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Von dar gieng ich besser in die Stadt hinein / und zwar in ein Hauß / welches dem Ansehen nach keins von den schlechtesten war; darin stund unten im Haußährn ein Mann in einem Mantel der etwas darunter hatte und fleissig auffwartete; indessen tratte der Haußherr die Stege herab dem ein baar Stadtdiener folgten / darauß ich abnahm / daß dieser ein vornehme Regiments-Person seyn muste / und an seiner fetten Wampen und dickem Kopff konte ich sehen / daß er gleichsam auff der Mastung lag; Jener buckte sich vor diesem gar tieff / und als er gefragt wurde / was er wolte / antwortet er / ich wolte euer Ehrnveste nochmaln meine gerechte Sach contra N. N. gehorsamlich recommendirt und gebetten haben / großgünstig zu belieben / und dahin zu cooperiren / damit dieselbige ihres hochvermögenden Orts zu ihrem erwünschten Außgang beschleunigst werden mögte; Was habt ihr da unterm Mantel? fragte der Dickbauch / seynd vielleicht Schrifften oder Acten die zum Handel gehörig? Nein euer Ehrenvest / antwortet der erste / es ist so eine geringe Bezeugung meiner danckbarlichen Erkanntnus wegen der vielfältig verursachten Bemühungen; mit gehorsamer Versicherung / daß ich mich nach dem End-Urtheil besser einstellen werde;
Was sagte hierauff jener mit betrohenlichen Minen / wofür sehet ihr mich an? vermeint ihr wol es geschehe euch unrecht / wann ich euch ein weil ins Narrenhäussel steckte? Es wird geehrter Herr was recht ist ohne euere Verehrungen geschehen; dißmals will ich eurem Unverstand etwas zu gut halten / aber kommt mir nicht mehr so aufgezogen / ich will euch sonst was anderst weisen; und damit gieng er auß dem Hauß / dieser Verweiß gefiele mir im Hertzen / beyde Stadtdiener aber lobten gewaltig die ehrliche Auffrichtigkeit ihres gerechten Burgermeisters / welchem der erschreckte Client wie einer der das Oel verschüttet / von weiten gantz traurig nachfolgte / so / daß er mich beynahe selbst gedauret;
Aber er empfieng gleich wieder einen trefflichen Trost; dann die Frau im Hauß liesse ihn wieder durch eine Magd zuruck ruffen / und fragt ihn gar freundlich was er mit ihrem Herrn zu thun hätte? darauff klagte er ihr alle seine Noth und Anliegen / worunter ihn zum mehresten bekümmerte / daß er ihren Herrn erzürnet hätte; der Herr geb sich nur zu frieden / sagte die Frau / er hat eben jetzt sonst tieffe Gedancken wegen sorgsamer und wichtiger Angelegenheit gemeiner Statt die ihm im Kopff umbgehen; weßwegen er dann schier die verwichene gantze Nacht kein Aug zum andern bringen können / was wars das ihm der Herr geben wolte? Gegenwärtiges Stuck fein Kammer-Tuch / antwortet der Kerl / und zoge es damit hervor; die Frau beschauete und lobete es über allen Leinwat / und sagte / der Herr lasse es nur hier ich will es meinem Herrn schon zustellen / wann ihm die Mucken ein wenig verflogen / und ihm den Herrn nicht allein wider begütigen / sondern auch daran seyn / daß er deß Herrn Sach nach Mögligkeit befördern helffen soll; Wer war fröher als der gute Client? daß er sich bedancken dorffte umb die Ehr und Glückseligkeit die er genosse / daß man ihm das seinig so gar wider alle Billigkeit abnahm; Jch aber gedachte / das heist wol redlich / wasche mir den Peltz aber bey Leib und Leben mach mir ihn nicht naß.
Jch hatte mir vorgenommen gehabt / dergleichen Gottesvergessene Begebenheiten / so sich in meiner unsichtbaren Gegenwart hinfort zutragen werden / gleich gebührend abzustraffen / massen ich ins Schusters Hauß gethan / aber hier mangelt mir der Einfall / wie ich füglich handeln solte / daß beydes der so geschmieret und die so das Schmiral angenommen / ihren Theil bekämen / und sich besserten / nichts destoweniger durch meine Verfahrung keinen unter beyden unrecht geschehe; Jch gedachte / hat der Client einen gerechten Handel / warumb ertheilt ihm dann der Burgermeister nicht ex Offcio sein Recht ohne Verehrung? hat er aber Unrecht / warumb nimmt man dann Schmer an? Jtem hat der Kerl recht / warumb soll er dann jetzt durch Geschenck erst sein Recht kauffen? hat er aber eine faule Sach / warum verständigt man dann ihn nicht dessen bey Zeiten / und läst ihn mit seinen armen Leuten hinziehen?
