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Das Innere von des Königs Zelte. Der hintere Vorhang desselben ist so, daß man durch denselben, ohne die draußen befindlichen Personen genau unterscheiden zu können, doch die Umrisse derselben erkennen kann.
Medea, Gora, Jungfrauen im Zelte. Jason, Aietes und Alle Personen des letzten Aktschlusses außer demselben.
Medea steht links im Vorgrunde aufgerichtet, die linke Hand auf einen Tisch gestützt, die Augen unbeweglich vor sich gerichtet in der Stellung einer die hört was außen vorgeht. Gora sie beobachtend auf der andern Seite des Tisches. Jungfrauen teils knieend, teils stehend um sie gruppiert. Einige Krieger im Hintergrunde des Zeltes an den Seiten aufgestellt.
Jason (von außen).
Ich will hinein!
Aietes (außen).
Zurück!
Jason.
Denkst du's zu wehren?
Vom Schwert die Hand! die Hand vom Schwerte sag' ich,
Das meine zuckt, ich kann nicht drohen sehn!
Ich will hinein! Gib Raum!
Aietes.
Zurück Verwegner!
Gora (zu Medeen).
Er rast der Freche!
Jason (außen).
Hörst du mich Medea?
Gib mir ein Zeichen wenn du hörst!
Gora.
Vernahmst du?
Jason.
Dringt bis zu dir mein Ruf, so gib ein Zeichen.
Erwählte!
(Medea, die bis jetzt unbeweglich gestanden fährt zusammen und legt die Hand auf die tiefatmende Brust.)
Jason.
Sieh, mein Arm ist offen. Komm!
(Jasons Stimme kommt immer näher.)
Ich hab' dein Herz erkannt! Erkenn' das meine
Medea komm!
Aietes.
Zurück!
Gora.
Er dringt herein!
(Medea reißt sich aus den Armen ihrer Jungfrauen los und flieht auf die andere Seite des Vorgrunds.)
Jason.
Ich rufe dir! Ich liebe dich, Medea.
Gora (Medeen folgend).
Hast du gehört?
Medea (verhüllt die Augen mit der Hand).
Gora (dringend).
Unglückliche das also war's?
Daher die Bewegung, daher deine Angst
O Schmach und Schande, wär' es wirklich?
Medea (aufgerichtet, sie mit Hoheit anblickend).
Was?
Jason (indem er die Vorhänge des Zeltes aufreißt).
Ich muß sie sehn! – Da ist sie! – Komm Medea!
Gora.
Er naht! Entflieh!
Medea (zu den Soldaten im Zelte).
Steht ihr so müßig
Braucht die Waffen, helft eurem Herrn!
Aietes (der indes mit Jason am Eingange gerungen hat).
Mit meinem Tod erst dringst du hinein!
(Die Soldaten im Zelte stürzen auf die Streitenden los. Jason wird weggedrängt. Die Vorhänge fallen wieder zu.)
Jason (draußen).
Medea! – Wohl so mag das Schwert entscheiden!
Absyrtus' Stimme.
Schwerter bloß! Hier ist das Meine!
(Waffengeklirr von außen.)
Gora.
Sie fechten! Götter stärkt der Unsern Arm!
(Medea steht wieder bewegungslos da.)
Milos Stimme (von außen).
Jason zurück! Wir werden übermannt
Zwölf unsre Schar und hunderte der Feinde!
Barbaren brecht ihr den geschwornen Stillstand?
Jason.
Laß sie nur kommen, ich empfange sie!
Aietes.
Haut sie nieder, weichen sie nicht!
(Das Waffengeklirr entfernt sich.)
Gora.
Die Fremden werden zurückgedrängt, die Unsern siegen!
Medea fasse dich. Dein Vater naht.
Aietes und Absyrtus kommen.
Aietes.
Wo ist sie? – Hier! Verräterin
Wagst du's zu stehn deines Vaters Blick?
Medea (ihm entgegen).
Nicht zu Worten ist's jetzt Zeit, zu Taten!
Aietes.
