bedeutung erlangt, auch einer gewissen Geringschätzung nicht frei werden können, da sie teils aus dem niederen Volke, teils barbarische Söldner waren, deren Stärke in jener Kunst heimlicher Überfälle, lärmender Angriffe, scheinbar verwirrter Rückzüge bestand, die den hellenischen Kriegsleuten zweideutig und widerwärtig schien. Der berühmte spartanische Feldherr Brasidas selbst gestand, daß der Angriff dieser Völkerschaften, mit ihrem wildschallenden Kriegsgeschrei und dem drohenden Schwenken ihrer Waffen etwas Schreckendes, ihr willkürliches Überspringen aus Angriff in Flucht, aus Unordnung in Verfolgung etwas Furchtbares habe, davor nur die strenge Ordnung eines hellenischen Kriegshaufens zu sichern vermöge. Jetzt traten diese leichten Völker als wesentliche Bestandteile des makedonischen Heeres auf, um in dessen Aktion nach der Eigentümlichkeit ihrer nationalen Kampfweise verwertet zu werden, zugleich ihrerseits durch die feste Disziplin, die in dieser Armee herrschte, gehalten und in ihrem Wert gesteigert.
Über die Marschordnung und Lagerordnung der Armee fehlt es an nennenswerten Nachrichten. Für größere Aktionen wiederholt sich im wesentlichen dasselbe Schema der Aufstellung, das, um in der weiteren Darstellung Wiederholungen zu vermeiden, hier in seinen charakteristischen Punkten bezeichnet werden mag. Die Mitte bildet das schwere Fußvolk in der regelmäßig wechselnden Folge der sechs Phalangen, jede unter ihrem Strategen. An die Phalangen schließen sich rechts die Taxeis der Hypaspisten, an diese die acht Geschwader der makedonischen Ritterschaft in ihrer regelmäßig wechselnden Folge; die leichten Truppen des rechten Flügels, die Ilen der Sarissophoren und die der Paionen sowie die Agrianen und Bogenschützen, werden nach den Umständen als Plänkeler, zur einleitenden Attacke, als Flankendeckung für die Spitze des Flügels usw. verwandt. Dem linken Flügel der Phalanx schließen sich zunächst, wenn sie nicht anderweitig, z. B. zur Deckung des Lagers verwandt werden, die Thraker des Sitalkes an, als Peltasten den Hypaspisten des rechten Flügels entsprechend; dann die hellenischen Kontingente zu Pferd, drauf die thessalische Ritterschaft, endlich die leichten Truppen dieses Flügels, die odrysischen Reiter des Agathon, in den nächstfolgenden Kriegsjahren auch eine zweite Abteilung Bogenschützen. Die Schlachtlinie hat zwischen der dritten und vierten Phalanx ihre Mitte, von dort aus rechnet man die beiden ›Flügel‹, von denen der rechte in der Regel zum Angriff bestimmte unter des Königs Führung, der linke unter der Parmenions steht.
In zwei Monaten tritt die Eigentümlichkeit der Armee Alexanders am stärksten hervor.
In den griechischen Heeren war die Zahl der Reiter immer gering gewesen; in den Schlachten des Epaminondas steigt das Verhältnis derselben zum Fußvolk auf 1: 10. In dem Heere Alexanders ist es fast doppelt so stark 1: 6. Schon bei Chaironeia hatte Alexander an der Spitze der Reitermasse des linken Flügels die fast verlorene Schlacht glänzend entschieden. Für den Kampf gegen die Heere des Großkönigs, die in den Reitervölkern Asiens ihre Stärke hatten, verstärkte er eben diese Waffe, der er die eigentlich offensive Rolle bestimmte; es galt den Feind in seiner Stärke zu treffen.
Es verdient beachtet zu werden, daß den Griechen und Makedonen der Steigbügel und das Hufeisen unbekannt waren; gewiß auch den Reitervölkern Asiens, die sonst ohne weiteres überlegen gewesen sein würden. Bei den ungeheuren Strapazen, den langen Märschen in Winterzeit auf dem Glatteis der Gebirgswege, die Alexander in den späteren Feldzügen den Pferden seiner Kavallerie zumutete, muß man sich der fehlenden Hufeisen erinnern. Nicht minder eine Steigerung der Strapazen für die Reiter war es, daß sie ohne Sattel und Steigbügel, mit bloß festgeschnallten Decken ritten; für das Gefecht war der Reiter durch den Mangel des Steigbügels auf eine Weise gehindert, die wir uns schwer vorstellen können. Indem er nicht in seinem Steigbügel stehend, sondern durchaus nur sitzend den Stoß oder Hieb führen konnte, hatte er sozusagen nur die Kraft der oberen Hälfte seines Körpers zur Verfügung, und es mußte um so mehr auf die Vehemenz des geschlossenen, den Feind durchbrechenden Schocks gerechnet werden. Es scheint, daß die Ausbildung des Reiters besonders darauf gerichtet sein mußte, ihn zu freiester Bewegung auf seinem Pferde zu gewöhnen, wie sich vielleicht etwas der Art noch auf Bildwerken aus dieser Zeit wiedererkennen läßt.
Noch schärfer ist diese Armee dadurch charakterisiert, daß sie nicht bloß Offiziere, sondern einen wirklichen Offiziersstand hatte. Wie in späteren Jahrhunderten das von Gustav Adolf gegründete Gymnasium illustre des Ritterhauses eine rechte ›Akademie ritterlicher Übungen‹, so war die ›Somatophylakia‹, das Korps der ›königlichen Knaben‹, militärisch und wissenschaftlich die Vorschule der jungen makedonischen Edelleute; aus dieser gingen die ›Hetairen‹ der Ritterschaft, die Offiziere der Hypaspisten, der Pezetairen, der Sarissophoren usw. hervor, um zu den höheren Stufen emporzusteigen, wie solches Avancement noch in mehrfachen Beispielen erkennbar ist. Als höchste Rangstufe, oder doch zunächst um den König, die sieben Somatophylakes und, wie es scheint, die im engeren Sinne Hetairen genannten, die einen wie andern zu Rat und Dienst und vorübergehenden Kommandos stets zu des Königs Verfügung. Dann als höchster Offizier nach dem Könige der alte Parmenion wie daheim Antipatros, ob mit besonderem Titel, muß dahingestellt bleiben. Dann – man weiß nicht in welcher Rangfolge – die Hipparchen der verschiedenen Reiterkorps, die Strategen der Phalangen, der Hypapisten, der hellenischen Ranggenossen, der Söldner; darauf wohl die Ilarchen der Kavallerie, die Chiliarchen der Hypaspisten, die Taxiarchen der Pezetairen usw. Wenn gelegentlich auch die ›Hegemonen‹ der Bundesgenossen, der Söldner zum Kriegsrat berufen werden, so scheinen damit Kommandierende wie Sitalkes, der die thrakischen Akontisten, Attalos, der die Agrianer, Agathon und Ariston, die die odrysischen und paionischen Reiter führten, gemeint zu sein, vielleicht auch die Führer der hellenischen Kontingente, der Lochen hellenischer Söldner.
So das Heer Alexanders. Sein Vater hatte es organisiert, in scharfer Disziplin und zahlreichen Feldzügen tüchtig gemacht, in der festen Verbindung der thessalischen mit der makedonischen Ritterschaft eine Kavallerie geschaffen, wie sie die hellenische Welt noch nicht gesehen. Aber bis zur vollen Wirkung seiner militärischen Überlegenheit, bis zur freien und vollen Handhabung, man möchte sagen bis zum Verständnis seiner eigenen Kraft hatte er sich nicht erhoben; bei Chaironeia, wo er die makedonischen Reiter des rechten Flügels führte, durchbrach er die andrängende Linie des Feindes nicht, er ließ selbst die Phalanx, wenn auch in Ordnung, zurückgehen; daß Alexander auf die heftig nachdrängende Linie des Feindes mit der thessalischen Ritterschaft des linken Flügels einbrach, entschied den Erfolg des Tages. Schon da, noch mehr in den Kämpfen des Jahres 335, hatte Alexander gezeigt, daß er kühner, plötzlicher, immer entscheidend die unwiderstehliche Offensivkraft seines Heeres zu verwenden verstand, nicht minder, daß er zugleich der Feldherr und der erste Soldat seines Heeres und im vollsten Sinn des Wortes dessen Vorkämpfer war. Wenn irgend etwas, so war die Art, wie er sich persönlich einsetzte und immer an der Spitze des entscheidenden Stoßes auf den Feind stürzte, dazu angetan, den Wetteifer seiner Offiziere und seiner Truppen zu entflammen. Sein Heer war der Zahl nach gering, aber in so organischer Gestaltung, bei solcher taktischen Ausbildung der einzelnen Waffen, unter solcher Führung zog es mit der vollen moralischen Überlegenheit, sich des Sieges gewiß zu fühlen, nach Asien.
Das Perserreich war nicht dazu angetan, Widerstand zu leisten; in seiner Ausdehnung, in dem Verhältnis der beherrschten Völker, in der mangelhaften Organisation der Verwaltung und der Heeresmacht lag die Notwendigkeit seines Falles.
Betrachtet man den Zustand des Perserreiches, wie er zu der Zeit war, als Dareios III. den Thron bestieg, so erkennt man leicht, wie alles in Auflösung und zum Untergange reif war. Der Grund war nicht die Sittenverderbnis des Hofes, des herrschenden Stammes, der beherrschten Völker; stete Begleiterin des Despotismus, tut sie niemals der despotischen Gewalt Abbruch, die, wie das Reich der Osmanen lange genug den Beweis gegeben hat, unter der liederlichsten Hof- und Haremswirtschaft, unter ständigen Kabalen und Schändlichkeiten der Großen, unter gewaltsamen Thronwechseln und unnatürlicher Grausamkeit gegen die eben noch allmächtige Partei immer wieder diplomatische und militärische Erfolge nach allen Seiten hin zu gewinnen vermag. Persiens Unglück ist eine Reihe schwacher Regenten gewesen, welche die Zügel der Herrschaft nicht so fest anzuziehen vermocht hatten, wie es zum Bestehen des Reiches nötig war; daraus folgte, daß in den Völkern die Furcht, in den Satrapen der Gehorsam, im Reiche die einzige Einheit schwand, die es zusammenhielt; in den Völkern, die überall noch ihre alte Religion, ihre Gesetze und Sitten, und zum Teil einheimische Fürsten hatten, nahm das Verlangen nach Selbständigkeit, in den Satrapen, zu mächtigen Statthaltern großer und entfernter Länderstrecken, die Begier nach unabhängiger Macht, in dem herrschenden Volke, das, im Besitz und der Gewohnheit der Gewalt, die Bedingungen ihrer Gründung und ihrer Dauer vergessen hatte, die Gleichgültigkeit gegen den Großkönig und gegen das Geschlecht der Achaimeniden überhand. In den hundert Jahren fast gänzlicher Untätigkeit, welche auf Xerxes Kriegszug nach Europa gefolgt waren, hatte sich in den griechischen Landen eine eigentümliche Kriegskunst entwickelt, mit der sich Asien zu messen vermied und verlernte; der Zug der Zehntausend hatte gezeigt, daß die griechische Kriegsart mächtiger sei als die ungeheueren Völkerheere Persiens; ihr vertrauten sich die Satrapen, wenn sie sich empörten, ihr der König Ochos, als er den Aufstand in Ägypten zu unterdrücken auszog; so daß das Königtum, auf die Siege der persischen Waffen gegründet, sich durch griechische Söldner zu erhalten genötigt war.
Allerdings hatte Ochos noch einmal die Einheit des Reiches äußerlich hergestellt, und mit der blutigen Strenge, die der Despotismus fordert, seine Macht geltend zu machen gewußt; aber es war zu spät, er selbst versank in Untätigkeit und Schwäche, die Satrapen behielten ihre allzumächtige Stellung, und die Völker, namentlich die der westlichen Satrapien, vergaßen unter dem erneuten Druck nicht, daß sie schon nahe daran gewesen, ihn abzutun. Nach neuen und furchtbaren Verwirrungen war endlich der Thron an Dareios gekommen; er hätte statt tugendhaft energisch, statt großmütig rücksichtslos, statt milde Despot sein müssen, wenn das Reich durch ihn sollte gerettet werden; er hatte die Verehrung der Perser, und die Satrapen waren ihm ergeben, aber das rettete nicht; er wurde geliebt, nicht gefürchtet, und bald sollte sich zeigen, wie vielen unter den Großen des Reiches ihr eigener Vorteil höher galt, als der Wille und die Gunst eines Herrn, an dem sie alles, nur nicht Herrschergröße bewunderten.
Dareios Reich erstreckte sich vom Indus bis zum hellenischen Meere, vom Jaxartes bis zur libyschen Wüste. Seine oder vielmehr seiner Satrapen Herrschaft war nicht nach dem Charakter der verschiedenen Völker, über die sie herrschten, verschieden; sie war nirgends volkstümlich, nirgends durch eine von ihr aus entwickelte und tiefhinabgreifende Organisation gesichert; sie beschränkte sich auf momentane Willkür, auf stete Erpressungen und auf eine Art Erblichkeit der Amtsgewalt, wie sie, ganz gegen den Sinn monarchischer Herrschaft, in den langen Zeiten schlaffen Regiments üblich geworden war, so daß der Großkönig kaum noch eine andere Gewalt über sie hatte, als die der Waffen oder die, welcher sie aus persönlichen Rücksichten sich fügen mochten. Die volkstümlichen Zustände, welche in allen Ländern des persischen Reiches fortbestanden, machten den morschen Koloß nur noch unfähiger, sich zur Gegenwehr zu erheben; die Völker von Iran, Ariana, den baktrischen Ländern waren allerdings kriegerisch, und mit jeder Art von Herrschaft zufrieden, so lange sie diese zu Krieg und Beute führte; und hyrkanische, baktrische, sogdianische Reiter bildeten die stehenden Satrapenheere in den meisten Provinzen; aber besondere Anhänglichkeit für das persische Königtum war keineswegs bei ihnen zu finden, und so furchtbar sie einst in den Völkerheeren des Kyros, Kambyses und Dareios zum Angriff gewesen waren, ebenso unfähig waren sie zur ernsten und nachhaltigen Verteidigung, zumal wenn ihnen griechische Kriegsübung und Tapferkeit gegenüberstand. Die westlichen Völker gar, stets mit Mühe und oft nur durch blutige Gewalt in Unterwürfigkeit gehalten, waren, wenn ein siegreicher Feind ihren Grenzen nahte, gewiß bereit, die persische Sache zu verlassen. Kaum waren die Griechen der kleinasiatischen Küste durch Oligarchie oder durch Tyrannen, deren Existenz von der Macht der Satrapen und des Reiches abhing, in Abhängigkeit zu erhalten, und die Völker im Inneren der Halbinsel hatten, seit zwei Jahrhunderten in stetem Druck, weder die Kraft noch das Interesse, sich für Persien zu erheben; selbst an den früheren Empörungen der kleinasiatischen Satrapen hatten sie nicht teilgenommen, sie waren stumpf, indolent, ohne Erinnerung ihrer Vergangenheit. Dasselbe galt von den beiden Syrien diesseits und jenseits der Wasser; die Knechtschaft langer Jahrhunderte hatte diesen Völkern den Nacken gebeugt, sie ließen über sich ergehen, was auch kommen mochte; nur an der Küste Phoinikiens war das alte bewegliche Leben, mit ihm mehr Gefahr, als Treue für Persien, und nur die Eifersucht gegen Sidon und der eigene Vorteil vermochte Tyros den Persern treu zu erhalten. Ägypten endlich hatte niemals seinen Haß gegen die Fremdlinge aufgegeben oder verleugnet, und die Verwüstungen des Ochos konnten es wohl lähmen, aber nicht gewinnen. Alle diese Länder, von dem persischen Reiche zum eigenen Verderben erobert, waren bei einem kühnen Angriffe von Westen her so gut wie verloren.