Jn Verfertigung dieser meiner Calender sahe ich wol / daß meine unsichtbare Gegenwart nicht allemal bequem / noch mir das wunderbare Vogel-Nest verliehen worden wäre / alle der Welt Thorheit und Missethaten zu berafflen und abzustraffen / vornehmlich weil ich hier nicht wissen konte wer Recht oder Unrecht hatte / wer zu straffen oder unschuldig seyn mögte; Jch gedachte an Abrahams Spruch / den er dem reichen Mann in der Höll gab / da er umb eine Warnung an seine Brüder bath / nehmlich sie haben Mosen und die Propheten die laß sie hören; Was? sagt ich zu mir selbst / glauben und folgen diese dem offenbahrten Wort Gottes der heiligen Schrifft nicht / die ihnen täglich vor Augen liegt / auff welche sie von Jugend auff gewiesen worden / und die ihnen noch täglich vorgehalten / ausgelegt und dardurch ihnen der heilige Will GOttes erklärt wird / was wird dann deine hinflüchtige Stimme bey ihnen auszurichten vermögen / die sie zwar erschrecken / aber nicht bessern mögte; weil sie dieselbe eben so bald und vielleicht ehender für den Lauth eines teufflischen Gespenstes als vor ein treuhertzige Abwarnung halten und aufnehmen dörffen;
Derowegen liesse ich diese Leut seyn wie sie waren / und wünschte ihnen / daß sie so einen steiffen Vorsatz hätten umb Vermeidung der Sünden willen nicht allein die Gegenwart GOttes immer vor Augen zu haben / sondern auch wie ich hinfort zu thun mir vorgenommen / fleissig in der H. Schrifft nachzuforschen / und auß Betrachtung derselben zu lernen / wie wir hingegen GOtt ehren / ihn und den Nächsten lieben / und ihnen dienen solten;
Jn diesen Gedancken fieng mich an zu hungern und zu dürsten / wo nun nehmen ohne Sünd? sagte ich zu mir selbsten; ich hatte noch einen Schuncken / den ich in einem Closter außgefischt; das waren noch alle meine Victualien / und weilen ich ihn nicht rechtmässiger Weise bekommen / so machte ich mir ein ängstig Gewissen darvon zu essen; doch dachte ich es ist besser / es werden auß den übrigen Reichthumen der Clöster die Hungerichen gespeiset / als solcher Uberfluß an unnützen Pracht / Pferde / Pferdszeug / Gutschen / Comödien / etc. verwendet; GOtt hat dich nicht in die Welt erschaffen Hunger damit zu leiden / sondern sein Gabe zu geniessen; Was wolts schaden / wann du gleich einem Becken ein Brod hinweg zwackest / deinen Magen damit zu füllen? Jsts doch den Hungerigen erlaubt / in ihren Nöthen / so viel die Speise anbelangt / zuzugreiffen? besser ists / du bedienest dich dessen / was dir die Rechte vergünstigen / als daß du wider den Willen GOttes / wider die Natur und wider weltliche Gesetze durch Hunger dein Selbst-Mörder werdest.
Also gedachte ich / und nahm indessen nicht wahr / daß diese Art die Sünde zu entschuldigen / ebenfalls auch Sünd ware; ich gedachte nicht daran / daß mir als einem jungen starcken Kerl vielmehr zustunde meine Nahrung mit arbeiten / oder sonst einer ehrlichen Handthierung zu gewinnen / als solche andern Leuten diebischer Weise abzumausen / vielweniger fiele mir bey daß es ein grosser Unterscheid wäre / zwischen demjenigen Elenden der weder arbeiten kan / noch etwas zu erarbeiten bekommen mag / und zwischen einem unsichtbar herumfahrenden Strolchen / wie ich damal war / der noch wol sein Unterhalt zu verdienen vermögte; davon jenem seines Leben Auffenthalt anzupacken erlaubet / diesem aber das Zuchthauß gebührt.
