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Drittes Kapitel

Alexanders Zug nach Medien – Hephaistions Tod – Kampf gegen die Kossäer – Rückkehr nach Babylon – Gesandtschaften – Aussendungen ins südliche Meer, Rüstungen, neue Pläne – Alexanders Krankheit – Sein Tod


Am Schluß von sieben Kriegsjahren schreibt ein großer Kriegsfürst neuerer Zeit: so viele Feldzüge hätten ihn zum Greise gemacht; und er stand in der vollsten Manneskraft, im Anfang der vierziger Jahre, als er sie begann. Alexander hatte zwölf Jahre hindurch unablässig im Felde gelegen, schwere Verwundungen, mehr als eine lebensgefährliche erlitten; endlose Strapazen, die Spannungen und Aufregungen unermeßlicher Wagnisse, schon auch jene erschütternden Vorgänge am Hyphasis, jenen furchtbaren Zug durch die gedrosische Wüste, den Aufruhr der Veteranen in Opis durchgemacht; er hatte Kleitos erstochen, Philotas, Parmenion hinrichten lassen. Die Überlieferungen sagen nicht, ob sein Geist und sein Körper noch in derselben Spannkraft und Frische war wie in den Tagen des Donaufeldzuges und am Granikos, oder ob er ›nervös‹ zu werden begann, sich früh altern fühlte. Die nächste Zeit sollte ihm neue, schmerzliche Erregungen bringen.

Bald nach dem Aufbruch der Veteranen aus Opis verließ auch er mit den übrigen Truppen diese Stadt, um nach Ekbatana hinaufzuziehen.

Medien vor allem hatte während des Königs Aufenthalt in Indien von der Zügellosigkeit und dem Übermute makedonischer Beamten und Befehlshaber viel gelitten, die Bevölkerung sich dort trotz Bedrückung und entgegen vielfachen Anreizungen zum Aufstande treu bewährt; Baryaxes, der vergebens die Fahne des Aufruhrs erhoben hatte, war durch den Satrapen Atropates dem Gerichte des Königs überliefert worden. Trotzdem mochte da noch Anlaß genug sein zu untersuchen, zu ordnen, auszugleichen, es mochte namentlich die Plünderung des Schatzes und des Harpalos Flucht genauere Feststellungen fordern. Auch war die große Straße durch die medischen Berge noch keinesweges so sicher, wie es für den lebhaften Verkehr zwischen den syrischen Satrapien und dem oberen Lande erforderlich war; unter der Reihe der Bergvölker von Armenien bis zur karmanischen Küste waren immer noch die Kossäer, die räuberischen Bewohner des Zagrosgebirges, nicht gedemütigt, und jeder Transport, der nicht mit bedeutender Bedeckung den Weg der medischen Pässe einschlug, ihren Überfällen ausgesetzt. Das etwa waren die Gründe, welche den König bewogen, seine Rückkehr nach Babylon, sowie den Beginn der neuen Unternehmungen gen Süden und Westen, für welche die Zurüstung in vollem Gange war, bis zum nächsten Frühjahr zu verschieben.

Er ging, es mochte gegen Ende August 324 sein, von Opis aus auf der gewöhnlichen medischen Straße nach Ekbatana; die Truppen folgten in mehreren Abteilungen durch die nördlichen Distrikte der Landschaft Sittakene. Alexander war über den Flecken Karrai und von da in vier Tagen nach Sambata gekommen; er blieb hier sieben Tage, bis die verschiedenen Kolonnen zusammengetroffen waren. Mit drei Tagemärschen erreichte man die Stadt Kelonai (Holwan), wenige Meilen von den Zagrospässen, von Hellenen bewohnt, die, zur Zeit der Perserkriege hierher gebracht, in Sprache und Sitten noch immer das Hellenische, wenn auch nicht rein, bewahrten. Von hier zog Alexander zu der Paßgegend von Bagistane; er besuchte die berühmten Anlagen in der Ebene vor dem Gebirge, die man den Garten der Semiramis nannte. Bei seinem weiteren Zuge kam er in die nysäischen Felder, in welchen die ungeheueren Roßherden der Perserkönige weideten; er fand der Pferde noch fünfzig- bis sechzigtausend. Das Heer verweilte hier einen Monat. Der Satrap Atropates von Medien kam, hier an den Grenzen seiner Satrapie den König zu begrüßen; er brachte, so wird erzählt, hundert Weiber zu Roß, mit Streitäxten und kleinen Schilden bewaffnet, in das Lager, indem er aussagte, dies seien Amazonen; eine Erzählung, die zu den sonderbarsten Ausschmückungen Anlaß gegeben hat.

Ein ärgerlicher Vorfall sollte diese Zeit der Rast unterbrechen. In der Umgebung Alexanders befanden sich Eumenes und Hephaistion. Eumenes von Kardia, welcher die erste Stelle in dem Kabinett des Königs hatte und von demselben wegen seiner großen Gewandtheit und Zuverlässigkeit vielfach und namentlich noch bei der Hochzeitsfeier von Susa durch die Vermählung mit Artabazos Tochter geehrt war, scheint in Sachen des Geldes in üblem Rufe gestanden zu haben; es galt dafür, daß der König den unentbehrlichen Archigrammateus, sooft er dessen Vorteil mit seinem Pflichteifer oder seiner Hingebung in Kollision sehe, auf das freigiebigste bedenke. Nur einmal, so wird erzählt – es war in Indien und der König hatte die Ausrüstung der Stromflotte, da seine Kassen erschöpft waren, als Ehrensache den Großen in seiner Umgebung überlassen –, ärgerte sich Alexander zu sehr an dem auffallenden Verhalten des Kardianers, als daß er sich hätte versagen sollen, ihm eine tüchtige Lehre zu geben. Eumenes sollte dreihundert Talente verwenden; er gab nur hundert und versicherte, daß er kaum diese mit aller Mühe habe zusammenbringen können; und doch kannte Alexander seinen Reichtum. Er machte ihm keine Vorwürfe, nahm aber das Dargebotene nicht an; er befahl, in der Stille der Nacht das Zelt des Eumenes anzuzünden, um ihn dann, wenn er in voller Angst vor dem Feuer, dem übrigens sogleich wieder Einhalt getan werden sollte, seine Schätze herausschleppen ließe, dem allgemeinen Spotte preiszugeben. Das Feuer griff so schnell um sich, daß es das ganze Zelt mit allem, was in demselben war, namentlich den zahlreichen Schriftstücken der Kanzlei, verzehrte; das geschmolzene Gold und Silber, das man in der Asche fand, betrug allein über tausend Talente. Alexander ließ ihm sein Geld und sandte an die Satrapen und Strategen Befehl, Abschriften von den an sie erlassenen Zuschriften und Weisungen einzusenden. Bei den Makedonen des Heerlagers war Eumenes, der ›mit der Schreibtafel und dem Griffel statt mit Speer und Schwert‹ diente, und der trotzdem nur zu viel Einfluß und Ansehen beim König zu haben schien, wenig beliebt; und daß ihn von allen Hephaistion, der durch sein nahes Verhältnis zu Alexander oft genug mit ihm in Berührung kam, nicht mochte, war nach dem Charakter des edlen Pellaiers natürlich. Alles, was von diesem berichtet wird, zeigt seinen edlen, ritterlichen, hingebenden Sinn, seine unbegrenzte und wahrhaft rührende Anhänglichkeit für den König. Alexander liebte in ihm den Gespielen seiner Knabenjahre; aller Glanz des Thrones und des Ruhmes und jener Wechsel in seinem äußeren und inneren Leben, um dessen Willen mancher, dem er viel vertraut, an ihm irre geworden war, hatten ihr herzinniges Verhältnis nicht zu stören vermocht; ihre Freundschaft hatte jene schwärmerische Weichheit des Jünglingsalters, dem sie beide fast noch angehörten; die Erzählung, wie Alexander einen Brief von seiner Mutter voll Vorwürfe und Klagen, die er auch dem Freunde gern verschwieg, durchlas, und Hephaistion sich über des Freundes Schultern lehnte und mitlas, und der König ihm dann den Siegelring auf den Mund drückte, gibt das Bild, wie man sich beide denken mag.

