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Verfolgung des Bessos – Aufstand in Areia – Marsch des Heeres nach Süden, durch Areia, Drangiana, Arachosien, bis zum Südhang des indischen Kaukasus – Der Gedanke Alexanders und Aristoteles' Theorie – Die entdeckte Verschwörung – Die neue Heeresorganisation
Um die Zeit der spartanischen Niederlage stand Alexander in Hyrkanien, am Nordabhange jenes Gebirgswalles, der Iran und Turan scheidet, vor ihm die Wege nach Baktrien und Indien, nach dem unbekannten Meere, das er jenseits beider Länder als Grenze seines Reiches zu finden erwarten mochte, hinter ihm die Hälfte des Perserreiches, und Hunderte von Meilen rückwärts die hellenische Heimat. Er wußte von Agis' Schilderhebung, von dessen wachsendem Einfluß im Peloponnes, von der unsicheren Stimmung im übrigen Griechenland, welche die Alternativen des Kriegsglückes doppelt gefährlich machte; er kannte die Bedeutung dieses Gegners, dessen Vorsicht, dessen Tätigkeit. Und doch ging er weiter und weiter gen Osten, ohne Truppen an Antipatros zu senden oder günstige Nachrichten abzuwarten. Wenn nun Agis gesiegt hätte? Oder trotzte Alexander auf sein Glück? verachtete er die Gefahr, der er nicht mehr begegnen konnte? wagte er nicht, um Griechenland zu retten, die Königsmörder mit halb so viel Truppen zu verfolgen, als zu den Siegen von Gaugamela und von Issos hingereicht hatten?
Einst freilich war die Ruhe der Griechen und ihre Anerkennung der makedonischen Hegemonie die wesentliche Grundlage seiner Macht und seiner Siege gewesen; jetzt garantierten ihm seine Siege die Ruhe Griechenlands, und der Besitz Asiens die fernere Geltung dieser Hegemonie, die ihm streitig zu machen mehr töricht als gefährlich gewesen wäre. Unterlag Antipatros, so waren die Satrapen in Lydien und Phrygien, in Syrien und Ägypten bereit, im Namen ihres Königs nicht Erde und Wasser, wohl aber Genugtuung für Treubruch und Verrat zu fordern; und diese Freiheitsliebe der Mißvergnügten, dieses zweideutige Heldentum der Phrase, Intrige und Bestechung hätte kein Marathon gefunden.
Der König durfte, unbekümmert um die Bewegungen in seinem Rücken, die Pläne weiter verfolgen, welche das Verbrechen des Bessos und seiner Genossen ihm aufzwang oder möglich machte. Durch den Besitz der kaspischen Pässe, durch die Besatzungen, die am Eingange des medischen Paßweges in Ekbatana zurückgeblieben waren, durch die mobile Kolonne, welche die Linie des Euphrat beherrschte, war Alexander, wenn schon durch einen Doppelwall von Gebirgen vom syrischen Tieflande getrennt, doch in Verbindung mit den westlichen Provinzen seines Reiches sicher genug, um die große Länder- und Völkergrenze der hyrkanischen Gebirge zum Ausgangspunkt neuer Unternehmungen machen zu können.
Nachdem er seinem Heere einige Rast gegönnt, nach hellenischer Sitte Festspiele und Wettkämpfe angestellt und den Göttern geopfert hatte, brach er aus der hyrkanischen Residenz auf. Er hatte für den Augenblick etwa 20 000 Mann zu Fuß und 3000 Reiter um sich, namentlich die Hypaspisten deren bewährter Strateg Nikanor, Parmenions Sohn, nur zu bald einer Krankheit erliegen sollte, den größeren Teil der Phalangiten, endlich die gesamte makedonische Ritterschaft unter Führung des Philotas, dessen Vater Parmenion den wichtigen Posten in Ekbatana befehligte; von leichten Truppen hatte Alexander die Schützen und Agrianer bei sich; während des Marsches sollten nach und nach die anderen Korps wieder zur Armee stoßen, namentlich Kleitos die 6000 Phalangiten von Ekbatana nach Parthien, Parmenion selbst die Reiter und leichten Truppen, mit denen er zurückgeblieben war, nach Hyrkanien nachführen.
Es ist ausdrücklich bezeugt, daß es Alexanders Absicht war, nach Baktra, der Hauptstadt der großen baktrischen Satrapie, zu gehen. Dorthin, wußte er, hatte sich Bessos mit seinem Anhang zurückgezogen, dorthin alle, die es mit der altpersischen Sache hielten, beschieden, um sich dem makedonischen Eroberer, wenn er über Hyrkanien hinauszugehen wage, entgegenzustellen. Alexander durfte hoffen, mit schnellem Marsch an den Ufern des Oxos die letzte namhafte Heeresmacht, die ihm noch widerstehen wollte, zu treffen und zu vernichten, bevor der Zuzug aus den arianischen Landen sich mit ihr vereinigt habe; und wenn sein Marsch diese arianischen Satrapien für jetzt rechts liegen ließ, so war zu erwarten, daß vor dem Schlage, der die Königsmörder niederschmettern sollte, auch sie sich beugen würden.
Er folgte der großen Straße, die von Hyrkanien am Nordabhange des Gebirges, dann durch die Teile Partiens und Areias, die der turanischen Wüste zunächst liegen, nach Baktriana führt. Als er die Grenze Areias erreicht hatte, kam ihm in Susia, der nächsten Stadt Areias, der Satrap des Landes Satibarzanes entgegen, sich und das Land ihm zu unterwerfen, und zugleich wichtige Mitteilungen über Bessos zu machen. Satibarzanes blieb im Besitz seiner Satrapie; Anaxippos von den Hetairen mit 60 Mann Akontisten zu Pferd wurde als Posten für die Bewachung des Platzes und um die nachkommenden Kolonnen aufzunehmen zurückgelassen, Anordnungen, welche deutlich genug zeigten, daß Alexander unter der Form einer Oberherrlichkeit, die nicht viel bedeutete, den mächtigen Satrapen in der Flanke seines Marsches zunächst nur in Untätigkeit halten wollte, um seinen eiligen Marsch sicher fortsetzen zu können. Denn schon hatte Bessos, wie Satibarzanes eröffnete und mehrere der Perser, welche aus Baktrien nach Susia kamen, bestätigten, die Tiara, den Titel König von Asien, den Königsnamen Artaxerxes angenommen, hatte Scharen flüchtiger Perser und viele Baktrianer um sich gesammelt, und erwartete Hilfsheere aus den nahen skythischen Gebieten.