Jn solcher Unbesonnenheit nahm ich auff offenem Marck einem Becker ein Leib Brod / und vermeinte nicht / daß ich darmit sonderlich sündigte / sondern sprach damit meinem Schuncken dergestalt hertzhafft zu / daß sich mein Durst ehender als in einer halben Viertelstund darvon verdoppelt; deß lieben Rebensaffts wuste ich nicht zu bekommen / suchte derowegen Scheps oder Striger-Bier / und als ich dessen nach Gnügen antraff / füllte ich den Bauch so voll darvon an / daß ich ihn bey nahe nicht mehr zu ertragen vermögte; derowegen lude ich ihn auff einen Wagen / der dort fertig stund heimzufahren / zu mir setzten sich ein paar Bier schellig gesoffene Bauren / samt zweyen ihnen benachbarten Weibern / mit welcher feinen Gelegenheit ich noch desselben Abend 3. Stund Wegs heimwerts auff ein Dorff gelangte; Allwo ich in diese Kratzschmars Heuschober übernachtet.
Den folgenden Morgen lieffe ich wol drey Meil Wegs ungessen und ungetruncken als heimwerts zu / dann ich hatte wie oben gehöret / keinen Willen mehr zu sündigen / viel weniger den Juden oder sonst jemand sein Geld zu stehlen / sondern ich machte unterwegs allerhand Gedancken / wie ich hinfort GOtt vor Augen haben / mich bessern / fromlich leben / und zu Hauß meinen Handel und Wandel dergestalt anstellen wolte / daß ich das ewig Leben darbey erwerben mögte.
Unterwegs kamen zween Kerl zu mir / darvon war der eine Hännslein grosser Knecht / oder wolte es wenigst seyn / dann er schnitte auff von seinen weiten Räisen die er kürtzlich vollbracht / und mit höchster Gefahr überstanden hatte; er wolte seine Mutter-Sprach verzwicken / und Flamansch oder Westphälisch reden / wie jener Schwab unter dem Würtenbergischen Außschuß im Schwedischen Krieg! welcher als er im Prißgau ins Quartier zu liegen kam / zu seinem Wirth sagte / Vaer / geff mih wart tefretten hear; Als er aber seiner vergasse / ferners sagte / aun Vattar giehe mier aw a Braudt! Er kante keine halbe Batzen und Kreutzer mehr / viel weniger Groschen / Luzer / Schilling und dergleichen Müntz / sondern handelt nur mit Stüffern / Sterlings / Sols / Pölchen / Dütchen / Fettmenchen oder auffs wenigst mit Weispfennigen / gleichsam als wann er das meiste Theil Europæ mit Geldbettlen durchstrichen wäre / und erzehlte seinem Cameraden oder Wegeferten / was wunderseltzams Dings ihm auff seiner gefährlichen Räise zu handen gangen; wie er da und dort so manche Leib und Lebens-Gefahr überstanden / warffe auch bisweilen das Beyl so weit / daß ich selbst vor ihn sorgte / wo ers wieder finden würde; Vornemlich wars artlich zu hören / als er daher sagte / daß er eben wieder in seinem Vatterland sich genähert / da der Lottringer und Pfaltzgraf Churfürst zu seinem unseren am Rheinstrom Krieg miteinander geführt / weßwegen es vor die Räisende auff der Straß bey hellem Tag zu wandeln / gewaltig unsicher gewesen; dahero er dann auff ehrlicher Leute Warnung / mit noch einem andern Wanders-Gesellen / der ein einfältig und forchtsames Schaf gewesen / mehrentheils bey Nacht den Weg unter die Füsse nehmen müssen / und einsmals in einem Wald verirret / darinnen sie wegen eines grossen Regenwetters schier ersoffen wären; doch hätten sie zu gehen nicht auffgehöret / biß sie von weitem ein Liecht gesehen / worauff er hinzu geschlichen / und seinen Cameraden fern darvon unter einem Baum stehen lassen.
