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Der Bote kommt wieder.
Bote.
Der Führer, Herr, der fremden Männer! –
Aietes.
Was will er? Meine Krone, mein Leben?
Noch hab' ich Mut, noch hab' ich Kraft
Noch wallt Blut in meinen Adern
Zu tauschen Tod um Tod!
Bote.
Er bittet um Gehör.
Aietes.
Bittet?
Bote.
Freundlich sich mit dir zu besprechen
Zu stiften friedlichen Vergleich.
Aietes.
Bittet? und hat die Macht in Händen,
Findet uns unbewehrt, er in Waffen,
Und bittet, der Tor!
Bote.
In dein Haus will er treten,
Sitzen an deinem Tische,
Essen von deinem Brot
Und dir vertrauen
Was ihn hierher geführt.
Aietes.
Er komme, er komme.
Hält er Friede nur zwei Stunden,
Später fürcht' ich ihn nicht mehr.
Sag' ihm, daß er nahe,
Aber ohne Schild ohne Speer,
Nur das Schwert an der Seite,
Er und seine Gesellen.
Dann aber geh und biet auf die Getreuen
Rings herum im ganzen Lande
Heiß sie sich stellen gewappnet, bewehrt
Mit Schild und Panzer mit Lanz' und Schwert
Und sich verbergen im nahen Gehölz
Bis ich winke, bis ich rufe. – Geh!
(Bote ab.)
Ich will dein lachen du schwacher Tor!
Du aber Medea, sei mir gewärtig!
Einen Trank, ich weiß es, bereitest du
Der mit sanfter, schmeichelnder Betäubung
Die Sinn' entbindet ihres Diener-Amts
Und ihren Herrn zum Sklaven macht des Schlafs.
Geh hin und hole mir von jenem Trank!
Medea.
Wozu?
Aietes.
Geh, sag' ich, hin und hol' ihn mir!
Dann komm zurück. Ich will sie zähmen diese Stolzen!
(Medea ab.)
Aietes (gegen den Altar im Hintergrunde gewandt).
Peronto, meiner Väter Gott!
Laß gelingen, was ich sinne
Und teilen will ich, treu und redlich
Was wir gewinnen von unsern Feinden.
Kriegerische Musik. Bewaffnete Griechen ziehen auf, mit grünen Zweigen in der Hand. Der letzte geht Phryxus, in der linken Hand gleichfalls einen grünen Zweig, in der Rechten ein goldenes Widderfell, in Gestalt eines Panieres auf der Lanze tragend. Bewaffnete Kolcher treten von der andern Seite ein. Die Musik schweigt.
Indem Phryxus an dem im Hintergrunde befindlichen Altar und der darauf stehenden Bildsäule vorbeigeht, bleibt er, wie von Erstaunen gefesselt stehn, dann spricht er:
Phryxus.
Kann ich den Augen traun? – Er ist's, er ist's!
Sei mir gegrüßt, du freundliche Gestalt,
Die mich durch Wogensturm und Unglücksnacht
Hierher geführt an diese ferne Küste,
Wo Sicherheit und einfach stille Ruh
Mit Kindesblicken mir entgegen lächeln.
Dies Zeichen, das du mir als Pfand der Rettung
In jener unheilvollen Stunde gabst
Und das, wie der Polarstern vor mir leuchtend,
Mich in den Hafen eingeführt des Glücks,
Ich pflanz' es dankbar auf vor deinem Altar
Und beuge betend dir ein frommes Knie,
Der du ein Gott mir warest in der Tat
Wenn gleich dem Namen nach, mir Fremden, nicht!
(Er knieet.)
Aietes (im Vorgrunde).
Was ist das?
Er beugt sein Knie dem Gott meiner Väter!
Denk' der Opfer, die ich dir gebracht,
Hör' ihn nicht Peronto,
Höre den Fremden nicht!
Phryxus (aufstehend).
Erfüllet ist des Dankens süße Pflicht.
Nun führt zu eurem König mich! Wo weilt er?
(Die Kolcher weichen schweigend und scheu zu beiden Seiten aus dem Wege.)
Phryxus (erblickt den König, auf ihn zugehend).
In dir grüß' ich den Herrn wohl dieses Landes?
Aietes.
Ich bin der Kolcher Fürst!
Phryxus.
Sei mir gegrüßt!
Es führte Göttermacht mich in dein Reich,
So ehr' in mir den Gott, der mich beschützt.
Der Mann, der dort auf jenem Altar thront,
ist er das Bildnis eines der da lebte?
