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Wilmshus liegt versunken im tiefen Schnee. Zeitig ist der Winter hereingebrochen und hat den öden Pachthof völlig verschneit. Und doch regt sich Leben in der weltabgeschiedenen Besitzung. Seit die Kranke, von Hedwig begleitet, in dem fernen Solbad weilt, ist der lastende Zauber von der Wirtschaft gewichen.
Lichter Rauch steigt aus dem Schornstein in die blaue, kalte Luft, Wilms steht mit seinen großen Transtiefeln, das Wams bis an den Hals zugeknöpft, frisch und rüstig auf dem Hof und läßt die Scheunen ausbessern, Viehzucht und Molkerei gedeihen, überall Tätigkeit in dem einsamen Winkel, Spuren künftigen, rückkehrenden Wohlstandes.
Da klingelt ein Schlitten auf der Landstraße heran. Vielstimmiges Hundegebell wird laut, und da hält auch schon der unförmige Kasten und enthüllt seine seltsam gemischte Ladung. Es sind der junge Graf Brachwitz und Förster Eltze, welche zur Jagd fahren, mit dem Pastor Schirmer, der Wilms aufsuchen will, und deshalb allein aussteigt.
»Ho, ho – Wilms, hier heran, – hier heran,« brüllt inzwischen der gutmütige Förster, während er mit seinen Riesenfäusten, die in kolossalen Pelzhandschuhen stecken, aus Leibeskräften winkt, und als Wilms an den Schlitten tritt, um den jungen Edelmann befangen und einsilbig zu begrüßen, wird dem Pächter von dem Weidmann ein großes Paket unter den Arm geschoben.
»Hier, Wilms – von meiner Frau. – Ein paar Würste und so was. Na schon gut. – Bei Ihnen als Strohwitwer wird ja diesmal davon wenig zu spüren sein, was?«
»Ja, sagen Sie mal, lieber Nachbar,« wirft der junge Brachwitz dazwischen, der in seinem pelzbesetzten Jagdkostüm zurücklehnt und eine Zigarre raucht. »Wie geht es eigentlich Ihrer Frau? – Gute Nachrichten?«
Einsilbig erzählt der Pächter, daß er kürzlich von seiner Schwägerin einen Brief erhalten, wonach der Zustand der Kranken sich schon etwas gebessert hätte.
»Nun, da gratuliere ich Ihnen von Herzen, lieber Herr Wilms,« entgegnet der Graf aufmerksam, und nachdem er dem Pächter eine Zigarre angeboten, erkundigt er sich leichthin:
»Ihr Fräulein Schwägerin kommt ja wohl in Kürze wieder hierher zurück?«
Wilms Antlitz verfinstert sich. Er nickt bloß.
»Und wann, wenn ich fragen darf?«
»Das ist unbestimmt,« sagt der Landmann düster, und tritt dem Schlitten etwas näher.
»So, so,« der Graf mißt den kräftigen Pächter von oben bis unten, wobei er unwillkürlich an das Gewehr greift, dann gibt er dem Kutscher lächelnd das Zeichen zum Weiterfahren, nicht jedoch, ohne vorher mit großer Höflichkeit die Hoffnung ausgesprochen zu haben, den Pächter bald wieder begrüßen zu können.
»Vorwärts.«
Der Schlitten fliegt davon.
§§§
Pastor Schirmer blieb über den Kaffee da.
In dem großen Zimmer, in dem noch immer das Krankenbett wie eine düstere Mahnung stand, dampfte in großen altfränkischen Schalen der braune Trank auf dem Tische, und die beiden Herren saßen gemütlich dahinter und plauderten.
Die Hofarbeit war vollendet, das Tagewerk vollbracht, nun konnte der emsige Landmann der Ruhe pflegen. Man steckte zwei große, lange Pfeifen an, die Wilms in den Krankheitsjahren unbenutzt im Schrank verborgen hatte, und in kurzer Zeit hatten die beiden Herren, jeder behaglich im Sofa zurückgelehnt, mächtige blaue Wolken um sich verbreitet.
Ein süßer, angenehmer Tabaksduft füllte die Stube.
»Ja, ja,« sprach der Landmann nachdenklich vor sich hin, »meine arme Frau konnte den Geruch nicht vertragen, er verursachte ihr Hustenreiz und ich – –« kam es unwillkürlich heraus, »hab' ihn dabei so gern.«
»Lieber Freund, man muß sich eben fügen,« paffte der kleine Pastor und nahm einen Schluck Kaffee, »ja, muß sich fügen. Darin besteht schließlich unser ganzes Christentum. – Was ich sagen wollte – – Ihre liebe Frau – – – Sie bangen sich doch wohl schon sehr nach ihr?«
Wilms nickte und rauchte in langen Zügen weiter.
