Franz Grillparzer
Das goldene Vließ
Franz Grillparzer

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Absyrtus.
Übermütig sind sie und stark
Ja, bei Peronto! Stark und kühn!
Setzt' ich nicht nach ihm, ich und die Meinen
Hart ihn drängend, nach auf den Fersen?
Aber er führte in Kreisen sein Schwert
Keiner von uns kam ihm nah zu Leibe.
Jetzt zum Strom gekommen, warf er
Raschen Sprungs sich hinein.
Dumpf ertönte die Gegend dem Sturze,
Hoch auf spritzten die schäumenden Wasser
Und er verschwand in umhüllende Nacht.

Aietes.
Ist er entkommen dieses Mal
Fürder soll es ihm nicht gelingen!
Die kühnen Fremdlinge stolz und trotzig
Haben Zweisprach begehrt mit mir.
Zugesagt hab' ich's, den Groll verbergend
Den tödlichen Haß in der tiefen Brust
Aber gelingt mir, was ich sinne,
Und bist du mir gewärtig mit deiner Kunst,
So soll sie der frevelnde Mut gereuen,
So endet der Streit noch eh er begann.
Auf Medea, komm! Mach' dich fertig
Gut zu machen, was du gefehlet
Und zu rächen die eigene Schmach
Deine Sache ist's nun geworden
Haben sie doch an dir auch gefrevelt,
Gefrevelt durch jenes Kühnen Tat,
Denn wahr ist's doch, was Absyrtus mir sagte,
Daß er's gewagt mit entehrendem Kuß –

Medea.
Vater schweig, ich bitte dich –

Aietes.
        Ist's wahr?

Medea.
Frage mich nicht was wahr, was nicht!
Laß dir's sagen die Röte meiner Wangen
Laß dir's sagen – Was soll ich? Gebeut!
Willst du vernichten die Schar der Frevler?
Sage nur wie, ich bin bereit!

Aietes.
So recht Medea, so mag ich's gern
So erkenn' ich in dir mein Kind
Zeig' daß dir fremd war des Frechen Erkühnen
Laß sie nicht glauben, du habest gewußt
Selber gewußt um die frevelnde Tat!

Medea.
Gewußt? Wer glaubt das, Vater und von wem?

Aietes.
Wer? der's sah, der's hörte, Kind!
Wer Zeuge war wie Aletes' fürstliche Tochter
Den Kuß duldete von des Frevlers Lippe.

Medea.
Vater!

Aietes.
        Was ist?

Medea.
                Du tötest mich!

Aietes.
Ich glaub's nicht, Medea!

Medea.
        Wirklich nicht?
Laß uns gehn!

Aietes.
        Wohin?

Medea.
                Wohin du willst
Zu vernichten, zu töten, zu sterben!

Aietes.
Du versprichst mir also?

Medea.
        Ich hab' es gesagt!
Aber laß uns gehn!

Aietes.
        Hör' erst!

Medea.
                Nicht hier!
Hohnzulachen scheint mir des Gottes Bild
Des Gewölbes Steine formen sich mir
Zu lachenden Mäulern und grinsenden Larven.
Hinweg von dem Orte meiner Schmach!
Nimmer betret' ich ihn. Vater komm!
Was du willst, wie du willst, doch fort von hier!

Aietes.
So höre!

Medea.
        Fort!

Aietes.
                Medea!

Medea.
                        Fort!
(Eilt ab.)

Aietes.
                                Medea!
(Mit Absyrtus ihr nach.)

Freier Platz mit Bäumen. Links im Hintergrunde des Königs Zelt.

Acht Abgeordnete der Argonauten treten auf von einem Kolchischen Hauptmanne geleitet.

Hauptmann.
Hier sollt ihr weilen ist des Königs Befehl
Bald naht er selbst.

Erster Argonaut.
Befehl? Nichtswürdiger Barbar,
Für dich mag's sein, doch uns Befehl?
Wir harren deines Königs weil wir wollen,
Doch eil' er sich, sonst suchen wir ihn auf!