Hephaistion und Eumenes hatten schon mehrfach miteinander Streit gehabt, und ihre gegenseitige Abneigung bedurfte keines großen Anlasses, um in neuen Zwist auszubrechen. Ein Geschenk, das eben Hephaistion vom Könige erhielt, genügte, des Kardianers Neid auf das heftigste zu erregen und einen Wortwechsel hervorzurufen, in dem bald beide alle Rücksichten und sich selbst vergaßen. Alexander tat dem ärgerlichen Gezänk Einhalt; dem Eumenes gab er ein gleiches Geschenk, an Hephaistion wandte er sich mit dem Scheltwort, ob er sich und seine Würde nicht besser kenne; er forderte von ihnen das Versprechen, fortan jede Uneinigkeit zu meiden und sich miteinander auszusöhnen. Hephaistion weigerte es, er war der tief Gekränkte, und Alexander hatte Mühe, ihn zu beruhigen; ihm zu Liebe reichte Hephaistion endlich die Hand zur Versöhnung.

Nach diesen Vorgängen und einer dreißigtägigen Rast in dem nysäischen Tale brach das Heer gen Ekbatana auf und erreichte in sieben Tagen, etwa mit dem Ausgange des Oktober, diese große und reiche Stadt. Es ist zu bedauern, daß die alten Überlieferungen nichts von den Anordnungen, Gründungen und Organisationen, die zu Ekbatana, wie es scheint, des Königs besondere Tätigkeit in Anspruch nahmen, berichten; reicher sind sie an Schilderungen der Festlichkeiten, welche in der medischen Residenz gefeiert wurden, namentlich der der Dionysien.

Alexander hatte seine Residenz in dem königlichen Schlosse genommen; das Schloß, ein Denkmal aus der Zeit der medischen Größe, lag unter der Burg der Stadt, in einer Ausdehnung von sieben Stadien; die Pracht dieses Gebäudes grenzte an das Märchenhafte: alles Holzwerk war von Zedern und Zypressen, das Gebälk, die Decken, die Säulen in den Vorhallen und den inneren Räumen mit goldenen oder silbernen Platten belegt, die Dächer mit Silberplatten gedeckt. In ähnlicher Weise war der Tempel des Anytis in der Nähe des Palastes geschmückt, seine Säulen mit goldenen Kapitälen gekrönt, das Dach mit goldenen und silbernen Ziegeln gedeckt. Freilich war schon manches von diesem kostbaren Schmuck durch die Raubgier jener makedonischen Befehlshaber, die so arg in Medien gehaust hatten, entwendet worden, aber noch immer bot das Ganze ein Bild der staunenswürdigsten Herrlichkeit. Die Umgebung stimmte mit der Pracht der königlichen Residenz; im Rücken des Palastes erhob sich der aufgeschüttete Hügel, dessen Höhe die äußerst feste Burg mit ihren Zinnen, Türmen und Schatzgewölben krönte; vor ihr die ungeheure Stadt in einem Umfange von fast drei Meilen, im Norden die Gipfel des hohen Orontes, durch dessen Schluchten sich die großen Wasserleitungen der Semiramis herabzogen.

In dieser wahrhaft königlichen Stadt feierte Alexander die Dionysien des Herbstes 324; sie begannen mit den großen Opfern, mit denen Alexander den Göttern seinen Dank für das Glück, das sie ihm gewährt, darzubringen gewohnt war. Dann folgten Festlichkeiten aller Art, Kampfspiele, Festaufzüge, künstlerische Wettkämpfe; Gastmähler und Gelage füllten die Zwischenzeit. Unter diesen zeichnete sich das des Satrapen Atropates von Medien durch schwelgerische Pracht aus; das gesamte Heer hatte er zu Gast geladen, und die Fremden, welche von nah und fern zur Schau der Feste in Ekbatana zusammengeströmt waren, umstanden die weite Reihe von Tafeln, an denen die Makedonen jubelten und unter Trompetenschall durch Heroldsruf ihre Trinksprüche, ihre guten Wünsche für den König und die Geschenke, die sie ihm weihten, verkünden ließen; mit dem lautesten Jubel unter diesen jener Spruch des Gorgos, des königlichen Waffenmeisters: ›Dem König Alexander, dem Sohn des Zeus Ammon, weiht Gorgos einen Kranz von dreitausend Goldstücken, und, wenn er Athen belagert, zehntausend Rüstungen nebst ebenso vielen Katapulten und allen Geschossen, so viele er zum Kriege braucht.‹

So die lärmenden und überreichen Festlichkeiten dieser Tage; nur Alexander war nicht zur Freude gestimmt. Hephaistion war krank; umsonst bot sein Arzt Glaukias alle Kunst auf, er vermochte dem zehrenden Fieber nicht Einhalt zu tun. Alexander konnte sich nicht den Festlichkeiten entziehen, er mußte den kranken Freund verlassen, um sich dem Heere und dem Volke zu zeigen. Er befand sich gerade, es war am siebenten Tage und die Knaben hatten ihren Wettkampf, unter der fröhlichen Menge, die auf dem Stadion auf und ab wogte; da wurde ihm die Nachricht gebracht, daß es mit Hephaistion schlecht stehe; er eilte zum Schloß, in das Zimmer des Kranken, Hephaistion war eben verschieden. Die Hand der Götter konnte nichts Schwereres über Alexander verhängen; drei Tage saß er bei der teuren Leiche, lange klagend, dann vor Gram verstummend, ohne Speise und Trank, am Kummer sich weidend und der Erinnerung an den schönen Freund, der ihm in der Blüte des Lebens entrissen war. Es schwiegen die Feste, Heer und Volk klagten um den Edelsten der Makedonen, und die Magier löschten das heilige Feuer in den Tempeln, als ob ein König gestorben sei.

Als die Tage der ersten Trauer vorüber waren, und die Getreuen mit ihren Bitten erreicht hatten, daß sich der König von seines Freundes Leiche trennte, ordnete er den Trauerzug, der die Leiche nach Babylon führen sollte. Auf Eumenes Anregung brachten die Strategen, Hipparchen, Hetairen Waffen, Kleinodien, Gaben aller Art, den Wagen zu schmücken, der die Leiche trug; Perdikkas erhielt den Befehl sie nach Babylon zu geleiten, dort sollte der Scheiterhaufen erbaut, dort im Frühlinge die Kampfspiele der Totenfeier gehalten werden; mit Perdikkas ging Deinokrates, den Prachtbau des Scheiterhaufens zu leiten.

Es war gegen Ende des Jahres 324 und in den Bergen lag bereits tiefer Schnee, als Alexander mit seinem Heere aus Ekbatana aufbrach, um durch die Berge der Kossäer gen Babylon zu ziehen; er wählte diese Jahreszeit, weil die räuberischen Stämme im Gebirge jetzt nicht aus ihren Tälern auf die schneebedeckten Berghöhen flüchten konnten. Mit dem leichteren Teil seiner Truppen ging er, während die übrigen auf der großen Straße vorauszogen, südwärts, denn in dieser Richtung bis zu den ihnen verwandten Uxiern hin wohnten und wanderten diese Hirtenstämme. In zwei Kolonnen, die eine unter des Königs, die andere unter des Lagiden Ptolemaios Befehl, wurden die Bergtäler durchstreift, die meist kleinen Horden, die sich stets auf das kühnste zur Wehr setzten, einzeln überwältigt, ihre Raubtürme gebrochen, viele Tausende erschlagen und zu Gefangenen gemacht, die anderen zur Unterwerfung gezwungen, ihnen vor allem feste Ansiedlung und das Bebauen des Feldes zur Pflicht gemacht. Nach Verlauf von vierzig Tagen war das letzte unabhängige Bergvolk in dem Gebirgslande der Passagen, wie früher die Uxier, Kadusier, Mardier und Paraitakenen zum Gehorsam gebracht und wenigstens der erste Anfang zur Zivilisation gemacht.