Ja, es fehlte ihm etwas, er sehnte sich nach irgend etwas, sein Haus erschien ihm jetzt oft so leer und freudlos, und dennoch zog sich sein Herz vor Furcht zusammen, wenn er an Elses Rückkehr dachte. Sein jetziges einsames Dasein schien ihm dann erträglicher. Wenn er nur dieses schmerzliche Sehnsuchtsgefühl aus seiner Brust hätte verbannen können. Es galt ja doch bloß seinem Weibe. Nur ihr.
»Freilich, solch ewiges Leid,« murmelte der kleine Pastor mit seiner dünnen Stimme weiter, »das schließt die Menschen wie mit eisernen Ketten aneinander, nicht wahr?«
»Ewiges – Leid,« wiederholte der andere mechanisch und blickte starr auf das Bett hinüber. »Ja, Sie haben recht, Herr Pastor.« Eine Zeitlang schwiegen die beiden Freunde und hingen ihren Gedanken nach.
Die Pfeifen glimmten, draußen fiel Schnee, es war behaglich warm im Zimmer.
So merkten sie nicht, daß sich inzwischen die Tür leise geöffnet und der dicke Kreisphysikus Dr. Rumpf unbemerkt hereingetreten war. In seinem Pelz, in Pelzmütze und derben Wasserstiefeln sah er wie ein borstiges Ungeheuer aus. »'n Abend, Kindtings, 'n Abend,« ächzte er.
Kaum hatte Wilms seinen muntern Gast erfreut seiner zottigen Hüllen beraubt, so warf sich der Physikus pustend neben dem Pastor auf einen Lehnstuhl nieder, nahm dem Geistlichen einfach die Tasse weg, trank dann mehrere Schalen des heißen Getränks und schien endlich erwärmt zu sein.
»Verdammter Frost,« schnaufte er zuletzt und schlug sich befriedigt auf seinen Kugelbauch. »Komme hier bloß 'raus, Wilms, um Ihnen zu erzählen, daß ich einen Brief vom Anstaltsarzt in Inowrazlaw erhalten habe.«
»Nun, was denn, Herr Doktor, was gibt es denn?« rief der Landmann aufgeschreckt und sprang auf.
»Na, es geht ganz leidlich, schreibt er. Sehen Sie, ich hab's gleich gesagt. Nun soll sie nur noch an größere Selbständigkeit gewöhnt werden, und deshalb schickt er Ihre Schwägerin nach Hause. In diesen Tagen sogar schon. – Ein reizendes Ding übrigens, die kleine Hete, was?« schmunzelte der Physikus plötzlich über das ganze Gesicht und kratzte in seinem Stoppelbart; »ich freue mich ordentlich darauf, daß wir sie bald wieder nach Grimmen bekommen.«
Wilms blieb stehen. »Nach Grimmen?« wiederholte er schwerfällig. »Geht denn – Hedwig zu meinem Schwiegervater zurück?«
»Na, vermutlich doch; oder haben Sie sie hier nötig, Wilms?«
»Ich?«
Eine Unruhe befiel den starken Mann, er strich mit seiner Hand über die kurzgeschorenen Haare, dann äußerte er auffallend hart und abweisend: »Nein, ich nicht.«
»Na, sehen Sie,« sagte der Physikus gemütlich. Dann klopfte er mit der Hand auf den Tisch. »Vorwärts, meine Herren, jetzt machen wir ein Skätchen; Karten hab' ich bei mir, und Sie stecken die Lampe an, Wilms.«
»Lieber Doktor, das viele Kartenspielen halte ich für – – –« wollte Pastor Schirmer kleinlaut einwenden, aber der Physikus schlug noch energischer auf den Tisch und knurrte: »Ach Unsinn, machen Sie weiter keine Umstände, Pastor, – und solange Sie gewinnen, ist Ihre liebe Frau mit allem einverstanden. – Wer gibt? – Na also – Wilms, bringen Sie die Lampe – Tourné, Pastor? Solettchen auch? Na dann Eichel. Raus mit den Triümphern, meine Herren, – Wilms, die Lampe blakt – was gibt's Neues, Pastor?«
In bester Eintracht spielten die Herren fort.
Nur Wilms, der sonst ein vorzüglicher Spieler war, beging einen Fehler nach dem andern, zuletzt störte er sogar offenbar die Pläne seines Partners.
Der Pastor legte sanft die Karten auf den Tisch.