So rückte Alexander auf dem Wege nach Baktra vor; schon waren auch die bundesgenössischen Reiter, die Philippos aus Ekbatana nachführte, sowie die Söldnerreiter und die Thessalier, welche von neuem Dienste genommen hatten, zum Heere gestoßen. Der König durfte hoffen, so verstärkt und mit der ihm gewöhnlichen Schnelligkeit den Usurpator binnen kurzem zu überwältigen. Er war in vollem Marsch, als ihm höchst beunruhigende Nachrichten aus Areia zukamen: Satibarzanes habe in treuloser Weise den makedonischen Posten überfallen, sämtliche Makedonen nebst ihrem Führer Anaxippos erschlagen, das Volk seiner Satrapie zu den Waffen gerufen; Artakoana, die Königsstadt der Satrapie, sei der Sammelplatz der Empörer, von dort aus wolle der treubrüchige Satrap, sobald Alexander aus dem Bereich der arischen Berge sei, sich mit Bessos vereinigen und die Makedonen, wo er sie träfe, mit dem neuen König Artaxerxes Bessos gemeinschaftlich angreifen. Alexander konnte sich nicht verhehlen, daß solche Bewegung in der Flanke seiner Marschroute von der größten Gefahr sei; von Areia aus konnte er gänzlich abgeschnitten, von dort aus der Usurpation des Bessos vielfache Unterstützung zuteil werden; und der Satrap der zunächst an Areia grenzenden Landschaften Drangiana und Arachosien war Barsaentes, einer der Königsmörder; es war vorauszusehen, daß er sich der Bewegung der Areier anschließen werde. Unter solchen Umständen den Zug gegen Baktrien fortzusetzen, wäre tollkühn gewesen; und selbst auf die Gefahr hin, dem Usurpator Zeit zu größeren Rüstungen zu lassen, mußte er den Operationsfehler, die ganze Flanke seiner Bewegungen einem verdächtigen Bundesgenossen anvertraut zu haben, schnell und entschieden wieder gutzumachen und das ganze Gebiet in der Flanke erst zu unterwerfen suchen. Er gab die Verfolgung des Bessos und die Unterwerfung des baktrischen Landes für jetzt auf, um sich des Besitzes von Areia und der übrigen arianischen Länder zu vergewissern und von dort her die unterbrochenen Unternehmungen gegen den Usurpator mit doppelter Sicherheit fortsetzen zu können.
An der Spitze zweier Phalangen, der Bogenschützen und Agrianer, der makedonischen Ritterschaft und der Akontisten zu Pferd brach der König eiligst gegen den empörten Satrapen auf, während das übrige Heer unter Krateros an Ort und Stelle lagerte. Nach zwei höchst angestrengten Tagemärschen stand Alexander vor der Königsstadt Artakoana; er fand alles in heftiger Bewegung; Satibarzanes, durch den unerwarteten Überfall bestürzt und von dem zusammengebrachten Kriegsvolk verlassen, war mit wenigen Reitern über die Gebirge zu Bessos entflohen; die Areier hatten ihre Ortschaften verlassen und sich in die Berge geflüchtet. Alexander warf sich auf sie, 13 000 Bewaffnete wurden umzingelt und teils niedergehauen, teils zu Sklaven gemacht. Dies schnelle und strenge Gericht unterwarf die Areier; dem Perser Arsames wurde die Satrapie anvertraut.
Areia ist eines der wichtigsten Gebiete von Iran, es ist das Passageland zwischen Iran und Ariana; wo der Areiosstrom seinen Lauf plötzlich nordwärts wendet, kreuzen sich die großen Heerstraßen aus Hyrkanien und Parthien, aus Margiana und Baktrien, aus dem Oasengebiet von Sejestan und dem Stufenland des Kabulstromes; eine makedonische Kolonie Alexandreia in Areia, wurde an dieser wichtigen Stelle gegründet, und noch heute lebt unter dem Volke von Herat die Erinnerung an Alexander, den Gründer ihrer reichen Stadt.
Alexander wird aus den Erkundigungen, die er bei der Veränderung seiner Marschrichtung eingezogen, ein ungefähres Bild von der Lage der arianischen Satrapien gegen Baktrien und Indien, von den Gebirgen und Strömen, welche die Konfiguration dieser Länder bestimmen, von den Straßen und Pässen, die sie verbinden, gewonnen haben; es wird ihm notwendig erschienen sein, erst die ganze Südflanke des baktrianischen Landes zu okkupieren, bevor er sich gegen den Usurpator in Baktrien wandte, ihm die Unterstützung, die er aus den arianischen und indischen Ländern an sich ziehen konnte, zu entziehen, ihn so in weitem Bogen einschließend auf den äußersten Flügel der feindlichen Aufstellung zu stoßen, nach demselben strategischen System, das in den Schlachten am Granikos, bei Issos, bei Gaugamela maßgebend gewesen war. Mit dem Marsch nach Areia hinauf war diese Bewegung, die zunächst nach Drangiana und Arachosien führte, bereits eingeleitet. Alexander zog, sobald Krateros mit den übrigen Truppen wieder zu ihm gestoßen war, südwärts, um die einzelnen Distrikte dieses damals reichen und wohlbevölkerten Landes zu unterwerfen. Barsaentes wartete seine Ankunft nicht ab, er flüchtete sich über die Ostgrenze seiner Satrapie zu den Indern, die ihn späterhin auslieferten. Alexander rückte im Tale des Flusses Ardekan in das Land der Zaranger oder Dranger hinab, deren Hauptstadt Prophthasia sich ohne weiteres ergab.
Südwärts von den Zarangern wohnten in den damals noch nicht versandeten Fruchtebenen des südlichen Sejestans die Ariaspen oder, wie die Griechen sie nannten, Euergeten, ein friedliches ackerbautreibendes Volk, das, seit uralten Zeiten in diesem ›Frühlingslande‹ heimisch, jenes stille, fleißige und geordnete Leben führte, welches in der Lehre des großen Zerdutsch mit so hohem Preise geschildert wird. Alexander ehrte ihre Gastfreundlichkeit auf vielfache Weise; es war ihm gewiß von besonderem Wert, dies wohlhabende und oasenartige Ländchen inmitten der hohen arianischen Gebirgs- und Wüstenlande sich geneigt zu wissen; ein längerer Aufenthalt unter diesen Stämmen, eine kleine Erweiterung ihres Gebietes, die sie längst gewünscht hatten, die Aufrechterhaltung ihrer alten Gesetze und Verfassung, die denen der griechischen Städte in keiner Weise nachzustehen schienen, endlich ein Verhältnis zum Reiche, das jedenfalls unabhängiger war, als das der anderen Satrapien, das etwa waren die Mittel, mit denen Alexander das merkwürdige Volk der Ariaspen, ohne Kolonien unter ihnen zurückzulassen oder Gewaltmaßregeln zu brauchen, für die neue Ordnung der Dinge gewann.
Nicht minder friedlich zeigten sich ihm die Stämme der Gedrosier, deren Gaue er bei weiterem Marsch berührte. Ihre nördlichen Nachbarn, die Arachosier, unterwarfen sich; ihre Wohnsitze erstreckten sich bis in die Paßgegend, welche in das Gebiet der zum Indus strömenden Flüsse hinüberführt; darum gab Alexander diese wichtige Satrapie dem Makedonen Menon, stellte 4000 Mann Fußvolk und 600 Reiter unter seinen Befehl, und befahl jenes arachosische Alexandrien zu gründen, das an dem Eingange der Pässe gelegen und bis auf den heutigen Tag eine der blühendsten Städte jener Gegend, in dem neueren Namen das Andenken ihres Gründers bewahrt hat. Aus dem arachosischen Lande rückte das makedonische Heer unter vielen Beschwerden, denn schon war der Winter gekommen und bedeckte die Berggegenden mit tiefem Schnee, in das Land der Paropamisaden, des ersten indischen Volksstammes, den es auf seinem Zuge fand; nordwärts von diesem erhebt sich der indische Kaukasus, über den der Weg in das Land des Bessos führte.