Dann zog Alexander in kleinen Tagesmärschen, um die einzelnen Truppenabteilungen aus den Bergtälern an sich zu ziehen, nach Babylonien hinab. In Babylon wollte er seine gesamten Kräfte zu neuen Unternehmungen vereinigen, Babylon sollte der Mittelpunkt des Reiches und die königliche Residenz werden; die Stadt war durch ihre Größe, ihren alten Ruhm und vor allem durch ihre Lage besonders dazu geeignet; sie lag in der Mitte zwischen den Völkern des Abend- und Morgenlandes; sie war dem Westen näher, auf den sich nach der Bewältigung des Ostens Alexanders unternehmender Blick wenden mußte. Gen Westen lag jenes Italien, wo vor kurzem seiner Schwester Gemahl, der Epeirotenkönig, Ehre und Leben eingebüßt hatte, lag das silberreiche Iberien, das Land der phönikischen Kolonien, deren Mutterstädte jetzt zum neuen Reiche gehörten, lag endlich jenes Karthago, das seit den ersten Perserkriegen und dem damaligen Bunde mit Persien nicht aufgehört hatte, gegen die Hellenen in Libyen und Sizilien zu kämpfen. Die großen Veränderungen in der Ostwelt hatten Alexanders Ruhm bis zu den entferntesten Völkern verbreitet, die teils mit Hoffnung, teils mit Besorgnis auf diese Riesenmacht blicken mochten; sie mußten die Notwendigkeit erkennen, sich mit dieser Macht, in deren Hand jetzt das Schicksal der Welt lag, in Beziehung zu setzen und ihr entgegenkommend dem Gange der Zukunft vorzuarbeiten. So geschah es, daß viele Gesandtschaften ferner Völker in das Lager kamen, teils um Huldigungen und Geschenke zu überbringen, teils um über Streitigkeiten mit Nachbarvölkern des Königs schiedsrichterliche Entscheidung einzuholen; und erst jetzt, sagt Arrian, schien es dem Könige und seiner Umgebung, daß er Herr über Land und Meer sei. Alexander ließ sich das Verzeichnis der Gesandtschaften geben, um die Reihenfolge ihrer Audienzen zu bestimmen; den Vortritt hatten die mit heiligen Dingen Beauftragten, namentlich die Gesandten von Elis, vom Ammonion, vom delphischen Tempel, von Korinth, Epidauros und so weiter, nach Maßgabe der Bedeutung der Stelle, von der sie kamen; dann folgten die, welche Geschenke überbrachten, dann die, welche über Streitigkeiten mit Nachbarvölkern verhandeln wollten, dann die mit inneren und Privatsachen Beauftragten, zuletzt die hellenischen Abgeordneten, welche Vorstellungen gegen die Zurückführung der Verbannten machen sollten.

Unsere Quellen für die Geschichte Alexanders haben es nicht der Mühe wert geachtet, alle diese Gesandtschaften zu nennen; sie führen nur diejenigen an, welche in irgendeiner Beziehung merkwürdig waren, und nur aus den anderweitig geschichtlichen Verhältnissen der genannten Völker läßt sich über die näheren Absichten ihrer Sendung einiger Aufschluß finden. Daß Gesandte der Brettier, Lukaner, Etrusker gekommen seien, hat Arrian ohne weiteres Bedenken angegeben, ob auch römische, wie von manchen Schriftstellern gesagt sei, bezweifelt er. Aus der Lage der Verhältnisse in Italien muß sich ergeben, ob Anlaß dazu war.

Die Brettier und Lukaner hatten seit dem Kriege mit dem Molosser Alexandros Grund genug, vor der Macht seines Schwagers, des Siegers über Asien, des natürlichen Beschirmers der hellenischen Welt, in Sorge zu sein. Gegen sie war der Molosser von der reichen Handelsstadt Tarent zu Hilfe gerufen worden, er hatte sie und die ihnen verbündeten Samniten in einer großen Schlacht bei Pästum geschlagen, er hatte an der Ostküste der Halbinsel die Messapier, die Daunier zu Paaren getrieben; er war von Meer zu Meer mächtig, und die Römer traten mit ihm in Bündnis zum gemeinsamen Angriff auf die Samniten, deren Kämpfe im Süden sie benutzt hatten, ihr Gebiet bis Kampanien hinein auszudehnen und mit römischen Ansiedlungen zu befestigen. Aber die wachsende Macht des Epeiroten, vielleicht die Besorgnis, daß er sich zum Herrn Großgriechenlands machen wolle, veranlaßte die Tarentiner, sich denen zuzuwenden, gegen die sie ihn gerufen hatten; ein lukanischer Flüchtling ermordete den König; damit hatten die Samniten freie Hand sich gegen die Römer zu wenden, die schon auch Kyme, die älteste hellenische Stadt an diesen Küsten, schon auch Capua in Besitz genommen hatten. Mit ihrem Versuch, sich auch in Neapolis und Palaiopolis festzusetzen, begann (328) der große Samnitenkrieg, der nach wechselnden Erfolgen her und hin demnächst in den kaudinischen Pässen und dem Unterwerfungsvertrag der Römer einen ersten Abschluß finden sollte. Daß die Griechenstädte Italiens, statt die Gunst dieser Jahre zu benutzen, ungeeint und ohne Tatkraft, wie sie waren, auf den Eroberer Asiens ihre Hoffnung stellten, war ebenso natürlich, wie die Besorgnis der Italiker, daß er kommen und ihnen die reichen Küstenstädte, die sie schon als ihre Beute ansahen, aus der Hand reißen werde; hatte er doch den Krotoniaten Beutestücke des Sieges von Gaugamela gesandt, weil einst gegen Xerxes einer der ihrigen bei Salamis mitgekämpft hatte. Mag es Zufall sein, daß unter den Gesandtschaften keine der Samniten genannt wird, oder mag von ihnen keine gekommen sein, das kluge und weiterblickende patrizische Regiment in Rom, das in dem schweren Kampf gegen die Samniten die Völker hinter ihnen, die Lukaner, Apulier usw. zu gewinnen verstand, mit dem Molosser verbündet gewesen war, konnte sich sehr wohl veranlaßt sehen, in dem Moment, wo es die Griechenstädte Kampaniens zu unterwerfen gedachte, sich der Gunst dessen zu versichern, dessen Einspruch zu fürchten war. Aus einer anderweitigen Nachricht ergibt sich, daß Alexander den Römern in betreff der ihnen untertänig gewordenen Antiaten, die fortfuhren mit den Etruskern vereint Seeräuberei zu treiben, Mahnungen habe zukommen lassen.

Eine Gesandtschaft der Etrusker erklärt sich aus den mannigfachen Konflikten, die ihnen aus ihren Seeräubereien mit den hellenischen Staaten erwuchsen; war doch eben jetzt von den Athenern eine Expedition ausgerüstet, um am Ausgang des Adriatischen Meeres eine Kolonie zu gründen, die ihnen in den dortigen Gewässern einen festen Handels- und Stapelplatz sichern und die hellenische Kauffahrtei schützen sollte.

Nicht minder erklärlich sind die Sendungen der Karthager, Libyer, Iberier. Alexanders Besitznahme von Phönikien mußte sowohl Karthago, wie die übrigen punischen Kolonien in Nordafrika und Iberien, welche mit dem Mutterlande noch immer in naher Verbindung standen, veranlassen, mit dem Herrscher des mächtigen Reiches, von dem sie wohl als Rivalität im Handel zu fürchten hatten, ganz besondere Aufmerksamkeit zu widmen; namentlich die Karthager werden sehr wohl beachtet haben, was nach ihren früheren Beziehungen zu der hellenischen Welt und nach dem Charakter des kriegsgewaltigen Königs für sie in Aussicht stand; und die Grenzstreitigkeiten mit den Hellenen Siziliens, die seit Timoleons Siegen nicht aufgehört hatten, boten Anlaß vollauf zu einer Einmischung, die für die punische Republik nur zu bedenkliche Folgen haben konnte. Um so natürlicher war es, daß sie die Freundschaft des mächtigen Königs suchten. Wenn angeführt wird, daß die libyschen Gesandten mit Kränzen und Glückwünschen wegen der Eroberung Asiens gekommen seien, so sind damit die Stämme im Süden Kyrenes gemeint.