Deshalb hatte die persische Politik seit lange keine höhere Sorge, als die Eifersucht der hellenischen Staaten zu nähren, die mächtigen zu schwächen, die schwachen aufzureizen und zu unterstützen, und durch ein ausgebildetes System von Bestechungen und Verfeindungen eine Gesamttätigkeit der Hellenen, der Persien nicht Widerstand zu leisten vermocht hätte, zu hintertreiben. Lange war dies gelungen, bis endlich das makedonische Königtum, schnell und sicher vorwärts schreitend, alle diese Bemühungen zuschanden zu machen drohte. Mit dem Siege von Chaironeia, mit der darauf folgenden Gründung des hellenischen Bundes mußte man in der Hofburg von Susa wissen, was bevorstand.
Erst Dareios – er wurde König um die Zeit, da Philipp ermordet wurde – ergriff Maßregeln gegen die schon über den Hellespont gekommenen Truppen. Er überwies dem Rhodier Memnon, dem Bruder Mentors, was an hellenischen Söldnern zur Hand war, mit dem Befehl, den Makedonen entgegenzuziehen und die Grenzen des Reiches zu schützen. Es war leicht zu sehen, daß auf diese Weise wohl ein einzelnes Korps, nicht aber das makedonisch-griechische Heer, dessen Avantgarde es war, und welches bereits sich zum Übergange nach Asien rüstete, aufzuhalten sei; ebensowenig konnte bis zu dessen Ankunft ein persisches Reichsheer aufgeboten, zusammengezogen, nach Kleinasien gesandt sein; es schien am leichtesten und geratensten, die Gefahr in ihrer Wurzel zu ertöten. So wurden Verbindungen am makedonischen Hofe angeknüpft, und König Philipp – so erklärt Alexander in einem späteren Schreiben an den Großkönig – mit dessen Wissen und Willen ermordet. Das gefürchtete Unternehmen schien mit einem Schlage vereitelt, die Unruhen, die in Thessalien, Hellas, Thrakien, Illyrien ausbrachen, ließen die letzte Besorgnis schwinden; als gar Attalos an der Spitze seiner Truppen und im Einverständnis mit den leitenden Staatsmännern Athens sich gegen Alexanders Thronbesteigung erklärte, da schienen die persischen Intrigen noch einmal den Sieg davon getragen zu haben. Schon hatte sich Memnon gegen Magnesia, das Parmenion und Attalos besetzt hatten, gewandt, hatte ihnen durch geschickte Manöver empfindliche Verluste beigebracht. Indes hatte Alexander die Angelegenheiten Makedoniens geordnet, Griechenland beruhigt; Attalos war beseitigt, die Truppen schnell zur Treue zurückgekehrt; Parmenion hatte mit dem einen Teile des Heeres Gryneion erobert, sich dann auf Pitane gewandt, während mit dem andern Kalas, des Harpalos Sohn, sich im Innern der Landschaft Troas festzusetzen suchte. Daß der makedonische König sich zum Feldzug gegen die Thraker, Triballer, Illyrier anschickte, gab dem persischen Hofe eine neue Frist; allerdings wurde das Reichsheer, die Seemacht der Seeküsten aufgeboten; aber vorerst mußte man auf Abfall und Empörung in Hellas rechnen, erwarten, wie weit Memnon mit seinen geringen Streitkräften reichen werde.
Der wichtigste Punkt zum Schutz gegen eine Invasion vom Hellespont her war Kyzikos; auf einer Insel erbaut, nur durch einen seichten Meeresarm vom nahen Festlande getrennt, in den letzten Jahrzehnten mit mächtigen Mauern umgeben, mit Schiffshäusern für zweihundert Trieren versehen, bot diese stark bevölkerte freie Stadt dem, der sie besaß oder dem sie sich anschloß, eine Position, welche die Propontis, das asiatische Ufer bis Lampsakos, den Osteingang des Hellespontes beherrschte. Es war für das makedonische Korps in Asien von großem Wert, daß die Stadt der persischen Sache abgewandt war. Memnon gedachte sie durch einen Handstreich zu nehmen; an der Spitze von fünftausend griechischen Söldnern brach er aus seinen Besitzungen auf und zog in Eilmärschen heran; fast wäre es ihm gelungen, sich der Stadt, deren Tore, da man Kalas' Heer zu sehen glaubte, nicht geschlossen waren, zu bemächtigen; da das mißlang, verwüstete er das städtische Gebiet und eilte nach der Aiolis, wo Parmenion Pitane belagerte; Memnons Erscheinen entsetzte die Stadt. Dann brach er schnell nach Troas auf, wo er Kalas bereits bedeutend vorgedrungen fand; die Stadt Lampsakos, die ihm gehörte, gab seinen Bewegungen einen trefflichen Stützpunkt; an Truppen überlegen, siegte er in einem Gefechte, und Kalas war gezwungen, sich an den Hellespont zurückzuziehen und sich auf die feste Stellung von Rhoiteion zu beschränken.
Es ist unklar, ob wenigstens diese Position von Kalas gehalten wurde; jedenfalls Parmenion selbst war demnächst am Hofe zu Pella. Vielleicht hat der König diesen zurückberufen, weil nach der Beendigung des Feldzuges im Norden nur nötig schien, die Punkte, die den Übergang nach Asien deckten, gleichsam als Brückenkopf festzuhalten; und mit der Flotte zur Seite genügte dazu eine geringere Truppenzahl in Rhoiteion und vielleicht Abydos. Um so auffallender dann, daß Memnon, der ein vorzüglicher Feldherr war, nicht schärfer drängte, die ganze Küste zu säubern; die Satrapen warfen ihm späterhin vor, daß er, um sich unentbehrlich zu machen, den Krieg zu verlängern suche; entweder das, oder die Eifersucht der Satrapen entzog ihm die Mittel, mehr zu tun.
Mit dem Frühling 334 war die Flotte des Großkönigs zum Aussegeln fertig, es war an die Satrapen und Befehlshaber in Kleinasien Befehl gesandt, nach der Küste vorzurücken und den Makedonen an der Schwelle Asiens die Spitze zu bieten. In der Ebene von Zeleia versammelte sich diese Kriegsmacht, zwanzigtausend Mann persische, baktrische, medische, hyrkanische, paphlagonische Reiter und ebensoviele griechische Söldner, ein Heer, das, wie es sich demnächst zeigte, tapfer und groß genug war, um, gut geführt, dem Feinde den Weg zu verlegen. Aber der Großkönig hatte keinen obersten Befehlshaber ernannt; die gemeinschaftliche Beratung der Anführer sollte über den Gang der Unternehmungen entscheiden; es waren außer Memnon Arsites, Hyparch von Phrygien am Hellespont, der zunächst bedrohten Landschaft, Spithridates, Satrap von Lydien und Ionien, Atizyes, Satrap von Großphrygien, Mithrobuzanes, Hyparch von Kappadokien, der Perser Omares und andere persische Große. Unzweifelhaft war unter diesen Memnon der bewährteste, wenn nicht der einzige Feldherr; doch als Grieche und Liebling des Königs verhaßt, hatte er im Kriegsrate weniger Einfluß, als für die persische Sache zu wünschen gewesen wäre.
Während dieser Rüstungen in Kleinasien war Alexander mit den seinigen so weit gediehen, daß er mit dem Anfang des Frühlings 334 aufbrechen konnte. Er zog über Amphipolis am Strymon längs der Küste über Abdera, Maroneia, Kardia; am zwanzigsten Tage war er in Sestos. Schon lag seine Flotte im Hellespont. Parmenion erhielt Befehl, die Reiterei und den größeren Teil des Fußvolkes von Sestos nach Abydos zu führen. Mit dem übrigen Fußvolk ging der König nach Elaius, den troischen Gestaden gegenüber, auf dem Grabhügel des Protesilaos, des ersten Helden, der im Kriege gegen Troja gefallen war, zu opfern, damit ihm glücklicher als jenem der Zug gen Osten würde. Dann wurde das Heer eingeschifft; einhundertsechzig Trieren und viele Lastschiffe kreuzten in diesen Tagen zwischen den schönen, in Frühlingspracht grünenden Gestaden des Hellesponts, den einst Xerxes gejocht und gegeißelt hatte; Alexander, selbst am Steuer seines königlichen Schiffes, lenkte vom Grabe des Protesilaos aus nach der Bucht hinüber, die seit den Zeiten Achills und Agamemnons der Hafen der Achaier hieß, und an der die Grabhügel des Aias, des Achilles und Patroklus emporragten. Auf der Höhe des Hellespontes opferte er dem Poseidon, spendete den Nereiden aus goldener Schale. Dann nahte man dem Gestade; Alexanders Triere war die erste am Ufer; vom vorderen Bord schleuderte der König seine Lanze in das Land der Feinde, sprang dann, der erste von allen, in voller Rüstung an den Strand. Altäre, gebot er, sollten fortan diese Stelle bezeichnen. Dann zog er mit seinen Strategen und dem Geleit der Hypaspisten nach den Ruinen Ilions, opferte im Tempel der ilischen Athena, weihte ihr seine Waffen, nahm statt deren von den Waffen des Tempels, namentlich den heiligen Schild, der für den des Achill gegolten haben mag. Auch am Altare des herdschirmenden Zeus opferte er dem Schatten des Priamos, um dessen Zorn gegen Achills Geschlecht zu versöhnen, da Achilles Sohn den greisen König am heiligen Herde erschlagen hatte. Vor allem ehrte er das Andenken seines großen Ahnen Achill, er kränzte und salbte des Helden Grab, das Grab des Patroklos sein Freund Hephaistion; dann folgten Wettkämpfe aller Art. Viele, Eingeborene und Hellenen, kamen, dem Könige goldene Kränze darzubringen, unter ihnen der Athener Chares, der Herr von Sigeion, derselbe, dessen Auslieferung er im vorigen Jahr gefordert hatte. Zum Schluß der Festlichkeiten befahl der König den Wiederaufbau Ilions, gab den Bürgern der neuen Stadt Autonomie und Steuerfreiheit und versprach, ihrer noch weiter zu gedenken.
Dann zog er nach der Ebene von Arisbe, wo das übrige Heer, das unter Parmenions Führung bei Abydos gelandet war, ein Lager bezogen hatte. Unverzüglich brach man auf, um den Feinden zu begegnen, von denen man wußte, daß sie etwa fünfzehn Meilen ostwärts um Zeleia sich zusammengezogen hatten. Der Marsch ging über Perkote nach Lampsakos, der Stadt des Memnon; die Bürger wußten sich keine andere Rettung, als durch eine Gesandtschaft des Königs Gnade zu erflehen; an deren Spitze stand Anaximenes, der als wissenschaftlicher Mann wohlbekannt und bei König Philipp früher gern gesehen war; auf seine Fürbitte verzieh Alexander der Stadt.
Von Lampsakos aus rückte das Heer unweit der Küste weiter, als Vorhut voraus der Lynkestier Amyntas mit einer Ile der Ritterschaft und vier Ilen der Sarissophoren. Wie sie nahten, ergab sich die Stadt Priapos an der Propontis unfern der Mündung des Granikos; gerade jetzt war dieser Platz, der die vom Granikos durchströmte Ebene Adrasteia beherrscht, von Wichtigkeit, da nach den Berichten des Amyntas das persische Heer an die Ufer des Granikos vorgerückt, und demnach der erste Zusammenstoß mit dem Feinde an diesem Fluß zu erwarten war.
Wenn Alexander sichtlich möglichst bald zu schlagen wünschte, so hätten die Perser ihm um so mehr ausweichen sollen. Im Kriegsrat in Zeleia hatte Memnon widerraten, einen Kampf zu beginnen, der kaum einen Sieg und, wenn man siegte, kaum einen Vorteil hoffen lasse; die Makedonen seien an Fußvolk den Persern weit überlegen und doppelt gefährlich, da sie unter Führung ihres Königs kämpfen würden, während Dareios dem persischen Heere fehle; selbst angenommen, daß die Perser siegten, so würde den Makedonen der Rücken gedeckt und ihr Verlust nur der eines vergeblichen Angriffes sein; die Perser dagegen verlören durch eine Niederlage das Land, das sie zu verteidigen hätten; das einzig Ersprießliche sei, jedes entscheidende Gefecht zu vermeiden; Alexander sei nur auf kurze Zeit mit Lebensmitteln versehen, man müsse sich langsam zurückziehen, eine Einöde hinter sich lassen, in der die Feinde keinen Unterhalt, kein Vieh, kein Obdach fänden; dann werde Alexander ohne Schlacht besiegt sein, durch kleinen Schaden dem größeren und unberechenbaren vorgebeugt werden. Memnons Meinung fand im Rate der persischen Feldherren kein Gehör, man hielt sie der Hoheit Persiens nicht würdig; namentlich widersprach Arsites, von Phrygien am Hellespont, in seiner Satrapie werde er auch nicht ein Haus anzünden lassen. Die übrigen Perser stimmten mit ihm für die Schlacht, ebensosehr aus Kampflust, als aus Abneigung gegen den griechischen Fremdling, der schon zu viel beim Großkönige galt und den Krieg verlängern zu wollen schien, um noch höher in des Königs Gnade zu steigen. Sie rückten den Makedonen bis an den Granikos entgegen; sie beschlossen, von den steilen Ufern dieses Flusses aus jedes Weiterrücken Alexanders zu hindern; sie stellten sich am rechten Ufer so auf, daß der Rand des Flusses von der persischen Reiterei, das ansteigende Terrain in einiger Entfernung hinter ihr von den griechischen Söldnern besetzt war.
