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Zweytes Capitel.

Nach einem blutigen Tage saß einstens Thiodolf schweigend und nachdenklich vor seinem Zelt. Philippos glättete und schärfte unweit davon die Waffen, bisweilen fragende Blicke nach seinem Meister herüber werfend. Endlich stand er auf, näherte sich ihm, Speer und Schwert zusammen klingend, und sah, als der Norderheld vor dem bekannten Tone in die Höhe blickte, freundlich in dessen Augen.

»Was giebst du dir da so viele Mühe, Jüngling, mit meinem guten Schwerte Rottenbeißer?W fragte Thiodolf. »Das hat ja noch keinen einzigen Hieb in diesem ganzen Feldzuge geführt, und der fernfechtende Feind läßt es auch wohl nimmermehr dazu kommen. Den Königsspeer und die Bärenlanze hab' ich mir auch vergeblich mitgenommen. Wenn du den Falken im Stande hältst, und ihn mir, wie bisher, immer von den Schlachtfeldern wieder aufsuchst, zudem ein Dutzend andre leichte Lanzen in Bereitschaft hast, so ist es Alles, was wir zu diesem freudlosen Kriege gebrauchen,«

»Herr,« – sagte Philippos, und sein Antlitz leuchtete in erhöheter Freudigkeit auf, – »lieber Herr, wenn Ihr nur nicht meinen wollt, Euer Waffenträger sey ein vorlauter Bursch, der sich in Dinge mischt, zu denen eine unerfahrne Jugend noch nicht taugt, – ach, da hätte ich wohl einen Vorschlag, wie wir es anfingen, daß der Feind feststehen müßte, und aushalten den rühmlichen Kampf in der Nähe.« –

»Sprich, mein lieber Knabe,« entgegnete Thiodolf freundlich. »Und sollte auch dein Vorschlag nicht zur That werden können, es ist schon brav von Dir, daß du überhaupt die Gedanken ernsthaft auf so rühmliche Dinge gestellt hast.«

»Die Weisheit kommt eben nicht von mir her, lieber Meister,« sagte Philippos. »Ich habe sie einem Klügern abgehorcht. In einer, der Griechenscharen zieht ein gewaltiger, riesenhoher Reitersmann mit, der läßt vor keinem seiner Waffengefährten je ein Antlitz sehen; nur daß er ein Greis ist, gibt ein schneeweißer Bart kund, der in zwey langen Locken durch die Ringe der Halsberge gezogen ist. Man hat aus des wunderlichen Alten Munde auch noch kein Wort anders vernommen, als im Traum, aber dann spricht er oftmahlen hochweise, ja fast prophetische Reden. Befragt man ihn wachend drum, so hebt er die Hand mit dräuender Geberde empor, und wendet sich schweigend ab.

Nach dem letzten Gefechte hatte ich Euern schönen Falkenspeer lange suchen müssen auf dem Schlachtfelde; Ihr hattet ihn so gar weit geschleudert, und ich fand ihn erst unten im Klippenthale, wo er aus dem Schädel eines hinabgetaumelten Bulgaren zwischen den Gräsern hervorragte. Er war sehr blutig geworden, und bevor ich ihn im Bache abgespült hatte, war schon die Nacht finster und neblig hereingebrochen. Mühsam nach dem Heere zurückgekommen, traf ich auf den uns entgegengesetzten Flügel, und eben auf die Schar, zu welcher jener wunderliche alte Reitersmann gehört. Er lag schlafend am Feuer, und seine Gefährten winkten mir, still zu bleiben, weil er gerade seine wunderlich prophetischen Worte in abgebrochnen Lauten vernehmen ließ. Vom Klippenthale murmelte er, und von flüchtigen Bulgaren, um die man einen Zauberkreis ziehen müsse; die Andern schienen ihn nicht zu verstehen, hörten auch wohl überhaupt mehr in scheuer Neubegier hin, als mit dem rechten Nachdenken, aber mir fiel das heiß in die Seele von dem Klippenthal und dem Feind. Ich hatte keine Rast seitdem; bey allem Landvolk hab' ich nachgeforscht, fast todgeritten meinen schönen Gelben, und nun bin ich meiner Sache gewiß. – Lieber Meister, wir könnten den Feind durch das Klippenthal umgehen, wahr und wahrhaftig, wir könnten's, und er müßte uns Halt machen, und wir jubelten im schönen, ritterlichen Gefechte, Mann an Mann.«

»Wie du glühst, Jüngling« sagte Thiodolf, ihn wohlgefällig anlächelnd. »Dachte ich doch erst, es seye der Abendschein, der sich so anmuthig über deine Wangen hinlege, aber nun seh' ich wohl, die Sonne, von welcher diese Strahlen ausgeht, funkelt dir tief in deinem ritterlichen Herzen.«

Dann ließ er sich Alles genau erzählen, was Philippos von dem Klippenthal erkundet hatte, und von der Stellung der Bulgaren, und sagte endlich:

»Knabe, wahre dich innerlich gut; äußerlich werden's die Götter schon von selbsten thun; denn ich sage dir, es keimt in dir ein Held, wie ihn dein Vaterland lange nicht gesehen.«

Thiodolf eilte zu Helmfrid, und noch einem kurzen Gespräch mit diesem kam er zurück, beauftragt, die Unternehmung zu beginnen und zu leiten. Wenige nähere Bestimmungen von seiner Seite machten den Entwurf des Jünglings Philippos zu einem kriegerischen Meisterwerke.

»Knabe, mein lieber Heldenknabe,« sagte Thiodolf, »es würde mir Lust machen, dir die Führung des ganzen Zuges anzuvertrauen, aber dazu bist du doch wirklich noch gar zu jung. Um dir jedoch dein Recht anzuthun, sollst du uns das Feldgeschrey auswählen, für einen Angriff, den du so herrlich ersonnen hast.«

Philippos sah einige Augenblicke wie in sich hinein; dann sprach er mit gesenkten Augenlidern und glühenden Wangen:

»Wenn mein edler Meister mich so hoch ehrt durch das Ueberlassen dieser Wahl, – gut; Zoe heißt unser Feldgeschrey.«

Thiodolf sah ihn staunend an; eine Frage schwebte auf seinen Lippen, aber sich scheuend, dem Gefühl Worte zu geben, dessen Andenken er in seinem eignen Sinne mied, wie verderbliches Feuer, neigte er das Haupt bejahend, blies in sein Heerhorn, und bald darauf ritt er, seinen jungen Freund zur Seite, an der Spitze eines starken Wäringergeschwaders in die nun schon tiefdunkelnde Nacht hinaus.


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