Franz Grillparzer
Das goldene Vließ
Franz Grillparzer

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Zweiter Aufzug

Halle wie am Ende des vorigen Aufzuges. Es ist Tag.

Gora, Peritta. Jungfrauen.

Gora.
Ich sage dir, sprich lieber Medeen nicht.
Ob der Ereignung zürnt sie der heutigen Nacht
Und sie spricht sich nicht gut, wenn sie zürnt; das weißt du!
Auch gebot sie dir, ihr Antlitz zu fliehn.

Peritta.
Was soll ich tun? Wer hilft, wenn sie nicht?
Gefangen der Gatte, die Hütte verbrannt.
Alles geraubt von den fremden Männern
Wem klag' ich mein Leid, wer rettet, wenn sie nicht?

Gora.
Tu wie du willst, ich hab' dich gewarnt,
Auch ist's recht und billig nur, daß sie dich hört,
Aber der Mensch tut nicht immer was recht.

Peritta.
Ach, ich Unselige!

Gora.
        Klage nicht! Was hilft's
Überleg' und handle, das tut dir Not!
Doch wo weilt Medea? komm in ihr Gemach.

Eine Jungfrau stürzt atemlos herein.

Jungfrau.
O Übermaß des Unglücks!

Gora (an der Türe umkehrend).
Wohl nur der Torheit, will ich hoffen!
Was neues gibt's?

Jungfrau.
        Der Fürstin Lieblingspferd. –

Gora.
Das herrliche Tigerroß –

Jungfrau.
        Es ist entflohn!

Gora.
So?

Jungfrau.
        In der Verwirrung der heutigen Nacht
Da die Pforte offen, wir alle voll Angst,
Entkam es dem Stall und ward nimmer gesehn!
Weh mir!

Gora.
        Ja wohl!

Jungfrau.
                Wie entflieh' ich der Fürstin Zorn?
Wird sie's ertragen –?

Gora.
        Das wie ist ihre Sache
Doch tragen muß sie's, da es ist.
Nur rat' ich dir geh fürs erste ihr aus dem Auge!
Doch horch! Sie naht schon! Peritta tritt zu mir.

Medea kommt in Gedanken versunken aus der Türe rechts.

Gora (nach einer Pause).
Medea –

Jungfrau (ihr zuvorkommend und zu Medeens Füßen stürzend).
        O Königin verzeih!

Medea (den Kopf emporhebend).
                Was ist?

Jungfrau.
Vernichte mich nicht in deinem Zorn!
Dein Leibroß – Dein Liebling! – Es ist entflohn.
(Pause während welcher sie Medeen voll Erwartung ins Gesicht sieht).
Nicht meine Schuld war's fürwahr. Der Schrecken heut Nacht
Das Getümmel, der Lärm – Da geschah's –
– Du sprichst nicht? – Zürne Fürstin –

Medea.
        Es ist gut!
(Jungfrau steht auf.)

Gora (sie bei Seite ziehend).
Was sprach sie?

Jungfrau (freudig).
        Es sei gut.

Gora.
                Das ist nicht gut!
Trägt sie so leicht, was sie sonst schwer ertrug,
Das begünstigt unsre Sache, Peritta!
Fast ist mir's unlieb, daß sie so mild gestimmt
Ich hatte mich drauf gefreut, wie sie sich sträuben würde
Und endlich überwinden müßte zu tun was sie soll.
Nu komm denn, komm, für dich ist's besser so.
Medea hier ist noch jemand den du kennst!

Medea.
Wer?

Gora.
        Kennst deine Gespielin, Peritta, nicht?
Zürnst du ihr gleich –

Medea.
        Peritta bist du's;
Sei mir gegrüßt, sei herzlich mir gegrüßt!
(Sie mit dem Arm umschlingend und sich auf sie stützend.)
Wir haben frohe Tage zusammen gelebt.
Seit dem ist viel übles geschehn.
Viel übles seit der Zeit, Peritta!
Hast du deine Herde verlassen und dein Haus
Und kommst wieder zu mir, Peritta?
Sei mir willkommen, du bist sanft und gut,
Du sollst mir die Nächste sein im Kreis meiner Frauen!

Peritta.
Kein Haus hab' ich mehr und keine Herde
Alles verloren, mein Gatte gefangen,
Dahin meine Ruhe, mein Segen, mein Glück.

Medea.
So ist er dahin, ist tot!
Du dauerst mich armes, armes Kind!
War so jung, so kräftig, so glänzend, so schön,
Und ist tot und kalt! Du dauerst mich
Ich könnte weinen, so rührst du mich.
(Legt ihre Stirne auf Perittas Schulter.)

Peritta.
Nicht tot, nur gefangen ist mein Gatte
Drum kam ich zu flehn, daß du bittest den Vater
Ihn zu lösen, zu retten, zu befrein –
– Medea hörst du? – (Zu Gora.) Sie spricht nicht! Was sinnt sie?

Gora.
Mich überrascht sie nicht minder als dich
Das ist sonst nicht Medeens Sitte.

Peritta.
Was ist das? Trau' ich meinen Sinnen?
Feucht fühl' ich dein Antlitz auf meiner Schulter!
Medea Tränen? – O du Milde, du Gute!
(Küßt Medeens herabhängende Hand.)

