Franz Grillparzer
Das goldene Vließ
Franz Grillparzer

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Herold.
Ich fand sie hier und so sprech ich sie an:
Fluch Jason dir! Fluch dir und deinem Weib!
Verruchter Künste bist du angeklagt,
Der Schuld an deines Oheims dunkeln Tod.

Jason.
Du lügst, nicht weiß ich um des Königs Sterben.

Herold.
Frag diese dort, die weiß es besser wohl.

Jason.
Tat sie's?

Herold.
        Nicht mit der Hand, durch Künste, die ihr kennt,
Die ihr herüberbrachtet aus dem fremden Lande.
Denn als der König krank – vielleicht schon da ein Opfer,
So seltsam waren seiner Krankheit Zeichen –
Da traten seine Töchter zu Medeen hin,
Um Heilung flehend von der Heilerfahrnen.
Sie aber sagt' es zu und ging mit ihnen.

Jason.
Halt! sie ging nicht! Ich wehrt' es, und sie blieb.

Herold.
Das erstemal. Doch als die Mädchen drauf,
Dir unbewußt, zum zweitenmal ihr nahten,
Da ging sie mit, allein das goldne Vlies,
Das ihr ein Greu'l sei, ein verderblich Zeichen,
Als Preis der sichern Rettung sich bedingend.
Die Mädchen aber sagen's ihr voll Freude zu.
Und sie tritt ein beim König, wo er schlief.
Geheimnisvolle Worte sprach sie aus
Und immer tiefer sinkt der König in den Schlaf.
Das böse Blut zu bannen, heißt dem Herrn sie
Die Adern öffnen und auch das geschieht;
Er atmet leichter als man ihn verband
Und froh sind schon die Töchter der Genesung.
Da ging Medea fort, von dannen wie sie sagte,
Und auch die Töchter gehn, da jener schlief.
Mit eins ertönt Geschrei aus seiner Kammer,
Die Mädchen eilen hin und – gräßlich! greulich!
Der Alte lag am Boden, wild verzerrt,
Gesprungen die Verbande seiner Adern,
In schwarzen Güssen strömend hin sein Blut.
Am Altar lag er, wo das Vlies gehangen,
Und das war fort. Die aber ward gesehen,
Den goldnen Schmuck um ihre Schultern tragend,
Zur selben Stunde schreitend durch die Nacht.

Medea (dumpf vor sich hin).
        Es war mein Lohn.
Mich schaudert, denk ich an des alten Mannes Wut!

Herold.
Damit nun solcher Greu'l nicht länger währe
Und unser Land mit seinem Hauch vergifte,
So sprech ich aus hiemit den großen Bann
Ob Jason dem Thessalier, Aesons Sohn,
Genoß einer Verruchten, selbst verrucht
Und treib ihn aus, kraft meines heil'gen Amts,
Aus, von der Griechen gottbetretnen Erde,
Und weis ihn in das Irrsal, in die Flucht,
Mit ihm sein Weib und seines Bettes Sprossen.
Kein Teil sei ihm am vaterländ'schen Boden,
An vaterländ'schen Göttern ihm kein Teil,
Kein Teil an Schutz und Recht des Griechenlandes.

(Nach den Himmelsgegenden.)
        Verbannt Jason und Medea!
        Medea und Jason verbannt!
        Verbannt!
        Jason und Medea!

Wer aber ihn beherbergt, ihn beschützt,
Von hier nach dreien Tagen und drei Nächten,
Dem künd ich Tod, wenn es ein Einzelmann,
Und Krieg, wenn's eine Stadt, wenn es ein König!
So fügt's der Spruch der Amphiktyonen
Und so verkünd ich es zu Recht,
Damit ein jeder wisse sich zu wahren.

Die Götter und ihr Schutz in dieses Haus!
(Er wendet sich zum Abgehen.)

Jason.
Was steht ihr da, ihr Mauern? stürzet ein,
Erspart die Müh' dem König, mich zu töten!