Indes rückte Alexander über die Ebene Adrasteia dem Granikos zu, das schwere Fußvolk in die zwei Kolonnen des rechten und linken Flügels geteilt, auf der rechten Flanke die makedonische, auf der linken die thessalische und griechische Reiterei; die Packtiere mit dem größeren Teil des leichten Fußvolkes folgten in Kolonnen; die Vorhut bildeten die Sarissophoren und etwa fünfhundert Mann leichtes Fußvolk unter Hegelochos Führung. Schon näherte sich die Hauptmasse dem Flusse, als eilends einige von den Sarissophoren zurückgesprengt kamen mit der Nachricht, die Feinde ständen jenseits des Flusses in Schlachtordnung, und zwar die Reiter in ausgedehnter Linie längs dem steilen und lehmigen Flußufer, eine Strecke rückwärts das Fußvolk. Alexander durchschaute die Fehler der feindlichen Disposition, welche die Waffe des ungestümen Angriffs zur Verteidigung eines schwierigen Terrains, und die trefflichen griechischen Söldner zu müßigen Zuschauern eines Kampfes machte, dem nur sie gewachsen waren; ein dreistes Vorgehen mit Kavallerie mußte hinreichen, das jenseitige Ufer und damit die Schlacht zu gewinnen, deren Erfolge zu sichern und zu benutzen die Hypaspisten und Phalangen dienen sollten. Er ließ die Truppen aus den Marschkolonnen rechts und links aufmarschieren und sich in Schlachtordnung setzen. Parmenion kam zu ihm, den Kampf zu widerraten: es sei ratsam, sich vorerst an dem Ufer des Flusses zu lagern; der Feind, an Fußvolk schwächer, werde nicht wagen, in der Nähe der Makedonen zu übernachten, er werde sich zurückziehen und so es möglich machen, daß man am anderen Morgen, bevor die Perser ausgerückt und aufgestellt seien, den Übergang ohne Gefahr bewerkstellige; jetzt dagegen scheine ein Übergang nicht ohne Gefahr: der Tag neige sich, der Fluß sei an manchen Stellen tief und reißend, das Ufer jenseits steil, man könne nicht in Linie passieren, man müsse in Kolonnen durch den Fluß gehen; die feindliche Reiterei werde diese in die Flanke nehmen und niederhauen, ehe sie zum Fechten kämen; der erste Unfall aber sei nicht bloß für den Augenblick empfindlich, sondern für die Entscheidung des Kriegs höchst bedenklich. Der König antwortete: »Wohl erkenne ich das, aber ich würde mich schämen, wenn ich den Hellespont leicht überschritten hätte, und dies kleine Wasser uns abhalten sollte, hinüberzugehen, wie wir sind; auch würde das weder mit dem Ruhme der Makedonen, noch mit meiner Art, einer Gefahr gegenüber, stimmen; die Perser, glaube ich, würden Mut fassen, als könnten sie sich mit Makedonen messen, weil sie nicht sofort erführen, was sie fürchten.« Mit diesen Worten schickte er Parmenion nach dem linken Flügel, den er führen sollte, während er selbst zu den Geschwadern des rechten ritt.
An dem Glanze seiner Waffen und an der weißen Feder seines Helmes, an der Ehrerbietung der ihn Umgebenden sahen die Perser jenseits, daß Alexander ihrem linken Flügel gegenüber stand, und daß dort der Hauptangriff zu erwarten sei; sie eilten den Kern ihrer Reiterei in dichten Reihen ihm gegenüber hart an das Ufer zu stellen; dort war Memnon mit seinen Söhnen und Arsames mit seinen eigenen Reitern; dann folgte in der Schlachtlinie der phrygische Hyparch Arsites, der lyrische Satrap Spithridates mit den hyrkanischen Reitern und vierzig edlen Persern in seinem Geleit, dann die weiteren Reiterhaufen des Zentrums, endlich die des rechten Flügels unter Rheomithres. Eine kurze Zeit standen beide Heere schweigend, in gespannter Erwartung einander gegenüber – die Perser bereit, auf den Feind, wenn er durch den Fluß heranrücke, während er die steilen Ufer heraufkomme und ehe er sich ordnen könne, zu stürzen, Alexander mit raschem Blick erspähend, wie und wo der Angriff möglich sei. Dann bestieg er sein Schlachtroß, rief den Truppen zu, ihm zu folgen und als Männer zu kämpfen, gab das Zeichen zum Vorrücken. Voran Amyntas der Lynkestier mit den Sarissophoren und Paionen und einer Taxis, ihm zugeordnet die Ile von Apollonia, von Ptolemaios, Philippos Sohn, geführt, die diesen Tag die erste Stelle in der Ritterschaft, den ersten Angriff hatte. Sowie sie im Fluß waren, folgte der König an der Spitze der übrigen Ilen der Hetairen unter dem Schall der Trompeten und des Schlachtgesanges; er wollte, während Ptolemaios durch seinen Angriff den äußersten linken Flügel des Feindes beschäftigte, mit den sieben Ilen, halb rechts aufrückend, rechts an Ptolemaios, links an die nachrückende Linie des Fußvolkes gelehnt, auf das Zentrum der Feinde einbrechen und dasselbe sprengen. Mit dem linken Flügel sollte Parmenion, dem Flusse zu in schräger Linie folgend, den rechten Flügel des Feindes lähmen.
Sobald sich Amyntas und Ptolemaios dem feindlichen Ufer des Flusses nahten, begann das Gefecht. Die Perser, hier von Memnon und dessen Söhnen geführt, widersetzten sich mit aller Macht ihrem Hinaufdrängen, indem sie teils vom hohen Ufer herab ihre Wurflanzen schleuderten, teils unmittelbar an das Wasser vorgingen und die Heraufsteigenden zurückdrängten; diese, durch den schlüpfrigen Lehm am Ufer noch mehr behindert, hatten schweren Stand, großen Verlust, zumal die am meisten rechts, während denen links sich schon eine Stütze bot. Denn schon war der König mit dem Agema der Ritterschaft durch den Fluß, stürmte schon gegen die Stelle des Ufers an, wo die dichteste Masse der Feinde und die Heerführer versammelt waren. Sofort begann der heftigste Kampf um die Person des Königs, in den die andern Ilen, eine nach der andern, durch den Fluß folgend, miteingriffen; ein Reitergefecht, das in seiner Hartnäckigkeit, Stetigkeit und der Wut des Handgemenges einem Kampfe des Fußvolkes glich; Roß an Roß, Mann an Mann gedrängt, kämpften die Makedonen mit ihren Speeren, die Perser mit ihren leichteren Wurflanzen und bald mit ihren krummen Säbeln, jene, um die Perser vom Ufer zurück auf das Blachfeld zu werfen, diese, um die Makedonen in den Strom zurückzustoßen. Des Königs weißen Helmbusch sah man im dichtesten Getümmel; in dem heftigen Gefecht zersplitterte sein Speer, er rief seinem Stallmeister zu, ihm einen andern zu reichen; auch dem war sein Speer zerbrochen und er kämpfte mit dem umgekehrten Stumpf. Kaum daß Demaratos von Korinth dem Könige seine Waffe gereicht, so sprengte schon ein neuer Schwarm erlesener persischer Reiter heran, Mithridates, ihr Führer, jagte voraus und auf Alexander zu, sein Wurfspieß verwundete des Königs Schulter; ein Speerstoß Alexanders streckte den persischen Fürsten tot zu Boden. In demselben Augenblick jagte des Gefallenen Bruder, Rhoisakes, auf Alexander los, zerschmetterte mit einem Hiebe dessen Helm, so daß der Säbel noch die Stirnhaut ritzte; Alexander bohrte ihm den Speer durch den Harnisch bis tief in die Brust, und Rhoisakes stürzte rücklings vom Pferde. Zugleich war der lydische Satrap Spithridates an Alexander herangesprengt; schon hatte er über des Königs Nacken seinen Säbel zum tödlichen Schlage erhoben, da kam ihm der schwarze Kleitos zuvor, mit einem Hiebe trennte er des Barbaren Arm vom Rumpfe, gab ihm dann den Todesstoß. Immer wilder wurde der Kampf; die Perser fochten mit höchster Tapferkeit, den Tod ihrer Fürsten zu rächen, während immer neue Scharen über den Fluß setzten, eindrangen, niedermetzelten; umsonst suchten die Feldherren Niphates, Petines, Mithrobuzanes zu widerstehen, umsonst Pharnakes, des Dareios Schwager, Arbupales, der Enkel des Artaxerxes, die sich schon lösenden Massen zu halten; bald lagen sie erschlagen auf dem Felde. Das Zentrum der Perser war durchbrochen, die Flucht wurde allgemein; etwa tausend, nach anderen zweitausendfünfhundert Perser waren geblieben, die übrigen flohen weit zersprengt vom Schlachtfelde. Alexander verfolgte sie nicht weit, da noch die ganze Masse des feindlichen Fußvolkes unter Omares auf den Höhen stand, entschlossen den Ruhm griechischer Söldner gegen die makedonischen Waffen zu bewähren. Es war das einzige, was ihnen übrig blieb; müßige Zuschauer eines blutigen Kampfes, den ihre Mitwirkung vielleicht gewonnen haben würde, ohne bestimmte Befehle für den Fall, den der Stolz der persischen Fürsten unmöglich geglaubt hatte, blieben sie von Erstaunen und Ratlosigkeit gefesselt auf ihren Höhen, die wenigstens einen ehrenvollen Rückzug zu sichern vermocht hätten; die blinde Flucht der Reiterscharen hatte sie preisgegeben; und auf sich beschränkt, erwarteten sie den Angriff des siegreichen Heeres und den eigenen Untergang, den sie so teuer als möglich zu machen entschlossen waren. Alexander ließ die Phalanx auf sie anrücken, zugleich von allen Seiten alle Reiter, auch die thessalischen und hellenischen des linken Flügels, auf sie einbrechen. Nach kurzem, furchtbarem Kampfe, in welchem dem Könige ein Pferd unter dem Leibe erstochen wurde, waren die Söldner bewältigt; es entkam niemand, außer wer sich etwa unter den Leichen verborgen hielt; zweitausend von diesen Söldnern wurden gefangengenommen.
Alexanders Verlust war verhältnismäßig gering; beim ersten Angriff waren fünfundzwanzig Ritter von der Ile von Apollonia geblieben, außerdem etwa sechzig Mann von der Reiterei und dreißig vom Fußvolke gefallen. Sie wurden am folgenden Tage in ihrer Waffenrüstung und mit allen militärischen Ehren begraben, ihren Eltern und Kindern daheim alle Steuern erlassen. Für die Verwundeten trug Alexander persönlich Sorge, ging zu ihnen, ließ sich ihre Wunden zeigen, sich von jedem erzählen, wie er sie empfangen. Er befahl auch, die gefallenen persischen Führer, auch die griechischen Söldner, die im Dienste des Feindes den Tod gefunden hatten, zu bestatten; die gefangenen Griechen dagegen wurden in Fesseln geschlagen und zu öffentlicher Strafarbeit nach Makedonien abgeführt, weil sie wider den gemeinsamen Beschluß Griechenlands und für die Perser gegen Griechenland gefochten hatten; nur die von Theben erhielten Verzeihung. Das reiche persische Lager fiel in Alexanders Hände; die Beute des Sieges teilte er mit seinen Bundesgenossen; seiner Mutter Olympias schickte er von den goldenen Bechern, purpurnen Teppichen und anderen Kostbarkeiten, die in den Zelten der persischen Fürsten gefunden waren; er gebot zum Andenken der fünfundzwanzig Ritter, die zuerst im Kampfe gefallen waren, ebensoviel Bronzestatuen von dem Bildhauer Lysippos gießen und in Dion aufstellen zu lassen. Er sandte dreihundert vollständige Rüstungen nach Athen, als Weihgeschenk für Pallas Athene, mit der Aufschrift: ›Alexander Philipps Sohn und die Griechen, mit Ausnahme der Lakedaimonier, von den Barbaren in Asien.‹
Mit dem Siege am Granikos war die Macht Persiens diesseits des Tauros vernichtet, die Streitmacht der Satrapien, welche die Vormauer des Reiches bildeten, zerstreut, entmutigt, so zusammengeschmolzen, daß sie nicht wieder im offenen Felde mit den Makedonen zusammenzutreffen wagen durfte; auch die persischen Besatzungen der einzelnen großen Städte, zu klein, um einer siegreichen Armee zu widerstehen, konnten als überwunden gelten. Dazu kam, daß viele Führer der Perser, namentlich der lydische Satrap, gefallen waren, daß Arsites, der Hyparch Phrygiens am Hellespont, bald nach der Schlacht, wie es hieß, aus Reue und Angst vor Verantwortlichkeit sich selbst entleibt hatte, daß endlich die wichtigen Küstenstriche um so leichter eine Beute der Makedonen werden mußten, da sich in den reichen griechischen Städten noch immer demokratisch gesinnte Männer fanden, denen sich jetzt, des persischen Joches und der persisch gesinnten Oligarchen frei zu werden, Gelegenheit darbot.
Alexander konnte nicht zweifelhaft sein, wohin er sich wenden müsse, um die Wirkung seines Sieges auf die vorteilhafteste Weise zu benutzen und zu steigern. Ein schnelles Eindringen in das Innere Kleinasiens hätte ihn weite Gebiete, große Beute, Land und Leute gewinnen lassen; aber sein Zweck war, die Macht des Großkönigs zu vernichten; schon war eine Perserflotte im Ägäischen Meere, die, wenn er ins Innere vorgedrungen wäre, hinter seinem Rücken operieren und sich der Küsten, bemächtigen, mit Hellas Verbindung anknüpfen konnte. Seine Erfolge zu Lande mußten sie überholen; seine Operationsbasis zum weiteren Vordringen nach Osten mußte so breit und so sicher als möglich sein; stützte er sich nur auf den Hellespont, so blieben die Satrapien am Ägäischen Meere in der Hand des Feindes, der von da aus seine Flanke beunruhigen konnte. Es war notwendig, die ganze Küste Kleinasiens zu besetzen, um von dort aus gegen Osten vordringen zu können. Es kam dazu, daß diese Küstenstriche, von Griechen bevölkert, unter dem Eindruck der gewonnenen Schlacht je schneller desto sicherer für das Interesse des siegenden Griechentums gewonnen werden konnten.
Alexander übergab die Satrapie in Phrygien am Hellespont Kalas, dem Sohne des Harpalos, der, durch zweijährigen Aufenthalt in diesen Gegenden schon bekannt, geeignet schien, die in militärischer Hinsicht höchst wichtige Landschaft zu verwalten; es wurde nichts weiteres in der Verwaltung geändert, auch die Abgaben blieben dieselben, wie sie an den Großkönig entrichtet worden waren. Die nichtgriechischen Einwohner des Landes kamen größtenteils, sich freiwillig zu unterwerfen; sie wurden ohne weiteres in ihre Heimat entlassen. Die Zeliten, die mit dem Perserheere an den Granikos ausgezogen waren, erhielten Verzeihung, weil sie gezwungen am Kampfe teilgenommen hatten. Parmenion wurde nach Daskylion, der Residenz des phrygischen Satrapen detachiert; er nahm die Stadt, die von der persischen Besatzung bereits geräumt war, in Besitz. Weiter ostwärts in dieser Richtung vorzudringen, war für den Augenblick nicht nötig, da Daskylion für den Marsch nach Süden als Rückendeckung genügte.
