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Koliko hatte noch zu Lagarre gesagt: »Wenn du nach Wagadu kommst, wirst du dort die große Schlange Bida sehen. Bida erhielt von deinem Großvater jedes Jahr zehn junge Mädchen. Dafür ließ es die Schlange jedes Jahr dreimal regnen. Es regnete Gold.« Lagarre fragte: »Muß ich das auch geben?« Koliko sagte: »Bida wird mit dir handeln. Sie wird von dir zehn junge Mädchen verlangen. Schlag ihr das ab. Sag ihr, du wolltest ihr ein Mädchen geben und gib es ihr dann auch.«
Lagarre kam nach Wagadu. Vor dem Tore der Stadt lag Bida in sieben großen Windungen. Lagarre fragte: »Wohin gehst du?« Bida sagte: »Wer ist dein Vater?« Lagarre sagte: »Mein Vater ist Dinga.« Bida fragte: »Wer ist der Vater deines Vaters?« Lagarre sagte: »Ich kenne ihn nicht.« Bida sagte: »Ich kenne dich nicht, aber ich kenne Dinga. Ich kenne Dinga nicht, aber ich kenne Kiridjo. Ich kenne Kiridjo nicht, aber ich kenne Kiridjotamani. Ich kenne Kiridjotamani nicht, aber ich kenne Wagana Sako. Dein Großvater gab mir jedes Jahr zehn Mädchen. Ich gab dafür drei Goldregen. Willst du das auch tun?« Lagarre sagte: »Nein.« Bida fragte: »Willst du mir neun Mädchen jedes Jahr geben?« Lagarre sagte: »Nein.« Bida fragte: »Willst du mir acht Mädchen jedes Jahr geben?« Lagarre sagte: »Nein.« Bida fragte: »Willst du mir sieben Mädchen jedes Jahr geben?« Lagarre sagte: »Nein.« Bida fragte: »Willst du mir sechs Mädchen jedes Jahr geben?« Lagarre sagte: »Nein.« Bida fragte: »Willst du mir fünf Mädchen jedes Jahr geben?« Lagarre sagte: »Nein.« Bida fragte: »Willst du mir vier Mädchen jedes Jahr geben?« Lagarre sagte: »Nein.« Bida fragte: »Willst du mir drei Mädchen jedes Jahr geben?« Lagarre sagte: »Nein.« Bida fragte: »Willst du mir zwei Mädchen jedes Jahr geben?« Lagarre sagte: »Nein.« Bida fragte: »Willst du mir ein Mädchen jedes Jahr geben?« Lagarre sagte: »Ja, ich will dir jedes Jahr ein Mädchen geben, wenn du über Wagadu dreimal das Gold regnen lassen willst.«
Bida sagte: »Dann bin ich auch damit zufrieden und werde dreimal im Jahre Gold über Wagadu regnen lassen.«
Es waren in Wagadu vier angesehene Männer. Wagana Sako, Dajabe Sise, Damangile (der Ahnherr der Djaorafamilie, aus der die Familie der Vornehmen der Soninke stammt) und Mamadi Sefe Dekote (Sefe Dekote heißt »er spricht selten«).
Wagana Sako war ein Mann, der außerordentlich eifersüchtig war. Deshalb hatte er eine mächtige Mauer um sein Gehöft gebaut, in der keine einzige Tür angebracht war. Man konnte nur auf eine Weise hinein gelangen, indem man mit dem Pferd Samba Ngarranja über die Mauer setzte. Samba Ngarranja war das einzige Pferd, mit dem man über die Mauer diesen Sprung ausführen konnte, und Wagana Sako bewachte dieses Pferd ebenso eifersüchtig wie seine Frau. Er erlaubte nicht, daß der Hengst jemals eine Stute deckte; denn er fürchtete, daß dann ein Fohlen geboren werden könnte, das Samba Ngarranja an Sprungkraft gleichkomme.
