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Gedichte aus der Stille
Gespräch mit einer Schwalbe
Du liebe Schwalbe, holder Federball,
von unerschaffner Hand zum Lebensspiele
hinausgeworfen in das blaue All,
Wer setzt der Märchenfahrt durchs Blau die Ziele?
Wer ist's, der Feind und Freund euch offenbart?
Wer lenkt so sicher eure leichten Kiele?
Wer ist's, der euch im Herbst zusammenschart?
Wer läßt im ew'gen Raum euch Wege finden?
Wer meldet euch die Stunden eurer Fahrt?
Wer lehrt euch, eure leichten Hütten binden?
Wer kündet euch die Notdurft eurer Brut?
Wer gab von Land und Wasser, Luft und Winden
Euch solche Kunde, daß ihr alles tut,
als wärt ihr von uraltem Wissen weise?
Und doch pulst auch in euch nur rotes Blut
Und zieht ein Weilchen seine lauen Kreise
und ebbt und flutet, bis der Tod es kühlt.
Wer gibt so ew'ge Weisheit kurzer Reise?
Wir müssen alles, was ihr sicher fühlt,
ergrübeln mit ausklügelndem Verstande,
der sich bewußt durch Raum und Zeiten wühlt.
Und doch! Zuweilen streifen wir die Bande
der blitzenden Gedankenrüstung ab
zum Schwalbenflug in ferne Wunderlande!
Dann sinkt das Diesseits hinter uns ins Grab,
und alles, was uns sonst so sicher leitet,
sinkt wesenlos und sinnlos mit hinab.
Und wie die Schwalbe ihre Schwingen breitet,
unkundig des, was sie allmächtig treibt,
so wird auch unser Innerstes geweitet
Von einer Kraft, die ohne Namen bleibt.
Sie reißt den innern Sinn durch reine Sphären,
die kein dem Staub entborgtes Wort beschreibt,
Wir fühlen Sehnsucht sich zum Dasein klären,
des Ew'gen Hand lebt warm in unsrer Hand,
das All scheint neu aus Nichts sich zu gebären,
Und das Erschaffne wird zum Kindertand.
Doch Kraft und Macht, die uns die Schwingen spreiten
zu solchem Flug – wer hat sie je benannt?
Wie euch durchs Diesseits sich're Sinne leiten,
so uns durchs Jenseits, das im Diesseits webt
mit seinen rätselbangen Seligkeiten –
die Kraft bleibt namenlos. Genug, sie lebt!
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