Als er nun zu einem kleinen Häußlein kommen / darinn dieses Liecht gebrannt / hätte er durchs Fenster in die Stube gegucket / und darinnen ein junges Weibsbild gesehen / die eben zu Nacht gessen / und sich zum schlaffengehen accommodirt gehabt; Er hätte angeklopft und bey dem Menschen vor sich und seinen Gesellen umb Nachtherberg angehalten / solche auch erlangt / und seye diesem nach / wieder hingangen seinen Cammeraten zu holen / den er aber nicht mehr gefunden / weßwegen er allein wieder zum Menschen ins Häußlein umbgekehret / und von ihr in ein Bette zu sich hinter an die Wand zu liegen geheissen worden; darauff hätte er sich ausgezogen / und über das Weibsbild / so fornen im Bett gelegen / hinüber an seinen bestimmten Ort gestiegen / allda er zwar ein weil gelauret / aber gar nicht schlaffen können / sondern allerhand sorgliche und gewissenhaffte Gedancken gemacht / biß ihn endlich die Beobachtung seiner Keuschheit / wieder auß dem Bette genöthiget / unangesehen er eben neben offtbesagten jungen Weibsmenschen recht erwarmt gewesen; da hätte er nun seine Kleider geschwind zusammen gerafft / und darmit zum Hauß hinauß / was gibst du / was hast du? Hätte auch nicht auffgehört zu lauffen / biß er gegen Tag von einer Lottaringischen Parthey angetroffen / angepackt und auff einen Berg geführt worden / allwo eine gantze Compagnie Reuter von den Jhrigen die Wacht gehalten / und weil keiner unter ihnen gewesen / der mit ihme reden können / hätten sie ihm zwar zu trincken (denn sie einen Vierling voll Wein bey sich gehabt) darneben aber auch Nasenstüber gegeben / ihm den Hut gedrehet und ihn vor ihren Narren gehalten; Als der Wein aber außgesoffen gewest / hätten sie ihn in das Faß gesteckt / und den Berg hinunter rollen lassen / worinn er dann auff solcher Fahrt wie leicht zu gedencken / an Kopff / Arm und Beinen gewaltig zerstossen worden: das Faß seye endlich mit ihme in der Ebene auff einem Wasen / (muß ein Schind-Anger gewesen seyn / ) liegen blieben / auff welchen unlängst hernach zu seinem grossen Glück ein starcker Wolff kommen seye / der so lang umb das Faß herum zu schmecken gangen sey / biß er ihn zum Buntenloch herauß beym Schwantz erwischt / und zu schreien angefangen / weßwegen der Wolff mit ihm und dem Faß fortgeloffen / biß er zwischen zween nahe beysammen stehende Bäum kommen / da er ihn mit den Faß so überzwerg zu liegen kommen / abzustreiffen sich bemühet; hätte aber nichts ausrichten mögen / weil er den gefasten Schwantz so hertzhafftig gehalten; unlängst hernach hatte er einen Fuhrmann sich nähern gehört / weßwegen er grausam erbärmlich umb Hülff zu schreien angefangen / darauff der Fuhrmann seinen Knecht hingeschickt zu sehen / was da zu thun seyn mögte / als aber der Knecht das Abentheuer gesehen / und sich auß Furcht dem Faß nicht genähert / seye der Fuhrmann endlich selbst kommen / hätte sich aber eben so furchtsam und erschrocken angelassen als der Knecht selbsten / indem er von fernen gestanden / und beydes Wolfs und Faß vor ein Hexen-Gespenst gehalten / biß er zu letzt seinen Rosenkrantz zum Zapffenloch herauß gereckt / und geschrien er wäre ein Christenmensch / man wolle ihn doch auß dem Faß und von dem Wolff erlösen; Worauff Meister und Knecht mit einer Axt zugelauffen und den Wolff todt / das Faß aber auffgeschlagen / und also den guten Monsieur Raphanum (dann also heist der Herr dem dieser Poß widerfahren) wiederumben auff freyen Fuß gestellet und aus fernerer Gefahr erledigt haben.
Wie nun deß Raphani Räisegefehrt auß den Geberden erscheinen liesse / daß er in der Wahl stunde / ob dieser Erzehlung zu glauben wäre oder nicht / erzörnete sich Monsieur Raphanus / und fragte jenen / ob er dann seiner Red nicht glaubte? oder ob er vermeinte / daß diese Geschicht nicht wahr wäre? Jener antwortet: ich glaub dem Herrn freylig gern / und wann diese Geschicht gleich nicht wahr wäre / so ist sie doch lustig zu hören / taugt auch ziemlich den Weg zu kürtzen; von diesem an setzte es noch mehrere empfindliche Reden / weßwegen diese beyde schier einander in die Haar gerathen wären.