»Na hören Sie mal, Wilms« – sagte er bedenklich, »so was ist noch gar nicht dagewesen – haben die Treffzehn blank und werfen Sie mir nicht 'rein?«
»Ja, und ziehen dem geistlichen Herrn das Geld aus der Tasche?« schrie der Physikus.
»Worüber grübeln Sie denn immerfort? Müssen auch nicht zu viel an Ihre Frau denken.«
An seine Frau? Ja, er grübelte und quälte sich und sann – – aber die Hände mit den Karten begannen ihm vor Schreck zu zittern, bleischwer fiel es ihm aufs Herz, er dachte ja gar nicht an sein unglückliches Weib, all seine Erinnerung galt der Jüngeren, diesem herrlichen jungen Geschöpfe, dessen Bild er nicht bannen konnte, das er immer wieder sah, weiß und rosig, so wie damals als sie ihre junge Schönheit dem Regen preisgab. Den Sinn verwirrte es ihm noch.
Und sie wollte zu ihrem Vater zurückkehren, und nicht zu ihm, nicht in dies Haus, das so leer war?
Die Herren spielten weiter. Noch ein paar Stunden, dann trennte man sich.
§§§
Einige Tage verstrichen, emsig wurde geschafft, nur mit der Molkerei, die Wilms mit Hedwig eingerichtet, wollte es nicht mehr glücken. Hier fehlte die anordnende, weibliche Hand.
»Wenn das Fräulein man wieder da wär,« klagte die Obermagd eines Tages dem Landmann.
»Sie geht zu ihrem Vater,« dachte Wilms trübe. »Was kümmern wir sie.«
Ernst und verschlossen ging er seitdem umher. Der Schnee fiel draußen immer dichter und legte sich wie ein weißer Wall um das Gehöft.
Dadurch wurde es wieder so still und einsam, wie je zuvor. Ein Tag nach dem andern verfloß. In der Landwirtschaft gab es jetzt nichts mehr zu wirken. Schweigend saß der Pächter oft stundenlang am Fenster, blickte über den verschneiten Hof und wartete, ob ihm nicht der Landbriefträger ein Lebenszeichen von den beiden Frauen bringen würde.
Aber nichts von alledem geschah.
Und allmählich verfiel er wieder in sein düsteres Hinbrüten; der große Mann mit den kurzgeschorenen, blonden Haaren verbrachte dann ganze Stunden im Zimmer. Er wanderte auf und ab, sah dabei auf das reinlich zugedeckte Krankenlager seines Weibes, oder nahm ihre Bibel in die Hand und starrte interesselos hinein, während er sich an die von ihr mit Vorliebe gebrauchten Gebete erinnerte.
Dann begann er einige der Verse nachzusprechen und schüttelte sich zuweilen plötzlich, als ob ihn etwas Widerliches überliefe. Oft auch nahm er ein Bild von der Spiegelkommode, das Else als Braut darstellte, um es lange und aufmerksam zu betrachten. Wie blond sich ihre Zöpfe damals ums Haupt ringelten. – Wie ähnlich sie zu jener Zeit Hedwig gewesen! Rasch stellte er bei solcher Gelegenheit die Photographie wieder an ihren Platz und lief auf den Hof hinaus, wo er mit seinen Leuten schalt und haderte.
Sie wunderten sich über den Herrn. So hatte man ihn selten gesehen.
Und noch immer langte die erwünschte Nachricht nicht an.
Da endlich, eines Morgens, – Wilms saß noch beim Kaffee – da schlich der taube Krischan in die Stube, schielte seinen Herrn an und legte schweigend einen Brief auf den Tisch.
Wilms klopfte das Herz. Mit zitternden Fingern erbrach er das Schreiben, nachdem sich der Alte entfernt hatte, aber es war nur ein gedrucktes Formular, das eine Einladung zu einer ländlichen Versammlung enthielt, die der ältere Graf Brachwitz einberief.
Wilms warf den Fetzen achtlos auf die Erde und seufzte tief auf. Er interessierte sich nicht für Politik.