Alexander selbst wandte sich südwärts, um auf Sardeis, die Residenz der Satrapie Lydien, zu gehen. Sardeis war berühmt wegen seiner alten Burg, die, auf einer isolierten, schroff abstürzenden Felsmasse, welche vom Tmolos in die Ebene vorspringt, gelegen und mit dreifacher Mauer umgeben, für uneinnehmbar galt; es befand sich in derselben der Schatz der reichen Satrapie, welcher dem Befehlshaber der Stadt Gelegenheit bieten konnte, die überdies bedeutende Besatzung zu vermehren und zu versorgen, und eine starke Macht in Sardeis hätte der persischen Seemacht die beste Stütze gegeben. Um so willkommener war, daß etwa zwei Meilen von der Stadt Mithrines, der persische Befehlshaber der Besatzung, nebst den angesehensten Bürgern erschien, diese die Stadt, jener die Burg mit den Schätzen zu übergeben. Der König sandte Amyntas, des Andromenes Sohn, voraus, die Burg zu besetzen, er selbst folgte nach kurzer Rast; den Perser Mithrines behielt er fortan in seiner Nähe und zeichnete ihn auf jede Weise aus, gewiß ebensosehr, um seine Unterwerfung zu belohnen, als um zu zeigen, wie er sie belohne. Den Sardianern und allen Lydern gab er die Freiheit und die Verfassung ihrer Väter wieder, deren sie zwei Jahrhunderte lang unter dem Druck persischer Satrapen entbehrt hatten. Um die Stadt zu ehren, beschloß er, die Burg mit einem Tempel des olympischen Zeus zu schmücken; als er sich nach der tauglichsten Stelle dazu im Bereiche der Akropolis umsah, erhob sich plötzlich ein Wetter, unter Donner und Blitz ergoß sich ein heftiger Regenschauer über den Platz wo einst der lydische Königspalast gestanden hatte; diese Stelle wählte der König für den Tempel, der fortan die hohe Burg des vielgefeierten Kroisos schmücken sollte.
Sardeis wurde der zweite wichtige Punkt in der Operationslinie Alexanders, das Tor zum Innern Kleinasiens, zu dem die großen Straßen von diesem Mittelpunkte des vorderasiatischen Handels hinaufführen. Die Statthalterschaft Lydiens erhielt des Parmenion Bruder Asandros; eine Schar Reiter und leichtes Fußvolk wurde als Besatzung der Satrapie unter seinen Befehl gestellt; mit ihm blieben Nikias und Pausanias aus der Schar der Hetairen zurück, dieser als Befehlshaber der Burg von Sardeis und ihrer Besatzung, zu der das Kontingent von Argos bestimmt wurde, jener zur Verteilung und Erhebung der Tribute. Ein anderes Korps, das aus den Kontingenten der Peloponnesier und der übrigen Hellenen bestand, wurde unter Kalas und dem Lynkestier Alexandros, der an Kalas' Stelle den Befehl über die thessalische Ritterschaft erhalten hatte, nach den Gegenden, die dem Rhodier Memnon gehörten, abgesandt. Nach dem Fall von Sardeis mochte es notwendig erscheinen, auch auf der linken Flanke die Okkupation weiter zu führen und mit der weiteren Küste der Propontis die Straße ins Innere am Sangarios hinauf zu gewinnen. Die Flotte endlich – Nikanor führte sie – wird nach dem Siege am Granikos Befehl erhalten haben, nach Lesbos und Miletos zu segeln; es wird bei ihrem Erscheinen geschehen sein, daß Mitylene dem makedonischen Bunde beitrat.
Der König selbst wandte sich mit der Hauptmacht von Sardeis aus nach Ionien, dessen Städte seit langen Jahren das Joch persischer Besatzungen oder persisch gesinnter Oligarchen getragen hatten, und sich, wie sehr sie auch durch die lange Knechtschaft gebeugt sein mochten, nicht ohne lautes Verlangen ihrer alten Freiheit erinnerten, die ihnen jetzt noch einmal wie durch ein Wunder der Götter wiederkehren zu wollen schien. Nicht als ob sich diese Stimmung überall geäußert hätte; wo die oligarchische Partei stark genug war, mußte der Demos schweigen; aber man durfte gewiß sein, daß, wenn die befreiende Macht nahte, die Demokratie hoch aufflammen werde; immerhin, daß dann nach hellenischer Art ungezügelte Freude und leidenschaftlicher Haß gegen die Unterdrücker den Beginn der neuen Freiheit bezeugten.
Ephesos, die Königin unter den ionischen Städten, ging den anderen mit großem Beispiele voran. Noch zur Philipps Zeit, vielleicht infolge jener Beschlüsse von Korinth 338, hatte der Demos sich frei gemacht; Autophradates war mit einem Heere vor die Stadt gerückt, hatte die Behörden derselben zu Unterhandlungen zu sich beschieden, hatte dann während derselben die Bevölkerung, die an keine weitere Gefahr dachte, von seinen Truppen überfallen, viele gefangennehmen, viele töten lassen. Seit der Zeit war wieder eine persische Besatzung in Ephesos, und die Gewalt in den Händen des Syrphax und seines Geschlechtes. Unter denen, die nach Philipps Tode den Hof von Pella verlassen hatten, war Amyntas, des Antiochos Sohn, dessen Bruder Herakleides die Ile der Ritterschaft von Bottiaia führte; obschon Alexander ihn nie anders als gütig behandelt hatte, war er, mochte er sich irgendeiner Schuld bewußt sein, oder argen Wünschen Raum geben, aus Makedonien geflüchtet und nach Ephesos gekommen, wo ihn die Oligarchie auf alle Weise ehrte. Indes war die Schlacht am Granikos geschlagen, Memnon hatte sich mit einigen Überresten der geschlagenen Truppen nach der ionischen Küste gerettet und flüchtete weiter auf Ephesos zu. Hier hatte die Nachricht von der Niederlage der Perser die heftigste Aufregung hervorgebracht; das Volk hoffte, die Demokratie wieder zu gewinnen, die Oligarchie war in höchster Gefahr; da erschien Memnon vor der Stadt; die Partei der Syrphax eilte, ihm die Tore zu öffnen, und begann in Verbindung mit den persischen Truppen auf das ärgste gegen die Volkspartei zu wüten; das Grab des Heropythos, des Befreiers von Ephesos, wurde aufgewühlt und entweiht, der heilige Schatz im großen Tempel der Artemis geplündert, des Königs Philipp Bildsäule im Tempel umgestürzt, kurz, es geschah alles, was den Untergang der Gewaltherrschaft noch mehr, als ihren Beginn zu schänden pflegt. Indes rückte Alexanders siegreiches Heer immer näher; Memnon war bereits nach Halikarnassos gegangen, um dort möglichst kräftige Verteidigungsmaßregeln zu treffen; und Amyntas, der bei der Aufregung des Volkes sich nicht mehr sicher, noch die Stadt gegen die Makedonen zu behaupten für möglich halten mochte, eilte mit den in der Stadt liegenden Söldnern, sich zweier Trieren im Hafen zu bemächtigen, und flüchtete zur persischen Flotte, welche vierhundert Segel stark bereits im Ägäischen Meere erschienen war. Kaum sah sich das Volk von den Kriegsscharen befreit, als es auch in allgemeiner Empörung gegen die oligarchische Partei aufstand; viele vornehme Männer flüchteten, Syrphax und sein Sohn und die Söhne seiner Brüder retteten sich in die Tempel, das wütende Volk riß sie von den Altären weg und steinigte sie; man suchte die übrigen, bereit, sie dem gleichen Tode zu opfern. Da rückte Alexander, einen Tag nach Amyntas Flucht, in die Stadt ein, tat dem Morden Einhalt, befahl, die um seinetwillen Verbannten wieder aufzunehmen, die Demokratie für alle Zeit in Geltung zu lassen; er überwies die Abgaben, die bisher an Persien entrichtet worden waren, der Artemis und dehnte das Asylrecht des Tempels auf ein Stadion von den Tempelstufen aus. Mag die neue Umgrenzung des Tempelbezirks mit bestimmt gewesen sein, künftigem Streit zwischen dem Tempel und der politischen Gemeinde vorzubeugen, dem Hader in der Gemeinde selbst wurde durch die Vermittlung des Königs ein Ende gemacht, »und wenn ihm irgend etwas zum Ruhm gereicht«, sagt Arrian, »so ist es das, was er damals in Ephesos tat«.
In Ephesos kamen zu Alexander Abgeordnete aus Tralleis und Magnesia am Maiandros, um ihm die beiden Städte, die wichtigsten im nördlichen Karien, zu übergeben; Parmenion wurde mit einem Korps von fünftausend Mann Fußvolk und zweihundert Pferden abgesandt, um die Städte in Besitz zu nehmen. Zu gleicher Zeit wurde Alkimachos, Lysimachos' Bruder, mit ebensoviel Truppen nordwärts nach den aiolischen und ionischen Städten detachiert, mit dem Befehl, überall die Oligarchie aufzuheben, die Volksherrschaft wieder einzurichten, die alten Gesetze wieder herzustellen, die bisher an Persien entrichteten Tribute ihnen zu erlassen. Es wird die Wirkung dieser Expeditionen gewesen sein, daß auch in Chios die Oligarchie, an deren Spitze Apollonides stand, gestürzt, daß auf Lesbos die Tyrannis in Antissa und Eresos gebrochen, Mitylene mit einer makedonischen Besatzung gesichert wurde.
Der König selbst blieb noch einige Zeit in dem schönen Ephesos, ihm doppelt lieb durch den Umgang mit Apelles, dem größten unter den damals lebenden Malern; das Bild Alexanders, mit dem Blitze in der Hand, das noch lange eine Zierde des großen Tempels der Artemis war, entstand in dieser Zeit. Ihn beschäftigten mancherlei Pläne zur Förderung der griechischen Küstenstädte; vor allem befahl er die Stadt Smyrna, die seit der Zerstörung durch die lydischen Könige sich in mehrere Flecken aufgelöst hatte, wieder herzustellen, die Stadt Klazomenai durch einen Damm mit ihrer Hafeninsel zu verbinden, die Landenge von Klazomenai bis Teos zu durchstechen, damit die Schiffe nicht nötig hätten, den weiten Umweg um das schwarze Vorgebirge zu machen; das Werk ist nicht zustande gekommen, aber noch in später Zeit wurden auf der Landenge in einem dem Könige Alexander geweihten Haine Wettkämpf von dem Bunde der Ionier zum Gedächtnis ihres Befreiers gehalten.
Nachdem Alexander noch im Tempel der Artemis geopfert und eine Musterung der Truppen, die in vollem Waffenschmucke und wie zur Schlacht aufgestellt waren, gehalten hatte, brach er folgenden Tages mit seinem Heere, das aus vier Ilen makedonischer Ritter, den thrakischen Rittern, den Agrianern und Bogenschützen und etwa zwölftausend Mann Hopliten und Hypaspisten bestand, auf der Straße nach Miletos auf. Die Stadt war wegen ihres geräumigen Hafens für die persische Flotte, wenn sie das Ägäische Meer halten sollte, beim Herannahen der späten Jahreszeit von der größten Wichtigkeit. Der Befehlshaber der persischen Besatzung von Milet, der Grieche Hegesistratos, hatte früher in einem Schreiben dem Könige die Übergabe der Stadt angeboten, aber, von der Nähe der großen persischen Flotte unterrichtet, die wichtige Hafenstadt den Persern zu erhalten beschlossen. Desto eifriger war Alexander, die Stadt zu erobern.
Miletos liegt auf einer Landzunge im Süden des latmischen Meerbusens, drei Meilen südwärts von dem Vorgebirge Mykale, vier von der Insel Samos, die man am Horizont aus dem Meere hervorragen sieht; die Stadt selbst, in die äußere und die mit starken Mauern und tiefem Graben versehene innere Stadt geteilt, öffnet nach dem Meerbusen zu vier Häfen, von denen der größte und wichtigste auf der Insel Lade etwas von der Küste entfernt liegt; groß genug, um einer Flotte Schutz zu gewähren, ist er mehr als einmal Veranlassung gewesen, daß Seekriege in seiner Nähe geführt und durch seine Besetzung entschieden sind; die zunächst an der Stadt liegenden Häfen werden durch kleine Felseneilande voneinander geschieden, sie sind für den Handel sehr bequem, aber weniger geräumig, und werden durch die Reede der Insel Lade mitbeherrscht. Die reiche Handelsstadt war von den Persern nicht eben bedrückt, ihr war ihre Demokratie gelassen worden; sie mag gehofft haben, neutral zwischen den kämpfenden Mächten verharren zu können; sie hatte nach Athen gesandt, um Hilfe zu bitten.
Nikanor, der die ›hellenische Flotte‹ führte, erreichte vor Ankunft der überlegenen Perserflotte die Höhe von Miletos, und ging mit seinen hundertsechzig Trieren bei der Insel vor Anker. Zu gleicher Zeit war Alexander unter den Mauern der Stadt erschienen, hatte sich der äußeren Stadt bemächtigt, die innere mit einer Zirkumvallation eingeschlossen, zur Verstärkung der wichtigen Position von Lade die Thraker und gegen viertausend Mann Söldner auf die Insel übersetzen lassen und seiner Flotte die Weisung gegeben, von der Seeseite Miletos auf das sorgfältigste zu sperren. Drei Tage darauf erschien die persische Flotte; die Perser steuerten, da sie die Meerbucht von hellenischen Schiffen besetzt sahen, nordwärts, und gingen, vierhundert Segel stark, bei dem Vorgebirge Mykale vor Anker.
Daß die hellenische und die persische Seemacht einander so nahe lagen, schien ein entscheidendes Seegefecht unvermeidlich zu machen; viele Strategen Alexanders wünschten es; man glaubte des Sieges gewiß zu sein, da sogar der alte vorsichtige Parmenion zum Kampfe riet; denn ein Adler – das läßt ihn Arrian anführen – sei am Ufer beim Spiegel des Schiffes Alexanders sitzend gesehen worden; stets hätten die Griechen zur See über die Barbaren gesiegt, und das Zeichen des Adlers lasse keinen Zweifel, was der Götter Wille sei; ein gewonnenes Seegefecht würde der ganzen Unternehmung von außerordentlichem Nutzen sein, durch eine verlorene Seeschlacht könne nichts weiter verloren werden, als was man schon jetzt nicht mehr habe, denn mit ihren vierhundert Segeln seien die Perser doch Herren zur See; er selbst erklärte sich bereit, an Bord zu gehen und an dem Kampfe teilzunehmen. Alexander wies es zurück: unter den jetzigen Verhältnissen eine Seeschlacht zu wagen, würde ebenso nutzlos, wie gefährlich, es würde tollkühn sein, mit hundertsechzig Schiffen gegen die Übermacht der feindlichen Flotte, mit seinen wenig geübten Seeleuten gegen die Kyprier und Phoiniker kämpfen zu wollen; die Makedonen, unbezwinglich auf dem festen Lande, dürften den Barbaren nicht auf dem Meere, das ihnen fremd sei, und wo überdies tausend Zufälligkeiten mit in Betracht kämen, preisgegeben werden; der Verlust eines Treffens würde den Erwartungen von seinem Unternehmen nicht bloß bedeutenden Eintrag tun, sondern für die Hellenen die Losung zum Abfall werden; der Erfolg eines Sieges könne nur gering sein, da der Gang seiner Unternehmungen auf dem festen Lande die Perserflotte von selbst vernichten werde; das sei auch der Sinn jenes Zeichens; so wie der Adler sich auf das Land gesetzt, so würde er die persische Seemacht vom Lande aus überwältigen; es sei nicht genug, nichts zu verlieren; nicht zu gewinnen, sei schon Verlust. Die Flotte blieb ruhig auf der Reede bei Lade.