So etwa die Märsche, mit welchen Alexander in den letzten Monaten des Jahres 330 sein Heer von dem Nordsaume Chorassans bis an den Fuß des indischen Kaukasus führte. Voll Mühseligkeit und arm an kriegerischem Ruhm, sollte diese Zeit durch ein Verbrechen eine traurige Berühmtheit erlangen; es galt Alexander zu ermorden, wie Dareios ermordet worden war; der Plan rechnete auf die Stimmung des Heeres, das des rastlosen Weiterziehens übersatt schien.
Daß mit dem, was der König tat und tun ließ, mannigfache Erwartungen getäuscht, Besorgnisse genährt, Mißstimmungen gerechtfertigt wurden, war bei der immer weiter schwellenden Eroberung, bei der Eile der Neugestaltungen, die sie forderte, bei der Richtung, die er ihnen geben zu müssen glaubte, unvermeidlich.
Ein neuerer Forscher ist in der Beurteilung Alexanders zu dem Ergebnis gekommen, daß ›sein alles verschlingendes Gelüst Eroberung gewesen sei, Eroberung nach West und Ost, Süd und Nord‹, eine Erklärung, mit der er dann freilich dem Verstände nichts weiter schuldigbleibt. Wenn Alexander in so raschem Erfolge, wie es geschah, siegte, wenn er die Machtgestaltung, von der bis dahin die Völker Asiens zusammengehalten waren, sprengte, wenn er im Niederbrechen der bisherigen zugleich die Anfänge einer neuen schuf, so mußte er im voraus des Planes gewiß sein, nach dem er sein Werk aufbauen wollte, des Gedankens, der auch den ersten Anfängen des Werkes, dessen Anfänge sie sein sollten, ihre Richtung und ihr Maß gegeben haben mußte.
Der tiefste Denker des Altertums, des Königs Lehrer Aristoteles, hat ihn in dieser Frage mehrfach beraten; er hat ihm empfohlen, zu den Hellenen sich als Hegemon, zu den Barbaren als Herr zu verhalten, die Hellenen als Freunde und Stammgenossen, die Barbaren, als wären sie Tiere und Pflanzen, zu behandeln. Er ist der Ansicht, daß die Natur selbst diese Unterscheidung begründe; denn, sagt er, »die Völker in den kalten Gegenden Europas sind voll Mut, aber zu geistiger Arbeit und Kunstfertigkeit nicht geeignet, daher leben sie meist frei, sind aber zu Staatsleben und zur Beherrschung anderer unfähig; die in Asien sind zwar geweckten Geistes und zu den Künsten geschickt, aber ohne Mut, daher haben sie Herrscher und sind selbst Sklaven; das Volk der Hellenen, wie es zwischen beiden wohnt, so hat es an beider Art teil; es ist ebensowohl mutvoll wie denkend, es hat daher Freiheit und das beste Staatsleben und ist befähigt, über alle zu herrschen, wenn es ein Staatswesen bildet.« Gewiß eine richtige Betrachtung, wenn das Leben der Völker sein und bleiben müßte, wie es die Natur einmal vorausbestimmt hat; aber auch dann, wenn die Geschichte – und Aristoteles gibt wenig auf sie – nicht neue Kräfte und Bedingungen entwickelte, war gegenüber den Aufgaben, die dem Sieger in Asien erwuchsen, des tiefen Denkers Rat doktrinär, unbrauchbar für das drängende, augenblickliche, praktische Bedürfnis, am wenigsten geeignet, einen möglichen, geschweige denn einen moralisch zu rechtfertigenden Zustand zu gründen. Der Philosoph wollte nur die Summe des Bisherigen erhalten und fortsetzen; der König sah in der unermeßlichen Wandelung, in dieser Revolution, die das Ergebnis und die Kritik des Bisherigen war, die Elemente einer neuen Gestaltung, die über jenen Schematismus hinausgehen, in der jene angeblichen Naturnotwendigkeiten durch die Macht der fortschreitenden Geschichte überwunden werden sollten.
Wenn das Zusammenbrechen der persischen Macht ein Beweis war, daß sie sich und ihre Lebenskraft völlig erschöpft hatte, war denn das hellenische Wesen schließlich mit seiner Freiheit und dem Trugbild der besten Verfassung in besseren Zuständen? War es auch nur stark genug gewesen, sich der beschämenden Abhängigkeit von der persischen Politik, sich der drohenden Invasionen der Barbaren des Nordens zu erwehren, so lange jede Stadt nur ihrer Freiheit und ihrer Lust, über andere Herr zu sein, gelebt hatte? Und selbst die Makedonen, hatten sie auch nur irgendeine Bedeutung, auch nur Sicherheit in ihren eigenen Grenzen gehabt, bevor sich ihr Königtum entschlossen und stark emporrichtete, sie lehrte und sie zwang, nicht bloß zu sein und zu bleiben, wie sie so lange gewesen waren? Wenn Alexander seines Lehrers Politik las, so fand er da eine Stelle bedeutsamer Art; es ist die Rede von der Gleichheit der Rechte und Pflichten unter den Genossen des Staates, und daß in ihr das Wesen der besten Staatsordnung beruhe: ›Ist aber einer durch so überlegene Tüchtigkeit ausgezeichnet, daß die Tüchtigkeit und die politische Macht der anderen mit der dieses einzelnen nicht vergleichbar ist, dann kann man ihn nicht mehr als Teil ansehen; man würde dem an Tüchtigkeit und Macht in solchem Maß Ungleichen Unrecht tun, wenn man ihn als gleich setzen wollte; ein solcher wäre wie ein Gott unter Menschen; daraus ergibt sich, daß auch die Gesetzgebung notwendig sich auf die, welche an Geburt und Macht gleich sind, beschränkt; aber für jene gibt es kein Gesetz, sie selbst sind Gesetz; wer für sie Gesetze geben wollte, würde lächerlich werden; sie würden vielleicht so antworten, wie bei Antisthenes die Löwen, als in der Tierversammlung die Hasen eine Rede hielten und forderten, daß alle gleichen Teil erhalten müßten.‹
So Aristoteles' Anschauungen; gewiß waren sie von ihm ohne alle persönliche Beziehung gemeint; aber wer sie las, konnte er anders, als dabei an Alexander denken? ›Daß dieses Königs Geist über das menschliche Maß großgeartet gewesen sei‹, sagt Poybios, ›darin stimmen alle überein.‹ Seine Willensstärke, seinen weiten Blick, seine intellektuelle Überlegenheit bezeugen seine Taten und die strenge, ja starre Folgerichtigkeit ihres Zusammenhanges. Was er gewollt, wie er sein Werk sich gedacht hat – und das gerechte Urteil wird nur diesen Maßstab anlegen wollen –, nur auf Umwegen, nur aus dem, was ihm davon zu verwirklichen gelang, ist es annähernd zu erkennen. Alexander stand in der Höhe der Bildung, der Erkenntnisse seiner Zeit; er wird von dem Beruf des Königs nicht minder groß gedacht haben, als der ›Meister derer, welche wissen‹. Aber ihm wird nicht wie seinem großen Lehrer in der Konsequenz des Gedankens der Monarchie und des ›Wächteramtes des Monarchen‹ gelegen haben, die Barbaren wie Tiere und Pflanzen behandeln zu müssen, noch wird er gemeint haben, daß seine Makedonen darum von seinem Vater her zu den Waffen erzogen seien, damit sie, wie der Philosoph es aussprach, ›Herren über die seien, denen es gebühre, Sklaven zu sein‹, noch weniger, daß erst sein Vater, dann er die Hellenen zu der korinthischen Föderation gezwungen habe, damit sie das wehrlos gemachte Asien mit ihrer raffinierten Selbstsucht und ihrer dreisten Anstelligkeit ausbeuten und aussaugen könnten.