Dabey sahe ich / was es vor eine grosse Thorheit sey / wann einer sich durch Auffschneiderey und Erzehlung wunderbarlicher und doch unmöglicher Begegnussen / so ihm widerfahren seyn sollen / groß und ansehenlich machen will; Ein solcher Phantast siehet nicht / daß andere Leut witzig genug seyn / seine Lugen außzunehmen / und seiner Narrheit heimlich zu lachen; daß man dißfalls den Herrn nicht einrede / lehret Ariostus in einer Satyra, wann er spricht:
Pazzo, chi al suo Signor contradir vuole Se ben dicesse da mezzo giorno, Visto ha le stelle, & a mezzo notte il Sole. |
Das ist
Thoricht ist der so seinem Herrn widersprach / Ob er schon sagt / er hätt an dem Mittag Die Stern gesehn / die Sonn umb Mitternacht. |
Jn dem Flecken / worinn ich kam / wars eben Kirchweih / und eine Hochzeit darzu / weßwegen sich viel außwärtige Leut von der Nachbarschafft daselbst befanden / da sparte man weder Wein noch Bier / kein Mangel war an Essen und Trincken / weder an Gesottens / Gebratens noch Gebackens / man tantzte / jöhlte / sang / sprang und spielte; Jn summa / man unterliesse nichts was nur zur Lust und Frölichkeit diente / sondern suchte vielmehr / was solche vermehren möchte; weil ich nun hungrig und durstig war / so machte ich mir desto weniger ein Gewissen von den jenigen Speisen und Geträncken zu geniessen / welche im Uberfluß vorhanden und durch die Einheimische den Fremden durch allerhand Manier und sonderbahre Vortheil in die Leiber genöthigt wurden; vornemlich nahm ich der gewürtzten Kürbebißger so viel zu mir / daß mir das liebseelige Geträncke nur desto besser darauff schmeckte / und mir eben so bald als den Einheimischen und Eingeladenen den Verstand verarrestirte; allermassen ich unvermerckt gantz von mir selber kam / herum dorckelte / und kaum so viel Witz behielte / oben in das Hauß zu gehen um eine Ruhestatt zu suchen / da ich meinen starcken Rausch wiederum sicherlich verschlaffen möchte; ich sage sicherlich / dann ich war nicht mehr so schlau / daß ich mich wie ehemalen meiner Gewohnheit nach irgendshin fein klüglich in einem geheimen Winckel verkrochen hätte / sondern als ich ungefehr in eine Cammer kam / darinn zwey Bett stunden / legte ich mich auf deren eins ohne allen Vorbedacht nach einigs Nachsinnen / was mir etwan daselbst begegnen möchte; Jn summa / ich liesse allerdings den lieben GOtt und meine Unbesonnenheit walten; diese erzeigte ich würcklich / an jenem aber / dessen Gegenwart ich mir zwar nüchterer Weise steiff vor Augen zubehalten vorgesetzt / gedachte ich jetzt voller Weis so wenig / daß ich ihm auch nicht einmal durch das Gebet mein Leib und Seel in dessen allmächtigen Schutz befahle. Schaue umb Gottes willen! so hatte mich der Trunck bethöret!
Nichts destoweniger war ich thummer Narr so kühn / daß ich ohne alle Sorg fortschlieffe / biß um Mitternacht / da jeder Mann / jeder Weib / jeder Knab und jede Schlitzgabel sich satt genug abgerammelt zu haben vermeinte; Die erste so von dem Wirth in diese Cammer geführt / und in das ander Bette neben mir gelegt wurden / (welche mich auch auß meinem ersten Schlaf erweckten) waren zwo Geschwister / die gleich mir mehr Trancks in dem Wirthshause / als von der Kirchweyhung deß Heiligen Geistes in der Kirch zu sich genommen und empfangen hatten; diese baten den Wirth gleich wol / daß er ihrer Baß auch bald bringen / und sie / sonst aber niemand zu ihnen in die Cammer legen solte; das versprach er / und brachte darauff ein feines jungs Mägden zu uns / welches sich nur halb ausgezogen (dann es war eine warme Nacht) zu mir auff das Bett legte / wo es noch unzerbrochen / oder verlegen schiene.