Unter den übrigen Gesandtschaften werden namentlich die der europäischen Skythen, der Kelten, der Äthiopier genannt, letztere dem Könige vielleicht um so wichtiger, je mehr ihn jetzt der Plan, Arabien zu umschiffen und die Seestraße, die bereits den Indus und Euphrat verband, bis an das Rote Meer und zur ägyptischen Ostküste fortzusetzen, beschäftigte.

Denn schon war der Befehl nach Phönikien gesandt, Matrosen auszuheben, Schiffe zu bauen, sie zerlegt über Land nach dem Euphrat zu schaffen. Nearch war beauftragt, die Flotte den Euphrat hinauf nach Babylon zu führen; bald nach der Ankunft des Königs in Babylon sollte der Zug gegen die Araber eröffnet werden. Zu gleicher Zeit ward Herakleides, des Argaios Sohn, mit einer Schar Schiffszimmerleute nach dem Strande des Kaspischen Meeres abgesandt, mit dem Auftrage, in den Waldungen der hyrkanischen Gebirge Schiffsbauholz zu fällen und Kriegsschiffe sowohl mit als ohne Deck nach hellenischer Art zu zimmern. Auch diese Expedition hatte den Zweck, zunächst zu untersuchen, ob das Kaspische Meer eine nördliche Durchfahrt darbiete und ob es mit dem Mäotischen See oder dem offenbaren Meer im Norden und durch dasselbe mit den indischen Gewässern in Verbindung stehe. Alexander mochte hoffen, mit dieser Expedition jenen Skythenfeldzug, den er vor fünf Jahren mit dem Chorasmierkönig besprochen hatte, in Ausführung zu bringen. Ebenso waren für die Landmacht neue und sehr bedeutende Verstärkungen angeworben, welche im Laufe des Frühlings in Babylon eintreffen sollten. Es war offenbar, daß Alexander Großes vorhatte; es schien, als ob zu gleicher Zeit Feldzüge gegen Norden, Süden und Westen unternommen werden sollten; vielleicht, daß er sie einzelnen Feldherren zu übertragen gedachte, während er vorerst das Ganze von Babylon, der Residenz seines Reiches, aus zu leiten sich vorbehielt.

Die Truppen und ihre Führer werden voll ungeduldiger Spannung, neue Feldzüge fürchtend oder hoffend, gen Babylon hinabgezogen sein; sie wußten nicht, wie tief ihr König seit des Freundes Tod gebeugt, wie er umsonst mit kühnen und kühneren Plänen den Gram seines Herzens zu übertäuben bemüht war; sie wußten nicht, wie ihm die Freude des Lebens zerstört, wie seine Seele trüber Ahnungen voll war; mit Hephaistion war ihm seine Jugend zu Grabe getragen, und kaum an der Schwelle der männlichen Jahre begann er zu altern; der Gedanke des Todes schlich sich in seine Seele.

Der Tigris war überschritten; schon sah man die Zinnen der Riesenstadt Babylon, da kamen dem Heereszuge die Vornehmsten der Chaldäer, der sternkundigen Priester von Babylon, entgegen; sie nahten sich dem Könige, sie führten ihn zur Seite und drangen in ihn, den Weg nach Babylon nicht weiter zu verfolgen: die Stimme des Gottes Bel habe ihnen offenbart, daß ihm der Einzug in Babylon jetzt nicht zum Heile sei. Alexander antwortete mit dem Verse des Dichters: der beste Seher sei der, welcher glücklich weissage. Sie fuhren fort: »Nicht gen Westen schauend, o König, nicht von dieser Seite des Stromes komme nach Babylon; umgehe die Stadt, bis du gen Morgen siehst.«

Er ließ das Heer am Ostufer des Euphrat lagern, er zog am folgenden Tage auf dieser Seite des Stromes hinab, um dann hinüberzugehen und von Westen her in die Stadt einzuziehen; aber die sumpfigen Ufer des Stromes hemmten ihn; nur innerhalb der Stadt waren Brücken; es hätte weiter Umwege bedurft, um zu den westlichen Quartieren von Babylon zu gelangen. Damals, heißt es, kam der Sophist Anaxarchos zum Könige und bekämpfte mit philosophischen Gründen des Königs Aberglauben; glaublicher ist, daß Alexander, bald Herr des ersten Eindruckes, die Sache für weiteren Zeitverlust und größere Umwege zu unbedeutend anzusehen suchte, daß er die Folgen, welche die zu große Besorglichkeit von seiner Seite im Heer und Volk hätte hervorbringen müssen, mehr scheute als die etwaige Gefahr, daß er nicht zweifelhaft sein konnte, wie guten Grund die Chaldäer hatten, seine Anwesenheit in Babylon nicht eben zu wünschen. Er hatte im Jahr 330 bereits den Befehl gegeben, den riesigen Tempel des Bel, der seit Xerxes' Zeit als Ruine dastand, wieder herzustellen; während seiner Abwesenheit war der Bau bald ins Stocken geraten, die Chaldäer hatten das ihre dazu getan, um den Ertrag der reichen Tempelgüter, die zur Erhaltung des Baues bestimmt waren, nicht zu verlieren. So war es begreiflich, wenn die Sterne dem Könige den Eintritt in Babylon untersagten oder möglichst erschwerten; wider den Rat der Chaldäer rückte Alexander an der Spitze seines Heeres von Morgen her in die östlichen Quartiere der Stadt ein; er ward von den Babylonern freudig empfangen; mit Festlichkeiten und Gelagen feierten sie seine Rückkehr.

Es befand sich, so berichtet Aristobulos, zu dieser Zeit der Amphipolite Peithagoras, aus priesterlichem Geschlecht und der Opferschau kundig, in Babylon; sein Bruder Apollodoros, der seit dem Jahre 331 Strateg der Landschaft war, hatte bei Alexanders Rückkehr aus Indien demselben mit den Truppen der Satrapie entgegenziehen müssen, und da ihn das strenge Strafgericht, welches der König über die schuldigen Satrapen ergehen ließ, auch für seine Zukunft besorgt machte, sandte er an seinen Bruder nach Babylon, über sein Schicksal die Opfer zu beschauen. Peithagoras hatte ihn dann fragen lassen, wen er am meisten fürchte, über den wolle er schauen; auf des Bruders Antwort, die den König und Hephaistion nannte, hatte Peithagoras Opfer angestellt, und nach der Opferschau dem Bruder nach Ekbatana geschrieben: Hephaistion werde ihm bald nicht mehr im Wege sein; diesen Brief hatte Apollodoros am Tage vor Hephaistions Tode empfangen. Ferner opferte Peithagoras über Alexander; er fand dieselbe Schau und schrieb seinem Bruder dieselbe Antwort. Apollodoros, so heißt es, ging selbst zum Könige, um zu zeigen, daß seine Hingebung größer sei als seine Sorge für das eigene Wohl; er sagte ihm von der Opferschau Hephaistion und ihrer Erfüllung; auch über ihn habe Peithagoras nichts Glückliches geschaut, er möge sein Leben hüten und die Gefahren, vor denen die Götter warnten, meiden. Jetzt in Babylon ließ der König Peithagoras zu sich kommen, ihn befragen, welche Schau er gehabt habe, daß er solches seinem Bruder geschrieben? »Die Leber des Opfers sei ohne Kopf gewesen«, war die Antwort. Alexander dankte dem Seher, daß er ihm offen und sonder Trug die Wahrheit gesagt, entließ ihn mit allen Zeichen seines Wohlwollens. Aber er war betroffen über dies Zusammentreffen der hellenischen Opferschau mit den Warnungen der Astrologen; es war ihm unheimlich in den Mauern dieser Stadt, die er vielleicht besser gemieden hätte; ihn beunruhigte der längere Aufenthalt in diesen Palästen, vor denen ihn die Götter vergebens gewarnt hatten. Aber er konnte noch nicht hinweg.