Er hatte Asien furchtbar getroffen; er wird des Speeres seines Ahnherrn Achill gedacht, er wird das Charisma des echten Königsspeeres darin erkannt haben, daß es die Wunde, die es geschlagen, auch heile. Mit der Vernichtung des alten Reiches, mit dem Ende des Dareios war er der Erbe der Macht über zahllose Völker, die bisher als Sklaven beherrscht worden waren; es war ein echtes Königswerk, sie zu befreien, so weit sie frei zu sein verstanden oder lernen konnten, sie in dem, was sie Löbliches und Gesundes hatten, zu erhalten und zu fördern, in dem, was ihnen heilig und ihr Eigenstes war, zu ehren und zu schonen. Er mußte sie zu versöhnen, zu gewinnen wissen, um sie selbst zu Mitträgern des Reiches zu machen, das sie mit der hellenischen Welt fortan vereinigen sollte; in dieser Monarchie mußte mit dem errungenen Siege nicht mehr von Siegern und Besiegten die Rede sein, sie mußten den Unterschied von Hellenen mit Barbaren vergessen machen. Gelang es ihm, die Bewohner dieses weiten west-östlichen Reiches so zu einem Volke zu verschmelzen, daß sie sich mit ihren Begabungen und Mitteln gegenseitig ergänzten und ausglichen, ihnen inneren Frieden und sichernde Ordnungen zu schaffen, sie die ›Kunst der Muße‹ zu lehren, ohne damit ›wie das Eisen die Stählung‹ zu verlieren, so konnte er meinen, ein großes und ›wohltätiges Werk‹ geschaffen zu haben, ein solches, wie nach Aristoteles' Wort zur wahren Begründung des Königtums notwendig ist. War es sein Ehrgeiz, sein Siegespreis, sein Enthusiasmus, ein west-östliches Reich hellenistischer Art zu schaffen, ›die Monarchie‹, wie es spätere Zeiten nach der Vision des Propheten genannt haben, ›von den Persern auf die Hellenen zu übertragen‹, so wies ihm die Notwendigkeit der Dinge mit jedem Tage deutlicher und zwingender die Wege, die er einschlagen müsse, das begonnene Werk hinauszuführen.
Es lagen auf diesem Wege Schwierigkeiten unermeßlicher Art, Willkürlichkeiten, Gewaltsamkeiten, Unnatürlichkeiten, die das Begonnene unmöglich zu machen schienen. Sie machten ihn nicht stutzen; sie steigerten nur die Heftigkeit seines Willens, die stiere Selbstlosigkeit seines Handelns. Das Werk, das er in der Begeisterung seiner Jünglingsjahre begonnen hatte, beherrschte ihn; lawinenhaft wachsend riß es ihn hin, Zerstörung, Verwüstung, Leichenfelder bezeichneten seine Bahn; mit der Welt, die er besiegte, verwandelte sich sein Heer, seine Umgebung, er selbst. Er stürmte weiter, er sah nur sein Ziel, in diesem sah er seine Rechtfertigung.
Er durfte glauben, daß sich die Notwendigkeit dessen, was er wollte, von selbst ergeben, aus dem, was geschah, auch dem Nichtwollenden sich überzeugend aufdrängen werde. Mochte sein hellenistisches Reich vorerst in der Form sich wenig von dem der Achämeniden unterscheiden, der wesentliche und in seinen Folgen unabsehbare Unterschied lag in der neuen Kraft, die er dem asiatischen Leben zuführte; was die Waffensiege begonnen hatten, konnte er dem durchgebildeten, aufgeklärten, unendlich beweglichen und quellenden Geiste des Griechentums ruhig weiter wirkend zu vollenden überweisen. Für den Moment kam alles darauf an, die Elemente, die sich mischen und durchgären sollten, einander zu nähern und aneinander zu binden. Die asiatische Art war passiver, mißtrauischer, in ihrer Masse schwerfälliger und verstockter; von der Schonung, mit der man sie behandelte, von dem Verständnis ihrer Eigenart und ihres Vorurteils, von ihrer völligen Fügsamkeit hing für den Anfang die Existenz des neuen Reiches ab. Auch sie mußten in Alexander ihren König sehen; er war zunächst und allein die Einheit des weiten Reiches, der Kernpunkt, um den sich die neue Kristallisation bilden sollte. Wie er ihren Göttern geopfert und Feste gefeiert hatte, so wollte er auch in seiner Umgebung, in den Festen seines Hoflagers zeigen, daß er auch den Asiaten angehöre. Seit dem Ende des Dareios begann er, die Asiaten, die zu ihm kamen, im asiatischen Kleide und mit asiatischem Zeremoniell zu empfangen, die nüchterne Alltäglichkeit des makedonischen Feldlagers mit dem blendenden Pomp des morgenländischen Hoflebens abwechseln zu lassen; der nächste Tag sah ihn wieder an der Spitze der Makedonen im Kampf voran, unermüdlich bei Strapazen, voll Sorge und Umsicht für die Truppen, jedem einzelnen entgegenkommend und zugänglich.
In keiner Zeit war die makedonische Art besonders fügsam gewesen; der Krieg und die unermeßlichen Erfolge, die er gebracht, hatte den harten und stolzen Sinn dieser Hetairen nur noch gesteigert. Nicht alle begriffen, wie Hephaistion, die Absichten und die Politik ihres Königs, oder hatten, wie Krateros, Hingebung und Selbstverleugnung genug, dieselbe um der Diensttreue willen zu unterstützen; die meisten verkannten und mißbilligten, was der König tat oder unterließ. Während Alexander alles versuchte, um die Besiegten zu gewinnen und sie in den Makedonen ihre Sieger vergessen zu lassen, hielten viele in ihrem Hochmut und ihrer Selbstsucht ein Verhältnis gänzlicher Unterwürfigkeit zur Grundlage aller weiteren Einrichtungen für unerläßlich, nahmen als sich von selbst verstehend zu der despotischen Machtvollkommenheit der früheren Satrapen noch das grausame Gewaltrecht von Eroberern in Anspruch. Während Alexander den Kniefall der persischen Großen und die Adoration, die ihm die Morgenländer schuldig zu sein glaubten, mit derselben Huld empfing, wie die Ehrengesandtschaften der Griechen und den soldatischen Zuruf seiner Phalangen, hätten sie sich gern als die gleichen ihres Königs, alles andere tief unter sich im Staube der Unterwürfigkeit gesehen; und während sie sich selbst, so viel es das Kriegslager und die Nähe ihres laut mißbilligenden Königs gestattete, der ganzen Üppigkeit und Zügellosigkeit des asiatischen Lebens ohne anderen Zweck als den des verwildertsten Genusses hingaben, verargten sie ihrem Könige das medische Kleid und den persischen Hofstaat, in dem ihn die Millionen Asiens als ihren Gott-König erkannten und anbeteten. So waren viele der makedonischen Großen im bösesten Sinne des Wortes zu Asiaten geworden, und der asiatische Hang zur Despotie, Kabale und Ausschweifung vereinigte sich mit jenem makedonischen Übermaß von Heftigkeit und Selbstgefühl, das sie, noch immer nach Ruhm begierig, im Kampf tapfer, zu jedem Wagnis bereit machte.