Mamadi Sefe Dekote kaufte sich eine Stute. Die verschloß er sorgfältig in seinem Hause vor den Augen Wagana Sakos. Mamadi Sefe Dekote, der der Onkel Wagana Sakos war, stahl diesem eines Tages den Hengst Samba Ngarranja und ließ die neugekaufte Stute decken. Dann brachte er ebenso heimlich Samba Ngarranja zurück. Seine Stute brachte nun ein ebenso gutes Pferd hervor und mit ihm konnte er den Sprung über die Mauer wagen. Es wurde drei Jahre alt, da war es stark und kräftig genug für den gewaltigen Sprung. Danach zogen die Wagadu-Leute in den Krieg. In der Nacht kehrte Mamadi Sefe Dekote heimlich mit seinem dreijährigen Hengst nach Wagadu zurück. Er sprang in mächtigem Satze über die Mauer und band sein Pferd an. Dann ging er zur Frau Wagana Sakos hinein. Er sprach mit ihr, er legte sich neben sie und barg sein Haupt in ihren Schoß.
Wagana Sako kehrte aber nach einiger Zeit auch aus dem Heerlager zurück, um in der gleichen Nacht seine Frau zu besuchen. Er setzte mit Samba Ngarranja über die Mauer. Wie war er aber erstaunt, daß schon ein anderes Pferd im Hofe angebunden war. Er brachte das eigene an eine andere Stelle und betrachtete dann das fremde Pferd. Dann hörte er im Haus seine Frau sprechen. Er stellte also seine Waffen an der Haustür nieder und lauschte. Drin sprachen Mamadi Sefe Dekote und die Frau Wagana Sakos wenig. Oben lief aber eine Maus im Dachwerk umher. Unten war eine Katze. Die Maus sah die Katze und fiel vor Schreck herab. Die Katze sprang auf sie. Mamadi Sefe Dekote faßte die Frau Wagana Sakos am Arm und sagte: »Sieh da gut hin! Sieh scharf hin!« Die Frau sagte: »Ja, ich sehe es.« Mamadi Sefe Dekote sagte: »Sieh das an! Wie die Maus vor dieser Katze, so haben wir Furcht vor deinem Mann –« Wagana Sako hörte das draußen. Als er es hörte, mußte er gehen, denn jener unbekannte Mann hatte gesagt, daß er Furcht vor Wagana Sako habe. (Danach, wie es mir die umsitzenden Soninke erklären, scheint es damals als nicht ritterlich gegolten zu haben, mit jemand Händel auszufechten, der sagt, er habe Furcht vor ihm.) So nahm denn Wagana Sako seine Waffen, bestieg sein Pferd und setzte über die Mauer. Dann kehrte er in das Heerlager zurück. Später verließ auch Mamadi Sefe Dekote das Gehöft und traf im Morgengrauen bei den anderen ein.
Am anderen Tag wußte Wagana Sako nicht, wer nachts bei seiner Frau gewesen war. Mamadi Sefe Dekote ahnte aber nicht, daß Wagana Sako vor der Tür des Hauses seiner Frau gehockt und den heimlichen Besuch sowie das Zwiegespräch belauscht hatte. So konnten denn die beiden kein schlechtes Wort wechseln, und der Tag verlief ohne jeden Streit. Am Abend aber ergriff ein Epensänger (Djarre der Soninke, entspricht dem Dialli der Bammana) seine Niame (Gitarre) und sang. Nachher schnipste Wagana Sako an der Saite der Niame und sagte: »Vorige Nacht habe ich ein Wort gehört (es ist das Wort von der »Furcht« gemeint), hätte ich das nicht vernommen, so wäre Wagadu zerstört worden.« Mamadi Sefe Dekote schnipste auch an einer Saite der Niame und sagte: »Wenn jemand gehört hätte, was gestern nacht gesprochen wurde, so würde Wagadu zerbersten. Es hat aber niemand gehört.«
Da sagten die Wagaduleute: »Wir wollen nach Wagadu zurückkehren. Denn, wenn sich im Anfang eines Krieges zwei Leute streiten, so nimmt es kein gutes Ende.« So kehrten denn alle nach Wagadu zurück.