»Jawoll,« meinte der Förster, der nachmittags im Vorbeigehen vorsprach, indem er das Zirkular bemerkte. »Der Graf will sich ja in den Reichstag wählen lassen. Dazu soll hier ein Verein gegründet werden. Zur Hebung der Sittlichkeit auf dem Lande. Na ja, alter Freund, es soll ja bei uns auch ganz doll zugehen. – Die verdammten Weibsbilder – haben Sie's nicht auch schon bemerkt, Wilms? Kaum hat man mal eine für die Hofarbeit in Lohn genommen – pardauz muß man sie wieder entlassen. – Is da was los mit so ner Person. – Ne – die Sittlichkeit, – weiß der Deuwel – man kann den Frauenzimmern nicht trauen.«
Er kraute sich hinter den Ohren. »Da soll ja neulich auch was mit einer Verheirateten vorgekommen sein, – warten Sie mal – es war sogar 'ne Adlige hier in der Nähe. Aber lachen Sie mich nicht aus, ich glaub's nicht, weil bei Eheleuten 'ne zu große Portion Schlechtigkeit dazu gehört – Pfui Deuwel, kann ich bloß sagen.«
Wilms blickte den gutmütigen Riesen starr an. Seine Lippen bewegten sich, aber er erwiderte kein Wort.
»Na guten Morgen, Wilms, wie geht's Ihrer Frau?«
»Besser.«
»Und Ihrer Schwägerin?«
Wilms rührte sich nicht: »Darüber weiß ich nichts.«
»Na, denn Adieu!«
»Adieu auch, Eltze.«
Aber lange noch, während er über seinen Wirtschaftsbüchern rechnete und schrieb, tönte es vor seinen Ohren:
»Bei Eheleuten gehört eine zu große Schlechtigkeit dazu.«
Der Schweiß perlte ihm auf der Stirn. Die Zahlen vor ihm fingen an zu tanzen. – Wenn er nur Kraft finden könnte, sich gegen die bösen Gedanken zu wehren. Aber da nagte und biß schon wieder solch tückischer Einfall. »Bei Eheleuten« hieß es – Ja, aber war er denn eigentlich verheiratet? Besaß er denn ein Weib? – – – oder hatte Gott der Allmächtige nicht eine Scheidewand zwischen ihnen aufgerichtet?
»Nur das nicht,« stöhnte er, »nur das nicht. Nur nicht diese entsetzlichen, verzweifelten Anklagen.« Und er vergrub sich von neuem in seine Papiere und arbeitete, bis die Lampe zu verlöschen drohte.
§§§
Am nächsten Tage erhielt er abermals ein gleichlautendes Zirkular. Zugleich erschien bei ihm der Inspektor Grothe aus Boltenhagen, ein großer, breitschultriger Mann, der das Hauptgut des Grafen Brachwitz bewirtschaftete. Er sollte den Pächter noch besonders zu der Versammlung einladen.
»Nein, ich komm nicht,« entgegnete Wilms, während sich der Inspektor in der großen Stube den Schnee abschüttelte, und der Abgesandte räusperte sich zufrieden und meinte: »Da haben Sie auch recht.«
»Na, wieso, Herr Grothe, es handelt sich doch eigentlich um einen guten Zweck.«
»Schönen guten Zweck,« brummte der andre, indem er den Mund verzog: »Sittlichkeit – da soll sich der Graf man zuerst um seinen Sohn kümmern. Aber da werden alle Dirns auf dem Hofe unsicher gemacht, daß es eine Schande ist, und dann soll so'n Verein gegründet werden.«
Sobald der Pächter den Namen des jungen Brachwitz vernahm, stieg ihm langsam das Blut in die Schläfen, so daß er kaum dem anderen seine Bewegung verbergen konnte. »Lassen Sie man, Grothe,« schnitt er kurz ab, »ich hör' so was nicht gern.«
»I – ich sag ja auch gar nichts gegen den jungen Mann. – Is sogar ein ganz netter, liebenswürdiger Mensch. Und es is 'ne wahre Dummheit vom Alten, daß er den Jungen nicht bei's Militär gelassen. Hier in der Wirtschaft versteht das natürlich nichts, und weiß das nichts – und verfällt auf lauter Dummheiten. – Die Förstersfrau kann ihn ja auch nicht los werden,« setzte er leiser hinzu, »aber sie soll ihm ja neulich gehörig die Tür gewiesen haben.«
Wilms konnte nicht länger zuhören.
»Herr Grothe – ich muß jetzt – ich hab noch notwendig was zu tun – Grüßen Sie den Herrn Grafen, und – ja ich werd' woll auch kommen.«
»Na schön,« verabschiedete sich der Inspektor. »Geht's Ihrer lieben Frau gut?«
»Ja, ich danke.«
Sie schüttelten sich die Hände, und der Abgesandte des Grafen ritt langsam vom Hof herunter.
§§§
Aber der Besuch hatte seine Folge.