Wie, oder ehrt ihr ihn als einen Himmlischen?
Aietes.
Es ist Peronto, der Kolcher Gott.
Phryxus.
Peronto! Rauher Laut dem Ohr des Fremden,
Wohltönend aber dem Geretteten.
Verehrst du jenen dort als deinen Schützer
So liegt ein Bruder jetzt in deinem Arm,
Denn Brüder sind ja Eines Vaters Söhne.
Aietes (der Umarmung ausweichend).
Schützer er dir?
Phryxus.
Ja, du sollst noch hören.
Doch laß mich bringen erst mein Weihgeschenk.
(Er geht zum Altar und stößt vor demselben sein Panier in den Boden.)
Medea kommt mit einem Becher.
Medea (laut).
Hier Vater ist der Trank!
Aietes (sie gewaltsam auf die Seite ziehend, leise).
Schweig Törichte!
Siehst du denn nicht?
Medea.
Was?
Aietes.
Den Becher gib der Sklavin
Und schweig!
Medea.
Wer ist der Mann?
Aietes.
Der Fremden Führer, schweig!
Phryxus (vom Altare zurückkommend).
Jetzt tret' ich leicht erst in dein gastlich Haus!
Doch wer ist dieses blühend holde Wesen,
Das, wie der goldne Saum der Wetterwolke
Sich schmiegt an deine krieg'rische Gestalt?
Die roten Lippen und der Wange Licht
Sie scheinen Huld und Liebe zu verheißen,
Streng widersprochen von dem finstern Aug,
Das blitzend wie ein drohender Komet
Hervorstrahlt aus der Locken schwarzem Dunkel.
Halb Charis steht sie da und halb Mänade,
Entflammt von ihres Gottes heil'ger Glut.
Wer bist du, holdes Mädchen?
Aietes.
Sprich Medea!
Medea (trocken).
Medea bin ich, dieses Königs Kind!
Phryxus.
Fürwahr ein Kind und eine Königin!
Ich nehm' dich an als gute Vorbedeutung
Für eine Zukunft, die uns noch verhüllt.
O lächle Mädchenbild auf meinen Eintritt!
Vielleicht, wer weiß, ob nicht dein Vater,
Von dem ich Zuflucht nur und Schutz verlangt,
Mir einst noch mehr gibt, mehr noch, o Medea!
Aietes.
Was also, Fremdling, ist dein Begehr?
Phryxus.
So höre denn was mich hierher geführt,
Was ich verloren, Herr, und was ich suche.
Geboren bin ich in dem schönen Hellas,
Von Griechen, ich ein Grieche, reinen Bluts.
Es lebet niemand, der sich höhrer Abkunft,
Sich edlern Stammes rühmen kann als ich,
Denn Hellas' Götter nenn' ich meine Väter
Und meines Hauses Ahn regiert die Welt.
Medea (sich abwendend).
Ich gehe Vater um –
Aietes.
Bleib hier und schweig!
Phryxus.
Von Göttern also zieh' ich mein Geschlecht!
Allein mein Vater, alten Ruhms vergessend
Und jung-erzeugter Kinder Recht und Glück,
Erkor zur zweiten Eh' ein niedrig Weib,
Das, neidisch auf des ersten Bettes Sprossen
Und üb'rall Vorwurf sehend, weil sie selbst
Sich Vorwurf zu verdienen war bewußt,
Den Zorn des Vaters reizte gegen mich.
Die Zwietracht wuchs und Häscher sandt' er aus
Den Sohn zu fahn, vielleicht zu töten ihn.
Da ging ich aus der Väter Haus und floh
In fremden Land zu suchen heimisch Glück.
Umirrend kam ich in die Delpherstadt
Und trat, beim Gotte Rat und Hilfe suchend
In Phöbos' reiches, weitberühmtes Haus.
Da stand ich in des Tempels weiten Hallen,
Mit Bildern rings umstellt und Opfergaben,
Erglühend in der Abendsonne Strahl.
Vom Schauen matt und von des Weges Last
Schloß sich mein Aug und meine Glieder sanken;
Dem Zug erliegend schlummerte ich ein.
Da fand ich mich im Traum im selben Tempel
In dem ich schlief, doch wachend und allein
Und betend zu dem Gott um Rat. Urplötzlich
Umflammt mich heller Glanz und einen Mann
In nackter Kraft, die Keule in der Rechten,
Mit langem Bart und Haar, ein Widderfell
Um seine mächt'gen Schultern, stand vor mir
Und lächelte mit milder Huld mich an.
