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Frau Ruth und die Greife

Ballade

Drei Greife hegt Herzog Erichs Gemahl,
ihr Dienst ist Luft, ihr Lohn ist Qual.
Berndt Greif, der des Schlößleins Mauern betreut,
Hans Greif, der ihr Kelch und Oblate beut,
Hein Greif, der Page, rotseiden beschuht,
trägt nachts die Fackel vor Herzogin Ruth.
Süß, Herzogin Ruth, ist der Greifen Dienst!
Herb ihr Gewinst.
Süß und herbe streust du ihr Brot,
irdische Lust und ewige Not ...

Herzog Erich tritt lodernd vor Berndt den Greif:
»Du dientest lange, dein Lohn ist reif.
Die Schwelle, die ein treuloser Hund
zu lange bewacht, hüt' ich von Stund'.
Ein Hund, der des Hauses Schwelle befleckt!
Ein Hund, der wider den Herrn bleckt!
Nieder in Grund!«

Des Herzogs Schwert
lähmt die Hand, die mild nach dem Degen führt.
Von weißer Stirne strömt heißes Blut
und löscht der Augen heißere Glut.
Berndt Greif, fahr hin!
Wie der Dienst, der Gewinn.
In ihrer Kammer erschauert Frau Ruth.
– – – – – – – – – – – – – –
Heinz Greif trägt die Fackel vor Herzogin Ruth.
Die Höflinge hänseln das junge Blut:
»Glühwürmchen leuchte! Doch hüte dich fein
und leuchte nicht über die Schwelle hinein!
Drin hockt dein Bruder, die Fledermaus.
Dem Pfaffen ist deine Leuchte ein Graus,
hüt' dich, Heinz Greif!«
Der Junge geht steif
vorüber und leuchtet Frau Ruth voraus.

Das Kienholz knistert. Die Schleppe rauscht,
seiden auf marmornen Stufen gebauscht.
Ein schweres Atmen geht durch das Haus.
Frau Ruth blickt weit in die Mondnacht hinaus,
an die kühle Fensterbrüstung gelehnt ...
Wie die Zeit sich dehnt!

Auf des Pagen Schulter ruht ihre Hand.
Dem Jungen brennt Feuer durchs seidne Gewand.
Zuckend entweicht er der süßen Last.
»Heinz Greif! Heinz Greif! Ein Greif, der mich haßt?
Heinz Greif, was hassest du diese Hand?«
Heinz Greif, steht weiß wie die Marmelwand,
sein Auge dunkelt, die Lippe zuckt,
die Nüstern beben, die Kehle schluckt.
Eine lässig erhobene schlanke Hand
schimmert aus rieselndem Spitzengewand.

»Eure Hand ist schimmerndes Elfenbein
an einem köstlichen Altarschrein,
wenn sie still und schlank euch im Schoße ruht.
Meine Fackel weckt ihre verborgene Glut,
daß sie, von purpurner Helle durchbebt,
allen Zauber verrät, der in euch webt.
Vor dieser Glut hat mein Herz geschaudert,
so oft ihr nachts am Kamin geplaudert;
so oft ihr sie lässig zum Feuer hobt,
hat mir das Herz unterm Wams betobt,
sah ich des Blutes purpurnen Gang
der als Brand in die Augen der Herren sprang!
Eure Hände sind anders als Menschenart,
eure Hand, Frau Ruth, ist so weiß und zart,
daß sie matt in perlmutternem Leuchten steht,
wenn der Milchglanz des Mondes durch sie geht.
der süße Zauber der Hand erstirbt
nicht, ehe der letzte Greif verdirbt!«

Rasch sinkt die Hand der Herzogin und
zürnt leichten Schlags auf dem roten Mund,
der sich wölbend dem Schlage entgegendrängt
und die weißen Finger kosend empfängt.
»Unartiger! Schweig! Und befiehl deinem Blute!
Kränkst du Frau Ruth, so kränkt dich die Rute,
Still, Bub! Vorwärts und leuchte voraus!«
Licht und Schatten durchspuken das Treppenhaus.
Das Kienholz knistert. »Heinz, hüte dich fein
und leuchte nicht über die Schwelle hinein!
Drin hockt dein Bruder, die Fledermaus;
dem Schwarzen ist deine Leuchte ein Graus.
Hüt' dich, Heinz Greif! ...
Der Junge geht steif
und schwankend und leuchtet Frau Ruth voraus.

Dort gleißt ihre Schwelle. Schwerer Damast
und goldene Tröddeln begraben sie fast.
Weiß glüht sie herüber in rotem Licht.
Regte sich's nicht
hinter der Vorgänge purpurner Last?
Frau Ruth neigt sich lächelnd: »Heinz Greif, gut' Nacht!«
Die Seide knistert, »Heinz Greif, gib acht,
der süße Zauber der Hand erstirbt
nicht, ehe der letzte Greif verdirbt!«
»Strauchelst du, Heinz?« Der rotseidene Schuh
des Pagen hängt in der Schleppe.
»Du,
Ungeschickter, wart'!« Ist der Junge
toll geworden? Mit täppischem Sprunge
rafft er sich auf, steht halb, stürzt nieder
und füllt schluchzend über das Schleppgewand nieder.
Antlitz und Hände und lodernder Brand
wühlen heiß in dem spitzenbesäten Gewand.
»Heinz –!«
Die Spitzen kosender Flaum
auf Busen und Nacken wirf roter Schaum,
rote Schmeichelnde fließende Glut ...
»Frau Ruth, Frau Ruth!!
Ich bin schuld an eurem teuersten Blut!«

Die Flamme giert.
Der Junge springt auf. Er schluchzt. Er stiert,
stiert in den lebendigen Tod,
in die zehrende Not
»Frau Ruth, Frau Ruth!«
Er umfängt das Weib, ihn umfängt die Glut.
Unter den Flammen sucht er den heißen Mund
und preßt seine Lippen todeswund
in den blühenden Tod ...

Über die Schwelle, glutüberloht
hastet ein Schatten ... Ein weißes Gesicht ...
Die schwarze Soutane vermummt dich nicht,
Hans Greif!
An dem flammengezimmerten Hochgericht
huscht er vorüber. Treppab. Weltein.
Alle Wege lodern in blutigem Schein,
alle Wege, Hans Greif!

*


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