Die Leute von Wagadu sagten: »Die erste Tochter, die wieder in Wagadu geboren wird, soll Bida gegeben werden.« Das erste Mädchen war Sia Jatta Bari. (Jatta Bari ist der Familienname.) Sia Jatta Bari war wunderschön. Sie war das schönste Mädchen im Soninkeland. Sie war so schön, daß die Soninke und andere Völker heute noch von einem sehr schönen Mädchen als höchsten Lobspruch zu sagen pflegen: »Sie ist so schön wie Sia Jatta Bari.« Sia Jatta Bari war für Bida bestimmt.
Sia hatte aber schon einen Liebhaber, das war Mamadi Sefe Dekote. Alle Leute in Wagadu sagten: »Wir wissen nicht, ob wir je wieder in Wagadu ein so schönes Mädchen haben werden.« Deshalb war Mamadi Sefe Dekote sehr stolz auf seine Geliebte. Eines Nachts suchte Sia Jatta Bari nach dem Tamtam ihren Geliebten auf, um bei ihm zu schlafen (ohne sich von ihm beschlafen zu lassen!). Sia Jatta Bari sagte: »Jede Freundschaft muß auf dieser Erde einmal ein Ende nehmen.« Mamadi Sefe Dekote sagte: »Warum sagst du das?« Sia Jatta Bari sagte: »Es gibt keine Freundschaft, die für immer währen kann, und ich bin daran, der Schlange Bida geopfert zu werden.« Mamadi Sefe Dekote sagte: »Wenn das geschehen sollte, würde Wagadu zerbersten, denn ich würde es nicht dulden.« Sia Jatta Bari sagte: »Mach keine Sachen, es ist so bestimmt und es ist alte Sitte, in die sich jeder fügen muß. Ich werde die Frau der Sa (Schlange) Bida werden müssen, daran ist nichts zu ändern.«
Am anderen Morgen schärfte Mamadi Sefe Dekote sein Kitelalabong (Schwert) so scharf wie möglich. Er legte ein Hirsekorn auf die Erde und spaltete es mit einem Streich um zu sehen, ob das Schwert scharf genug sei. Darauf steckte er es wieder in die Scheide. Die Leute kleideten Sia Jatta Bari festlich zum Hochzeitstag, legten ihr Schmuck und schöne Kleider an und bildeten einen langen Zug, um sie zu der Schlange Bida zu begleiten. Bida wohnte in einem großen und tiefen Kede (Brunnen) zur Seite des Dorfes. Dorthin wendete sich der festliche Zug. Mamadi Sefe Dekote hatte sein Schwert umgeschnallt, sich auf sein schönes Pferd geschwungen und ritt im Geleit mit.
Bida pflegte, wenn sie ihr Opfer in Empfang nahm, immer dreimal den Kopf aus der Brunnengrube emporzurecken und dann erst ihr Opfer zu greifen. Als der Zug neben dem Brunnen Platz nahm, hockte Mamadi ganz dicht am Rand nieder. Darauf streckte Bida ihren Kopf zum ersten Mal aus dem Brunnen heraus. Die Leute von Wagadu sagten zu Sia und Mamadi: »Es ist Zeit, Abschied zu nehmen. Nehmt Abschied.« Bida steckte den Kopf zum zweiten Mal empor, und die Leute von Wagadu riefen: »Nehmt schnell Abschied voneinander, tut es aber schnell!« Bida reckte zum dritten Mal das Haupt aus dem Brunnen. Da zog Mamadi Sefe Dekote das Schwert und trennte mit einem Schlag das Haupt der Schlange vom Körper. Das Haupt flog weit in die Luft empor. Ehe es wieder zur Erde kam, sprach es: »Sieben Jahre, sieben Monate und sieben Tage mag Wagadu ohne Goldregen bleiben.« Das Haupt fiel weit im Süden zu Boden, und aus ihm stammt das Gold, das man dort findet.
