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Hundertundneunundzwanzigstes Capitel.
Von der Prüfung einer wahren Freundschaft.

Es besaß einst ein König nur einen einzigen Sohn, welchen er sehr lieb hatte. Dieser Sohn aber erhielt von seinem Vater die Erlaubniß sich in der Welt umzusehen um sich Freunde zu erwerben, trieb sich also sieben Jahre in der Fremde herum und kehrte nach Diesem zu seinem Vater zurück. Der Vater aber empfing ihn voller Freude und fragte ihn, wie viel er sich Freunde erworben hätte, und der Sohn sprach: drei, den ersten Freund liebe ich mehr als mich selbst, den zweiten wie mich selbst und den dritten wenig oder gar nicht. Darauf sprach sein Vater zu ihm: es möchte gut seyn sie zu prüfen und zu versuchen, bevor Du ihrer bedarfst: schlachte ein Schwein, stecke es in einen Sack und gehe zur Nachtzeit in das Haus desjenigen Freundes, den Du mehr als Dich selbst liebst, und sage ihm, daß Du durch Zufall einen Menschen getödtet hast, und wenn dessen Körper gefunden wird, zum schimpflichsten Tode verurtheilt werden wirst: ich bitte Dich also, wie ich Dich immer mehr denn mich selbst geliebt habe, hilf mir in dieser großen Noth. Also geschah es denn auch, jener aber erwiderte: wie Du ihn getödtet hast, also ist es nothwendig, daß Du dafür büßest, und wenn der Leichnam gefunden wird, dürftest Du wohl an den Galgen gehängt werden. Indessen, weil ich Dein Freund gewesen bin, will ich mit Dir bis zum Galgen gehen, und wenn Du hingerichtet worden bist, Dir drei oder vier Ellen Tuch geben, um Deinen Leichnam darin einzuschlagen. Wie er das hörte, ging er zu seinem zweiten Freunde und prüfte ihn wie den ersten, der aber schlug es ihm ab, wie der erste und sprach: hältst Du mich für einen Thoren, daß ich mich einer solchen Gefahr aussetzen sollte? Indessen, weil Du mein Freund gewesen bist, will ich Dich bis an den Galgen begleiten und Dir unterwegs Trost einsprechen, so viel ich kann. Hierauf kam er zu seinem dritten Freunde und stellte ihn auf die Probe, indem er also sprach: ich schäme mich Dich anzusprechen, weil ich nie etwas für Dich gethan habe, allein ich habe zufällig einen Mann umgebracht und usw. Jener aber antwortete: ich will das gern für Dich thun, will die Schuld auf mich nehmen und wenn es seyn muß, für Dich den Galgen besteigen. Also erfuhr er, daß dieser sein bester Freund gewesen war.


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