Wer gern mit dieser Schnabelweid umbgehet / kan wol gedencken wie mir ums Hertz wurde / vornemlich / wann er erachtet / daß ich damal noch vom Trunck erhitzt / und noch lang nicht durch den Schlaf wiederum zu meiner rechten Vernunfft gelangt war; derowegen thät ich auch wie ein unvernünfftig Viehe / und dachte wenig mehr an meinen guten Vorsatz / den ich gefast hatte / GOttes Gegenwart zu Vermeidung der Sünde immer in meinem Gedächtnüß zu haben; mit einem Wort / ich grabelte halt um mich / und fande meinen Schlafgesellen / beydes Wein- und schlafftruncken / und über das / ich weis nicht mit was vor einer Einbildung bethöret / krafft deren sie mich ihren Peter nennet / und nicht allein alles gern geschehen liesse / was ich mit ihr machte / sondern mir auch getreulich darzu halffe.
Mit solchem sündlichen Wollust brachte ich die Nacht vollends zu biß es anfing zu tagen / und meine gewesene Jungfer anhub zu schlaffen / welche ich dann in ihrer Ruhe unzerstöret liegen liesse / und mich so bald mir die Heitere deß Tags nur ein wenig leuchtet / auß dem Staub machte; wie aber diese Kürbe dem guten Menschen künfftig bekommen sey / davon hab ich seither keine Nachricht erhalten.
Noch vor Auffgang der Sonnen kam ich in ein lustigs Wäldlin / worinnen ich mich niederlegte / und vollends außschlieffe; mich erweckte etliche Viehe so dorthin auff die Weid getrieben wurde / dessen Hirt ins Werck schreiten wolte / eine erschröckliche gen Himmel schreyende Sünde zu begehen / eben als ich erwachte / und den übrigen Schlaff vollends auß den Augen riebe; vorn Zusehen stunden mir alle Haar gen Berg / und damit ich ihn davon abschrecken möchte / schrie ich ihme deß oben gerühmten Bauren Karls Meinung überlaut zu; nehmlich: Halt inn armer Mensch / du bist nicht allein! der Teuffel reitzet dich / er sihet dir zu und lacht / wird dich aber doch deswegen am Jüngsten Gericht anklagen; die Engel sehen dir zu mit Betrübnüß / sie tragen Mitleiden mit dir / weil sie diese Sünd nicht entschuldigen können; GOtt sihet dir zu / den du auffs höchste beleidigst und erzörnest / welcher dich auch hierum straffen wird; So bald der Hirt diese Stimme so nahe bey ihm hörete / gleichwol aber niemand sahe / erstarrete er gleichsam vor Schrecken / also / daß er dort stund wie ein geschnitztes Bild / und da er sich wieder ein wenig erholete / trieb ihn seines beschwerten Gewissens Angst / daß er seinen Hals mit der Geissel-Schnur an eines Baumes Ast binden / und ihm also das Leben selbst kürtzen wolte; Wem war ängster als mir / dieweil ich zu diesem erschröcklichen Selbst-Mord durch mein Zuschreyen Ursach und Anlaß geben!
Derowegen verhinderte ich ihn an seinem Vorhaben mit würcklicher Handanlegung; Wilst du drum (sagte ich mit lauter Stimm zu ihm / gleichsam wie ein Zanckender) deßwegen in die Höll rennen / weil dich der böse Geist beredet / du köntest ihr doch nicht entrinnen? Wilst du dich der Verdamnüß / so du mit deinen Sünden verdienet zu haben weist / durch deinen Selbst-Mord gewiß zuversichern / unterstehen / und dieselbige mit der Gotteslästerlichen Verzweiffelung an der unaussprechlichen Barmhertzigkeit deß himmlischen Vatters verdoplen; Nicht so mein Kind / kehre um / thue Buß und bessere dich / damit dir der liebreiche GOtt seiner milden Gute nach / zuvergelten Ursach habe / dich der ewigen Höllen-Pein entziehe / und mit seinen Außerwöhlten deß himmlischen Reichs zugeniessen / würdige.