Sobald Alexander morgenländisches Wesen in seine Hofhaltung aufzunehmen begann, persische Große um sich versammelte, sie mit gleicher Huld und Freigebigkeit wie die Makedonen an sich zog, mit gleichem Vertrauen auszeichnete, mit wichtigen Aufträgen ehrte, mit Satrapien belehnte, war es natürlich, daß die makedonischen Großen, als geschähe ihnen Abbruch und Erniedrigung, auf dies asiatische Unwesen, das der König begünstigte, ihren Abscheu wandten und dem gegenüber sich als die Vertreter des alten und echten makedonischen Wesens fühlten. Viele, besonders die älteren Generale aus Philipps Zeit, verhehlten ihre Mißgunst gegen die Perser, ihr Mißtrauen gegen Alexander nicht; sie bestärkten und steigerten sich gegenseitig in dem Ärger, zurückgesetzt und von dem, der ihnen alles danke, undankbar behandelt zu sein; jahrelang hätten sie kämpfen müssen, um jetzt die Frucht ihrer Siege in die Hände der Besiegten übergeben zu sehen; der König, der jetzt die persischen Großen wie ihresgleichen behandele, werde sie selbst bald wie diese einstigen Sklaven des Perserkönigs behandeln; Alexander vergesse den Makedonen, man müsse auf seiner Hut sein.
Der König kannte diese Stimmung vieler Generale; seine Mutter, so wird berichtet, habe ihn wiederholt gewarnt, ihn beschworen, vorsichtig gegen die Großen zu sein, ihm Vorwürfe gemacht, daß er zu vertraut und zu gnädig gegen diesen alten Adel Makedoniens sei, daß er mit überreicher Freigebigkeit aus Untertanen Könige mache, ihnen Freunde und Anhang zu gewinnen Gelegenheit gebe, sich selbst seiner Freunde beraube. Alexander konnte sich nicht verhehlen, daß selbst unter seiner nächsten Umgebung viele seine Schritte mit Mißtrauen oder Mißbilligung betrachteten; in Parmenion war er gewohnt, einen steten Warner zu haben; von dessen Sohn Philotas wußte er, daß er seine Einrichtungen unverhohlen gemißbilligt, ja über seine Person sich in sehr schonungsloser Weise geäußert habe; er hielt es dem heftigen und finsteren Sinne des sonst tapferen und im Dienst unermüdlichen Hipparchen zugute; tiefer kränkte es ihn, daß selbst der schlichte und hochherzige Krateros, den er vor allen hoch achtete, nicht immer mit dem, was geschah, einverstanden war, daß selbst Kleitos, der das Agema der Ritterschaft führte, sich mehr und mehr ihm entfremdete. Immer deutlicher trat unter den makedonischen Generalen eine Spaltung hervor, die, wenn auch für jetzt ohne bedeutende Folgen, doch die Stimmungen verbitterte und selbst im Kriegsrat schon in peinlicher Gereiztheit hervorbrach; die Heftigeren wollten den Krieg beendet, das Heer aufgelöst, die Beute verteilt sehen; nicht ohne ihre Einwirkung schien auch im Heer das Verlangen nach der Heimat laut und lauter zu werden.
So steigerte sich die Mißstimmung; schon wurde mit Geschenken, mit Nachsicht und Vertrauen der König ihrer nicht mehr Herr. Es konnte und durfte nicht lange in dieser Weise fortgehen; die Kriegszucht des Heeres und die Parition der Offiziere, das waren die ersten Bedingungen nicht bloß für das Gelingen der militärischen Unternehmungen, sondern auch für die Erhaltung des schon Gewonnenen und die Sicherheit der Armee selbst; wenn sich Alexander von Krateros, Kleitos, Philotas, Parmenion, von den Hetairen auch keiner Tat gewärtig sein mochte, so mußte er des Beispiels und der schon unsicheren Stimmung im Heere wegen eine Krisis herbeiwünschen, die ihm die Faktion offen gegenüberstellte und sie niederzutreten Gelegenheit bot.
Alexander rastete im Herbst des Jahres 330 mit seinem Heere in der Hauptstadt des Drangianerlandes; Krateros war von dem baktrischen Wege her wieder zu ihm gestoßen; auch Koinos, Perdikkas und Amyntas mit ihren Phalangen, auch die makedonische Ritterschaft des Philotas und die Hypaspisten waren um ihn; ihr Führer Nikanor, Philotas' Bruder, war vor kurzem gestorben, dem Könige ein schmerzlicher Verlust; durch den Bruder hatte er ihn feierlich bestatten lassen. Ihr Vater Parmenion stand mit den meisten der übrigen Truppen im fernen Medien, die Straße nach der Heimat und die reichen Schätze des Perserreiches zu hüten; im nächsten Frühling sollte er wieder zu der großen Armee stoßen. »Da erhielt Alexander die Anzeige von dem Verrat des Philotas«, sagt Arian und führt dann summarisch an, wie gegen denselben verfahren worden sei. Ausführlicher hat die Quelle, der Diodoros, Curtius, Plutarch folgen, die Sache erzählt, ob der Wahrheit entsprechend, mag dahingestellt bleiben. Sie sagen im wesentlichen Folgendes:
Unter den Mißvergnügten in des Königs Umgebung war Dimnos aus Chalaistra in Makedonien. Er vertraute dem Nikomachos, mit dem er in Buhlschaft lebte, daß er von dem Könige an seiner Ehre gekränkt, daß er entschlossen sei, sich zu rächen; vornehme Personen seien mit ihm einverstanden, allgemein werde eine Änderung der Dinge gewünscht; der König, allen verhaßt und im Wege, müsse beseitigt werden; in drei Tagen werde er tot sein. Für des Königs Leben besorgt, aber zu scheu, ihm so Großes selbst zu enthüllen, teilt Nikomachos den verruchten Plan seinem Bruder Kebalinos mit, und beschwört ihn, mit der Anzeige zu eilen. Der Bruder begibt sich ins Schloß, wo der König wohnt; um alles Aufsehen zu meiden, wartet er am Eingang, bis einer der Strategen herauskomme, dem er die Gefahr entdecken könne. Philotas ist der erste, den er sieht; ihm sagt er, was er erfahren, er macht ihn verantwortlich für die schleunige Meldung und für das Leben des Königs. Philotas kehrt zum Könige zurück, er spricht mit ihm von gleichgültigen Dingen, nicht von der nahen Gefahr; auf Kebalinos Fragen, der ihn am Abend aufsucht, antwortet er, es habe sich nicht machen wollen, am nächsten Tage werde noch Zeit genug sein. Doch auch am andern Tage schweigt Philotas, obschon mehrfach mit dem Könige allein. Kebalinos schöpft Verdacht; er wendet sich an Metron, einen der königlichen Knaben, er teilt ihm die nahe Gefahr mit, fordert von ihm eine geheime Unterredung mit dem Könige. Metron bringt ihn in das Waffenzimmer Alexanders, sagt diesem während des Bades von dem, was Kebalinos ihm entdeckt, läßt dann ihn selbst hervortreten. Kebalinos vervollständigt den Bericht, sagt, daß er nicht Schuld an der Verzögerung dieser Anzeige sei, und daß er