Es waren neue Gesandtschaften aus den hellenischen Ländern eingetroffen, auch mehrere Makedonen, sowie Missionen der Thraker, Illyrier, anderer abhängiger Völker, um, so hieß es, über den Reichsverweser Antipatros Klage zu führen. Antipatros selbst soll seinen Sohn Kassandros gesandt haben, zu rechtfertigen, was er getan; vielleicht wünschte er zugleich, dem Könige, bei dem sich bereits sein Sohn Jollas als Mundschenk befand, in seinem ältesten Sohn ein neues Unterpfand seiner Treue zu geben, und durch dessen Bemühung das gestörte Verhältnis zu Alexander, bevor er selbst seinem Befehle gemäß bei Hofe eintraf, wieder herzustellen. Es wird, freilich nach wenig zuverlässigen Gewährsmännern, von ärgerlichen Auftritten zwischen dem Könige und Kassandros gemeldet.

Von den Verhandlungen der hellenischen Gesandtschaft wird Näheres nicht berichtet; es ist wahrscheinlich, daß, da bei den kurz vorher empfangenen Gesandtschaften die örtlichen und Privatangelegenheiten meist nach den Wünschen der Beteiligten abgemacht, die Vorstellungen gegen die Zurückführung der Verbannten dagegen ein für allemal abgewiesen waren, jetzt besonders nur Glückwünsche wegen der indischen Siege und der Heimkehr, sowie goldene Kränze und Danksagungen für die Aufhebung der Exile und andere Wohltaten des Königs dargebracht wurden. Der König bezeugte ihnen seinen Dank mit Ehren und Geschenken, namentlich sandte er den Staaten die einst von Xerxes geraubten Statuen und Weihgeschenke, so viele er deren in Pasargadai, Susa, Babylon und sonst noch vorgefunden hatte, zurück.

Auch die örtlichen Angelegenheiten der großen Residenz mochten des Königs Anwesenheit verlängern; wenigstens wird überliefert, daß Alexander, nachdem er die von ihm angeordneten Bauten in Augenschein genommen und gesehen hatte, wie namentlich die Wiederherstellung des Beltempels fast ganz liegengeblieben war, sofort das Werk mit dem größten Eifer zu fördern befahl, und, da für den Augenblick die Truppen ohne Beschäftigung waren, dieselben zum Baudienst kommandierte. So arbeiteten 20 000 Menschen zwei Monate hindurch, um nur erst die Trümmer ganz abzutragen und die Baustelle zu reinigen; die späteren Ereignisse hinderten den Beginn des eigentlichen Baues.

Endlich konnte Alexander Babylon verlassen; die Stromflotte, von Nearchos geführt, war aus dem Tigris durch den Persischen Meerbusen den Euphrat hinaufgekommen und lag unter den Mauern der Residenz; auch aus Phönikien waren die Schiffe angelangt; zwei Penteren, drei Tetreren, zwölf Trieren und gegen dreißig Dreißigruderer waren von den Werften der Küste zersägt über Land nach Tapsakos gebracht, dort wieder zusammengefugt und den Strom hinabgekommen; auch hatte der König in Babylon selbst Schiffe zu bauen befohlen, und zu dem Ende, in dem die Landschaft weit und breit keine anderen Bäume als Palmen hat, die Zypressen, die sich in den königlichen Gärten von Babylon in großer Menge befanden, umhauen lassen. So war die Flotte bald auf bedeutenden Bestand gebracht; und da der Strom keine geeignete Hafenstelle hatte, erging der Befehl, unfern der Residenz ein großes Bassin auszugraben, das Raum und Werften für tausend Schiffe bieten sollte. Aus Phönikien und den übrigen Strandgegenden kamen Matrosen, Zimmerleute, Kaufherren, Krämer in Scharen herbei, um in Folge des königlichen Aufrufs mit den Schiffen die neue Handelsstraße zu benutzen oder sich für den nächsten Feldzug auf die Flotte zu verdingen. Während dieser Rüstungen wurde Mikkalos von Klazomenai mit 500 Talenten nach Phönikien und Syrien gesandt, um dort möglichst viele Strandbewohner und Schiffer anzuwerben und nach dem unteren Euphrat hinabzuführen; es war der Plan des Königs an den Küsten des Persischen Meerbusens und auf den Inseln desselben, Kolonien zu gründen, um durch diese den Verkehr in den südlichen Gewässern emporzubringen und zugleich in ihnen eine Sicherung der arabischen Küste zu schaffen. Alexander wußte von den vielen und eigentümlichen Produkten dieses Landes, die er um so leichter in den großen Verkehr zu bringen hoffte, je ausgedehnter und hafenreicher das Küstenland der Halbinsel ist. Die weite Wüste von den Grenzen Ägyptens bis nahe bei Thapsakos und Babylon war von Beduinenstämmen durchschweift, welche die Grenzen der anstoßenden Satrapien sowie die Landstraßen oft genug beunruhigten; wenn sie zur Unterwerfung gezwungen wurden, so war außer der Sicherung der Grenzen und Straßen namentlich eine bei weitem kürzere Verbindung zwischen Babylon und Ägypten gewonnen; es mußte dann vor allem die peträische Landschaft sowie die Nordspitzen des Roten Meeres in Besitz genommen und kolonisiert werden, es mußten sich an diesen Stellen die Landwege durch das Araberland mit dem Seewege um die arabische Küste, dessen Entdeckung die nächste Absicht war, vereinigen.

Bereits waren drei Schiffe den Strom hinab ins Meer gesandt worden. Zunächst kehrte Archias mit seinem Dreißigruderer zurück; er hatte südwärts von der Euphratmündung eine Insel gefunden; er berichtete, sie sei klein, dicht bewaldet, von einem friedlichen Völkchen bewohnt, das die Göttin Artemis verehre und in ihrem Dienst die Hirsche und wilden Ziegen der Insel ungestört weiden lasse; sie liege in der Nähe des Meerbusens der Stadt Gerra, von der aus die Hauptstraße durch das Innere Arabiens zum Roten und Mittelländischen Meere führe, und deren Einwohner als betriebsame und reiche Handelsleute genannt würden. Alexander gab, seltsam genug, dieser Insel den Namen jenes Ikaros, der den kühnen Flug bis in die Sonnennähe gewagt und in den Wellen mit allzufrühem Tode gebüßt hat. Von der Insel Ikaros aus, berichtete Archias weiter, sei er südostwärts zu einer zweiten Insel gekommen, welche die Bewohner Tylos nannten; sie sei groß, weder steinig noch waldig, zum Feldbau geschickt und ein glückliches Eiland; er hätte hinzufügen können, daß sie inmitten der unerschöpflichen Perlenriffe liege, von denen sich schon manche Sage unter den Makedonen verbreitet hatte. Bald darauf kam das zweite Schiff, das Androsthenes geführt hatte, zurück; er war dicht an der Küste hinabgesteuert und hatte ein großes Stück des arabischen Strandes beobachtet. Am weitesten von den ausgesandten Schiffen war das gekommen, welches der Steuermann Hieron aus Soloi führte; er hatte Weisung erhalten, die ganze Halbinsel Arabien zu umschiffen und eine Einfahrt in den Meerbusen, der sich nordwärts bis wenige Meilen von Heroonpolis in Ägypten hinaufzieht, zu suchen; er hatte, obschon er einen bedeutenden Teil der arabischen Gestade hinabgekommen war, nicht weiter zu gehen gewagt; er brachte die Nachricht, die Größe der Halbinsel sei außerordentlich und möchte der von Indien wohl gleichkommen; er sei südwärts bis zu einem Vorgebirge gekommen, das sich weit ostwärts in die offenbare See hinaus erstrecke; die nackten und öden Sandufer möchten eine weitere Fahrt sehr erschweren.