Der Kerl war so gar verstockt und auß ihm selber / daß ich nicht weis / ob er damals unter die Todte oder Lebende zu rechnen gewesen; doch erreichte er endlich die Gnad / daß er in sich selbst gieng / und meine Wort behertzigte; er fiele nieder auff die Knie / hub die Augen gen Himmel / schlug an die Brust / und seufftzete mit jämmerlichen Geberden / sagende; Ach GOtt sey mir armen Sünder gnädig / um deiner grundlosen Barmhertzigkeit willen! Und als er diese Wort mit thränenden Augen und einem erbärmlichen Geheul zum öfftern wiederholet / sagte er: Ach mein GOtt und mein HERR; was soll ich thun / daß ich deine Göttliche Huld und Gnade wieder erlange? Was soll ich anfahen / daß ich deinem Zorn entrinne? Wie soll ichs doch immermehr angreiffen / daß ich verlohrnes Kind wiederumb in deß Vatters Hause zu Gnaden auff- und angenommen werde? Sintemal ich aber sonst von nirgendshero keinen Trost noch Gnad zu hoffen / als von dem / welchen ich erzörnet / und dessen Gnad ich so gar grob verschertzet habe / also / daß ich mich zu seinem Gnaden-Thron schier nicht machen darf! Ach! auff was Weiß soll ich dann wieder darzu kommen? Ey was vor einen Procorater soll ich mich doch anmelden / etc. Dergleichen wehemütige Wort brachte er noch viel vor / so / daß es mich wegen seiner Reu erfreute / und zugleich zu einem herrlichen Mitleyden bewegte / darum sagte ich zu ihme: Mein Kind / zeige dich dem Priester / und pflege deines Pfarrherrn Rath / und was er dir sagt / dem komme nach / so wirst du Ruhe für deine Seele finden; O seeliger Engel / antwortet er mir / wer bist du? der du mich vor Sünden abgeschrecket / und mich in dieser einsamen von meinem endlichen Verderben errettet hast! sag mir / wer bist du / damit ich dir umb deine Wolthaten dancken möge; ich sagte / ich bin kein Engel / sondern eine Stimm / die dir GOtt auß seiner grossen Barmhertzigkeit zugesendet / damit du dich zu ihm bekehren und leben mögest / dem dancke / und folge dem Geheiß / der dich zu der Priester Wort und Rath weiset / mit festem Vertrauen / daß dich GOtt wieder zu Gnaden aufnehmen werde / dann wann solches nicht wäre / so würde er mich dir nicht zugeschicket haben / so du bey dir selbst wol bedencken / dein Buß und Besserung gar nicht auffschieben / sondern nach Erkantnüß der empfangenen Wolthaten GOtt eyferigst hierum dancken sollest.
Jch setzte mir über das noch vor / bey dem Hirten zuverbleiben / umb zuverhüten / damit er / dafern er vielleicht wiederumb angefochten würde / weder die eine noch andere Sünde begieng / biß er wieder auß der Einsamkeit zu Leuten käme und Priester haben könte.
Jndessen aber schlug ich auch in mich selber / weil ich mich selbst keines guten Gewissens getrösten konte; Wer bist du? sagte ich zu mir / der du in diesem Sünden-Schlamm steckest biß über die Ohren / und wilst andern den Weg zum Himmel weisen; hast du doch noch nicht einmal an deine eigene Bekehrung gedacht? und bist so kühn andere zu lehren / was du selbst zu deiner Seelen Heyl niemal von Hertzen zu thun unterstanden? wird es dir nicht zu einer viel schwerern Verdamnüß gereichen / wann dieser elende unverständige Hirt / der vielleicht auß lauter viehischer Unwissenheit und Bestialität gesündigt / sich auß deinem Zusprechen zu GOtt bekehret hat / du aber / der du auß GOttes Gnaden Gutes und Böses zu unterscheiden / und was du zu thun und zu lassen gehabt / genugsam vorhero gewust / nicht allein nicht auffgehört zu sündigen / sondern auch nicht einmal angefangen dich zu bessern? wird es dir / du vernünfftiger und genugsam wissender Unmensch / nicht deine Verdamnüß vergrössern / wann diese deß Hirten Einfalt an jenem erschröcklichen grossen Tag solcher massen wider dich zeuget / indem sie das Kräntzlein der Büssenden / einer paar Wort willen / die sie auß deinem gleichwol sündigen Maul gehöret / und ihr solche zu Nutz gemacht / darvon trägt? du aber / der du noch mehrers und viel eigentlicher das ein und andere gewust / zur Höllen hinunter wanderst?