diese, bei dem auffallenden Benehmen des Philotas und der Gefahr weiterer Verzögerung, unmittelbar an den König machen zu müssen geglaubt habe. Alexander hört ihn nicht ohne tiefe Bewegung; er befiehlt sofort Dimnos festzunehmen. Der sieht die Verschwörung verraten, seinen Plan vereitelt, er entleibt sich. Dann wird Philotas zum Könige beschieden; er versichert, die Sache für eine Prahlerei des Dimnos und nicht der Rede wert gehalten zu haben, er gesteht, daß Dimnos' Selbstmord ihn überrasche, der König kenne seine Gesinnung. Alexander entläßt ihn, ohne Zweifel an seiner Treue zu äußern, er ladet ihn ein, auch heute nicht bei Tafel zu fehlen. Er beruft einen geheimen Kriegsrat, teilt da das Geschehene mit. Die Besorgnis der treuen Freunde vermehrt des Königs Verdacht eines weiteren Zusammenhanges und seine Unruhe über Philotas rätselhaftes Benehmen; er befiehlt das strengste Stillschweigen über diese Verhandlung; er bescheidet Hephaistion und Krateros, Koinos und Erigyios, Perdikkas und Leonnatos zu sich, die weiteren Befehle zu empfangen. Zur Tafel versammeln sich die Getreuen bei dem Könige, auch Philotas fehlt nicht; man trennt sich spät am Abend. Um Mitternacht kommen jene Generale, von wenigen Bewaffneten begleitet; der König läßt die Wachen im Schloß verstärken, läßt die Tore der Stadt, namentlich die nach Ekbatana führenden, besetzen; sendet einzelne Kommandos ab, diejenigen, die als Teilnehmer der Verschwörung bezeichnet sind, in der Stille festzunehmen, schickt endlich 300 Mann zu Philotas' Quartier, mit dem Befehl, erst das Haus mit einer Postenreihe zu umstellen, dann einzudringen, den Hipparchen festzunehmen und ins Schloß zu bringen. So vergeht die Nacht.
Am andern Morgen wird das Heer zur Versammlung berufen. Niemand ahnt, was geschehen; dann tritt der König selbst in den Kreis: er habe das Heer nach makedonischer Sitte zum Gericht berufen, ein hochverräterischer Plan gegen sein Leben sei an den Tag gekommen. Nikomachos, Kebalinos, Metron legen Zeugnis ab, der Leichnam des Dimnos ist die Bestätigung ihrer Aussage. Dann bezeichnet der König die Häupter der Verschwörung: an Philotas sei die erste Anzeige gebracht, daß am dritten Tage der Mord geschehen solle; obschon er täglich zweimal in das Königliche Schloß komme, habe er den ersten, den zweiten Tag kein Wort geäußert; dann zeigt er Briefe des Parmenion, in denen der Vater seinen Söhnen Philotas und Nikanor rät: »Sorgt erst für euch, dann für die Euren, so werden wir erreichen, was wir bezwecken«; er fügt hinzu, daß diese Gesinnungen durch eine Reihe von Tatsachen und Äußerungen bestätigt und Zeugnis für das schnödeste Verbrechen seien; schon bei König Philipps Ermordung habe Philotas sich für den Prätendenten Amyntas entschieden; seine Schwester sei Gemahlin des Attalos gewesen, der ihn selbst und seine Mutter Olympias lange verfolgt, ihn von der Thronfolge zu verdrängen gesucht, sich endlich, mit Parmenion nach Asien vorausgesandt, empört habe; trotzdem sei diese Familie von ihm mit jeder Art von Auszeichnung und Vertrauen geehrt worden; schon in Ägypten habe er von den frechen und drohenden Äußerungen, die Philotas gegen die Hetäre Antigone oft wiederholt, sehr wohl gewußt, aber sie seinem heftigen Charakter zugute gehalten; dadurch sei Philotas nur noch herrischer und hochfahrender geworden; seine zweideutige Freigebigkeit, seine zügellose Verschwendung, sein wahnsinniger Hochmut hätten selbst den Vater besorgt gemacht und denselben zu der häufigen Warnung, sich nicht zu früh zu verraten, veranlaßt; längst hätten sie nicht mehr dem Könige treulich gedient und die Schlacht von Gaugamela sei fast durch Parmenion verloren worden; seit Dareios Tode aber seien ihre verräterischen Pläne gereift, und während er fortgefahren, ihnen alles anzuvertrauen, hätten sie den Tag seiner Ermordung bestimmt, die Mörder gedungen, den Umsturz alles Bestehenden vorbereitet. Mit der tiefsten Bestürzung, so sagt die Schilderung des Vorganges, haben die Makedonen den König angehört; daß dann Philotas gebunden vorgeführt wird, bewegt sie nicht minder, erweckt ihr Mitleid; der Strateg Amyntas ergreift das Wort gegen den Schuldigen, der ihnen allen mit dem Leben des Königs die Hoffnung der Heimkehr vernichtet haben würde. Dann noch heftiger der Strateg Koinos, des Philotas Schwager, schon hat er einen Stein ergriffen, das Gericht nach makedonischer Sitte zu beginnen; der König hält ihn zurück: erst müsse Philotas sich verteidigen; er selbst verläßt die Versammlung, um nicht durch seine Gegenwart das Recht der Verteidigung zu beeinträchtigen. Philotas leugnet die Wahrheit der Beschuldigungen; er verweist auf seine, seines Vaters, seiner Brüder treue Dienste; er gesteht, die Anzeige des Kebalinos verschwiegen zu haben, um nicht als nutzloser und lästiger Warner zu erscheinen, wie sein Vater Parmenion in Tarsos, als er vor der Arzenei des akarnanischen Arztes gewarnt habe; aber Haß und Furcht foltere stets den Despoten, und da sei es ja, was sie alle beklagten. Unter der heftigsten Aufregung entscheiden die Makedonen, daß Philotas und die übrigen Verschworenen des Todes schuldig seien; der König vertagt das Gericht bis zum folgenden Tage.
Noch fehlt das Geständnis des Philotas, das zugleich über die Schuld seines Vaters und der Mitverschworenen Licht verbreiten muß; der König beruft einen geheimen Rat; die meisten verlangen das Todesurteil sofort zu vollstrecken; Hephaistion, Krateros, Koinos raten, erst das Geständnis zu erzwingen; dafür entscheidet sich die Stimmenmehrheit; die drei Strategen erhalten den Auftrag, bei der Folter gegenwärtig zu sein. Unter den Martern bekennt Philotas, daß er und sein Vater von Alexanders Ermordung gesprochen, daß sie diese bei Dareios' Lebzeiten nicht gewagt hätten, da nicht ihnen, sondern den Persern der Vorteil davon zugefallen wäre, daß er, Philotas, mit der Vollstreckung geeilt habe, ehe sein Vater durch den Tod, dem sein greises Leben nahe sei, dem gemeinschaftlichen Plane entrissen würde, daß er diese Verschwörung ohne Vorwissen des Vater angestiftet. Mit diesen Zeugnissen tritt der König am nächsten Morgen in die Versammlung des Heeres; Philotas wird vorgeführt und von den Lanzen der Makedonen durchbohrt.