Zweiter Argonaut.
Laß ihn! Die Knechtesrede ziemt dem Knecht!
(Kolcher ab.)
So sind wir hier; erreicht des Strebens Ziel!
Nach mancher Fährlichkeit zu Land und See
Umfängt uns Kolchis' düstre Märchenwelt,
Von der man spricht so weit die Sonne leuchtet.
Was keinem möglich deuchte ist geschehn;
Durchsegelt ist ein unbekanntes Meer,
Das zürnend Untergang dem ersten Schiffer drohte,
Zu neuen Völkern und zu neuen Ländern
Tat sich der Weg, und was oft schwerer noch,
Tat auch der Rückweg sich uns günstig auf:
Wir sind in Kolchis, unsrer Reise Ziel.
So weit hat gnädig uns ein Gott geführt;
Doch jetzo fürcht' ich wendet er sich ab!
Wir stehn in Feindes Land, von Tod umgeben
Fremd, ohne Rat und Führer – Jason fehlt.
Er, der zum Zug geworben, ihn geführt,
Er, dessen eigne Sache wir verfechten,
Mit Milo hat er sich vom Zug entfernt,
Heut Nacht entfernt und ward nicht mehr gesehn.
Ob er im Wald verirrt, verlassen schmachtet,
Ob er ins Netz gefallen der Barbaren,
Ob ihn aus Hinterhalt der Tod ereilt
Ich weiß es nicht, doch jedes steht zu fürchten.
So aufgelöst, vereinzelt, ohne Band,
Ist jeder nun sein eigner Rat und Führer
Drum frag' ich euch, die Ersten unsrer Schar:
Was ist zu tun?
(Alle schweigen mit gesenkten Häuptern.)
        Ihr schweigt. Jetzt gilt's Entschluß!
Geladen von dem König dieses Landes
Zur Zweisprach, zum Versuch der Gütlichkeit,
Schien's uns gefährlich, ob des Führers Abgang
Den Aufruf abzulehnen, der geschehn,
Und zu enthüllen unsre Not und Schwäche.
Wir gingen, wir sind hier! – Was nun zu tun?
Wer Rat weiß, spreche nun!

Dritter Argonaut.
        Du bist der Ältste
Sprich du!

Zweiter Argonaut.
        Der Ältste ist der Erste nicht
Wo's Kraft gilt und Entschluß. Fragt einen andern!

Erster Argonaut.
Laßt uns die Schwerter nehmen in die Hand
Den König töten und sein treulos Volk
Dann fort, doch erst die Beut' ins Schiff gebracht!

Zweiter Argonaut.
Nicht auch das Land und heimgebracht zur Schau?
Dein Rat ist unreif Freund wie deine Jahre.
Gebt andern!

Dritter Argonaut.
        Rate du, wir folgen dir!

Zweiter Argonaut.
Mein Rat ist Rückkehr! Murrt ihr? Nun wohlan
Sprech' einer Besseres, ich stimme bei!
Ihr schweigt gesamt und Niemand tritt hervor.
So hört, und stört nicht oder überzeugt mich!
Nicht eignes Streben hat uns hergeführt
Was kümmert Kolchis uns mit seinen Wundern?
Dem Mut, dem Glücke Jasons folgten wir
Den Arm ihm leihend zum gebotnen Werk;
Er tat des Oheims Willen, wir den seinen.
Wer ist, der treten mag an Jasons Stelle,
Hat ihn der Tod, wie möglich, hingerafft?
Wem liegt daran das Wundervließ zu rauben
Das Tod umringt und dräuende Gefahr?
Habt ihr gehört? im Schlund der Höhle liegt's,
Bewacht von eines Drachen gift'gen Zähnen,
Vom Graun verteidigt schwarzer Zauberei,
Beschützt von allem was verrucht und greulich;
Wer wagt's von euch, wer hebt den goldnen Schatz?
Wie Keiner? Nun, so woll' auch keiner scheinen
Was keiner Kraft und Willen hat zu sein.
Hier leg' ich von mir Schild und Speer
Und geh' zum König als ein Mann des Friedens.
Drei Tage gönn' er uns zu harren Zeit,
Und kehrt dann Jason nicht, so ziehn wir heim.
Wer mit mir gleichdenkt, tue so wie ich.
Ein Held ist wer das Leben Großem opfert
Wer's für ein Nichts vergeudet ist ein Tor!
(Die meisten stoßen ihre Speere in den Boden.)
Nun kommt zu Kolchis' König. Gerne tauscht er
Die eigne Sicherheit wohl aus für unsre!