Indes kam Glaukippos, ein angesehener Milesier, ins Lager des Königs, im Namen des Volkes und der Söldnerscharen, in deren Hand jetzt die Stadt sei, zu erklären: Miletos sei bereit, seine Tore und Häfen den Makedonen und Persern gemeinschaftlich zu öffnen, wenn Alexander die Belagerung aufheben wolle. Der König erwiderte: er sei nicht nach Asien gekommen, um sich mit dem zu begnügen, was man ihm werde zugestehen wollen, er werde seinen Willen durchzusetzen wissen; von seiner Gnade möge man Strafe oder Verzeihung für die Wortbrüchigkeit erwarten, die die Stadt zu einem eben so strafbaren als vergeblichen Widerstand veranlaßt habe; Glaukippos möge schleunigst in die Stadt zurückkehren und den Milesiern melden, daß sie eines Sturmes gewärtig sein könnten. Mit dem nächsten Tage begannen die Sturmböcke und Mauerbrecher zu arbeiten, bald lag ein Teil der Mauer in Bresche; die Makedonen drangen in die Stadt ein, während ihre Flotte, sobald sie von ihrem Ankerplatze aus den Sturm gegen die Stadt gewahrte, dem Hafen zuruderte und den Eingang desselben sperrte, so daß die Trieren, dicht aneinander gedrängt und die Schnäbel hinausgewendet, der Perserflotte Hilfe zu leisten, und den Milesiern, sich zur Perserflotte zu retten, unmöglich machten. Die Milesier und Söldner, in der Stadt von allen Seiten gedrängt und ohne Aussicht auf Rettung, suchten ihr Heil in der Flucht; die einen schwammen auf ihren Schilden zu einem der Felseneilande der Häfen, andere suchten auf Booten den makedonisch-hellenischen Trieren zu entkommen; die meisten kamen in der Stadt um. Jetzt Meister der Stadt, setzten die Makedonen, von dem König selbst geführt, nach dem Eiland über, und schon waren die Leitern von den Trieren an die steilen Ufer geworfen, um die Landung zu erzwingen, da befahl der König, voll Mitleid mit jenen Tapferen, die sich auch jetzt noch zu verteidigen oder rühmlich zu sterben bereit seien, ihrer zu schonen und ihnen Gnade unter der Bedingung anzubieten, daß sie in seinem Heere Dienst nähmen; so wurden dreihundert griechische Söldner gerettet. Ebenso schenkte Alexander allen Milesiern, die nicht beim Sturme umgekommen waren, Leben und Freiheit.
Die Perserflotte hatte den Fall Milets von Mykale aus mit angesehen, ohne das geringste zur Rettung der Stadt tun zu können. Jeden Tag lief sie gegen die hellenische Flotte aus, in der Hoffnung, sie zum Kampfe herauszulocken, und kehrte abends unverrichteter Sache nach der Reede des Vorgebirges zurück, einem höchst unbequemen Ankerplatze, da sie ihr Trinkwasser nachts aus dem Maiandros, etwa drei Meilen weit, holen mußte. Der König gedachte sie aus ihrer Position zu treiben, ohne seine Flotte ihre zugleich sichere und sichernde Stellung aufgeben zu lassen; er sandte die Reiter und drei Taxen Fußvolk unter Philotas' Führung an der Küste entlang nach dem Vorgebirge Mykale, mit dem Befehle, jede Landung der Feinde zu hindern; nun auf dem Meere gleichsam blockiert, waren sie, bei gänzlichem Mangel an Wässer und Lebensmitteln, genötigt, nach Samos zu gehen, um das Nötige an Bord zu nehmen. Dann kehrten sie zurück, fuhren wieder, wie zum Kampf herausfordernd, in Schlachtordnung auf. Da die hellenische Flotte ruhig bei Lade blieb, sandten sie fünf Schiffe dem Hafen zu, der, zwischen dem Lager und den kleinen Inseln gelegen, das Heer von der Flotte trennte, in der Hoffnung, die Schiffe unbemannt zu überraschen, da es bekannt war, daß sich das Schiffsvolk in der Regel von den Schiffen zerstreue, um Holz und Vorräte zu holen. Sobald Alexander jene fünf Schiffe heransteuern sah, ließ er mit dem gerade anwesenden Schiffsvolke zehn Triern bemannen und in See gehn, um auf den Feind Jagd zu machen. Die persischen Schiffe kehrten, bevor jene heran waren, schleunigst um, sich zu ihrer Flotte zurückzuziehen; eines, das schlecht segelte, fiel den Makedonen in die Hände und wurde eingebracht; es war aus Jasos in Karien. Das persische Geschwader zog sich, ohne weiteres gegen Miletos zu versuchen, nach Samos zurück.
Der König hatte sich durch die letzten Vorfälle überzeugt, daß die Perserflotte auf die Bewegungen seiner Landmacht keinen nennenswerten Einfluß mehr üben, vielmehr durch die fortschreitende Okkupation der Küsten bald völlig vom Festland abgedrängt, gezwungen sein werde, auf weiteres Eingreifen in die entscheidenden Aktionen zu verzichten und einstweilen bei den Inseln vor Anker zu liegen. Auf dem Festlande in der ganzen Kraft der Offensive, sah Alexander seine Seemacht jetzt, da sie unmöglich gegen den dreimal stärkeren Feind die See halten konnte, auf die Verteidigung beschränkt; so wichtige Dienste sie ihm beim Beginn des Feldzuges und zur Deckung der ersten Bewegungen des Landheeres geleistet hatte, sie war ihm, seit die persische Macht in Kleinasien unterlegen, ohne besonderen Nutzen, dagegen der Aufwand, den sie verursachte, außerordentlich; hundertsechzig Trieren forderten an dreißigtausend Mann Matrosen und Schiffssoldaten, fast ebensoviel Mannschaft wie das Heer, das das Perserreich über den Haufen stürzen sollte; sie kosteten monatlich mehr als fünfzig Talente Sold, und vielleicht ebensoviel für Unterhalt, ohne, wie das Landheer, das nicht viel teurer zu unterhalten war, mit jedem Tage neue Eroberung und neue Beute zu machen. Alexanders Kassen waren erschöpft und hatten vorerst keine bedeutenden Zuflüsse zu erwarten, da den befreiten griechischen Städten ihre Abgaben erlassen wurden, die inländischen weder gebrandschatzt, noch geplündert, sondern nur nach dem alten, sehr niedrigen Ansatz besteuert werden sollten. Dies waren die Gründe, die den König veranlaßten, im Herbst 334 seine Flotte aufzulösen; er behielt nur wenige Schiffe zum Transporte längs der Küste bei sich, unter diesen die zwanzig, die Athen gestellt hatte, sei es, um dadurch die Athener zu ehren, oder um ein Unterpfand ihrer Treue zu haben, falls die feindliche Flotte, wie zu vermuten, sich nach Hellas wenden sollte.
Jetzt, nach Auflösung der Flotte, wurde es für Alexander doppelt wichtig, jede Küstenlandschaft, jede Seestadt, jeden Hafen zu besetzen, um dadurch jene Kontinentalsperre durchzusetzen, mit welcher er die persische Seemacht matt zu setzen hoffte. Noch war an der Küste des Ägäischen Meeres Karien und in Karien Halikarnassos übrig, doppelt wichtig durch seine Lage am Eingange dieses Meeres, und dadurch, daß sich in diese sehr feste Stadt der letzte Rest der persischen Macht in Kleinasien zum Widerstande gesammelt hatte.
Karien war vor etwa fünfzig Jahren zur Zeit des zweiten Artaxerxes unter die Herrschaft des Dynasten Hekatomnos von Halikarnassos gekommen, der, dem Namen nach persischer Satrap, so gut wie unabhängig und bereit war, diese Unabhängigkeit bei der ersten Veranlassung mit gewaffneter Hand geltend zu machen; er hatte seine Residenz nach dem Innern seines Landes, nach Mylasa, verlegt, und von hier aus seine Herrschaft bedeutend auszudehnen verstanden. Sein Sohn und Nachfolger Maussollos verfolgte die Pläne des Vaters, er vergrößerte auf jede Weise seine Macht und seine Reichtümer; dann auch mit Lykien betraut, beherrschte er zwei wichtige Seeprovinzen Kleinasiens; umso näher lag es ihm, seine Seemacht – schon der Vater hatte, als persischer Nauarch, gegen Kypros gekämpft – weiter zu entwickeln; er verlegte die Residenz wieder nach Halikarnaß, das er durch Zusammenziehung von sechs kleinen Ortschaften vergrößerte; er erregte den Bundesgenossenkrieg gegen die Athener, um deren Seemacht zu schwächen; selbst nach Miletos streckte er seine Hand aus. Nachdem er (351), dann seine Schwester und Gemahlin Artemisia, die ihm nach karischer Sitte in der Herrschaft folgte, gestorben waren, übernahm der zweite Bruder Idrieus die Regierung (349); von den Zeitumständen begünstigt, behauptete er Chios, Kos und Rhodos. Seine Schwester und Gemahlin Ada folgte ihm (343), wurde aber schon nach vier Jahren durch ihren jüngeren Bruder Pixodaros der Herrschaft beraubt, so daß ihr nichts als die Bergfestung Alinda blieb. Pixodaros beabsichtigte, durch eine Verbindung mit dem makedonischen Königshause, dessen Pläne in Beziehung auf Asien kein Geheimnis mehr waren, sich zu einem Kampfe um seine Unabhängigkeit vorzubereiten. Daß er auch Gold auf seinen Namen prägte, was – so ist die Meinung – keinem Satrapen zustand, würde zeigen, wie weit er schon zu sein glaubte. Der Hader am Hofe Philipps zerstörte seine Pläne, so daß er dem Wunsche des Perserkönigs, seine Tochter mit dem edlen Perser Othontopates zu vermählen, entgegenkam, und nach seinem im Jahre 335 erfolgten Tode wurde Othontopates Herr der karischen Dynastie.
Sobald jetzt Alexander in Karien einrückte, eilte Ada ihm entgegen; sie versprach, ihn auf jede Weise bei der Eroberung Kariens zu unterstützen, ihr Name selbst würde ihm Freunde gewinnen; die Wohlhabenden im Lande, unzufrieden über die erneute Verbindung mit Persien, würden sich sofort für sie entscheiden, da sie im Sinne ihres Bruders stets gegen Persien und für Griechenland Partei genommen habe; sie bat den König, als Treupfand ihrer Gesinnung, ihre Adoption anzunehmen. Alexander wies es nicht zurück, er ließ ihr die Herrschaft von Alinda; die Karer wetteiferten, sich ihm zu ergeben, namentlich die griechischen Städte; er stellte ihre Demokratie her, gab ihnen Autonomie, entließ sie der Tributpflicht.
Nur Halikarnaß war noch übrig; dorthin hatte sich Othontopates zurückgezogen; ebendahin war Memnon, nachdem er in Ephesos und Miletos weder die Gelegenheit günstig, noch die Zeit hinreichend gefunden hatte, um erfolgreichen Widerstand zu organisieren, mit den Resten der am Granikos geschlagenen Armee gekommen, um mit dem karischen Satrapen vereinigt die letzte wichtige Position auf der kleinasiatischen Küste zu halten. Er schickte Weib und Kind an den Großkönig, angeblich, um sie aller Gefahr zu entziehen, in der Tat, um ein Zeichen und Unterpfand seiner Treue zu geben, die sein griechischer Ursprung nur zu oft zu verdächtigen Gelegenheit gegeben hatte. Diese Hingebung zu ehren und seinem anerkannten und oft erprobten Feldherrntalent die gebührende Wirksamkeit zu eröffnen, hatte ihm der Perserkönig den Oberbefehl über die gesamte persische Seemacht und die Küsten übertragen; wenn noch etwas für Persien zu retten war, schien er der Mann zu sein, der retten konnte. Mit außerordentlicher Tätigkeit hatte er das feste Halikarnaß noch durch neue Werke, namentlich durch einen breiten und tiefen Graben verstärkt, die aus Persern und Söldnern bestehende Besatzung vermehrt, seine Kriegsschiffe in den Hafen der Stadt gezogen, um durch sie die Verteidigung zu unterstützen und die Stadt im Fall einer längeren Belagerung mit Lebensmitteln zu versehen; er hatte die Insel Arkonnesos, welche den Hafen beherrschte, befestigen lassen, nach Myndos, Kaunos, Thera, Kallipolis Besatzungen gelegt, kurz alles so vorbereitet, daß Halikarnaß der Mittelpunkt höchst erfolgreicher Bewegungen und ein Bollwerk gegen das Vordringen der Makedonen werden konnte. Eben darum waren nicht wenige von der besiegten Partei in Hellas nach Halikarnassos gegangen, unter ihnen die Athener Ephialtes und Thrasybulos; auch von den beim Morde des Königs Philipp Geflüchteten der Lynkestier Neoptolemos; und jener Amyntas, des Antiochos Sohn, scheint sich mit den Söldnern von Ephesos hierher gerettet zu haben. Gelang es in dieser starken Position der makedonischen Macht standzuhalten, so war sie – denn die persische Flotte beherrschte das Meer – von der Heimat abgeschnitten, und Hellas mit dem Ruf der Freiheit zu neuer Schilderhebung zu bewegen.
Indes rückte Alexander heran, und lagerte sich, auf eine langwierige Belagerung gefaßt, etwa tausend Schritte vor den Wällen der Stadt. Die Feindseligkeiten eröffneten die Perser durch einen Ausfall auf die soeben anrückenden Makedonen, der jedoch ohne viele Mühe zurückgeschlagen wurde. Wenige Tage nachher zog sich der König mit einem bedeutenden Teile des Heeres nordwestlich um die Stadt hin, teils um die Mauern zu besichtigen, besonders aber, um von hier aus die nahe Stadt Myndos, die für den Fortgang der Belagerung von großer Wichtigkeit werden konnte, zu besetzen, da ihm von der Besatzung dort die Übergabe versprochen war, wenn er nachts vor den Toren der Stadt sein wollte. Er kam, aber niemand öffnete; ohne Sturmleitern und Maschinen, da das Heer nicht wie zu einem Sturm ausgezogen war, ließ der König, erzürnt, so betrogen zu sein, sofort seine Schwerbewaffneten unter die Mauern der Stadt rücken, und das Untergraben derselben beginnen. Ein Turm stürzte, ohne jedoch Bresche genug zu geben, daß man mit Erfolg hätte angreifen können. In Halikarnaß war mit Tagesanbruch der Abzug der Makedonen bemerkt, und sofort zur See Unterstützung nach Myndos geschickt; Alexander mußte unverrichteter Sache in seine Stellung vor Halikarnaß zurückkehren.