»Nimm Sieg und Rache hin!« sprach er, und löste
Das reiche Vließ von seinen Schultern ab
Und reichte mir's; da, schütternd, wacht' ich auf.
Und siehe! von dem Morgenstrahl beleuchtet
Stand eine Blende schimmernd vor mir da
Und drin aus Marmor künstlich ausgehaun
Derselbe Mann, der eben mir erschienen
Mit Haar und Bart und Fell, wie ich's gesehn.
Aietes (auf die Bildsäule im Hintergrunde zeigend).
Der dort?
Phryxus.
Ihm glich er wie ich mir.
So stand er da in Götterkraft und Würde,
Vergleichbar dem Herakles, doch nicht er.
Und an dem Fußgestell des Bildes war
Der Name Kolchis golden eingegraben.
Ich aber deutete des Gottes Rat;
Und nehmend was er rätselhaft mir bot
Löst' ich, ich war allein, den goldnen Schmuck
Vom Hals des Bildes, und in Eile fort.
Des Vaters Häscher fand ich vor den Toren
Sie wichen scheu des Gottes Goldpanier
Die Priester neigten sich, das Volk lag auf den Knieen
Und vor mir her es auf der Lanze tragend
Kam ich durch tausend Feinde bis ans Meer.
Ein schifft' ich mich und hoch als goldne Wimpel
Flog mir das Vließ am sturmumtobten Mast
Und wie die Wogen schäumten, Donner brüllten
Und Meer und Wind und Hölle sich verschworen
Mich zu versenken in das nasse Grab
Versehrt ward mir kein Haar und unverletzt
Kam ich hierher an diese Rettungsküste
Die vor mir noch kein griech'scher Fuß betrat.
Und jetzo geht an dich mein bittend Flehn
Nimm auf mich und die Meinen in dein Land,
Wo nicht so fass' ich selber Sitz und Stätte
Vertrauend auf der Götter Beistand, die
Mir Sieg und Rache durch dies Pfand verliehn!
– Du schweigst?
Aietes.
Was willst du, daß ich sage?
Phryxus.
Gewährst du mir ein Dach, ein gastlich Haus?
Aietes.
Tritt ein, wenn dir's gutdünkt, Vorrat ist
Von Speis' und Trank genug. Dort nimm und iß!
Phryxus.
So rauh übst du des Wirtes gastlich Amt?
Aietes.
Wie du dich gibst so nehm' ich dich.
Wer in des Krieges Kleidung Gabe heischt
Erwarte nicht sie aus des Friedens Hand.
Phryxus.
Den Schild hab' ich, die Lanze abgelegt.
Aietes.
Das Schwert ist, denkst du gegen uns genug?
Doch halt' es wie du willst. (Leise zu Medea.) Begehr' sein Schwert!
Phryxus.
Noch eins! An reichem Schmuck und köstlichen Gefäßen
Bring' ich so manches, was ich sichern möchte.
Du nimmst es doch in deines Hauses Hut?
Aietes.
Tu, wie du willst! (Zu Medea.) Sein Schwert sag' ich begehr'!
Phryxus.
Nun denn, Gefährten, was wir hergebracht
Gerettet aus des Glückes grausem Schiffbruch,
Bringt es hierher in dieser Mauern Umfang
Als Grundstein eines neuen, festern Glücks.
Aietes (zu Medea).
Des Fremden Schwert!
Medea.
Wozu?
Aietes.
Sein Schwert sag' ich!
Medea (zu Phryxus).
Gib mir dein Schwert!
Phryxus.
Was sagst du holdes Kind?
Aietes.
Fremd ist dem Mädchen eurer Waffen Anblick
Bei uns geht nicht der Friedliche bewehrt.
Auch ist's euch lästig.
Phryxus (zu Medeen).
Sorgest du um mich?
(Medea wendet sich ab.)
Sei mir nicht bös! Ich weigr' es dir ja nicht!
(Er gibt ihr das Schwert.)
Den Himmlischen vertrau' ich mich und dir!
Wo du bist da ist Frieden. Hier mein Schwert!
Und jetzo in dein Haus, mein edler Wirt!
Aietes.
Geht nur, ich folg' euch bald!
Phryxus.
Und du Medea?
Laß mich auch dich am frohen Tische sehn!
Kommt Freunde teilt die Lust wie ehmals die Gefahr!
(Ab mit seinen Gefährten.)