König.
Halt ein, o Herold, und vernimm noch dies!
(Zu Jason gewendet.)
Glaubst du, mich reute schon was ich gelobt?
Hielt' ich für schuldig dich, und wärst du auch mein Sohn,
Ich gäbe hin dich jenen, die dich suchen;
Doch du bist's nicht und so beschütz ich dich,
Bleib hier. Wer aber wagt es Kreons Freund,
Für dessen Unschuld er sein Wort verpfändet, – –
Wer wagt es meinen Eidam anzutasten?
Ja Herold, meinen Eidam, meiner Tochter Gatten!
Was einst beschlossen ward in frühern Tagen,
In Tagen seines Glücks, ich führ es aus
Jetzt da des Unglücks Wogen ihn umbranden.
Sie sei dein Weib, du bleibst bei deinem Vater.
Also vertret ich's vor den Amphiktyonen;
Und wer beschuldigt noch wen Kreon freisprach,
Freisprach durch seiner eignen Tochter Hand?

Das sag du jenen, die dich hergesandt
Und in der Götter Schutz sei nun entlassen.

(Der Herold geht.)

Doch diese, die die Wildnis ausgespieen,
Zu deinem, aller Frommen Untergang,
Sie, die die Greu'l verübt, der man dich zeiht,
Sie bann ich aus des Landes Grenzen fort
Und Tod ihr, trifft der Morgen sie noch hier.
Zieh hin aus meiner Väter frommen Stadt
Und reinige die Luft, die du verpestest!

Medea.
Das also wär's? Mir gält' es, mir allein?
Ich aber sag euch, ich hab's nicht getan!

König.
Genug hast du verübt, seit er dich sah.
Hinweg aus meinem Haus, aus meiner Stadt.

Medea (zu Jason).
Und muß ich fort, nun wohl, so folge mir!
Gemeinsam wie die Schuld, sei auch die Strafe!
Weißt noch den alten Spruch? Allein soll keines sterben,
Ein Haus, ein Leib und ein Verderben!
Im Angesicht des Todes schwuren wir's;
Jetzt halt es, komm!

Jason.
        Berührst du mich?
Laß ab von mir, du meiner Tage Fluch!
Die mir geraubt mein Leben und mein Glück,
Die ich verabscheut, wie ich dich gesehn,
Nur töricht Liebe nannte meines Wesens Ringen!
Heb dich hinweg, zur Wildnis, deiner Wiege,
Zum blut'gen Volk, dem du gehörst und gleichst.
Doch vorher gib mir wieder was du nahmst
Gib Jason mir zurücke, Frevlerin!

Medea.
Zurück willst du den Jason? – Hier! – Hier nimm ihn!
Allein wer gibt Medeen mir, wer mich?
Hab ich dich aufgesucht in deiner Heimat?
Hab ich von deinem Vater dich gelockt?
Hab ich dir Liebe auf-, ja aufgedrungen?
Hab ich aus deinem Lande dich gerissen,
Dich preisgegeben Fremder Hohn und Spott?
Dich aufgereizt zu Freveln und Verbrechen?
Du nennst mich Frevlerin? – Weh mir! ich bin's!
Doch wie hab ich gefrevelt und für wen?
Laß diese mich mit gift'gem Haß verfolgen,
Vertreiben, töten, diese tun's mit Recht,
Denn ich bin ein entsetzlich, greulich Wesen,
Mir selbst ein Abgrund und ein Schreckensbild,
Die ganze Welt verwünsche mich, nur du nicht!
Du nicht, der Greuel Stifter, einz'ger Anlaß, du!
Weißt du noch, wie ich deine Knie umfaßte,
Als du das blut'ge Vlies mir stehlen hießest:
Ich mich zu töten eher mich vermaß
Und du mit kaltem Hohne herrschtest: Nimm's!
Weißt du, wie ich den Bruder hielt im Arm,
Der todesmatt von deinem grimmen Streich,
Bis er sich losriß von der Schwester Brust
Und deinem Trotz entrinnend Tod in Wellen suchte?
Weißt du? – Komm her zu mir! – Weich mir nicht aus!
Verbirg nicht hinter jene dich vor mir!

Jason (vortretend).
Ich hasse, doch ich scheu dich nicht!

Medea.
        So komm!
(Halblaut.)
Weißt du? – Sieh mich nicht so verachtend an! –
Wie du den Tag vor deines Oheims Tod,
Da eben seine Töchter von mir gingen,
Die ratlos ich auf dein Geheiß entließ,
Wie du zu mir in meine Kammer tratst
Und mit den Augen so in meine schauend, –
Als säh' ein Vorsatz, scheu in dir verborgen,
Nach seinesgleichen aus in meiner Brust –
Wie du da sagtest: Daß zu mir sie kämen
Um Heilung für des argen Vaters Krankheit,
Ich wollt' ihm einen Labetrank bereiten,
Der ihn auf immer heilen sollt' und mich!
Weißt du? Sieh mir ins Antlitz wenn du's wagst!

