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Kreusa.
Was sorgst du denn? es ist für dich gesorgt.
Jason.
Gesorgt? O ja, wie man dem Bettler wohl
Den Napf mit Abhub an die Schwelle reicht.
Bin ich der Jason und brauch andrer Sorge?
Muß unter fremden Tisch die Füße setzen
Mit meinen Kindern betteln gehn zu fremden Mitleid?
Mein Vater war ein Fürst, ich bin es auch
Und wer ist, der dem Jason sich vergleicht?
Und doch –
(Er ist aufgestanden.)
Ich kam den lauten Markt entlang
Und durch die weiten Gassen eurer Stadt
Weißt du noch, wie durch sie ich prangend schritt
Als ich, vor jenem Argonautenzug,
Hierherkam, von euch Abschied noch zu nehmen?
Da wallten sie in dichtgedrängten Wogen
Von Menschen, Wagen, Pferden, bunt gemengt.
Die Dächer trugen Schauende, die Türme,
Und wie um Schätze stritt man sich den Raum.
Die Luft ertönte von der Zimbel Lärm
Und von dem Lärm der heilzuschreinden Menge.
Dicht drängt' sie sich rings um die edle Schar,
Die reich geschmückt, in Panzers hellem Leuchten,
Der mindeste ein König und ein Held,
Den edlen Führer ehrfurchtsvoll umgaben –
Und ich war's der sie führte, ich ihr Hort,
Ich, den das Volk in lautem Jubel grüßte –
Jetzt als ich durch dieselben Straßen ging,
Traf mich kein Aug', kein Gruß, kein Wort.
Nur als ich stand, und rings her um mich sah,
Meint' einer, es sei schlechte Sitte, so
In Weges Mitte stehn und andre stören.
Kreusa.
Du wirst dich wieder heben, wenn du willst.
Jason.
Mit mir ist's aus! ich hebe mich nicht mehr.
Kreusa.
Ich weiß ein Mittel wie dir's wohl gelingt.
Jason.
Das Mittel wüßt' ich wohl, doch schaffst du mir's?
Mach daß ich nie der Väter Land verlassen,
Daß ich bei euch hier in Korinthos blieb,
Daß ich das Vlies, ich Kolchis nie gesehen,
Ich nie gesehen sie, die nun mein Weib.
Mach, daß sie heimkehrt in ihr fluchbeladnes Land
Und die Erinnrung mitnimmt, daß sie dagewesen,
Dann will ich wieder Mensch mit Menschen sein.
Kreusa.
Das wär's allein? Ich weiß ein andres Mittel:
Ein einfach Herz und einen stillen Sinn.
Jason.
Ja, wer von dir das lernen könnte, Gute!
Kreusa.
Die Götter geben's jedem, der nur will.
Auch dir war's einst und kann es wieder werden.
Jason.
Denkst du noch manchmal unsrer Jugendzeit?
Kreusa.
Gar oft und gern erinnr' ich mich an sie.
Jason.
Wie wir ein Herz und eine Seele waren.
Kreusa.
Ich machte milder dich und du mich kühn.
Weißt du, wie ich den Helm aufs Haupt mir setzte?
Jason.
Er war zu weit, du hieltst ihn, sanft geduckt,
Mit kleinen Händen ob den goldnen Locken.
Kreusa, es war eine schöne Zeit!
Kreusa.
Und wie mein Vater sich darüber freute,
Er nannt' uns öfter scherzend Bräutigam und Braut.
Jason.
Es kam nicht so.
Kreusa.
Wie manches anders kommt,
Als man's gedacht. Allein was tut's?
Wir wollen drum nicht minder fröhlich sein!
(Medea kommt zurück.)
Medea.
Die Kleinen sind besorgt.
Jason.
Nun, es ist gut.
(Fortfahrend.) Die schönen Orte unsrer Jugendlust,
An die Erinnrung knüpft mit leisen Fäden,
Ich hab sie durchgegangen, da ich kam,
Und Brust und Lippen kühlend eingetaucht
Im frischen Born der hellen Kinderzeit.
Ich war am Markt, wo ich den Wagen lenkte,
Das rasche Roß dem Ziel entgegentrieb,
Den Faustschlag wechselnd mit dem Gegner rang,
Indes du standst und sahst, erschrakst und zürntest,
Um meinetwillen jedem Gegner feind.
Ich war im Tempel, wo vereint wir knieten,
Hier nur allein einander uns vergessend,
Und unsre Lippen zu den Göttern sandten
Aus zweier Brust ein einzig, einig Herz.
Kreusa.
So weißt du denn das alles noch so gut?
Jason.
Ich sauge Labung draus mit vollen Zügen
Medea (die still hingegangen ist und die weggelegte Leier ergriffen hat).
Jason, ich weiß ein Lied!
Jason.
Und dann der Turm!
Weißt du den Turm dort an der Meeresküste
Wo du mit deinem Vater standst und weintest,
Als ich das Schiff bestieg zum weiten Zug.
Ich hatte da kein Aug' für deine Tränen
Denn nur nach Taten dürstete mein Herz.
Ein Windstoß löste deinen Schleier los
Und warf ihn in die See, ich sprang darnach
Und trug ihn mit mir fort, dir zum Gedächtnis.
Kreusa.
Hast du ihn noch?
Jason.
Denk nur, so manches Jahr
Verging seit dem und nahm dein Pfand mit sich.
Der Wind hat ihn verweht.
Medea.
Ich weiß ein Lied.
Jason.
Du riefst mir damals zu: Leb wohl, mein Bruder.
Kreusa.