Erster Argonaut.
Halt noch. Dort nahn zwei Griechen! Milo ist's
Der fort mit Jason ging und – (schreiend) Jason selber!
Jason!

Mehrere.
        Jason!

Alle (tumultuarisch).
                Jason!

Milo (hinter der Szene).
                        Hier Gefährten!
Hier Jason, Argonauten!

Erster Argonaut (zum zweiten).
Was sagst du nun?

Zweiter Argonaut.
Daß Jason da ist, sag' ich Freund wie du.
Statt meines Rates gibt er euch die Tat.
Nur da er fort war hatt' ich eine Meinung!

Milo tritt auf, Jason an der Hand führend.

Milo.
Hier habt ihr ihn! Hier ist er ganz und gar!
Nun seht euch satt an ihm und schreit und jubelt!
(Die Argonauten drängen sich um Jason, fassen seine Hände und drücken ihre Freude aus.)

Vermischte Stimmen.
Willkommen – Jason! – Freund! – Willkommen Bruder!

Jason.
Habt ihr um mich gebangt? Hier bin ich wieder!
(Indem er den Andrängenden die Hände reicht.)

Milo (den nächststehenden umarmend).
Freund siehst du, er ist da? Gesund und rüstig!
Und's ging ihm nah ans Leben, ei beim Himmel!
Ein Haar! und ihr saht Jason nimmer mehr!
Er wagte sich, allein – ich durft' nicht mit –
Um euretwillen Freunde wagt' er sich,
Im dichten Wald, allein, in einen Turm,
Der voll Barbaren steckte bis zum Giebel.
Da hieß es fechten.

Jason.
        Ja fürwahr es galt!
Verloren war ich, wenn ein Mädchen nicht –

Milo.
Ein Mädchen? Ein Barbarenmädchen?

Jason.
        Ja!

Milo.
Sieh davon sagtest du mir früher nichts!
Und war sie schön?

Jason.
        So schön so reizend so –
Doch eine arge, böse Zauberin. –
Ihr dank' ich dies mein Leben!

Milo.
        Wackres Mädchen!

Jason.
Ich schlug mich durch und – doch genug, ich lebe
Und bin bei euch! – Doch was führt euch hierher?

Zweiter Argonaut.
Zur Zweisprach ließ uns laden Kolchis' König
Vernehmen will er unsre Forderung
Und dann entscheiden.

Jason.
        Hier?

Zweiter Argonaut.
                Hier ist sein Sitz!

Jason.
Ich will ihn sprechen. Fügt er sich in Frieden
Gut denn! wenn nicht, dann mag das Schwert entscheiden.
(Auf die seitwärts gestellten Speere zeigend.)
Doch diese Waffen! – Seid ihr hier so sicher
Daß ihr des Schutzes selber euch beraubt?
(Sie nehmen beschämt die weggelegten Speere wieder auf.)
Ihr schweigt und schlagt beschämt die Augen nieder?
Habt ihr? – (Zu Milo.) Oh sieh, sie meiden meinen Blick!
Unglückliche! es war doch nicht die Furcht –
Die Furcht Hellenen, die den Speer euch nahm?
Es war's nicht –? (Zu Milo.) Ach es war's! Die Unglücksel'gen
Sie wagen's nicht der Lüge mich zu zeihn.
Was hat euch denn verblendet arme Brüder? –
– Es war die Furcht! –
(Zu einem der sprechen will.)
        Ich bitte dich, sprich nicht
Ich kann mir denken was du fühlst. Sprich nicht!
Mach' nicht, daß ich mich schäme vor mir selbst!
Denn, o nicht ohne Tränen könnt' ich schauen
In ein von Scham gerötet Männerantlitz.
Ich will's vergessen wenn ich kann.


 << zurück weiter >>