Jason.
Entsetzliche! Was rasest du gen mich?
Machst mir zu Wesen meiner Träume Schatten,
Hältst mir mein Ich vor in des deinen Spiegel
Und rufst meine Gedanken wider mich?
Nichts weiß ich, nichts von deinem Tun und Treiben,
Verhaßt war mir von Anfang her dein Wesen,
Verflucht hab ich den Tag, da ich dich sah,
Und Mitleid nur hielt mich an deiner Seite.
Nun aber sag ich mich auf ewig von dir los
Und fluche dir, wie alle Welt dir flucht.

Medea.
Nicht so, mein Gatte, mein Gemahl!

Jason.
Weg da!

Medea.
        Als mir's mein greiser Vater drohte,
Versprachst du, nie mich zu verlassen. Halt's!

Jason.
Selbst hast du das Versprechen dir verwirkt,
Ich gebe hin dich deines Vaters Fluch!

Medea.
Verhaßter komm! Komm mein Gemahl!

Jason.
        Zurück!

Medea.
In meinen Arm, so hast du's ja gewollt!

Jason.
Zurück! Sieh hier mein Schwert! Ich töte dich
Wenn du nicht weichst!

Medea (immer näher tretend).
        Stoß zu! Stoß zu!

Kreusa (zu Jason).
                Halt ein!
Laß sie in Frieden ziehn! Verletz sie nicht!

Medea.
Du auch hier? weiße, silberhelle Schlange?
O zische nicht mehr, züngle nicht so lieblich!
Du hast ja, was du wolltest, den Gemahl!
War's darum, daß du dich so schmeichelnd wandst
Und deine Ringe schlangst um meinen Hals?
O hätt' ich einen Dolch, ich wollte dich
Und deinen Vater, den gerechten König!
Darum sangst du so holde Weisen?
Darum gabst du mir Saitenspiel und Kleid?
(Ihren Mantel abreißend.)
Hinweg! Fort mit den Gaben der Verruchten!
(Zu Jason.)
Sieh! Wie ich diesen Mantel durch hier reiße
Und einen Teil an meinen Busen drücke,
Den andern hin dir werfe vor die Füße,
Also zerreiß ich meine Liebe, unsern Bund.
Was draus erfolgt, das werf ich dir zu, dir,
Dem Frevler an des Unglücks heil'gem Haupt.
Gebt meine Kinder mir und laßt mich gehn!

König.
Die Kinder bleiben hier.

Medea.
        Nicht bei der Mutter?

König.
Nicht bei der Frevlerin!

Medea (zu Jason).
        So sagst auch du?

Jason.
Auch ich.

Medea (gegen die Türe).
        So hört ihr Kinder mich!

König.
                Zurück!

Medea.
Allein gehn heißt ihr mich? Wohlan es sei!
Doch sag ich euch: bevor der Abend graut
Gebt ihr die Kinder mir. Für jetzt genug!
Du aber, die hier gleisend steht, und heuchelnd
In falscher Reinheit niedersieht auf mich,
Ich sage dir, du wirst die weißen Hände ringen,
Medeens Los beneiden gegen deins.

Jason.
Wagst du's?

König.
        Hinweg.

Medea.
                Ich geh doch komm ich wieder
Und hole das was mir, und bring was euch gebührt.

König.
Was soll sie drohen uns ins Angesicht?
Wenn Worte nicht (zu den Trabanten) laßt eure Lanzen sprechen!

Medea.
Zurück! Wer wagt's Medeen anzurühren!
Merk auf die Stunde meines Scheidens, König
Du sahst noch keine schlimmre, glaube mir!
Gebt Raum! Ich geh! Die Rache nehm ich mit! (Ab.)

König.
Die Strafe wenigstens, sie folget dir!
(Zu Kreusen.)
Du zittre nicht, wir schützen dich vor ihr!

Kreusa.
Ich sinne nur, ob recht ist, was wir tun;
Denn tun wir recht, wer könnte dann uns schaden?

(Der Vorhang fällt.)


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