Auch die besten Quellen, denen Arrian, Ptolemaios und Aristobulos folgen, bestätigen, daß schon in Ägypten Anzeigen von den verräterischen Plänen des Philotas an den König gebracht worden seien, daß dieser sich bei der Freundschaft, die zwischen ihm und Philotas bestanden, bei der hohen Achtung, die er dem Vater Parmenion stets bezeugt, nicht habe entschließen können, sie zu glauben. Ptolemaios bezeugt, daß der König selbst vor versammeltem Kriegsvolk die Anklage gesprochen, daß Philotas sich verteidigt habe, daß namentlich die Verheimlichung der Anzeige ihm als Verbrechen angerechnet worden sei. Die Folter erwähnt er nicht.
Auch Parmenion war des Todes schuldig erkannt worden. Es erschien notwendig, das Urteil so schnell wie möglich zu vollstrecken; er stand an der Spitze einer bedeutenden Truppenmasse, die er bei seinem großen Ansehen im Heere und mit den Schätzen, die ihm zur Bewachung anvertraut waren und die sich auf viele tausend Talente beliefen, leicht zu dem Äußersten bringen konnte; selbst wenn er an der Verräterei seines Sohnes keinen unmittelbaren Anteil hatte, schien nach dessen Hinrichtung das Schlimmste möglich. Er stand in Ekbatana, 30 bis 40 Märsche entfernt; was konnte, wenn er sich empörte, in dieser Zeit geschehen? Der König durfte bei solchen Umständen nicht sein Begnadigungsrecht üben, er durfte nicht wagen, den Feldherrn offenbar und inmitten der so leicht irrezuführenden Truppen verhaften zu lassen; Polydames, aus der Schar der Hetairen, wurde nach Ekbatana an Sitalkes, Menidas und Kleandros gesandt, mit dem schriftlichen Befehl des Königs, Parmenion in der Stille aus dem Wege zu räumen. Auf schnellen Dromedaren, von zwei Arabern begleitet, kam Polydamas mit der zwölften Nacht in Ekbatana an; der thrakische Fürst und die beiden makedonischen Befehlshaber entledigten sich sofort ihres Auftrages.
In Prophthasia gingen indes die Untersuchungen weiter. Auch Demetrios, einer der sieben Leibwächter, wurde, der Verbindung mit Philotas verdächtig, gefangen gesetzt; Ptolemaios, des Lagos Sohn, erhielt seine Stelle. Die Söhne des Tymphaiers Andromenes waren dem Philotas sehr befreundet gewesen, und Polemon, der jüngste der Brüder, der in einer Ile der Ritterschaft stand, hatte sich sobald er von der Gefangennehmung seines Hipparchen Philotas gehört, in blinder Angst auf die Flucht begeben; seine und seiner Brüder Teilnahme an der Verschwörung erschien um so glaublicher. Amyntas, Simmias, Attalos, alle drei Strategen der Phalangiten, wurden vorgeführt, namentlich gegen Amyntas mehrfache Beschuldigungen geltend gemacht. Dieser verteidigte sich und seine Brüder dergestalt, daß die Makedonen ihn aller Schuld freisprachen; dann bat er um Vergünstigung, seinen entflohenen Bruder zurückbringen zu dürfen; der König gestattete es; er reiste noch desselben Tages ab und brachte Polemon zurück; dies und der rühmliche Tod, den Amyntas bald darauf in einem Gefecht fand, benahmen dem Könige den letzten Verdacht gegen die Brüder, die fortan von ihm auf mannigfache Weise ausgezeichnet wurden.
Bemerkenswert ist, daß bei Gelegenheit dieser Untersuchungen die Sache des Lynkestiers Alexandros, der vier Jahre früher in Kleinasien einen Anschlag auf des Königs Leben gemacht hatte, damals aber auf ausdrücklichen Befehl des Königs nur festgenommen war, jetzt zur Sprache gebracht wurde. Mag es wahr sein, daß das Heer seine Hinrichtung forderte, dem Könige konnte es notwendig scheinen, einen Mann, den er mit Rücksicht auf seine Verschwägerung mit dem Reichsverweser in Makedonien bisher der gerechten Strafe vorenthalten, dem jetzt geforderten Urteil des Heeres zu überantworten. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß neue Anlässe hinzukamen, gerade jetzt ihn vor Gericht zu stellen; leider berichten unsere Quellen nichts Genaueres. Aber wenn Philotas eingestanden, daß der Zweck der Verschwörung Alexanders Ermordung gewesen sei, so mußte die erste und im voraus bedachte Frage sein, wer nach ihm das Diadem tragen solle; der zunächst Berechtigte war Arrhidaios, König Philipps Sohn; aber auch wenn er mit beim Heere war, es konnte niemanden einfallen, die Gewalt einem so gut wie Blödsinnigen zu übergeben; ebensowenig, einem zum Königtum völlig Unberechtigten, etwa Parmenion oder seinem Sohn oder einem anderen der Generale das Diadem zu übertragen; der Lynkestier konnte den Verschworenen um so geeigneter dazu scheinen, als Antipatros, auf den gewiß besondere Rücksicht zu nehmen war, durch die Erhebung seines Eidams für die neue Ordnung der Dinge, so mochte man meinen, gewonnen werden konnte. Vielleicht darf erwähnt werden, daß Antipatros, sobald er von den Vorgängen in Prophthasia und Ekbatana unterrichtet war, Schritte getan zu haben scheint, die ohne solchen Zusammenhang unbegreiflich wären; es wird erzählt, daß er mit den Aitolern, die Alexander wegen Zerstörung der ihm ergebenen Stadt Oiniadai auf das strengste zu züchtigen befohlen hatte, insgeheim Unterhandlungen angeknüpft habe; eine Vorsicht, die für den Augenblick keine weitere Wirkung hatte, aber dem Könige nicht unbekannt blieb und, so wurde geglaubt, sein Mißtrauen in einer Weise erregte, die, wenn auch erst nach Jahren, ihren Ausdruck finden sollte.
So endete dieser trostlose Handel, trostlos auch, wenn das Gericht über Philotas gerecht, die Ermordung Parmenions eine politische Notwendigkeit gewesen war. Es macht das Geschehene nicht erträglicher, wenn Philotas nach den Überlieferungen bei aller persönlichen Tapferkeit und Kriegstüchtigkeit gewaltsam, selbstsüchtig, tückisch gewesen sein, wenn der Vater selbst ihn gemahnt haben soll, vorsichtiger, minder hochfahrend zu sein; noch weniger, wenn Parmenion auch in seinen dienstlichen Beziehungen sich mehrfach des Königs Tadel zugezogen haben soll. Mochte der König meinen, von seinen höchsten Offizieren die strengste Parition fordern, inmitten des Krieges die Zügel der Disziplin doppelt scharf anziehen zu müssen, – daß er in den Kreisen der Höchstkommandierenden zu strafen fand und so strafen zu müssen glaubte, war ein bedenkliches Symptom für den Zustand seines Heeres und eine erste schlimme Scharte in dem bisher so festen und scharf gefugten Instrument seiner Macht, dem einzigen, das sein Werk und seine Erfolge verbürgte.