Während die Bauten in und um Babylon und die Arbeiten auf den Schiffswerften, das Ausgraben des Hafenbassins, das Abtragen des Belturmes, das grandiose Gebäude des Scheiterhaufens für Hephaistion rasch gefördert wurden, ging Alexander mit einigen Schiffen den Euphrat hinab, um die großen Deicharbeiten an dem Pallakopas zu besichtigen. Dieser Kanal ist etwa sechzehn Meilen Stromfahrt unterhalb Babylon aus dem Euphrat gen Westen gegraben und endet in einen See, der, von den Wassern des Stromes gespeist, sich längs der Grenze des arabischen Landes südwärts in einer Reihe von Morästen bis zum Persischen Meerbusen fortsetzt. Der Kanal ist für die Landschaft von unberechenbarer Wichtigkeit; wenn im Frühlinge die Wasser des Stromes zu schwellen beginnen und, während unter der Sommersonne der Schnee in den armenischen Bergen schmilzt, immer mächtiger und höher hinabfluten, würde die ganze Landschaft der Überschwemmung ausgesetzt sein, wenn nicht dem Strom durch die Kanäle und besonders durch den Pallakopas ein Abfluß gegeben wäre, der dann zugleich das Stromland schützt und den vom Strom entfernteren Gegenden die Segnungen der reichsten Wässerung bringt. Wenn aber der Euphrat mit dem Herbste wieder abnimmt, so ist es notwendig den Kanal schnell zu schließen, weil sonst der Strom diesem kürzeren Wege, sich zu ergießen, folgen und sein Bett verlassen würde; die Arbeit wird dadurch erschwert, daß die Stelle des Ufers, wo der Kanal beginnt, losen Grund hat, so daß die Aufschüttungen selbst außerordentliche Mühe machen und dann doch nicht genügenden Widerstand gegen die starke Strömung des Euphrat leisten; auch sind die Deiche des Kanals bei hohem Wasser stets der Gefahr ausgesetzt, ganz zertrümmert zu werden, und es kostet ungeheure Arbeit, sie zu rechter Zeit zur Schließung des Kanals wiederherzustellen. So arbeiteten jetzt auf Befehl des Satrapen von Babylon zehntausend Menschen schon seit drei Monaten an diesen Deichen; Alexander fuhr hinab, die Arbeit zu besichtigen; er wünschte irgendeine Abhilfe jenes Übelstandes zu finden. Er fuhr weiter stromab, um das Ufer zu untersuchen; er fand eine Stunde unterhalb der Kanalmündung einen felsigen Uferrand, der allen Erwartungen entsprach; hier befahl er einen Kanal zu durchsprengen und ihn nordwestlich in das alte Bett des Pallakopas zu führen, dessen Mündung dann für immer verschüttet werden sollte; so, hoffte er, würde es ebenso leicht sein, den Abfluß des Euphrat im Herbste zu sperren, wie ihn wieder mit dem Frühjahr zu öffnen. Um sich weiter von der Natur dieser Gegenden westwärts zu überzeugen, fuhr Alexander zum Pallakopas zurück und durch diesen in den See und längs der arabischen Grenze; die Schönheit der Ufer und mehr noch die Wichtigkeit dieser Gegend bestimmten ihn, hier eine Stadt anzulegen, welche zugleich den Weg nach Arabien öffnete und Babylonien vor Überfällen der Beduinen zu schützen vermochte, da der See und die Moräste südwärts bis zum Meerbusen das Stromland decken. Der Bau der Stadt und der Befestigungen wurde sogleich begonnen und griechische Söldner, teils Veteranen, teils Freiwillige, daselbst angesiedelt.

Indes war in Babylon der Bau des Scheiterhaufens für Hephaistion beendet, die großen Leichenspiele zu seinem Gedächtnis sollten beginnen; dies und das Eintreffen der neuen Truppen machten des Königs Rückkehr in seine Residenz notwendig. Der König, so wird erzählt, war um so weniger bedenklich zurückzukehren, da sich die Weissagungen der Chaldäer bereits bei seiner neulichen, freilich nur kurzen Anwesenheit in Babylon als nichtig erwiesen zu haben schienen. So begann die Rückfahrt; auf derselben sollten die Gräber der früheren babylonischen Könige, die in den Sümpfen erbaut waren, besucht werden. Alexander selbst stand am Steuer seines Schiffes und führte es in diesem durch Untiefen und Röhricht schwierigen Gewässer; ein plötzlicher Windstoß riß ihm die königliche Kausig, die er nach makedonischer Sitte trug, vom Haupt, und während sich das Diadem von derselben löste und hinwegflatternd in dem Röhricht bei einem alten Königsgrabe hängenblieb, sank sie selbst unter und ward nicht wieder gefunden; das Diadem aber zu holen, schwamm ein phönikischer Matrose, der sich mit auf dem Schiffe befand, hinüber, und band es, um bequemer schwimmen zu können, um seine Schläfe; – ein schweres Zeichen, das Diadem um eines fremden Menschen Haupt! Die Zeichendeuter, die der König jetzt stets in seiner Nähe hatte, beschworen ihn, das Zeichen zu zerstören und den Unglücklichen zu enthaupten; Alexander, so heißt es, ließ den Matrosen züchtigen, weil er des Königs Diadem gering genug geachtet, es um seine Stirn zu binden; er gab ihm ein Talent zum Geschenk, weil er schnell und kühn das Zeichen des Königtums zurückgebracht.

Bei seiner Rückkehr nach Babylon fand Alexander die neuen Truppen, die er erwartet hatte. Peukestas, der Satrap von Persien hatte 20 000 Perser und außerdem eine bedeutende Zahl von Kossäern und Tapuriern, die zu den streitbarsten Stämmen Persiens gehören, hergeführt; von Karien war Philoxenos mit einem Heere, mit einem zweiten Menandros von Lydien, Menidas mit den Reitern aus Makedonien, die er bringen sollte, eingetroffen. Namentlich die persischen Mannschaften empfing der König mit großer Freude; er belobte den Satrapen wegen ihrer vortrefflichen Haltung, und die Leute wegen der Bereitwilligkeit, mit der sie seinem und des Satrapen Aufruf gefolgt seien.