(Medea reißt sich empor, faßt rasch mit der rechten Hand die geküßte Linke und sieht Peritten starr ins Gesicht. Dann entfernt sie sich rasch von ihr, sie immer starr betrachtend und nähert sich der Amme.)

Medea.
Gora!

Gora.
        Frau?

Medea.
                Heiß sie gehn!

Gora.
                        So willst du –

Medea.
Heiß sie gehn!

Gora (winkt Peritten mit der Hand Entfernung zu).
(Peritta hält flehend ihr die Hände entgegen.)
(Gora winkt ihr beruhigend zu, sich zu entfernen.)
(Peritta von zwei Mädchen geführt, ab.)

Medea (unterdessen).
Ah! – es ist heiß hier. – Schwüle Luft.
(Reißt gewaltsam den Gürtel entzwei und wirft ihn weg.)

Gora.
        Sie ist fort!.

Medea (zusammenfahrend).
Fort?

Gora.
        Peritta ist fort.

Medea.
                Gora!

Gora.
                        Gebieterin!

Medea (halblaut, sie bei Seite führend).
Warst du zugegen heut Nacht?

Gora.
        Wo?

Medea (Sieht ihr fremd ins Gesicht.)

Gora.
                Ah hier? Freilich!

Medea (mit freudeglänzenden Blicken).
Ich sage dir es war ein Gott!

Gora.
        Ein Gott?

Medea.
Ich habe lange darüber nachgedacht,
Nachgedacht und geträumt die lange Nacht,
Aber 's war ein Himmlischer, des bin ich gewiß.
Als er mit einemmal dastand, zürnenden Muts,
Hochaufleuchtend, einen Blitz in der Hand
Und zwei andre im flammenden Blick,
Da fühlt' ich's am Sinken des Muts, an meiner Vernichtung,
Daß ihn kein sterbliches Weib gebar.

Gora.
Wie? so –

Medea.
        Du hast mir wohl selbst erzählet,
Oft, daß Menschen, die nah dem Sterben,
Heimdar sich zeige, der furchtbare Gott,
Der die Toten führt in die schaurige Tiefe.
Sieh, der war es glaub' ich, o Gora!
Heimdar war es, der Todesgott.
Bezeichnet hat er sein dunkles Opfer,
Bezeichnet mich mit dem ladenden Kuß
Und Medea wird sterben, hinuntergehn
Zu den Schatten der schweigenden Tiefe.
Glaub' mir, ich fühle das, gute Gora,
An diesem Bangen, an diesem Verwelken der Sinne,
An dieser Grabessehnsucht fühl' ich es,
Daß mir nicht fern das Ende der Tage!

Gora.
Was hat deinen Sinn so sehr umwölkt,
Daß du trüb schaust, was klar und deutlich?
Ein Mensch war's, ein Übermüt'ger, ein Frecher
Der hier eindrang

Medea (zurückfahrend).
        Ha!

Gora.
                Der die Nacht benützend –

Medea.
Schweig!

Gora.
        Deine Angst

Medea.
                Verruchte schweig.

Gora.
Schweigen kann ich wenn du's gebietest,
Einst mein Pflegling, jetzt meine Frau.
Aber drum ist's nicht anders als ich sagte.

Medea.
Sieh wie du albern bist und töricht!
Wie käm' ein Fremder in diese Mauern?
Wie hätt' ein Sterblicher sich erfrecht,
Zu drängen sich vor Medeas Antlitz,
Sie zu sprechen, ihr zu drohn, mit seinen Lippen –
Geh Unselige, geh
Daß ich dich nicht töte,
Nicht räche deine Torheit
An deinem Leben.
Ein Sterblicher? Scham und Schmach!
Entferne dich, Verräterin!
Geh! sonst trifft dich mein Zorn.

Gora.
Ich rede was ist und nicht was du willst.
Gehn soll ich? ich gehe.

Medea.
        Gora, bleib!
Hast du kein freundlichs Wort, du Gute?
Fühlst du denn nicht, so ist's so muß es sein,
Heimdar war es, der stille Gott,
Und nun kein Wort mehr, kein Wort, o Gora!
(Wirft sich ihr an den Hals und verschließt mit ihrem Munde Goras Lippen.)
(Nach einer Pause.)

Medea.
Horch!

Gora.
        Tritte nahen!

Medea.
                Man kommt! Fort!

Gora.
Bleib! Dein Bruder ist's und dein Vater! Sieh!

Aietes und Absyrtus stürzen herein.

Aietes.
Entkommen ist er, des trägst du die Schuld!
(Zu Medeen.)
Warum hemmtest den Streich des Bruders,
Da er ihn töten wollte, den Frevler?

Absyrtus.
Vater, scheltet sie nicht darum
War doch angstvoll und bang ihre Seele!
Denkt! ein Fremder, allein, bei Nacht,
Eingedrungen in ihre Kammer;
Sollte sie da nicht zagen, Vater?
Und nicht weiß die Furcht was sie tut.
Doch der Grieche –

Medea.
        Grieche?

Aietes.
                Wer sonst?
Einer der Fremden war's, der Hellenen,
Die gekommen an Kolchis' Küste,
Argonauten, auf Argo dem Schiff,
Zu verwüsten unsere Täler
Und zu rauben unser Gut.

Medea (Goras Hand fassend).
Gora!

Gora.
        Siehst du? es ist so, wie ich sagte.


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