Seine Spannkraft und sein imperatorischer Geist wird die zerrüttenden Nachwirkungen dieser Vorgänge zu bewältigen, rasch und völlig die erregten Truppen wieder in die Hand zu bekommen verstanden haben. Aber daß Philotas, daß Parmenion dieser Armee fehlten, war und blieb ein unersetzlicher Schade, ein dauernder Flecken.
Es mag dahingestellt bleiben, ob in den bezeichneten Zusammenhang auch die weiteren Formationsveränderungen zu rechnen sind, die wenigstens teilweise in diese Winterrast fallen, oder ob sie mehr noch von der sich verändernden militärischen Aufgabe veranlaßt wurden.
Seit dem Ende des Dareios gab es in den bisher persischen Landen keine organisierte feindliche Kriegsmacht mehr; es konnten noch da und dort Massen aufgeboten und ins Feld geführt werden, aber sie hatten nicht mehr die feste Formation des persischen Reichsheeres, auf das Alexander beim Beginn des Kampfes seine Armee zusammengestellt hatte, weder die Haustruppen der Großkönige und die Kardaker, noch einen Kern hellenischer Söldner und deren taktische Übung. Der weitere Krieg mußte sich wesentlich auf den Kampf gegen lose Massen, auf deren Sprengung, rasche Verfolgung, jede Art des kleinen Krieges einrichten. Es mußten die Truppenkörper so formiert werden, daß sich aus ihnen mit Leichtigkeit Armeen im Kleinen zusammenstellen ließen, sie mußten beweglicher, in ihrer Taktik noch mehr als bisher aggressiv werden, die leichten Truppen mußten eine noch größere Ausdehnung erhalten. Endlich war es notwendig, Fürsorge zu treffen, daß auch asiatische Aushebungen zur Verwendung kommen konnten, nicht bloß um die Masse des Heeres zu vergrößern und in dem Maß, als man sich von den Rekrutierungen aus der Heimat entfernte, näheren Ersatz zu schaffen.
Schon im Winter vorher waren die Ilen der Ritterschaft zu je zwei Lochen formiert, deren jeder seinen Lochagen erhielt; jetzt wurden je acht dieser Lochen zu einer Hipparchie vereint, so daß es fortan, wenn der moderne Ausdruck erlaubt ist, zwei Regimenter dieser schweren Kavallerie zu acht immerhin schwächeren Schwadronen gab. Die eine Hipparchie erhielt Kleitos, des Dropides Sohn, der bisher die königliche Ile der Ritterschaft geführt hatte, der ›schwarze Kleitos‹, die zweite Hephaistion. Bereits in dem Feldzuge des nächsten Jahres ist die Zahl der Hipparchien weiter vermehrt.
In gleicher Weise sind die Söldnerreiter, die 400 Mann stark unter Menidas 331 zum Heere gekommen waren, so vermehrt worden, daß sie mehr als eine Hipparchie bilden.
So ist auch eine Waffe der Akontisten zu Pferd eingerichtet, ihre Zahl ist nicht mehr zu erkennen.
Die nicht minder bedeutenden Veränderungen in der Formation des Fußvolkes, die in dem indischen Feldzuge hervortreten, scheinen erst nach den großen Verstärkungen, die das Heer in Baktrien erhielt, durchgeführt zu sein.
Noch in Persepolis hatte der König Befehl in die Satrapien gesandt, junge Mannschaften auszuheben, im ganzen 30 000 Mann, die nach makedonischer Art zum Dienst ausgebildet und dann als ›Epigonen‹ in die Armee eingestellt werden sollten. Aber schon demnächst, bei seinem zweijährigen Aufenthalt in den baktrischen Landen nahm er Baktrier, Sogdianer, Paropamisaden usw. namentlich als Reiter in Dienst.
Mit einem Wort, das Heer des Königs, bisher aus Makedonen, Hellenen und europäischen Barbaren bestehend, begann sich in dem hellenistischen Charakter, den Alexander seinem Reiche geben wollte, zu entwickeln; und während überall in den Mittelpunkten der Satrapien mehr oder weniger starke makedonisch-hellenische Garnisonen zurückblieben und sich, so dauernd angesiedelt, aus der bloß militärischen Ordnung auch zu zivilen Gemeinwesen, zu Politien nach hellenischer Art umbildeten, mußten in der Feldarmee die eingereihten Asiaten durch die militärische Gemeinschaft und Disziplin sich zu hellenisieren beginnen.
Diese Feldarmee war doch nicht bloß ein militärischer Körper; sie umschloß noch andere Elemente, andere Funktionen; sie bildete eine höchst eigentümliche Welt für sich. Das Feldlager war zugleich das Hoflager, umschloß die zentrale Verwaltung des ungeheuren Reiches, dessen oberster Zivildienst, das Kassawesen, die Intendanturgeschäfte, die Vorräte für Bewaffnung und Bekleidung der Armee, für den Unterhalt der Menschen und Tiere, den Lazarettdienst; mit dem Heere zogen Händler, Techniker, Lieferanten, Spekulanten aller Art, nicht wenige Literaten, nicht bloß die zum Unterricht der jungen Herren von Adel bestimmten; auch Gäste, hellenische und Asiaten, Laien und priesterliche; an einem Troß von Weibern wird es nicht gefehlt haben; wenn der Lynkestier Alexandros seit den Vorgängen in Pisidien gefangen dem Heere folgte, so wird auch der schwachsinnige Arrhidaios, Philipps Bastard, nicht zurückgelassen sein. Kurz, dies Feld- und Hoflager war gleichsam wie die bewegliche Residenz des Reichs, der mächtige und mächtig pulsierende Schwer- und Mittelpunkt desselben, der sich von einem Lande zum andern schob und weilend wie weitereilend sein Machtgewicht wirken ließ.
Vielleicht darf an dieser Stelle noch ein anderer Punkt angeführt werden, auf den die Natur der Sache zu führen scheint. Alexanders Truppen waren in der Bekleidung ausgezogen, welche dem Klima und der Landessitte der Heimat entsprach; war sie für die doch sehr anderen Verhältnisse Irans, Turans, Indiens, für die Strapazen endloser Märsche, für die unvermeidlichen schroffen Wechsel der Ernährung, für Sonnenglut, Winterwetter im Hochgebirge, bald tropischer Regenmonate in gleichem Maße angemessen? Ergab nicht die Fürsorge für die Gesundheit der Mannschaften die Notwendigkeit, den Leib mit dichter schließenden Kleidungen warm zu halten, den Schädel vor Sonnenstich zu schützen, die Beine einzuhüllen, die Füße besser als mit Sandalen oder niederen Schuhen zu schützen? Vielleicht nach der Art, wie man sie bei den Völkern dort in Gebrauch sah? Ist das vielleicht die Einführung asiatischer Tracht, die dem Könige zu schwerem Vorwurf gemacht wird? Freilich, in der Dürftigkeit unserer Überlieferungen findet sich auf diese, wie auf so viele Fragen keine Antwort.