Überaus merkwürdig ist die neue Formation, die er mit dem Eintritt dieser asiatischen Truppen seinem Fußvolke oder doch einem Teile desselben gab. Bisher hatte es in dem makedonischen Heer kein Korps von kombinierten Waffen, keine Armee im Kleinen gegeben; wenn auch fast für jede Aktion Infanterie und Kavallerie, leichte und schwere, mit- und nebeneinander verwandt worden waren, sie wurden nur für diesen Fall kombiniert und blieben getrennte Waffen. Die neue Formation gab den bisherigen Charakter der Phalanx auf; sie schuf eine Kombination von Schwerbewaffneten, Peltasten und leichtem Fußvolk, mit der sich eine völlig neue Art der Taktik ergab. Hatte bisher jede Taxis der Phalanx aus sechzehn Gliedern Hopliten bestanden, so wird jetzt die Rotte so gebildet, daß im ersten Gliede der Dekadarch, der sie kommandiert, ein Makedone, im zweiten ein makedonischer Doppelsöldner, im dritten ein altgedienter Makedone, ein gleicher im sechzehnten Gliede als Uragos steht; die zwischen ihnen stehenden Glieder vier bis fünfzehn sind Perser, teils Akontisten, die einen Speer mit Wurfriemen führen, teils Bogenschützen. Waren es jene 20 000 Perser, die so eingereiht wurden, so bildeten sie mit den Makedonen, denen sie zugeteilt waren, ein Korps von reichlich 26 000 Mann, also die unvermeidlichen Manquements abgerechnet, etwa 12 Taxen, jede zu 125 Mann Front. Es blieb mit dieser Formation der Anmarsch in geschlossener Masse; dann zum Gefecht entwickelte sich die Phalanx zu drei Treffen, es deployierten rechts und links durch die Intervalle die Bogenschützen zum ersten Fernangriff, es folgten die Speerwerfer; die ersten drei Glieder und das letzte blieben als Triarier oder richtiger als Soutien zurück, und wenn die Bogenschützen und Akontisten nach ihrem Tirailleurgefecht sich durch die Intervalle und in ihre Glieder zurückgezogen, ging das Ganze in geschlossener Masse auf den schon erschütterten Feind los. Die Taktik dieser neuen Formation verband alle Vorzüge der italischen Legion in ihrer Manipularordnung mit den wesentlichen der früheren Phalanx: Massenwirkung und Beweglichkeit, – für die leichten Truppen schnellste Verwendbarkeit gegen den angreifenden Feind, und sichere Deckung während des Handgemenges, – die Phalangen immer noch wandelnde Kastelle, aber solche, die von sich selber aus Ausfälle der leichten Truppen möglich machten und den weiteren Rayon beherrschten, den diese hervorbrechend mit ihren Pfeilen bestreichen konnten.

Schon diese Neuordnung, die im Hinblick auf die Völker Italiens gemacht schien, mußte auffallen; dazu kamen mannigfache Gerüchte, daß in die Provinzen des Mittelmeeres Befehle zur Rüstung unzähliger Schiffe gesandt seien, Gerüchte von Kriegszügen nach Italien, Sizilien, Iberien, Afrika. Es schien in der Tat, als ob, während die Flotte gegen die Küstenländer Arabiens in See gehen sollte, das Landheer durch Arabien oder auf welchem Wege sonst gen Westen ziehen werde, die Barbaren des Abendlandes, die Feinde des Griechentums in Afrika und Italien zu unterwerfen.

Das Einrangieren der neuen, namentlich persischen Truppen, leitete Alexander selbst; es geschah im königlichen Garten, der König saß auf dem goldenen Thron, mit dem Diadem und im königlichen Purpur; zu beiden Seiten die Getreuen auf niedrigeren Sesseln mit silbernen Füßen; hinter diesen in gemessener Entfernung die Eunuchen, nach morgenländischem Brauch mit gekreuzten Armen, in medischer Tracht; Schar auf Schar zogen dann die neuen Truppen vorüber, wurden gemustert und den Phalangen zugeteilt. So mehrere Tage; an einem derselben war der König, von den Anstrengungen ermüdet, vom Throne aufgestanden, und, nachdem er Diadem und Purpur darauf zurückgelassen hatte, zu einem Bassin im Garten gegangen, um ein Bad zu nehmen; nach der Hofsitte folgten die Getreuen, während die Eunuchen an ihren Plätzen blieben. In kurzer Frist kam nun ein Mensch daher, schritt ruhig durch die Reihen der Eunuchen, die ihn nach persischer Sitte nicht hindern durften, stieg die Stufen des Thrones hinauf, schmückte sich mit dem Purpur und Diadem, setzte sich an des Königs Stelle, blickte stier vor sich hin; die Eunuchen zerrissen ihre Kleider, sie schlugen sich Brust und Stirn und wehklagten über das furchtbare Zeichen. Gerade jetzt kam der König zurück, er erschrak vor seinem Doppelgänger auf dem Thron; er befahl, den Unglücklichen zu fragen, wer er sei, was er wolle? Der blieb regungslos sitzen, sah stier vor sich hin; endlich sprach er: »Ich heiße Dionysios und bin von Messene; ich bin verklagt und in Ketten vom Strand hierher gebracht; jetzt hat der Gott Sarapis mich erlöst und mir geboten, Purpur und Diadem zu nehmen und still hier zu sitzen.« Er ward auf die Folter gebracht, er sollte bekennen, ob er verbrecherische Absichten hege, ob er Genossen habe; er blieb dabei, es sei ihm von dem Gott geheißen. Man erkannte, des Menschen Verstand war gestört; die Wahrsager forderten seinen Tod.

Es mochte im Mai des Jahres 323 sein, die Stadt Babylon war voll kriegerischen Lebens; die Tausende der neuen Truppen, voll Begier nach dem Feldzuge, in dem sie ihre erste Waffenprobe machen sollten, übten sich, in der neuen Ordnung zu fechten; die Flotte, die bereits unter Tau und Segel war, lief fast täglich unter ungeheurem Zulauf von Zuschauern aus der Residenz, von ihrer Station aus, um sich im Steuern und Rudern zu üben; der König selbst war meist zugegen und verteilte an die Sieger im Wettkampf Lob und goldene Kränze. Man wußte, daß demnächst der Feldzug eröffnet werden würde; man glaubte, daß sich an die Leichenfeier für Hephaistion die üblichen Opfer und Gastmähler anschließen würden, bei denen der König den Beginn der neuen Kriegsoperationen zu verkünden pflegte.

Unzählige Fremde waren zu der Feier herbeigeströmt, unter diesen Gesandtschaften aus Hellas, die in Folge der Beschlüsse, dem Könige göttliche Ehre zu erweisen, den Charakter von heiligen Theoren angenommen hatten, als solche vor dem Könige erschienen und anbetend nach hellenischem Brauch die goldenen Kränze weihten, mit denen die Staaten der Heimat den Gott-König zu ehren wetteiferten. Dann kehrten auch des Königs Theoren aus dem Ammonion zurück, die angefragt hatten, wie der Gott gebiete, daß Hephaistion geehrt werde; sie brachten die Antwort, man solle ihm wie einem der Heroen opfern. Nach Empfang dieser Botschaft befahl der König, die Totenfeier und die ersten Opfer für den Heros Hephaistion zu begehen.

Es war ein Teil der Mauern Babylons abgetragen, dort erhob sich in fünf Absätzen, bis zu einer Höhe von zweihundert Fuß emporgetürmt, das Prachtgebäude des Scheiterhaufens, zu dem der König zehntausend Talente bestimmt, die Freunde, die Großen, die Gesandten, die Babylonier zweitausend Talente hinzugefügt hatten; das Ganze leuchtete von Gold und Purpur, von Gemälden und Bildhauerwerken; auf der Höhe des Gebäudes standen Sirenenbilder, aus denen herab die Trauerchöre für den Toten erklangen. Unter Totenopfern, Trauerzügen und Klagegesängen ward der Scheiterhaufen den Flammen übergeben; Alexander war zugegen, vor seinen Augen sank das wundervolle Werk in Flammen lodernd zusammen, und ließ nichts zurück als Zerstörung und Öde und Trauer um den Verlorenen. Dann folgten die Opfer zu Ehren des Heros Hephaistion; Alexander selbst weihte dem erhöhten Freunde die ersten Spenden, zehntausend Opferstiere wurden zu seinem Gedächtnis geopfert und an das gesamte Heer, das der König zum Festmahl geladen, verteilt.

Andere Festlichkeiten füllten die nächsten Tage; der König opferte den Göttern, denen er pflegte, in üblicher Weise; denn schon war der Tag zur Abfahrt der Flotte und zum Beginn des arabischen Feldzuges bestimmt; er opferte dem guten Glück, er opferte nach der Weisung seiner Wahrsager auch den Göttern, die dem Übel wehren. Und während das gesamte Heer bei dem Opfermahl und dem Weine, den der König spendete, fröhlich war, hatte er die Freunde bei sich zum Abschiedsmahle versammelt, das er seinem Admiral Nearchos gab. Dies war am 15. Daisios gegen Abend; als die meisten Gäste schon gegangen waren, kam der Thessaler Medios, einer der Hetairen, und bat den König, noch einer kleinen Gesellschaft mit ihm beizuwohnen, es werde ein heiteres Gelage sein. Alexander hatte den edlen Thessaler gern, er ging mit ihm; die Fröhlichkeit der vertrauten Männer heiterte auch ihn auf; er trank ihnen der Reihe nach zu; gegen Morgen trennte man sich, man versprach, sich am nächsten Abend wieder einzufinden.