Das sagst du mir nach dem was geschehn,
Jetzt, da das Schwert noch bloß in meiner Hand?
Medea.
Nichts weiter von Vergleich, von Unterredung
Von gütlichen Vertrags fruchtlosem Versuch.
Bewaffne die Krieger, versammle die Deinen
Und jetzt auf sie hin, hin auf die Fremden
Eh sie's vermuten, eh sie sich fassen.
Hinaus mit ihnen, hinaus aus deinem Land
Rettend entführe sie ihr schnelles Schiff
Oder der Tod ihnen allen – allen!
Aietes.
Wähnst du mich zu täuschen, Betrügerin?
Wenn du sie hassest, was warfst du den Becher,
Der mir sie liefern sollte, Jason liefern sollte,
Jason – sich mir ins Antlitz. Du wendest dich ab?
Medea.
Was liegt dir an meiner Beschämung,
Rat bedarfst du, ich g e b e dir Rat.
Noch einmal also, verjag' sie die Fremden
Stoß sie hinaus aus den Marken des Reichs
Der grauende Morgen, der kommende Tag
Sehe sie nicht mehr in Kolchis' Umfang.
Aietes.
Du machst mich irre an dir, Medea.
Medea.
War ich es lange nicht, lange nicht selbst?
Aietes.
So wünschest du daß ich vertreibe die Fremden?
Medea.
Flehend, knieend bitt' ich dich drum.
Aietes.
Alle?
Medea.
Alle!
Aietes.
Alle?
Medea.
Frage mich nicht!
Aietes.
Nun wohlan denn ich waffne die Freunde!
Du gehst mit!
Medea.
Ich?
Aietes.
Seltsame, du!
Sieh ich weiß, nicht den Pfeil nur vom Bogen,
Schleuderst den Speer auch, die mächtige Lanze,
Schwingest das Schwert in kräftiger Hand.
Komm mit, wir verjagen die Feinde!
Medea.
Nimmermehr!
Aietes.
Nicht?
Medea.
Mich sende zurück
In das Innre des Landes Vater,
Tief, wo nur Wälder und dunkles Geklüft,
Wo kein Aug hindringt, kein Ohr, keine Stimme,
Wo nur die Einsamkeit und ich.
Dort will ich für dich zu den Göttern rufen
Um Beistand für dich, um Kraft, um Sieg.
Beten Vater, doch kämpfen nicht.
Wenn die Feinde verjagt, wenn kein Frevler mehr hier,
Dann komm' ich zurück und bleibe bei dir
Und pflege dein Alter sorglich und treu
Bis der Tod herankommt, der freundliche Gott
Und leise beschwichtigend, den Finger am Mund,
Auf seinem Kissen von Staub und Moos
Die Gedanken schlafen heißt und ruhn die Wünsche.
Aietes.
Du willst nicht mit und ich soll dir glauben?
Ungeratene zittre! – Jason?
Medea.
Was fragst du mich wenn du's weißt.
Oder willst du's hören aus meinem Mund
Was ich bis jetzt mir selber verbarg,
Ich mir verbarg? die Götter mir bargen.
Laß dich nicht stören die flammende Glut,
Die mir, ich fühl' es die Wangen bedeckt,
Du willst es hören und ich sag' es dir.
Ich kann nicht im Trüben ahnen und zagen
Klar muß es sein um Medea, klar!
Man sagt – und ich fühle es ist so! –
Es gibt ein Etwas in des Menschen Wesen,
Das, unabhängig von des Eigners Willen,
Anzieht und abstößt mit blinder Gewalt;
Wie vom Blitz zum Metall, vom Magnet zum Eisen,
Besteht ein Zug, ein geheimnisvoller Zug
Vom Menschen zum Menschen, von Brust zu Brust.
Da ist nicht Reiz, nicht Anmut, nicht Tugend nicht Recht
Was knüpft und losknüpft die zaub'rischen Fäden,
Unsichtbar geht der Neigung Zauberbrücke
So viel sie betraten hat keiner sie gesehn!