Die Belagerung der Stadt begann; zunächst wurde der Wallgraben, der fünfundvierzig Fuß breit und halb so tief war, unter dem Schutz mehrerer sogenannter Schildkrötendächer ausgefüllt, damit die Türme, von denen aus die Mauern von Verteidigern gesäubert werden, und die Maschinen, mit denen Bresche gelegt wird, gegen die Mauern vorgeschoben werden konnten. Schon standen die Türme den Mauern nah, als die Belagerten über Nacht einen Ausfall machten, die Maschinen zu verbrennen; schnell verbreitete sich der Lärm durch das Lager; aus dem Schlafe geweckt, eilten die Makedonen ihren Vorposten zu Hilfe, und nach kurzem Kampfe bei dem Lichte der Lagerfeuer mußten die Belagerten in die Stadt zurück, ohne ihren Zweck erreicht zu haben. Unter den hundertfünfundsiebzig Leichen der Feinde fand man auch die des Lynkestiers Neoptolemos. Makedonischerseits waren nur zehn Tote, aber dreihundert Verwundete, da man bei der Dunkelheit der Nacht sich nicht hinlänglich hatte decken können.
Die Maschinen begannen zu arbeiten: bald lagen zwei Türme und die Mauer zwischen ihnen auf der nordöstlichen Seite der Stadt in Schutt; ein dritter Turm war stark beschädigt, so daß eine Untergrabung ihn leicht zum Sturz bringen mußte. Da saßen eines Nachmittags zwei Makedonen aus der Phalanx des Perdikkas in ihrem Zelt beim Wein und sprachen gegeneinander groß von sich und ihren Taten, sie schwuren, ganz Halikarnaß auf ihre Lanzenspitze zu nehmen und die persischen Memmen in der Stadt dazu; sie nahmen Schild und Speer und rückten selbander gegen die Mauer, sie schwangen ihre Waffen und schrien nach den Zinnen hinauf, das sahen und hörten die auf der Mauer, und machten gegen die zwei Männer einen Ausfall; diese aber wichen nicht vom Platze, wer ihnen zu nahe kam, wurde niedergemacht, und wer zurückwich, dem nachgeworfen. Aber die Zahl der Feinde mehrte sich mit jedem Augenblick, und die zwei Männer, die überdies tiefer standen, erlagen fast dem Andrange der Mehrzahl. Indes hatten ihre Kameraden im Lager diesen sonderbaren Sturmlauf mit angesehen, und liefen nun auch hin, mitzuhelfen; ebenso mehrte sich der Zulauf aus der Stadt; es entspann sich ein hartnäckiger Kampf unter den Mauern. Bald waren die Makedonen im Vorteil, warfen den Feind in die Tore zurück, und da die Mauern hier für einen Augenblick fast von Verteidigern entblößt und an einer Stelle bereits eingestürzt waren, so schien nichts als der Befehl des Königs zum allgemeinen Angriff zu fehlen, um die Stadt einzunehmen. Alexander gab ihn nicht; er hätte gern die Stadt unversehrt erhalten; er hoffte, daß sie kapitulieren werde.
Aber die Gegner hatten hinter jener Bresche eine neue Mauer halbmondförmig von Turm zu Turm erbaut. Der König ließ die weiteren Arbeiten auf diese richten; Schirmwände aus Weiden geflochten, hohe hölzerne Türme, Schilddächer mit Mauerbrechern wurden in den einspringenden Winkel, der schon von Schutt und Trümmern gereinigt und zum Beginn der neuen Sturmarbeiten geebnet war, vorgeschoben. Wieder machten die Feinde einen Ausfall, um die Maschinen in Brand zu stecken, während von den beiden Türmen und der Mauer aus ihr Angriff auf das lebhafteste unterstützt wurde; schon brannten mehrere Schirmwände und selbst ein Turm; kaum noch schützten die unter Philotas zur Feldwacht aufgestellten Truppen die übrigen; da erschien Alexander zum Beistand, eilig warfen die Feinde Fackeln und Waffen hinweg und zogen sich hinter die Mauern zurück, von wo sie, den Angreifern in der Flanke und zum Teil im Rücken, ihre Geschosse wirksam genug schleuderten.
Bei so hartnäckigem Widerstand hatte der König allen Grund, schärfer anzufassen. Er ließ die Maschinen von neuem arbeiten; er selbst war bei der Arbeit, leitete sie. Da beschloß Memnon – es heißt auf Ephialtes dringende Mahnung, es nicht zum Äußersten kommen zu lassen – einen allgemeinen Ausfall. Ein Teil der Besatzung brach unter Ephialtes Führung bei der vielgefährdeten Stelle der Mauer heraus, während die anderen beim Westtor, wo der Feind es am wenigsten erwartete, gegen das Lager hin ausrückten. Ephialtes kämpfte mit dem größten Mute, seine Leute warfen Feuerbrände und Pechkränze in die Maschinen; aber ein kräftiger Angriff des Königs, der von den hohen Belagerungstürmen mit einem Hagel von Geschossen und großen Steinen unterstützt wurde, zwang die Feinde nach sehr hartnäckigem Kampfe zum Weichen; viele, unter ihnen Ephialtes, blieben auf dem Platze, noch mehrere unterlagen auf der Flucht über den Schutt der eingestürzten Mauer und durch die engen Toreingänge. Indes hatten sich auf der anderen Seite den Feinden zwei Taxen Hypaspisten und einiges leichtes Fußvolk unter dem Leibwächter Ptolemaios entgegengeworfen; lange währte der Kampf, Ptolemaios selbst, der Chiliarch der Addaios, der Anführer der Bogenschützen Klearchos, mancher andere namhafte Makedone war bereits gefallen, als es endlich gelang, die Feinde zurückzudrängen; unter der Menge der Fliehenden brach die enge Brücke, die über den Graben führte, viele stürzten hinab und kamen teils von den Nachstürzenden erdrückt, teils on den Spießen der Makedonen getroffen, um. Bei dieser allgemeinen Flucht hatten schnell die in der Stadt Zurückgebliebenen die Tore schließen lassen, damit nicht mit den Fliehenden zugleich die Makedonen den Eingang erzwängen; vor den Toren drängten sich nun große Haufen unglücklicher Flüchtlinge zusammen, die, ohne Waffen, ohne Mut und Rettung, den Makedonen preisgegeben, sämtlich niedergemetzelt wurden. Mit Entsetzen sahen die Belagerten, daß die Makedonen, von so großen Erfolgen angefeuert und von der hereinbrechenden Nacht begünstigt, im Begriff standen, die Tore zu erbrechen, in die Stadt selbst einzudringen; statt dessen hörten sie das Signal zum Rückzug blasen. Der König wünschte auch jetzt noch die Stadt zu retten; er hoffte, daß nach diesem Tage, der ihn nur vierzig Tote, dem Feinde dagegen an tausend gekostet und deutlich genug gezeigt hatte, daß einem neuen Angriff wohl der Fall der Stadt folgen dürfte, vonseiten der Belagerten Anträge gemacht werden würden, die er nur erwartete, um diesem unnatürlichen Kampf von Griechen gegen eine griechische Stadt ein Ende zu machen.
In Halikarnaß berieten die beiden Befehlshaber, Memnon und Othontopates, welche Maßregeln zu ergreifen seien; es entging ihnen nicht, daß sie unter den jetzigen Umständen, da bereits ein Teil der Mauer eingestürzt, ein anderer dem Einsturz nahe, die Besatzung durch viele Tote und Verwundete geschwächt war, die Belagerung nicht mehr lange würden aushalten können; und wozu sollten sie die Stadt halten, da doch das Land bereits verloren war? Der Hafen, den zu behaupten für die Flotte von Wichtigkeit war, konnte durch Besetzung der Hafenburg und durch die Behauptung der am karischen Meerbusen gelegenen festen Plätze genugsam gesichert werden; sie beschlossen, die Stadt preiszugeben. Um Mitternacht sahen die makedonischen Feldwachen über den Mauern der Stadt eine Feuersbrunst emporlodern. Flüchtende, die aus der brennenden Stadt sich ins Feld zu den makedonischen Vorposten retteten, berichteten, daß der große Turm, der gegen die makedonischen Maschinen errichtet war, die Waffenmagazine, die Stadtviertel zunächst an den Mauern brennten; man sah, wie ein heftiger Wind die Feuersbrunst in die Stadt hineintrieb; man erfuhr, daß das Umsichgreifen der Flamme von denen in der Stadt auf alle Weise gefördert werde. Sogleich ließ Alexander trotz der Nacht aufbrechen, die brennende Stadt zu besetzen; wer noch beim Anzünden beschäftigt war, wurde niedergehauen, Widerstand fand man nirgends; die Einwohner, die man in ihrer Wohnung fand, verschonte man. Endlich graute der Morgen; die Stadt war von den Feinden geräumt, sie hatten sich auf die Salmakis und die Hafeninsel zurückgezogen, von wo sie den Hafen beherrschen, und, selbst fast vollkommen sicher, die Trümmerstätte, die in den Händen der Feinde war, beunruhigen konnten.
Dies erkannte der König; um sich nicht mit der Belagerung der Burg aufzuhalten, die ihm unter den jetzigen Umständen nicht mehr entscheidende Resultate bringen konnte, ließ er, nachdem die in der letzten Nacht Gefallenen begraben waren, den Park seiner Belagerungsmaschinen nach Tralleis vorausgehen, die letzten Überbleibsel der Stadt, die sich so hartnäckig der gemeinsamen Sache der Hellenen widersetzt hatten, und überdies die Nähe der Perser in der Salmakis und auf Arkonnesos nur gefährlicher machte, von Grund aus zerstören; die Bürgerschaft wurde in die sechs Flecken aufgelöst, die vierzig Jahre früher der Dynast Maussollos in seiner Residenz vereinigt hatte. Ada erhielt die Satrapie über Karien wieder, unter der die hellenischen Städte dort autonom und tributfrei blieben. Die Einkünfte des Landes blieben der Fürstin; Alexander ließ zu ihrem und des Landes Schutz dreitausend Söldner und etwa zweihundert Reiter unter Ptolemaios Befehl zurück, der den Auftrag erhielt, zur gänzlichen Vertreibung der Feinde aus den einzelnen Küstenstrichen, die sie noch besetzt hielten, sich mit dem Befehlshaber von Lydien zu vereinigen, demnächst die Belagerung der Salmakis durch Zirkumvallation zu beginnen.
Die späte Jahreszeit war herangekommen; mit dem Fall von Halikarnaß konnte Alexander die Eroberung der Westküste Kleinasiens für beendet ansehen; die neubegründete Freiheit in den griechischen Städten der Küste und die makedonischen Besatzungen in Phrygien am Hellespont, Lydien und Karien sicherten diese Gegenden vor neuen Angriffen der Perserflotte. Dieser auch die Südküste Kleinasiens zu sperren, so wie die Landschaften im Innern Kleinasiens zu unterwerfen, mußte der Zweck der nächsten Operationen sein. Da vorauszusehen war, daß weder in den Küstenstädten, denen wegen der Jahreszeit von der See her nicht leicht Hilfe kommen konnte, noch auch im Innern des Landes, das längst von den Persern so gut wie völlig geräumt war, der Widerstand groß sein würde, so war es unnötig, das ganze Heer an diesem beschwerlichen Zuge teilnehmen zu lassen; dazu kam, daß zu den großen Bewegungen, die den Feldzug des nächsten Jahres eröffnen sollten, das Heer mit frischen Truppen aus der Heimat verstärkt werden sollte. Bei dem Heere befanden sich viele Kriegsleute, die sich jüngst verheiratet hatten; diese wurden auf Urlaub nach der Heimat entlassen, um den Winter hindurch bei Weib und Kind zu sein. Ihre Führung übernahmen drei Neuvermählte aus der Zahl der Befehlshaber, des Seleukos Sohn Ptolemaios, einer der Leibwächter des Königs, des alten Parmenion Schwiegersohn Koinos und Meleagros, beide Strategen der Phalanx, sie erhielten den Auftrag, zugleich mit den Beurlaubten so viel frische Mannschaften wie möglich nach Asien mitzubringen und im Frühling in Gordion zur großen Armee zu stoßen. Man kann sich vorstellen, mit welchem Jubel dieser Urlaub angenommen, mit welcher Freude die heimkehrenden Krieger von den Ihrigen empfangen und angehört wurden, wenn sie von ihren Taten und ihrem Könige, von der Beute und den schönen Ländern Asiens erzählten; es schien, als ob Asien und Makedonien aufhörten, einander fern und fremd zu sein.
Von den in Asien zurückbleibenden mobilen Truppen, denn einige tausend Mann waren als Besatzungen verwendet, bildete Alexander zwei Marschkolonnen; die kleinere unter Parmenions Befehl, bestehend aus der makedonischen und thessalischen Ritterschaft, den Truppen der Bundesgenossen, sowie dem Park der Wagen und Maschinen, ging über Tralleis nach Sardeis, um in der lydischen Ebene zu überwintern und mit dem Beginn des Frühlings nach Gordion aufzubrechen. Die größere Kolonne, aus den Hepaspisten, den Taxen der Phalanx, den Agrianern, Bogenschützen, Thrakern gebildet, brach, unter Führung des Königs selbst, von Karien auf, um die Seeküste und die inneren Landschaften Kleinasiens zu durchziehen und in Besitz zu nehmen.