Weist du auch / sagte ich ferners zu mir / wie du volle Sau gleichsam als ein unvernünfftiges Thier die verwichene Nacht zugebracht / und wie ein geiler Bock und wider Natur strebender Satyrus (deren Gestalt Annehmung den höllischen Geistern zum höchsten beliebet) eine unbefleckte Jungfrau / die du zwar nicht kennest / ihres allerbesten Kleinods beraubt hast? und zwar / welches entsetzlicher ist / stracks nach dem Augenblick / als dich dein getreuer GOtt durch Vorstellung anderer Leute / ihnen selbst verderblichen Exempeln (daran du dich billich hättest spiegeln sollen) gelernet / daß du seine Gegenwart allweg vor Augen haben und zu deinem Nutz ehren soltest? Du vermummtes Ungeheur / der du dich dem Fürsten der Finsternüß gleich gemacht / und vermittelst deines sündigen Leibs einen solchen unerhörten Betrug gespielt hast / den der böse Geist selbsten nicht ins Werck setzen mögen; du möchtest dir wol einbilden / das gute Mädgen hätte es gern gehabt / und seye mit deinem Beginnen wol zu frieden gewesen; aber betrüge dich selbst nicht / du weist deinen Auffzug / die Gelegen- und alle Beschaffenheit / welche so bestellt gewest / daß auch die Keuschheit selbst (wanns anders möglich wäre sie zu berücken) vor dir nicht sicher gewesen wäre noch bestehen mögen.
Mithin trieb der Hirt seine Heerd heim und ich folgte neben ihm den andern vierbeinigten Bestien nach; Jener seufftzet und ich weinet; ich folgte ihm biß in seine Hütten / allwo er Geisseln und Stecken sampt der Hirten-Täsche von sich thät / und der Kirchen und dem Pfarrhof zueylete; da er zwar den Sigriß aber nicht den Pfarrer zu Hause fand / als welcher in der Nachbarschafft einen Schmauß hatte / und er erst auff die Nacht sternvoll gesoffen heim kam; also daß der arme Viehirt denselben Tag wenig Hülff und Trost von seinem Seelen-Hirten zu hoffen hatte / sondern die erste Hitz seiner Gnaden-Zeit und brennenden Bekehrungs-Begierden / die ihm GOtt so gütiglich verliehen / seines Seelensorgers Wachen / vergeblich und umbsonst verstreichen lassen muste; worüber ich in meinem Hertzen heimlich schmelete / und ich weiß aber nicht wen / fragte / was ist mir das vor ein Pfärchinger? der nicht bey seinem Pferd? vor ein Pfarrer / der nicht auff seiner Pfarr? vor ein Bischof? der nit bey seinen Schaafen bleibt? Warumb hilfft er die Begängnüsse der Abgestorbenen die ausserhalb seiner Pfarr allbereit an ihren Ort gangen / mit mehrerm Wein als Weywasser begehen / und läst hingegen die krancke Schäflein seines Pfärchs / die ihm zu hüten sonderlich anvertrauet seyn / in diesem elenden Leben / das ein immerwehrender Streit ist / auß Mangel der Artzney / die er ihnen mittheilen solte / bey nahe gantz jämmerlich verschmachten?
O Mon dieu! sagte ich mit den Frantzosen / was wird endlich werden? Jn diesen unwirschen Gedancken gieng ich mit dem betrübten und geängstigten Hirten nach Hauß / weil ich ihme anders nicht als unter eines Priesters Händen zuverlassen gedachte / auß Vorsorg / er möchte wieder in neue Anfechtungen fallen / worinn ich ihm vielleicht tröstlich beyspringen könte / darauff hatte er und ich eine betrübte und traurige Nacht; Er zwar / weil er sich dessen was er denselben Tag beginnen wollen / erinnerte; ich aber / weil ich wuste / was ich die verwichene Nacht schon würcklich vollbracht hatte; Essen und Trincken / geschweige Singen und Springen war fern von uns beyden / ja wir waren alle beyde in unsern Gemüthern so beschaffen / daß uns auch der sonst angenehme Schlaff nicht schmeckte.
Dannenhero waren wir desto früher auff; der Hirt dingte einen andern Mann / der mit seiner Heerde frühe außfahren / und solche denselben Tag hüten muste / er selbst aber muste sein ächzende Seele mit Gedult speisen / biß ihr Hirt den Rausch außgeschlaffen / so sich ungefehr biß um neun Uhr verzog; alsdann stelte er sich bey demselben in gebührender Demut ein / bey welchem ich ihn in der Kirchen verliesse / und meinen Weg immerfort heimwerts nahm / umb ihme in rechtschaffener Busse zu folgen.