Joseph Smith Fletcher
Der Verschollene
Joseph Smith Fletcher

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31

»Ich möchte mit dem Wagen nicht auf der Straße nach Shilhampton fahren«, sagte Atherton zu seinen Leuten, »und in Marshwyke möchte ich auch kein Aufsehen erregen. Was machen wir nun am besten?«

»Wir stellen ihn in Redmans Farm unter«, sagte Mr. Rennie, der aus dieser Gegend stammte, »und zwar in der Scheune. Von Redmans Obstgarten aus führt ein Weg durch eine tiefe Bodensenke in die Nähe von Clents Haus. Dort können wir entlanggehen und sind gleichzeitig auch vor dem Sturm etwas geschützt.«

Sie führten den Plan aus, nahmen Mr. Redman das Versprechen ab, strengstes Stillschweigen zu bewahren, und ließen sich dann von ihm auf den Weg bringen. Schweigend eilten sie durch die Sandhügel zu dem verabredeten Treffpunkt. Als sie ankamen, löste sich eine Gestalt aus dem Schatten der großen Felsen.

»Sind Sie es, Atherton?« fragte Mr. Dorker, dem die Zollstation in Shilhampton unterstand. »Kommen Sie schnell in den Windschatten, wo wir sprechen können. Meine beiden Leute sind auch hier. Wenn alles so geht, wie wir erwarten, kommt unser Mann gegen Mitternacht zu Clent.«

»Trotz des Sturms?« fragte Atherton.

»Wir glauben bestimmt, daß er kommt, und wir wollen ihn und die Clents zusammen fangen. Vor allem wollen wir aber ihre Unterhaltung abhören. Einer meiner Leute kennt den Weg in das Haus, und zwar durch die Höhlen hier in den Felsen. In der vergangenen Nacht haben wir das schon ausgekundschaftet. Wir lagen dauernd auf der Lauer, und als einmal alle drei zu gleicher Zeit abwesend waren, durchsuchte der Mann das ganze Haus und die dahinterliegenden Höhlen.«

»Haben Sie irgend etwas gefunden?«

»Nein, nicht das geringste! Aber mein Mann hat dabei einen Platz entdeckt, von dem aus man das Wohnzimmer überblicken und hören kann, was innen vorgeht. Heute nacht wird das verhältnismäßig leicht sein. Wir erregen keinen Argwohn, da der Sturm ja alle Geräusche übertönt. Rennie wird uns gleich zu diesem Platz bringen. Der Rest unserer Leute versteckt sich in der Nähe. Sind Sie und Ihre Beamten bewaffnet?«

»Selbstverständlich«, entgegnete Atherton. »Erwarten Sie denn, daß es zu einem Handgemenge kommt?«

»Möglich ist es. Hauptsächlich liegt mir daran, die Unterhaltung der Leute im Haus zu belauschen. Hoffentlich kann ich alle Informationen bekommen, die ich brauche, um den Kapitän heute abend zu verhaften. Aber sein Schiff liegt ja sicher genug im Hafen, und er kann nicht ausfahren, bevor sich der Sturm gelegt hat. Erst nachdem wir ihr Gespräch mit angehört haben, wollen wir uns entscheiden, wie wir vorgehen. Informieren Sie jetzt Ihre Leute, dann brechen wir auf.«

*

Die sechs Männer erreichten ohne Zwischenfall die Felsen am Ende der Halbinsel. Der Zollbeamte Rennie, der das Haus vorher durchsucht hatte, führte Dorker und Atherton durch einen Höhlengang.

»Gehen Sie voraus«, flüsterte ihm der Zollinspektor nach einer Weile zu. »Aber seien Sie vorsichtig!«

Der Mann glitt lautlos durch das Dunkel, während die anderen warteten und auf den heulenden Sturm lauschten. Rennie kam bald wieder zurück.

»Es ist alles in Ordnung«, berichtete er leise. »Nur Gillian Clent ist zu Hause, aber sie erwartet offenbar jemand.«

»Woran haben Sie das gesehen?«

»Sie hat den Wasserkessel aufs Feuer gesetzt, und auf dem Tisch stehen Flaschen und Gläser. Außerdem brennt ein Licht im Fenster nach der Landseite.«

»Von der alten Frau und dem Sohn haben Sie nichts gesehen?«

»Nein!«

»Also, dann los!«

Rennie ging voran, Mr. Dorker hielt sich an seinem Rock fest, und Atherton legte die Hand auf die Schulter des Zollinspektors. Sie gingen auf weichem Sand, aber als Atherton einmal die Hand seitlich ausstreckte, berührte er nasse Felsen. Weiter hinten waren die Wände zu beiden Seiten trocken und schließlich mit Brettern verschlagen. Etwas weiter vorne sah er einen Lichtschimmer und hörte, daß jemand mit einem Feuereisen am Kamin hantierte.

Rennie hielt plötzlich vor einem Fenster an, das in eine Holzwand eingelassen war. In dem Zwielicht trat er beiseite und ließ Dorker und Atherton vortreten. Die eine Fensterscheibe war zerbrochen; die anderen waren mit Ölfarbe bestrichen, die jedoch hier und dort abgeblättert war. Von hier aus konnte man unbemerkt das Innere des Zimmers beobachten und auch hören, was dort gesprochen wurde. Auf ein Zeichen Dorkers ging Rennie zurück, um die anderen auf ihre Posten zu führen.

Atherton bückte sich etwas und blickte in den Raum, in dem er noch kürzlich mit Blake und Gillian gesessen hatte. Er konnte das ganze Zimmer übersehen, das in dieser wilden, stürmischen Nacht einen warmen und gemütlichen Eindruck machte. Ein großes Feuer von Treibholz brannte in dem altmodischen Kamin und warf rote Lichter in alle Ecken und Winkel. Heute schien alles ganz besonders sauber und hübsch gemacht zu sein. Das blankgeputzte Kupfergeschirr glänzte vom Kamin herab, aus einem Glasschrank leuchtete schönes Porzellan, und auf dem Tisch standen alte Kristallgläser. Und Gillian Clent saß, schön und anziehend wie immer, in einem Polstersessel am Feuer. Weißer Stoff lag auf ihrem Schoß, und mit einer Nadel reihte sie emsig Stich an Stich. Ab und zu sah sie auf die Uhr und wandte sich lauschend nach dem Vorhang vor der Haustür. Kurz vor Mitternacht zupfte der Zollinspektor Atherton am Ärmel. Gillian war von ihrem Sitz aufgesprungen und hatte den Vorhang vor der Tür zurückgezogen.

Gleich darauf trat ein Mann ein, der bis zu den Augen in einen Mantel gehüllt war. Er nahm ihn ab und warf Halsschal und Hut beiseite. Die beiden Lauscher am Fenster waren sprachlos vor Erstaunen, denn dieser Mann war – Boyce Malvery.

 


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