Die Leute von Wagadu hörten den Fluch der Schlange. Sie schrien wild auf Mamadi ein. Mamadi aber nahm Sia hinter sich auf sein Pferd und sprengte von dannen, in der Richtung auf Sama-Markala, einer Stadt nördlich von Segu am Niger, in der seine Mutter lebte. Mamadi Sefe Dekote hatte ein gutes Pferd – es stammte von Samba Ngarranja ab. Nur ein Pferd in Wagadu konnte es einholen, das war Samba Ngarranja selbst. Die Wagaduleute forderten also Wagana Sako auf, hinter Mamadi Sefe Dekote herzusetzen und ihn, wenn irgend möglich, einzuholen und totzustechen. Wagana Sako sprang auf sein Pferd und setzte hinter Mamadi, seinem Onkel, her.
Wagana Sako holte seinen Oheim, dessen Pferd zwei Menschen trug, bald ein. Er ergriff seine Gawale (Lanze) und rannte sie fest in die Erde. Dann sagte er zu Mamadi: »Flieh so schnell du kannst, mein Oheim, denn wenn die Wagaduleute dich einholen, werden sie dich sicher töten. Ich will dich nicht töten, weil ich dein Neffe bin. Flieh schnell nach Sama zu deiner Mutter.« Da sprang alsbald Wagana vom Pferd und zog an seiner Lanze. Nach einiger Zeit kamen die anderen Leute von Wagadu an. Er sagte zu ihnen: »Helft mir den Speer aus der Erde zu ziehen. Ich habe ihn nach Mamadi Sefe Dekote geworfen, ihn aber gefehlt, und dabei ist der Speer so tief in die Erde gefahren, daß ich ihn nur schwer wieder herausziehen kann.« Die Leute halfen ihm, den Speer wieder herauszuziehen und dann sandten sie ihn wieder hinter Mamadi Sefe Dekote her. Wagana war bald wieder nahe bei Mamadi angelangt und stieß abermals seinen Speer in die Erde, indem er wieder rief: »Flieh schnell zu deiner Mutter nach Sama.« Abermals wartete er die Leute von Wagadu ab, um mit ihrer Hilfe den Speer aus der Erde zu ziehen, und wiederholte dasselbe Spiel noch ein drittes Mal. Dann war Mamadi in Sama angekommen.
Die Mutter Mamadis kam aus der Stadt den heranstürmenden Reitern entgegen. Sie rief Wagana Sako zu: »Kehre um und laß meinen Sohn in Ruhe zu mir kommen.« Wagana sagte: »Frag deinen Sohn, ob ich ihn nicht gerettet habe, so daß er zu dir kommen kann und ob er es mir nicht verdankt, wenn er noch am Leben ist.« Mamadi Sefe Dekote sagte: »Ich habe die Bida getötet, um dieses Mädchen, das ich heiraten will, zu retten. Ich schlug der Schlange den Kopf ab. Ehe der zur Erde fiel, sagte Bida: Sieben Jahre, sieben Monate und sieben Tage mag Wagadu ohne Goldregen bleiben. – Darauf waren die Leute von Wagadu zornig und sandten Wagana Sako auf Samba Ngarranja hinter mir her – um mich töten zu lassen. Er aber hat mich geschont. Nun bin ich mit Sia hier angekommen.«
