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Aber die Galeere ist nicht das Einzige, das in prunkvollem Lichterglanz erstrahlt.
Hinter ihnen und ringsum haben Tempel und Hain ein goldiges Festkleid angelegt, wie dies Heiligtum es bei solchen Gelegenheiten gewohnt ist. Denn die Verehrung des Feuers ist ein Hauptzug bei den Feierlichkeiten der Aricianischen Diana Nemorensis, die mit dem Namen Vesta ausgezeichnet wird; und gerade diese Nacht, mitten in der heißesten Jahreszeit, ist recht eigentlich diesem Dienste gewidmet.
Rechts und links zwischen den Bäumen flammen Altäre, hier die schwellenden Marmorglieder einer Nymphe, dort die verzerrten Züge eines syrinxblasenden Pan aus dem Dunkel zu spukhaft bewegtem Leben hervorlockend. In einer Rosenlaube erglüht eine Vase wie eine orangefarbige Riesentulpe. Das Urnentempelchen gleicht einer architektonischen Konstellation glänzender Sterne, die in den Lorbeerhain herabgesunken ist; während gegenüber, auf der anderen Seite des heiligen Ölbaumes, in der Blende der Ala die jugendliche Marmorgestalt des göttlichen Tiberius von einer Strahlenkrone umgeben im Begriffe scheint, sich zu den Sternen zu erheben.
Jedoch am prächtigsten leuchtet im Mittelpunkt des Ganzen der Dianatempel selber. Oben, an den Ecken des Giebels, wo statt der Akroterien zwei niedrige Dreifüße angebracht sind, lodern Pechpfannen, die ihre Flammen und beleuchteten Rauchsäulen kerzengerade durch die stille Luft senden – noch hoch über die ernsten Zypressenwipfel, die ringsum in ihrem Schein hervordämmern. Der Säulengang des Peristyls ist von silbernen Lampen hell erleuchtet, und durch die offenen Türen der Zelle dringt die trübere, rötlichere Glut des ewigen Feuers. Zu beiden Seiten der Stufen aber, lange Lichterflügel bildend, stehen fackeltragende Tempeldiener.
Wo jedoch die Kunst des mittsommerlichen Feuerdienstes nicht hinreicht, hat die mittsommerliche Natur für die Weiterführung gesorgt: überall im Gebüsch und zwischen Bäumen schweben und weben unzählige Leuchtkäfer, gleich winzigen geflügelten Vestalämpchen, deren Millionen von Lichtpünktchen allmählich in einen sanftleuchtenden Nebel zusammenschmelzen der sich wiederum zuletzt in Mondglanz auflöst.
Also begrüßt die Galeere den Hain, der Hain die Galeere.
Auf den Tempelstufen sind die Priester versammelt, in ihrer Mitte der Hainkönig, der in der linken Hand den goldenen Zweig, in der rechten eine goldene, juwelbesetzte Opferschale hält. Faunartige Wesen, epheubekränzt und mit Tierfellen bekleidet, tragen Amphoren und silberne Kannen herbei.
Rufus' Platz wäre offenbar dort, unter seinen Priestergenossen. Aber er fühlt sich schon vom Tempel losgelöst und bleibt an der Seite des Freundes und Herrn.
Von links her erschallen feste und hurtige Schritte.
Der Centurio Marcus tritt vor den Herrscher und verbeugt sich.
»Deine Befehle, o Augustus, sind ausgeführt.«
Tiberius neigt schweigend den Kopf.
»Einen Gruß habe ich noch von den beiden auszurichten.«
Wiederum neigt sich der goldbekränzte Kopf als Zeichen der Annahme.
»›Tiberius‹, sagte der Germanenjüngling, ›liebt die Gladiatorenkämpfe nicht. Er ist ein Krieger und ehrt den heldenhaften Tod freier Männer auf der Walstatt. Daß Unfreie sich zur Lust des blutgierigen Pöbels abschlachten, erweckt seinen Abscheu. So ist er es nicht gewöhnt, vom Gladiatorenrufe begrüßt zu werden. Doch möge er ihn heute von uns als eine Danksagung empfahn. Wenn unsere Stimmen zu ihm hinübertönen, wolle er darin die Worte vernehmen: –
›Heil dir, Cäsar Imperator! Die da sterben sollen, grüßen dich!‹«
Nochmals erglänzt im Mondscheine das goldene Eichenlaub bei der feierlichen Neigung des Kopfes.
»Du kannst dich bei Cajus Cäsar melden, Centurio. Er weiß um meinen Willen.«
Marcus verbeugt sich und tritt zurück.
Bevor er sich aber entfernt, winkt er Rufus auf die Seite und drückt ihm etwas in die Hand: –
»Dieser Schatz sollte mit den andern nicht untergehen. Du wirst ihn zu würdigen wissen.«
Rufus sieht sich die Papierrolle an.
Es ist das griechische Manuskript mit den Reden des Galiläers. – –
Vor der Einhegung – ein paar Dutzend Schritte entfernt – steht der Hainkönig, von seinen Priestern umgeben. Er ist gerade im Begriff, den goldenen Zweig in die bis zum Rande gefüllte Opferschale zu tauchen, um mit Besprengung des Bodens das Trankopfer am heiligen Baume einzuleiten, als eine plötzliche Bewegung unter den Priestern ihn veranlaßt, sich umzuwenden.
Auch Rufus und Marcus richten, von der allgemeinen Bewegung erfaßt, ihre Augen auf die Galeere hinüber.
Eine Veränderung ist mit ihr vorgegangen.
Die unterste Fensterreihe ist verschwunden. Von der nächsten sieht man nur die obere Hälfte – lauter Halbmonde ruhen dort auf dem Wasser.
Und wieder ertönt von drüben der Zweigesang. Die innig vermählten Töne senden den Scheidegruß des Germanenpaares herüber: –
Ave Cäsar Imperator!