Und jetzt ruf ich: Mein Bruder, sei gegrüßt!
Medea.
Jason, ich weiß ein Lied.
Kreusa.
Sie weiß ein Lied,
Das du einst sangst, hör zu, sie soll dir's singen.
Jason.
Ja so! Wo war ich denn? Das klebt mir an
Aus meiner Jugendzeit und spottet meiner,
Daß gern ich manchmal träumen mag und schwatzen
Von Dingen die nicht sind und die nicht werden.
Denn wie der Jüngling in der Zukunft lebt
So lebt der Mann mit der Vergangenheit.
Die Gegenwart weiß keiner recht zu leben.
Da war ich jetzt ein tatenkräft'ger Held
Und hatt' ein liebes Weib und Gold und Gut
Und einen Ort wo meine Kinder schlafen.
Was also willst du denn? (Zu Medea.)
Kreusa.
Ein Lied dir singen,
Das du in deiner Jugend sangst bei uns.
Jason.
Und das singst du?
Medea.
So gut ich kann.
Jason.
Ja wohl!
Willst du mit einem armen Jugendlied
Mir meine Jugend geben und ihr Glück?
Laß das. Wir wollen aneinander halten
Weil's einmal denn so kam und wie sich's gibt.
Doch nichts von Liedern und von derlei Dingen!
Kreusa.
Laß sie's doch singen. Sie hat sich geplagt
Bis sie's gewußt und nun –
Jason.
So singe, sing!
Kreusa.
Die zweite Saite, weißt du noch?
Medea (mit der Hand schmerzlich aber ihre Stirne streichend).
Vergessen.
Jason.
Siehst du, ich sagt' es wohl, es geht nun nicht!
An andres Spiel ist ihre Hand gewohnt,
Den Drachen sang sie zaubrisch in den Schlaf.
Und das klang anders als dein reines Lied.
Kreusa (einflüsternd).
O ihr Götter
Ihr hohen Götter –
Medea (nachsagend).
O ihr Götter –
Ihr hohen, ihr gerechten, strengen Götter!
(Die Leier entfällt ihr, sie schlägt beide Hände vor die weinenden Augen.)
Kreusa.
Sie weint. Wie kannst du doch so hart sein und so wild.
Jason (sie zurückhaltend).
Laß sie! Kind, du verstehst uns beide nicht!
Es ist der Götter Hand, was sie nun fühlt,
Auch hier gräbt sie, auch hier mit blut'gen Griffen.
Greif du nicht in der Götter Richteramt!
Hättst du sie dort gesehn im Drachenhorst,
Wie sie sich mit dem Wurm zur Wette bäumte,
Voll Gift der Zunge Doppelpfeile schoß,
Und Haß und Tod aus Flammenaugen blinkte,
Dein Busen wär' gestählt gen ihre Tränen.
Nimm du die Leier und sing mir das Lied
Und bann den Dämon, der mich würgend quält.
Du kannst's vielleicht, doch jene nicht.
Kreusa.
Recht gern.
(Sie will die Leier aufheben.)
Medea (ihren Arm ober der Hand fassend und sie abhaltend).
Halt ein! (Sie hebt mit der andern Hand die Leier auf.)
Kreusa.
Recht gern, spielst du es selber.
Medea.
Nein!
Jason.
Gibst du sie nicht denn?
Medea.
Nein.
Jason.
Auch mir nicht?
Medea.
Nein!
Jason (hinzutretend und nach der Leier greifend).
Ich aber nehme sie.
Medea (ohne sich vom Platz zu bewegen, die Leier zurückziehend).
Umsonst!
Jason (ihre zurückziehenden Hände mit den seinigen verfolgend).
Gib!
Medea (die Leier im Zurückziehen zusammendrückend, daß sie krachend zerbricht).
Hier!
Entzwei! (Die zerbrochene Leier vor Kreusa hinwerfend.)
Entzwei die schöne Leier!
Kreusa (entsetzt zurückfahrend).
Tot!
Medea (rasch umblickend).
Wer? – Ich lebe! lebe!
(Sie steht da hoch emporgehoben vor sich hinstarrend.)
(Von außen ein Trompetenstoß.)
Jason.
Ha, was ist das? – Was stehst du siegend da?
Dich reut noch, glaub ich, dieser Augenblick.
(Noch ein Trompetenstoß.)
(Der König kommt rasch zur Türe herein.)
Jason (ihm entgegen).
Was kündigt an der kriegerische Schall?
König.
Unglücklicher, du fragst?
Jason.
Ich frage, Herr!
König.
Der Streich, den ich gefürchtet ist gefallen,
Ein Herold steht vor meines Hauses Pforten,
Gesandt vom Stuhl der Amphiktyonen.
Er frägt nach dir, und hier nach deinem Weib,
Den Bann ausrufend in des Himmels Lüfte!
Jason.
Auch das noch!
König.
Also ist's. Doch still, er naht!
(Die Pforten öffnen sich. Ein Herold tritt herein; hinter ihm zwei Hornbläser, weiter zurück mehreres Gefolge.)
Herold.
Die Götter und ihr Schutz in dieses Haus!
König (feierlich).
Wer bist du und was suchst du hier bei mir?
Herold.
Ein Gottesherold bin ich, abgesandt
Vom Altgericht der Amphiktyonen,
Das spricht in Delphis hochgefreiter Stadt;
Mit Bann verfolg ich und mit Rachespruch
Die schuldigen Verwandten König Pelias',
Der einst auf Jolkos saß, nun aber tot ist.
König.
Suchst du die Schuld'gen, suche sie nicht hier,
In seinem Haus, bei seinen Kindern such sie!