In Wagadu hatte Mamadi Sefe Dekote jeden Morgen, wenn Sia ihn verließ, ihr Mutukalle Tamu an Gold (eine beträchtliche Geldmenge) gegeben. Drei Monate lang hatte sie das jeden Tag erhalten. Trotzdem hatte sich Sia Mamadi nicht hingegeben. Hier in Sama nun, wo es keine Goldschlange gab, die den Reichtum über das Land brachte, hörten diese Gaben auf. Sia war Mamadis überdrüssig. Sie suchte sich seiner zu entledigen. Sie sagte deshalb eines Morgens: »Ich habe Kopfschmerzen. Gegen diese Kopfschmerzen kann nur eines helfen: schneide dir einen kleinen Zeh von einem deiner Füße ab, ich will mir mit dem Blut die Stirn waschen.« Mamadi liebte Sia außerordentlich. Er schnitt sich den kleinen Zeh ab. Sie sagte nach einiger Zeit: »Das hat noch nicht geholfen. Der Kopfschmerz will nicht aufhören. Schneide dir noch den kleinen Finger ab. Wenn ich mir mit dem Blut die Stirn einreibe, so wird das nützen.« Mamadi war sehr verliebt in Sia. Er tat es also. Dann aber sandte Sia an ihren Liebhaber eine Botschaft und ließ ihm sagen: »Ich liebe nur Menschen mit zehn Fingern und zehn Zehen. Ich liebe nicht Menschen mit neun Fingern und neun Zehen.«
Als Mamadi diese Nachricht empfing, wurde er sehr zornig, er wurde vor Zorn krank und zwar so krank, daß er fast starb. Er ließ eine alte Frau kommen: Die alte Frau kam und fragte: »Was hast du, Mamadi Sefe Dekote?« Mamadi sagte: »Ich bin vor Wut erkrankt, weil mich Sia Jatta Bari so schlecht behandelt hat. Für Sia habe ich die Schlange Bida getötet. Für Sia habe ich den Fluch auf Wagadu geladen. Für Sia bin ich aus Wagadu geflohen. Für Sia habe ich jeden Morgen viel Gold gegeben. Für Sia habe ich meine Zehe abgeschnitten. Für Sia habe ich meinen kleinen Finger abgetrennt. Jetzt läßt mir Sia sagen: »Ich liebe nur Menschen mit zehn Fingern und zehn Zehen. Ich liebe nicht Menschen mit neun Fingern und neun Zehen.« Darüber bin ich erkrankt vor Zorn.« Die alte Frau sagte: »Das ist nicht schwer. Gib mir deine Schnupftabaksdose.« Mamadi dachte, die Alte wollte nach Art der alten Leute schnupfen. Er reichte ihr die Dose. Sie nahm sie in die Hand und sagte: »Damit du siehst, daß das nicht schwierig ist, blick in die Dose. Eben war noch Tabak darin, jetzt, wo ich es in die Hand nahm, ist es Gold. Das deine ist nicht einmal so schwierig. Es ist leichter, Sia mit Liebe als die Dose mit Gold zu füllen. Sag: wenn ich dir einen Karté (das ist Butter vom Butterbaum) Kuchen gebe, könntest du es einrichten, daß Sia die Butter auf den Kopf erhält?« Mamadi sagte: »Ja, das kann ich.« Darauf bereitete die Alte einen Kartékuchen mit Borri (Zaubermittel; »Baschi« bei den Bammana) und gab die Zauberkarté Mamadi.
In Sama war eine Frau, die verstand es ausgezeichnet, die Haare zu ordnen. Diese Frau hieß: Kumbadamba. Mamadi ließ die Frau zu sich kommen und fragte sie: »Ich bin bereit, dir Mutukalle Tamu an Gold zu geben, wenn du Sia diese Karté beim Haarordnen in die Haare bringst. Willst du das übernehmen?« Kumbadamba sagte: »Das ist nicht schwierig. Das will ich übernehmen.« Mamadi übergab ihr die Zauberkarté und überließ ihr das weitere.