In der langen Zeit, in der sich Wilms in dem schneeverwehten Gehöft so einsam fühlte und mit all seinen sehnsüchtigen Gedanken an der fernen Hedwig hing, da hatte er alles vergessen, was er von ihr zu wissen glaubte, da war sie ihm als die reine, herbe unerreichbar hohe Jungfrau erschienen. Jetzt, als ihm das wilde Treiben des Junkers geschildert wurde, da erhoben die häßlichen Zweifel abermals ihr Haupt, da erwachte er wieder zur Wirklichkeit, ein kräftiges Gefühl der Verachtung gegen sich selbst regte sich in ihm, und mit aller Macht suchte er die häßliche aufkeimende Neigung abzuschütteln.
Zehnmal des Tages las er jetzt die wenigen Zeilen, die ihm Else bereits wöchentlich schreiben konnte, fuhr dann mit seiner rauhen Hand zärtlich über das Papier, und legte es schließlich in das Paket, in dem er die Briefe aus der Brautzeit bewahrte.
»Mein Elsing – sie wird nun bald ganz gesund sein – und dann werden wir mit Gottes Hilfe wieder glücklich – ach so glücklich, wie damals, eh' die schwere Zeit begann.« Er seufzte. »Wenn sie doch erst da wär.«
§§§
Immer mehr rückte der Winter vor. Es ging stark auf Weihnachten. Wilms merkte, daß seine Leute kleine Geschenke für ihre Familien einkauften.
Das bewegte ihm das Herz. Wieder mußte er an sein fernes Weib denken.
»Soll ich für den Herrn auch 'ne schöne Tann' putzen?« fragte die Obermagd.
Es klang wie Mitgefühl aus den wenigen Worten, als sie auf den einsamen Mann blickte.
Wilms dankte.
»Ne, laß man, Dörthe – für mich allein. – Es hat keinen Zweck.«
Aber nachmittags ließ er den Schlitten anspannen und fuhr zur Stadt. Er wollte Else etwas kaufen, seinem armen, langsam gesundenden Weibe eine Freude bereiten.
Über die verschneite, dunkle Landstraße klingelte er endlich in Grimmen ein und wählte bei dem einzigen Juwelier des Städtchens ein kleines goldnes Herz an einer dünnen Kette.
Er stand dabei, als man seinen Namen »Wilms« in das Gold eingrub.
Mit der Poesie einfacher Naturen wollte er damit dartun, daß sein ganzes Herz auf ewig seinem Weibe gehöre. In dem Gasthof, in welchem er seinen Schlitten eingestellt hatte, saß er noch eine Weile bei einem Glase Grog und plauderte mit dem Wirt in der dunkelbraun verräucherten Gaststube. Der Pächter erfuhr, daß sein Schwiegervater, der alte Rendant Schröder, noch allabendlich die Honoratiorenstube besuche.
»Hedwig ist wohl noch nicht zurück?« erkundigte sich der Landmann leichthin.
Der Wirt mit dem grünen Sammetmützchen verneinte. Da bezahlte Wilms und brach auf.
Es war dunkel und kalt auf dem Heimweg. Der Wind strich scharf über den offenen Schlitten und warf dem Landmann spitze Eisnadeln ins Gesicht. Eine Sehnsucht nach einer warmen, gemütlichen Stube beschlich ihn, wo ein helles Feuer brannte, und eine liebe weibliche Hand dem Eintretenden den dick beschneiten Pelz abnahm.
Die Luft wurde immer schneidender. Hochoben flimmerten ein paar frostige Sterne. Wilms fror. Manchmal konnte er bei einzelnen freistehenden Häusern, an denen sie vorbeiflogen, in die trüb erleuchteten Stuben blicken. Da sah man schon Christbäume, welche geschmückt wurden. Im Hauptgut Boltenhagen klangen Kirchenglocken durch die Nacht. Hohl und feierlich läuteten sie das Fest ein. Vorboten der großen Freude.
Wilms faßte unwillkürlich an die Brusttasche, in der das Päckchen mit dem Goldherz verborgen war, und trieb seinen Kutscher zu größerer Eile an.
Die Glockentöne verklangen, wieder Schnee, Dunkelheit, Landstraße und weißes Feld – halb erlahmt vor Nässe und Kälte langten Mensch und Vieh endlich auf dem Pachtgut Wilmshus an und fuhren in den einsamen, von dickem Schneewall umgebenen Hof.
Rings lag alles in Dunkelheit gehüllt. Nur hinter den herabgelassenen Rouleaux der großen Stube leuchtete Licht.
»Hübsch von Dörthe,« dachte Wilms, während er über den Flur schritt, »die Dirn hat Mitleid mit mir.«
Er öffnete gleichgültig, zuckte zusammen und blieb starr und groß unter den Pfosten stehen.