Der Marsch ging über den festen Grenzplatz Hyparna, dessen Besatzung, aus griechischen Söldnern bestehend, gegen freien Abzug auch die Burg übergab, nach der Landschaft Lykien. Lykien war seit der Zeit des Kyros dem persischen Reiche einverleibt, hatte aber nicht bloß seine eidgenössische Verfassung behalten, sondern auch bald seine Unabhängigkeit so weit wiedererlangt, daß es nur einen bestimmten Tribut nach Susa zahlte, bis dann der Satrap von Karien, wie erwähnt ist, auch Lykien zugewiesen erhielt. Noch in den letzten Jahren hatte der Perserkönig die Gebirgslandschaft Milyas, auf der Grenze gegen Phrygien, zu Lykien geschlagen. Persische Besatzungen standen in Lykien nicht; Alexander fand kein Hindernis bei der Besitznahme dieser an Städten reichen und durch Seehäfen ausgezeichneten Provinz. Telmissos und jenseits des Xanthosflusses Pinara, Xanthos, Patara und an dreißig kleinere Ortschaften im oberen Lykien ergaben sich den Makedonen; dann rückte Alexander – es war in der Mitte des Winters – an die Quellen des Xanthos hinauf, in die Landschaft Milyas; hier empfing er die Gesandtschaft der Phaseliten, die ihm nach der hellenischen Sitte einen goldenen Ehrenkranz sandten, Gesandte mehrerer Städte des unteren Lykiens, die wie jene sich ihm zu Frieden und Freundschaft erboten. Den Phaseliten – aus ihrer Stadt war der ihm befreundete Dichter Theodektes, der jüngst in Athen gestorben war, dessen Vater noch lebte – versprach er, demnächst zu ihnen zu kommen und dort einige Zeit zu rasten. Von den lykischen Gesandten, die nicht minder freundlich aufgenommen wurden, forderte er, denen, die er dazu senden werde, ihre Städte zu übergeben. Er bestellte demnächst einen der ihm Nächstbefreundeten, Nearchos von Amphipolis, der aus Kreta gebürtig war, zum Satrapen über Lykien und die östlich daran grenzenden Küstenlande. Aus späteren Vorgängen erhellt, daß sich zu dieser Zeit ein Kontingent lykischer Schiffe bei der Perserflotte befand; man wird annehmen dürfen, daß Alexander deren Zurückberufung entweder als Folge der getroffenen Vereinbarung voraussetzte oder als Bedingung dessen, was er gewährte, forderte. Denn unzweifelhaft ist den Lykiern, den Termele, wie sie sich selbst nannten, ihre alte, wohlgeordnete Bundesverfassung geblieben: dreiundzwanzig Städte, jede mit Rat und Volksversammlung, mit einem ›Strategen‹ an der Spitze ihrer Verwaltung, der vielleicht mit dem lykischen Namen eines ›Königs‹ der Stadt bezeichnet wurde, dann für das ganze Bundesgebiet die Versammlung der Städte, in der die sechs bedeutendsten je drei Stimmen, die mittleren je zwei, die kleineren je eine hatten; nach demselben Verhältnis die Verteilung der Bundessteuern, als Leiter der Union der ›Lykiarch‹, dessen Name vielleicht gleichfalls ›König‹ war; dieser, wie die übrigen Bundesbehörden und die Bundesrichter durch Wahl der Bundesversammlung bestellt.
Dann zog der König nach Phaselis. Die Stadt, dorisch ihrem Ursprünge nach, und bedeutend genug, inmitten der lykischen Umgebung sich als hellenische Stadt zu behaupten, lag außerordentlich günstig an der pamphylischen Meerbucht und den drei Häfen, denen sie ihren Reichtum dankte; gegen Westen erheben sich die Berge in mehreren Terrassen hintereinander, bis zur Höhe von siebentausend Fuß, in flachem Bogen sich um die pamphylische Bucht bis Perge hinziehend, dem Ufer des Meeres so nah, daß der Weg an mehreren Stellen nur dann nicht von der Brandung bedeckt wird, wenn Nordwind das Wasser von der Küste zurücktreibt; will man diesen Weg vermeiden, so muß man den bei weitem beschwerlicheren und längeren durch die Berge einschlagen, der gerade damals durch einen pisidischen Stamm, der sich beim Eingang des Gebirges ein Bergschloß gebaut hatte und von da aus die Phaseliten heimsuchte, gesperrt wurde. Alexander griff in Verbindung mit den Phaseliten dies Raubnest an und zerstörte es. Freudenmahle feierten diese glückliche Befreiung der oft geängstigten Stadt und die Siege des makedonischen Königs; es mochte seit Kimons Siegen am Eurymedon das erstemal sein, daß die Stadt ein hellenisches Heer sah. Auch Alexander scheint in diesen Tagen sehr heiter gewesen zu sein; man sah ihn nach einem der Gastmahle mit seinen Getreuen im frohen Festzuge nach dem Markte ziehen, auf dem die Bildsäule des Theodektes stand, und sie mit Blumenkränzen schmücken, das Andenken des ihm werten Mannes zu feiern.
In eben diesen Tagen war es, daß ein verruchter Plan ans Licht kam, doppelt verrucht, weil er von einem der vornehmsten Befehlshaber des Heeres ausging, dem Alexander Großes verziehen und Größeres anvertraut hatte. Der König war vielfach gewarnt worden, noch vor kurzem hatte Olympias in einem Briefe ihren Sohn beschworen, vorsichtig gegen frühere Feinde zu sein, die er jetzt für seine Freunde halte.
Der Verräter war Alexandros der Lynkestier, in dem die zweideutigen Ansprüche seiner Familie auf das makedonische Königtum einen ebenso heimtückischen wie hartnäckigen Vertreter fanden. Der gleichen Teilnahme an jener Verschwörung zum Morde des Königs Philipp verdächtig, die zweien seiner Brüder die Todesstrafe gebracht hatte, war er, weil er dem Sohn des Ermordeten sich sofort unterworfen und ihn zuerst als König begrüßt hatte, nicht bloß straflos geblieben, sondern Alexander behielt ihn in seiner Umgebung, übergab ihm manches wichtige Kommando, so noch zuletzt die Anführung der thessalischen Ritterschaft für den Zug gegen Memnons Land und nach Bithynien. Aber selbst das Vertrauen des Königs vermochte nicht, des argen Mannes Gesinnung zu ändern; das Bewußtsein eines vergeblichen, aber nicht bereuten Verbrechens, der ohnmächtige Stolz, doppelt gekränkt durch die Großmut des glücküberhäuften Jünglings, das Andenken an zwei Brüder, deren Blut für den gemeinsamen Plan geflossen, die eigene Herrschsucht, die desto heftiger quälte, je hoffnungsloser sie war, kurz Neid, Haß, Begier, Furcht, das mögen die Triebfedern gewesen sein, die den Lynkestier die Verbindung mit dem persischen Hofe wieder anzuknüpfen oder vielleicht nicht abzubrechen bewogen; jener Neoptolemos, der in Halikarnaß für die Perser kämpfend den Tod gefunden hatte, war sein Neffe; durch Antiochos' Sohn Amyntas, der, aus Makedonien landesflüchtig, beim Herannahen des makedonischen Heeres von Ephesos zunächst wohl nach Halikarnaß geflohen, dann weiter zum Perserhofe gegangen war, hatte Alexandros schriftliche und mündliche Eröffnungen an den Großkönig gelangen lassen, und Sisines, einer von Dareios Vertrauten, kam, angeblich um Befehle an Atizyes, den Satrapen von Großphrygien, zu bringen, mit geheimen Aufträgen nach den vorderen Landen, zunächst bemüht, sich in die Kantonierungen der thessalischen Ritterschaft einzuschleichen. Von Parmenion aufgefangen, gestand er den Zweck seiner Sendung, den er, unter Bedeckung nach Phaselis vor den König geführt, dahin bezeichnete: daß er im Namen des Großkönigs dem Lynkestier, wenn er Alexander ermorde, tausend Talente und das Königtum Makedoniens habe versprechen sollen.
Sofort berief der König die Freunde, mit ihnen zu beraten, wie gegen den Beschuldigten zu verfahren sei. Ihre Meinung war, daß es früher schon nicht wohlgetan gewesen sei, einem so zweideutigen Manne den Kern der Reiterei anzuvertrauen; um so notwendiger scheine es jetzt, ihn wenigstens sofort unschädlich zu machen, bevor er die thessalische Ritterschaft noch mehr für sich gewinne und sie in seine Verräterei verwickele. Demnach wurde einer der zuverlässigsten Offiziere, Amphoteros, Krateros Bruder, an Parmenion abgesandt; in der Landestracht, um unkenntlich zu sein, von einigen Pergaiern begleitet, gelangte er unerkannt an den Ort seiner Bestimmung; nachdem er seine Aufträge gesagt hatte – denn der König hatte so gefährliche Dinge nicht einem Briefe, der leicht aufgefangen und mißbraucht werden konnte, anvertrauen wollen – wurde der Lynkestier in der Stille aufgehoben und festgesetzt; ihn zu richten, verschob der König auch jetzt noch, teils aus Rücksicht auf Antipatros, dessen Schwiegersohn der Hochverräter war, besonders aber, um nicht zu beunruhigenden Gerüchten im Heere und in Griechenland Anlaß zu geben.
Nach diesem Aufenthalt brach das Heer aus der Gegend von Phaseiis auf, um Pamphylien und den wichtigsten Ort des Landes, Perge, zu erreichen. Einen Teil des Heeres sandte Alexander auf dem langen und beschwerlichen Gebirgswege, den er durch die Thraker wenigstens für das Fußvolk hatte gangbar machen lassen, voraus, während er selbst, wie es scheint, mit der Ritterschaft und einem Teil des schweren Fußvolkes den Küstenweg einschlug; in der Tat ein gewagtes Unternehmen, da gerade jetzt in der Winterzeit der Weg von der Brandung bedeckt war; den ganzen Tag brauchte man, um das Wasser zu durchwaten, das oft bis an den Nabel hinaufreichte; aber das Beispiel und die Nähe des Königs, der das Wort ›unmöglich‹ nicht kannte, ließ die Truppen wetteifern, alle Mühe mit Ausdauer und Freudigkeit zu überstehen; und als sie endlich am Ziele angelangt, auf ihren Weg, auf die schäumende Brandung des weiten Meeres zurücksahen, da war es ihnen wie ein Wunder, das die Götter durch Alexander vollbracht, und sie erkannten staunend, was sie selbst vermochten unter ihres Heldenkönigs Führung. Die Kunde von diesem Zuge verbreitete sich, mit märchenhaften Zusätzen geschmückt, unter den Hellenen: der König sei trotz des heftigen Südwindes, der das Wasser bis an die Berge hinaufgepeitscht, an das Gestade hinabgezogen, und plötzlich habe der Wind sich gedreht und von Norden her das Wasser zurückgejagt; andere wollten gar wissen, daß er sein Heer trockenen Fußes durch das Meer geführt habe; und der Peripatetiker Kallisthenes, der zuerst die Geschichte dieser Feldzüge schrieb, denen er selbst beiwohnte, verstieg sich zu der Phrase: das Meer habe dem Könige seine Huldigung darbringen wollen, und sei vor demselben niedergefallen. Der König selbst schrieb – wenn der Brief echt ist – an seine Mutter die einfachen Worte: er habe durch die pamphylische Leiter, so nannte man die Berghänge dort, einen Weg machen lassen und sei von Phaselis aus hindurchgezogen.
So rückte Alexander in den Küstensaum der Landschaft Pisidien, der Pamphylien genannt wird, mit seinem Heere ein; diese Küstenlandschaft erstreckt sich, vom Taurosgebirge im Norden begrenzt, bis jenseits der Stadt Side, wo das Gebirge sich wieder dicht an die Küste drängt, um sich nordöstlich über Kilikien, der ersten Landschaft jenseits des Tauros, hinzuziehen, dergestalt, daß Alexander mit der Besetzung Pamphyliens die Unterwerfung der Seeküste diesseits des Tauros beendet nennen konnte. Perge, der Schlüssel zum Übergang über die Gebirge im Norden und Westen zu den inneren Landschaften, ergab sich; die Stadt Aspendos schickte Gesandte an den König, sich zur Übergabe zu erbieten, zugleich zu bitten, daß ihr keine makedonische Besatzung gegeben werde, eine Bitte, die Alexander unter der Bedingung gewährte, daß Aspendos außer Ablieferung einer bestimmten Anzahl Pferde, deren Haltung sie dem Perserkönige statt Tributes leistete, noch fünfzig Talente zur Löhnung seiner Soldaten zahlen solle. Er selbst brach nach Side auf, der Grenzstadt Pamphyliens, die einst von Auswanderern aus Kyme in Äolien gegründet worden war; aber die Sprache dieser Hellenen – die der Heimat hatten sie vergessen, die des Landes nicht angenommen, – war eigener Art. Alexander ließ in ihrer Stadt eine Besatzung zurück, die so wie die gesamte Küste der pamphylischen Bucht unter Nearchos Befehl gestellt wurde. Darauf trat Alexander den Rückweg nach Perge an; die mit einer Besatzung von Landeseingeborenen und fremden Söldlingen versehene Bergfestung Syllion zu überrumpeln, mißlang ihm; er überließ sie einzunehmen seinem Statthalter, da ihm bereits die Nachricht zugekommen war, daß die Aspendier weder die Pferde, wie sie versprochen, ausliefern, noch die fünfzig Talente, zu denen sie sich verpflichtet, zahlen wollten, sondern sich zum ernsthaften Widerstande gerüstet hatten. Er rückte gegen Aspendos, besetzte die von ihren Einwohnern verlassene Unterstadt. Ohne sich durch die Festigkeit der Burg, in die sich die Aspendier geflüchtet hatten, noch durch den Mangel an Sturmzeug zur Nachgiebigkeit bewegen zu lassen, schickte er die Gesandten, welche die Bürger, durch seine Nähe geschreckt, an ihn abgesandt hatten, um sich auf Grundlage des früheren Vertrages zu ergeben, mit der Weisung zurück, daß die Stadt, außer den früher verlangten Pferden und fünfzig Talenten, noch fünfzig Talente zahlen und die angesehensten Bürger als Geiseln stellen, wegen des Gebietes, das sie ihren Nachbarn gewaltsam entrissen zu haben beschuldigt wurde, sich einer gerichtlichen Entscheidung unterwerfen, dem Statthalter des Königs in dieser Gegend gehorchen und jährlichen Tribut zahlen solle. Der Mut der Aspendier hatte rasch ein Ende; sie fügten sich.
Der König zog wieder nach Perge, von dort weiter durch das rauhe Gebirgsland der Pisider nach Phrygien zu marschieren. Jetzt dieses in viele Stämme geteilte, zum Teil in nachbarlichen Fehden begriffene Bergvolk Tal für Tal zu unterwerfen konnte nicht in seiner Absicht liegen; genug, wenn er sich den Durchmarsch zu erzwingen, sie seine starke Hand fühlen ließ; die so geöffnete Straße zwischen der pamphylischen Küste und Phrygien dauernd zu sichern mußte er seinen künftigen Befehlshabern in den Gebieten, die das Gebirgsland umgaben, überlassen.
Die Straße, die er wählte, führte von Perge westwärts durch die Küstenebene an den Fuß der Gebirge, dann in ein sehr schwieriges Defilé, das, von der Bergfeste Termessos beherrscht, durch eine kleine Truppenzahl selbst einem großen Heere leicht gesperrt werden konnte; an einer steilen Bergwand zieht sich der Weg hinauf, der von einem ebenso steilen Berge auf der anderen Seite überragt wird; und hinten in dem Sattel zwischen beiden liegt die Stadt. Beide Berge fand der König von den Barbaren – denn ganz Termessos war ausgezogen – so besetzt, daß er vorzog, sich vor dem Paß zu lagern, überzeugt, daß die Feinde, wenn sie die Makedonen so rasten sähen, die Gefahr für nicht dringend halten, den Paß durch eine Feldwache sichern und in die Stadt zurückkehren würden. So geschah es, die Menge zog sich zurück, nur einzelne Posten zeigten sich auf der Höhe; sofort rückte der König mit leichtem Fußvolk vor, die Posten wurden zum Weichen gebracht, die Höhen besetzt, das Heer zog ungehindert durch den Paß und lagerte sich vor der Stadt. Dort ins Lager kamen Gesandte der Selgier, die, pisidischen Stammes, wie die Termessier, aber mit denselben in fortwährender Fehde, mit dem Feind ihrer Feinde Vergleich und Freundschaft schlossen und fortan treu bewahrten. Termessos zu erobern würde längeren Aufenthalt nötig gemacht haben; Alexander brach daher ohne weiteren Verzug auf.