Gefallen muß dir was dir gefällt
So weit ist's Zwang, rohe Naturkraft:
Doch steht's nicht bei dir die Neigung zu rufen
Der Neigung zu folgen steht bei dir,
Da beginnt des Wollens sonniges Reich
Und ich will nicht (Mit aufgehobener Hand.) Medea will nicht!
Als ich ihn sah, zum erstenmale sah,
Da fühlt' ich stocken das Blut in meinen Adern,
Aus seinem Aug, seiner Hand, seinen Lippen
Gingen sprühende Funken über mich aus
Und flammend loderte auf mein Innres.
Doch verhehlt' ich's mir selbst. Erst als er's aussprach,
Aussprach in der Wut seines tollen Beginnens,
Daß er liebe – –
Schöner Name
Für eine fluchenswerte Sache! – –
Da ward mir's klar und darnach will ich handeln.
Aber verlange nicht, daß ich ihm begegne,
Laß mich ihn fliehn – Schwach ist der Mensch
Auch der stärkste, schwach!
Wenn ich ihn sehe drehn sich die Sinne
Dumpfes Bangen überschleicht Haupt und Busen
Und ich bin nicht mehr, die ich bin.
Vertreib ihn, verjag' ihn, töt' ihn,
Ja, weicht er nicht, töt' ihn Vater
Den Toten will ich schaun, wenn auch mit Tränen schaun
Den Lebenden nicht.
Aietes.
Medea!
Medea.
Was beschließest du?
Aietes (indem er ihre Hand nimmt).
Du bist ein wackres Mädchen!
Absyrtus (ihre andre Hand nehmend).
Arme Schwester!
Medea.
Was beschließest du?
Aietes.
Wohl, du sollst zurück.
Medea.
Dank! tausend Dank! Und nun ans Werk mein Vater!
Aietes.
Absyrtus wähl' aus den Tapfern des Heers
Und geleite die Schwester nach der Felsenkluft –
Weißt du? – wo wir's aufbewahrten – das goldne Vließ!
Medea.
Dorthin? Nein!
Aietes.
Warum nicht?
Medea.
Nimmermehr!
Dorthin, an den Ort unsers Frevels?
Rache strahlet das schimmernde Vließ.
So oft ich's versuch' in die Zukunft zu schauen
Flammt's vor mir wie ein blut'ger Komet,
Droht mir Unheil, findet's mich dort!
Aietes.
Törin! Kein sichrerer Ort im ganzen Lande
Auch bedarf ich dein, zu hüten den Schatz
Mit deinen Künsten, deinen Sprüchen,
Dorthin oder mit mir!
Medea.
Es sei, ich gehorche!
Aber einen Weg sende mich, wo kein Feind uns trifft.
Aietes.
Zwei Wege sind. Einer nah am Lager des Feindes
Der andre rauh und beschwerlich, wenig betreten,
Über die Brücke führt er am Strom, den nimm Absyrtus!
Nun geht! – Hier der Schlüssel zum Falltor
Das zur Kluft führt! Nimm ihn, Medea.
Medea.
Ich? Dem Bruder gib ihn!
Aietes.
Dir!
Medea.
Vater!
Aietes.
Nimm ihn, sag' ich und reize mich nicht
Deiner törichten Grillen bin ich satt.
Medea.
Nun wohl ich nehme!
Aietes.
Lebe wohl!
Medea.
Vater!
Aietes.
Was?
(Medea wirft sich lautschluchzend in seine Arme.)
Aietes (weicher).
Törichtes Mädchen! (Er küßt sie.) Leb' wohl mein Kind.
Medea.
Vater auf Wieder- Wiedersehn
Auf baldiges, frohes Wiedersehn!
Aietes.
Nun ja, auf frohes Wiedersehn. (Sie mit der Hand von sich entfernend.) Nun geh!
Medea (die Augen mit der Hand verhüllend).
Leb' wohl!
(Ab mit Absyrtus.)
(Aietes bleibt nach dem Abgehen der Medea einige Augenblicke mit gesenktem Haupt hinbrütend stehen. Plötzlich rafft er sich auf blickt einige Male rasch um sich her und geht schnell ab.)