Alexander ging heim, badete, schlief bis spät am Tage; zur Abendtafel ging er wieder zu Medios, und man trank wieder fröhlich bis tief in die Nacht. Unwohl kehrte der König zurück; er badete, aß ein wenig, legte sich fiebernd zur Ruhe. Am Morgen des 17. Daisios fühlte er sich sehr unwohl; durch die Gemütsbewegungen der jüngsten Zeit, durch die Gelage, die in den letzten Tagen schnell aufeinander gefolgt waren, für eine Krankheit nur zu empfänglich, wurde er von dem Fieber außerordentlich angegriffen; er mußte sich auf seinem Lager zum Altare tragen lassen, um dort das Morgenopfer, wie er jeden Tag pflegte, zu halten; dann lag er im Männersaale auf dem Ruhebett, ließ die Befehlshaber hereinkommen, gab ihnen die nötigen Befehle für den Aufbruch; das Landheer sollte am 20. aufbrechen, die Flotte, mit der er selbst fahren werde, den Tag darauf. Dann ließ er sich gegen Abend auf seinem Ruhebette zum Euphrat hinabtragen, auf ein Schiff bringen, über den Strom zu den Gärten jenseits fahren; dort nahm er ein Bad; unter Fieberschauern brachte er die Nacht zu. Am anderen Morgen nach dem Bade und dem Morgenopfer ging er in sein Kabinet und lag dort den Tag über auf dem Ruhebett; Medios war bei ihm und suchte ihn mit Gesprächen aufzuheitern; der König beschied die Anführer für den nächsten Morgen vor sich; nachdem er wenig zu Nacht gegessen, legte er sich zur Ruhe; das Fieber nahm zu, des Königs Zustand verschlimmerte sich; die ganze Nacht hindurch war er ohne Schlaf. Am Morgen des 19., nach dem Bade und dem Opfer wurde Nearchos und die übrigen Offiziere der Flotte vorgelassen; der König eröffnete ihnen, daß seiner Krankheit wegen die Abfahrt um einen Tag verschoben werden müsse, daß er jedoch bis dahin so weit wiederhergestellt zu sein hoffe, um den 22. zu Schiff gehen zu können. Er blieb im Badezimmer; Nearch mußte sich an sein Lager setzen und von seiner Fahrt auf dem Ozean berichten; Alexander hörte mit Aufmerksamkeit zu; er freute sich, bald ähnliche Gefahren selbst zu durchleben. Indes verschlimmerte sich sein Zustand, die Heftigkeit des Fiebers wuchs; dennoch berief er am Morgen des 20. nach dem Bade und Opfer die Offiziere der Flotte, befahl, auf den 22. alles zu seinem Empfang auf der Flotte und zur Abfahrt bereit zu halten. Nach dem Bade am Abend neue heftigere Fieberschauer; des Königs Kräfte schwanden sichtlich; es folgte eine schlaflose, qualvolle Nacht. Am Morgen ließ sich Alexander im heftigsten Fieber hinaus vor das große Bassin tragen und hielt mit Mühe das Opfer; dann ließ er die Offiziere vor, gab noch einige Befehle über die Fahrt der Flotte, besprach sich mit den Generalen über die Besetzung einiger Offiziersstellen, übertrug ihnen die Auswahl der zu Befördernden mit der Ermahnung, streng zu prüfen. Es kam der 22., der König lag schlecht darnieder; er ließ sich dennoch zum Altare tragen, opferte und betete; er befahl, daß die Abfahrt der Flotte verschoben werde. Es folgte eine traurige Nacht; kaum vermochte der König am andern Morgen noch zu opfern; er befahl, daß sich die Strategen in den Vorzimmern des Schlosses versammeln, daß die Chiliarchen und Pentakosiarchen im Schloßhofe beisammenbleiben sollten; er ließ sich aus den Gärten zurück in das Schloß tragen. Mit jedem Augenblick wurde er schwächer; als die Strategen eintraten, erkannte er sie zwar noch, vermochte aber nicht mehr zu sprechen. Diese Nacht, den folgenden Tag, die folgende Nacht währte das Fieber, der König lag sprachlos.

Der Eindruck, den des Königs Krankheit im Heere und in der Stadt hervorbrachte, ist nicht zu beschreiben; die Makedonen drängten sich um das Schloß, sie verlangten ihren König zu sehen, sie fürchteten, er sei schon tot und man verhehle es; sie ließen mit Wehklagen, mit Drohungen und Bitten nicht ab, bis man ihnen die Tür öffnete; sie gingen dann alle nacheinander an ihres Königs Lager vorbei, und Alexander hob das Haupt ein wenig, reichte jedem die Rechte und winkte mit dem Auge seinen Veteranen den Abschiedsgruß. Denselben Tag, es war der 27. Daisios, gingen Peithon, Peukestas, Seleukos und andere in den Tempel des Sarapis und fragten den Gott, ob es dem Könige besser sei, wenn er sich in den Tempel des Gottes bringen lasse und zu ihm bete; ihnen ward die Antwort: ›Bringet ihn nicht; wenn er dort bleibt, wird ihm bald besser werden.‹ Tags darauf am 28. Daisios gegen Abend, starb Alexander.

Noch zahlreiche andere Überlieferungen gibt es von den Vorgängen dieser letzten Tage; sie sind unzuverlässig, zum Teil sichtlich in guter oder böser Absicht erfunden. Insonderheit wird durch keine sichere Angabe bestätigt, daß Alexander auf seinem Sterbelager über die Nachfolge im Reich, über die Form der Regentschaft, über die notwendigen nächsten Maßregeln irgend etwas durch Worte oder Zeichen bestimmt habe. Tat er es nicht, so wird er die Klarheit und Spannkraft des Geistes, zu erkennen, was sein Tod bedeuten werde, schon nicht mehr gehabt haben, als er zu empfinden begann, daß er nahe. Jener stumme Abschied von seinen Makedonen bezeichnet wohl die letzten, nur noch halbwachen Regungen seines verklingenden Bewußtseins; die Agonien, die dann folgten, mögen die trostlose Zukunft dessen, was er geschaffen und gewollt, seinem brechenden Auge entrückt haben.

Mit seinem letzten Atemzuge begann der Hader seiner Großen, die Meuterei seines Heeres, das Zusammenbrechen seines Hauses, der Untergang seines Reiches.

Karte links
KArte rechts

Karten

359-336 Philipp II. König von Makedonien

356 Alexander der Große als Sohn Philipps und dessen Gattin Olympias geboren

338 Alexander entscheidet den Sieg bei Chaironeia

336 Landfriedensordnung von Korinth, Synedrion der Hellenen

336-323 Alexander der Große König

335 Aufstand in Griechenland. Zerstörung von Theben

334 Aufbruch zum Zug gegen Persien. Sieg am Granikos

333 Zug durch Kappadokien. Sieg über Dareios bei Issos

332 Eroberung von Tyros. Zug nach Ägypten bis zum Ammontempel

331 Sieg über Dareios bei Arbela und Gaugamela

330 Verfolgung des Dareios. Seine Ermordung durch Bessos Erhebung Agis III. von Sparta, seine Niederlage bei Megalopolis. Zug Alexanders von Hyrkanien nach Areia und Drangiana

329 Gefangennahme des Bessos. Zug von Marakanda nach Norden

328 Von Zariaspa über den Oxos. Aufstand des Spitamenes

327 Überschreitung des Hindukusch. Zug bis zum Indus

326 Sieg über Poros am Hydaspes. Umkehr am Hyphasis

325 Fahrt zur Indusmündung. Rückmarsch nach Susa


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