Er rückte gegen die Stadt Sagalassos, die von den streitbarsten aller Pisider bewohnt, am Fuße der obersten Terrasse der pisidischen Alpenlandschaft liegt und den Eingang in die Hochebene Phrygiens öffnet; die Höhe auf der Südseite der Stadt hatten die Sagalasser, mit Termessiern vereint, besetzt und sperrten so den Makedonen ihren Weg. Sofort ordnete Alexander seine Angriffslinie, auf dem rechten Flügel rückten die Schützen und Agrianer vor, dann folgten die Hypaspisten, die Taxen der Phalanx; die Thraker des Sitalkes bildeten die Spitze des linken Flügels; den Befehl des linken Flügels übertrug er, bezeichnend genug, dem Lynkestier Amyntas, wie er selbst den des rechten übernahm. Schon war man bis an die steilste Stelle des Berges vorgerückt, als sich plötzlich die Barbaren rottenweise auf die Flügel des heranrückenden Heeres stürzten, mit doppeltem Erfolg, da sie bergab gegen die Bergansteigenden rannten. Die Bogenschützen des rechten Flügels traf der heftigste Angriff, ihr Anführer fiel, sie mußten weichen; die Agrianer hielten stand, schon war das schwere Fußvolk nahe heran, Alexander an der Spitze; die heftigen Angriffe der Barbaren zerschellten an der geschlossenen Masse der Beschildeten, im Handgemenge erlagen die leichtbewehrten Pisidier unter der schweren Waffe der Makedonen; fünfhundert lagen erschlagen, die anderen flüchteten, der Gegend kundig entkamen sie; Alexander rückte auf dem Hauptwege nach und nahm die Stadt.
Nach dem Fall von Sagalassos wurden von den übrigen pisidischen Plätzen die einen mit Gewalt genommen, die anderen kapitulierten. Damit war der Weg nach der Hochfläche geöffnet, mit der Phrygien jenseits der Gebirge von Sagalassos beginnt. In einer östlichen Senkung dieser Hochfläche liegt der See von Egerdir in der Größe des Bodensees, im Süden und Osten mit mächtigen Bergmassen umgürtet; etwa acht Meilen westlich von diesem ein kleinerer See, der askanische, von dessen Nordspitze etwa drei Meilen entfernt der Höhenzug reicht, an dessen Nordseite die Quellen des Maiandros liegen. In den Pässen, die zum Tal des Maiandros führen, liegt die alte Stadt Kelainai, wo einst Xerxes nach seinen Niederlagen in Hellas und auf dem Meere eine mächtige Burg gebaut hatte, das Vordringen der Hellenen von der befreiten Küste her zurückzuhalten; Kelainai war seitdem der Mittelpunkt der phrygischen Satrapie, die Residenz des Satrapen.
Dorthin wandte sich Alexander von Sagalassos aus; an dem askanischen See vorüber in fünf Märschen erreichte er die Stadt. Er fand die Burg – der Satrap Atizyes war geflüchtet – in den Händen von tausend karischen und hundert hellenischen Söldnern; sie erboten sich, wenn der persische Entsatz an dem Tage – sie nannten ihn – für den er ihnen zugesagt worden, nicht angekommen sei, Stadt und Burg zu übergeben. Der König ging darauf ein; er hätte nicht ohne bedeutenden Zeitverlust der Burg Meister werden können; und in dem Maße, als er schneller Gordion erreichte und mit den dorthin beschiedenen anderen Teilen seines Heeres nach dem Tauros vorrückte, machte er den Entsatz der Stadt unmöglich. Er ließ ein Kommando von etwa fünfzehnhundert Mann in Kelainai zurück. Er übertrug die Satrapie Phrygien dem Antigonos, Philippos Sohn, der bisher die Kontingente der Bundesgenossen befehligt hatte, ernannte zu deren Strategen Balakros, des Amyntas Sohn.
Nach zehntägiger Rast in Kelainai zog er weiter nach Gordion am Sangarios, von wo die große Straße über den Halys und durch Kappadokien nach Susa führt.
Nicht eben dem Umfange nach groß war, was Alexander mit diesem ersten Kriegsjahre erreicht hatte; und die Staatsmänner und Kriegskundigen in Hellas mögen die Nase gerümpft haben, daß der hochgefeierte Sieg am Granikos nichts weiter eingebracht habe, als die Eroberung der West- und der halben Südküste Kleinasiens, Eroberungen, die Memnon in kluger Berechnung habe geschehen lassen, um sich indes zum Herrn des Meeres und der Inseln zu machen und so Alexanders Verbindung mit Makedonien zu durchreißen.
Die Motive, nach denen Alexander verfuhr, liegen auf der Hand. Es konnte am wenigsten seine Absicht sein, immer mehr Gebiet zu okkupieren und immer tiefer ins Innere Kleinasiens vorzudringen, so lange die persische Seemacht noch das Meer beherrschte und in Hellas unberechenbare Wirren veranlassen konnte; genug, daß er sie mit den Wirkungen, die er seiner ersten großen Schlacht gegeben, vollständig von der Küste und den Hafenplätzen ausschloß, von denen aus sie, wenn er mit dem zweiten Feldzug weiter vordrang, ihn im Rücken hätten gefährden können.
Freilich von den hellenischen Traditionen unterschied sich die Art seines Vordringens gar sehr. Die attische Macht zu den Zeiten des Kimon und Perikles hatte sich kaum je über die Küstenstädte hinaus landeinwärts gewagt, und wenn die Spartaner in den Tagen des Thibron und Agesilaos, wenn gar Chares und Charidemos mit den Streitkräften des zweiten attischen Seebundes es getan, so waren sie nach einigen Plünderungen und Brandschatzungen wieder umgekehrt. Alexanders militärische Maßregeln waren auf definitive Besitznahme, auf einen dauernden Zustand gerichtet.
Entsprachen diesem Zweck die politischen Einrichtungen, die der König traf?
Was davon während dieses ersten Feldzuges erkennbar wird, schloß sich allerdings den Formen an, die dort bisher bestanden hatten, aber so, daß sie mit wesentlicher Veränderung ihres Inhaltes ihre Bedeutung zu verändern schienen. Es blieb die Satrapie in Phrygien am Hellespont, in Lydien, in Karien; aber in Lydien wurde neben dem Satrapen ein besonderer Beamter für die Verteilung und Erhebung der Tribute bestellt; in Karien erhielt die Fürstin Ada die Satrapie, aber die starke Truppenmacht in derselben befehligte ein makedonischer Strateg; ebenso ein eigener Chef der Militärmacht – wohl auch mit dem Namen Strateg – wurde in Lydien dem Satrapen zur Seite gesetzt. Vielleicht wurde hier und überall die Finanz Verwaltung der Satrapie in unmittelbare Beziehung zu dem Schatzamt gestellt, welches – ob erst in dieser Zeit, ist nicht mehr zu ersehen – Harpalos, des Machatas Sohn, erhielt.
Daß die Kompetenz der Satrapen viel schärfer als im Perserreich gewesen, umgrenzt, daß sie nicht als Herren in ihrem Territorium, sondern als königliche Beamte bestellt wurden, zeigt sich an der Tatsache, daß es von den Satrapen des Alexanderreiches bis 306 keine Münzen gibt, während im Perserreich schon unter Dareios I., dem Begründer des Verwaltungssystems des Reiches, das Münzrecht von den Satrapen geübt worden ist. Es scheint auf die durch Alexander begründete Ordnung zu gehen, wenn in einer Schrift aus der Diadochenzeit die verschiedenen Wirtschaftsformen, die der Könige, der Satrapen, der Städte, der Privaten, in der Art unterschieden werden, daß für die königliche Wirtschaft die Hauptzweige seien die Münzpolitik, die Regelung von Ausfuhr und Einfuhr, die Führung des Hofhaltes, für die der Satrapen vor allem die Grundsteuer, dann die Einnahme von den Bergwerken, die von den Emporien, die von den Erträgen der Felder und des Marktverkehrs, die von den Herden, endlich Kopfsteuer und Gewerbesteuer.
Nicht minder bedeutsam war, wie Alexander die politische Stellung der Bevölkerung ordnete. Es scheint sein Gedanke gewesen zu sein, da, wo irgend organisierte Gemeinwesen bestanden oder einst bestanden hatten, diese in allen kommunalen Sachen frei schalten zu lassen. Nicht bloß den hellenischen Städten Asiens wurde in diesem Sinne ihre Autonomie hergestellt und durch Herstellung der Demokratie gesichert; auch die althergebrachte Föderation der Lykier blieb, wie wir annehmen durften, in voller Wirksamkeit, unzweifelhaft gegen die Bedingung, daß das lykische Kontingent vor zehn Kriegsschiffen, das sich noch bei der Perserflotte befand, zurückgerufen werde. Und die Lyder, so sagen unsere Quellen ›erhielten ihre Gesetze wieder und wurden frei‹. Wie immer diese Gesetze der Lyder gewesen sein mögen – wir wissen nichts weiteres von ihnen – jedenfalls beweist deren Herstellung, daß hinfort in diesem Lande wieder die Gesetze, nicht die Willkür und das Gewaltrecht der Eroberer wie bisher gelten sollte; sie beweist, daß dies einst tapfere, gewerbtätige, hochgebildete Volk des Kroisos von dem Joche der Fremdherrschaft, unter dem es verkommen war, befreit sein und sich in seiner volkstümlichen Art und Einheit wieder zu erheben versuchen sollte.
Von denjenigen Bevölkerungen, die – so die ›Barbaren‹ in den Gebirgen Kleinphrygiens – ohne eigenes Gemeinwesen lebten – wurde, wenn sie sich freiwillig ergaben, nur ›der Tribut, den sie bisher geleistet hatten‹, gefordert. Nicht minder bezeichnend ist, daß der Tribut, den die Ephesier bisher an den Großkönig gezahlt hatten, fortan dem Heiligtum der Artemis entrichtet werden sollte, während Erythrai, wie eine Inschrift besagt, Ilion, das Alexander als Stadt herstellen ließ, gewiß ähnlich die anderen Griechenstädte der Küste mit der Autonomie zugleich die Entlastung vom Tribut erhielten. Dagegen wurden die Städte Pamphyliens, die nur noch dem Namen nach griechisch waren, namentlich Aspendos, nach dem Versuch, unterhandelnd den König zu täuschen, zur Tributzahlung verpflichtet und unter die Verwaltung des Satrapen gestellt. Die Burg von Halikarnaß, mehrere Inseln blieben noch Jahr und Tag in der Gewalt der Perser; das Gemeinwesen von Halikarnaß wurde in die Ortschaften, aus denen es die karischen Dynastien synoikisiert hatten, aufgelöst; die Inseln – von mehreren werden wir sehen, daß der Demos sich für Alexander erhob – wurden wohl behandelt wie die Griechenstädte des Festlandes.
Daß diese Städte nicht bloß in ihrer kommunalen Freiheit hergestellt, sondern wieder freie Staaten wurden, wie sie bis zum Frieden des Antalkidas gewesen waren, beweisen ihre Münzen aus dieser Zeit; sie haben nicht das Gepräge des Königs, sondern das autonome der prägenden Stadt, sie verpflichtet nicht die von Alexander eingeführte Münzordnung, sondern mehrere der bei ihnen hergebrachten. Und wenn noch nach einem Jahrhundert von den Seleukiden Städte in der Aiolis als in ›unserer Bundesgenossenschaft‹ stehende bezeichnet werden, so ist das unzweifelhaft die von Alexander begründete Form.
Es liegt die Frage nahe, ob diese befreiten und hergestellten Politien der Inseln und der asiatischen Küste der Föderation der in dem Synedrion von Korinth vereinten Griechenstaaten beigetreten sind? Von der Insel Tenedos wissen wir es durch ein bestimmtes Zeugnis; daß der Ausdruck, der von dieser gebraucht ist, sich bei Mitylene auf Lesbos und bei anderen Städten nicht wiederholt, gestattet den Schluß, daß es bei diesen nicht geschehen ist. Es konnte, so scheint es, wohl Alexanders Interesse sein, sich in diesen befreiten Hellenenstädten ein Gegengewicht gegen den Bund derer zu schaffen, die zum großen Teil mit Waffengewalt in die Verbindung mit Makedonien gezwungen und nichts weniger als zuverlässige Verbündete waren; auch war der ›Bund der Hellenen innerhalb der Thermopylen‹ nicht bloß zum Kriege gegen Persien errichtet, sondern zugleich, um Friede, Recht und Ordnung in dem Gebiete des Bundes aufrecht zu erhalten; zu diesem Zweck wäre für die Inseln und die Städte Asiens das Synedrion in Korinth zu entlegen und zum regelmäßigen Beschicken ungeeignet gewesen. Man wird voraussetzen dürfen – bestimmte Angaben sind darüber nicht vorhanden –, daß Alexander auch diese Griechen außerhalb des Bundes zur Anerkennung seiner unumschränkten Strategie und zu bestimmten Leistungen für den großen Krieg verpflichtete; ob er mit jeder einzeln in solchem Sinn Verträge schloß, ob er sie veranlaßte für diesen Zweck und zugleich zur Handhabung des Landfriedens wie im Hellenikon eigene analoge Föderationen zu schließen, etwa als Aioler, Ioner usw., ist nach den vorliegenden Materialien nicht mehr zu erkennen. Wenigstens von einer derartigen Verbindung haben wir, zuerst aus der Zeit des Antigonos (um 306), urkundliche Nachricht; es ist ein ›Koinon der Städte‹ in der Landschaft des Idagebirges, vereint um den Dienst der Athena von Ilion, mit einem Synedrion, das namens der Städte Beschlüsse faßt; in der Inschrift werden als Teilnehmer dieses Bundes Gargara am adramyttenischen Meerbusen, Lampsakos am Hellespont genannt.
Wir sahen, wie Alexander darauf gewandt war, das Emporkommen dieser altgriechischen Städte zu fördern; wenn er ihnen so neidlos und mit vollen Händen gab, so mochte er hoffen, sie an die neue Ordnung der Dinge, die in Hellas selbst noch bei weitem nicht sicher stand, desto fester zu knüpfen; er mochte hoffen, daß sie der kleinen Gaunervorteile der Herrengunst und der Weichbildspolitik, an die sie sich in der langen Zeit der Fremdherrschaft gewöhnt hatten, über den unermeßlichen Segen ihrer neuen Lage, freie Politien, Reichsstädte in dem Reich ihres Befreiers zu sein, verlernen und vergessen würden.
Den Hellenen, die in diesen asiatischen Ländern von der Propontis bis zum Kyprischen Meere wohnten, muß der Kontrast der neuen gegen die bisherigen Verhältnisse sich lebhaft genug aufgedrängt haben, es muß ihnen gewesen sein, als wenn ihnen nun endlich Licht und Luft wiedergegeben werde.