Eines Tages ließ Sia Kumbadamba zu sich kommen und sagte ihr: »Ordne mir das Haar!« Sie sagte zu ihrem kleinen Sklaven: »Bring Karté aus dem Hause!« (Zum Haarordnen gehört diese Baumbutter.) Kumbadamba sagte: »Das ist nicht nötig, ich habe gerade viel Karté bei mir.« Darauf begann sie die Arbeit. Als sie die eine Seite geordnet und eingerieben hatte, sprang Sia auf und sagte: »Mamadi ruft mich.« Sie lief zu ihm hin und sagte: »Hast du mich gerufen, mein großer Bruder?« (Ausdruck höchster Zärtlichkeit) Mamadi hatte nicht gerufen; das Zaubermittel wirkte schon. Mamadi sagte: »Nein, ich habe dich nicht gerufen, denn ich habe nur neun Finger und neun Zehen und ich weiß, daß du nur Menschen mit zehn Fingern und zehn Zehen liebst.«
Darauf kehrte Sia zurück und ließ sich von Kumbadamba weiter die Haare ordnen. Als sie die zweite Seite geordnet und eingerieben hatte, sprang Sia abermals hastig auf und sagte: »Laß mich! Mamadi ruft mich!« Sie lief schnell zu Mamadi Sefe Dekote hin und sagte: »Hast du mich gerufen, mein großer Bruder?« Mamadi hatte nicht gerufen, das Borri wirkte auf der zweiten Seite. Mamadi sagte: »Nein, ich habe dich nicht gerufen, denn ich habe nur neun Finger und neun Zehen, und ich weiß, du liebst nur Menschen mit zehn Fingern und zehn Zehen.« Darauf kehrte Sia zurück und hieß Kumbadamba letzte Hand anlegen. Sie glättete alles und nahm reichlich von der Borrikarté, so daß Sia endlich ungeduldig aufsprang und rief: »Nun laß mich endlich, Mamadi ruft mich.« Eilig rannte sie zu Mamadi Sefe Dekote hin und fragte: »Hast du mich gerufen, mein großer Bruder?« Mamadi sagte: »Ja, ich habe dich gerufen. Ich wollte dir sagen: Komm diese Nacht in mein Haus.« Sie sagte: »Ich werde diese Nacht zur Hochzeit kommen.« Bis dahin hatte es Mamadi Sefe Dekote nicht erreicht, daß sich Sia ihm hingab.
Mamadi ließ Bett und Haus ordnen. Er hatte Blali, einen jungen Sklaven, dem er alles anvertrauen konnte und dem er die Sorge für sein gutes Pferd übergeben hatte. Er rief Blali und sagte: »Gib mir dein altes Kleid, ich will es anziehen. Reinige und wasche es also ordentlich. Dann wasch dich selbst und leg dich heute Nacht in meiner Hütte auf mein Bett. Um Mitternacht wird eine Frau, Sia, zu dir kommen. Sprich mit ihr aber kein Wort. Sia soll denken, ich sei an ihrer Seite und sie ist gewohnt, daß ich nicht spreche. Daher habe ich meinen Name Sefe Dekote. Sprich also nicht mit ihr, beschlafe sie aber. Du mußt sie beschlafen. Hast du es bis zum Morgen nicht getan, laß ich dich einfach totschlagen. Du hast mich verstanden?«
In der Nacht kam Sia. Mamadi hatte seine Schuhe vor dem Bett stehen lassen, damit Sia sicher sei, daß er und kein anderer dort auf dem Bett liege. Sie kam, erkannte die Schuhe und legte sich zu dem Pferdeknecht. Sie sagte: »Kassunka« (Gut Nacht). Blali schnalzte zur Antwort nur mit dem Gaumen, um sich nicht zu verraten. Sie sagte: »Mein großer Bruder, ich weiß, daß du nie viel sprichst, heute aber sprich mit mir. Ich bitte dich, mir heute zu antworten.« Blali beschlief darauf Sia.
Am anderen Morgen trat Mamadi Sefe Dekote in den Kleidern Blalis in die Hüttentür und rief: »Blali!« Blali antwortete: »Nam!« (Herr) Mamadi sagte: »Weshalb hast du heute Morgen nicht mein Pferd besorgt und statt dessen bei dem Frauenzimmer Sia geschlafen?« Blali sagte: »Wenn ich heute Morgen meine Arbeit nicht verrichtete, so willst du das damit entschuldigen, Herr, daß ich eine Frau beschlafen konnte, von der ganz Wagadu sagte, sie sei die Schönste im Land. Ist das nicht verzeihlich?« Sia hörte das und begann auf dem Bett am ganzen Leibe zu zittern. Zitternd sprach sie: »Mein großer Bruder, du zahlst gut!« Sia blieb vor Scham den ganzen Tag über im Hause. Sie wagte sich nicht heraus. In der Nacht aber schlich sie hinüber in ihr eigenes Haus und starb dort vor Scham. Das war das Gericht Mamadi Sefe Dekotes über Sia Jatta Bari.