Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen
Das wunderbarliche Vogel-Nest
Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen

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CAP. I.

Würckung deß Gelts / beydes wann man dessen viel besitzt und verlustigt wird.

DEm Grindigen ists bey nahe ohnmüglich das kratzen zu lassen / wann er ihm gleich den künfftigen Schmertzen einbilden kan / den er damit verursacht / und den er etwann auch hiebevor bereits empfunden; Wann er gleich Leut siehet / welche seine närrische Geberden: seine bleckende Zähn: sein krummes Maul und runtzelichte Nase / so er in solchem geschäfftigen Jucken darstellst / sampt der Ungedult über seine eygene Haut / so er mit seinem Gescherr verdoppelt / belachen! Aber was machts / daß diese jenen außlachen? Es macht / daß diese Außhöner auch nicht selbst grindig seyn / dann so würden sie ihr Gespött wol unterwegen lassen; Der / so ein Ding nicht versucht / wie wolte er wissen können wie es schmäckt? Er mag wol etwas rathen / ist aber noch fern vom Wissen; wie jener Baurenbub / der die Güte deß Schnepffen-Drecks aber alle andere delicate Gerichter erhöhete; nicht zwar / daß er selbst darvon gessen / sondern weil sein Großvatter einsmals erzehlet / seine Urähne hätte vor alters dergleichen auff weisse Semeln gestrichen / und in Butter gebachen / von seinem Junckern mit Lust essen sehen und loben hören;

Aber hier ists ein anders; Jch will nach dem Altfränckischen Sprüchwort sagen / wer hangt der langt! keiner kan glauben / wie Stachelhafftig und Hechelzähnmässig-weh einem das schrepffen auff den Schienbeinen kitzelt / so fern ers nicht selbst erfahren.

Jch habe Geistliche Seelen-Hirten von allerhand Religionen / beydes in offentlichen Predigten und absonderlichen Gesprächen so wol auß dem Grund der Heil. Schrifft / als andern erheblichen Ursachen gewaltig darwider (hätte bey einem Haar donnern gesagt) kollern gehöret / wann sie vernommen / daß gemeine Leut / so entweder krancke Kinder: krancke Dienstbotten oder kranck Vieh gehabt / oder denen etwas gestolen worden / oder sie selbst sonst ohnvorsichtiglich verlegt oder gar verlohren / zu denen alten Weibern / Weissen so genannten Männern: oder besser zu sagen / schwartzkünstlerischen Lumpen / Siebträhern / Segen sprechern / und so beschaffenem Gesindel geloffen / das nur im Verdacht gewesen / ob gienge es mit / wo nicht gar Teuffelischen / doch wenigst verbottenen Künsten umb; O seliger Eyfer so Gottseliger und liebreicher Hirten! O sichere Hülff und Wegweisung / deren sich wie irrende Schäflein alsdann tröstlich bedienen / wann sie in widerwertigen Begegnussen vom Satana gelockt: von seinen Aposteln mit Versprechung gewisser Hülffe angereitzt: von eygnen schmertzlichen Anfechtungen gleichsam genötigt: und also von allen Orten her so wol angekünt und geludert: als mit Schärpffe angesporet werden / von der rechten Bahn abzutretten! O heilige Vorsorg so getreuer Vätter! welche uns elende Jdioten: uns arme unwissende blinde Layen auff diesem gefährlichen Weg solcher Gestalt vor Zauber-Künsten / vor Abgötterey; und also vor der Seelen Untergang und ewigem Verderben zu behüten: und unserer ewigen Verdammnus vorzukommen; hingegen aber uns / ihrem Ehrwürdigen Beruff gemäß / in den Schoß Abrahæ zu liefern / sich so treueyferigst bemühet! massen einmal / gerechter Vernunfft nach zu schliessen / daß der jenig / so Hülff und Zuflucht beym Feind Gottes und seinen Abgesandten sucht / ob er sie gleich nicht findet / hernach weder der Hülff Gottes und seiner Heiligen mehr werth seye; daß aber der liebreiche GOtt bisweilen dem einen und andern Gefallenen durch seine Vätterliche Güte dannoch wieder auffhilfft / und ihn in seine Gnad nimpt / darvon ist allein seiner Grundlosen Barmhertzigkeit zu dancken!

Aber lieber bedenck doch / was der tausendlistige Ertzfeind beydes deß Himmlischen Heers und Menschlichen Geschlechts vornimbt / wann er siehet / daß wir diesen unsern getreuen Vättern so gehorsam folgen; ihn sampt seinen Propheten verachten / und sich allein auff Gott verlassen? Schau doch seine Schalckheit an! Er läst durch seine verdammliche Künstler außgeben / daß einige von eben den jenigen Geistlichen / so ihrer Kunst am allerhefftigsten widerstanden / gleichsam als hätten sie solche mit Eysen und Feuer außrotten wollen / zu ihnen geloffen / und sich ohne Scheu ihrer Hülffe bedienet: umb uns arme Ignoranten dahin zu persuadiren / daß wir dencken / und in unserer blinden Einfalt sagen sollen: Hoho! haben das unsere andächtige- allein Gottergebene Vätter gethan? Wer wolte uns dann in argem auffnehmen / wann wir ihnen folgen? Jsts ihnen recht? so ists uns billich; dann wo der Abbt die Würffel aufflegt / da ist dem Convent erlaubt zu spielen.

Und zwar was ist gemeiners / bekandters / und auß der Erfahrung gewissers / als daß alle die jenige Menschen / so in Wassersnoth und Gefahr deß Ersauffens gerathen / das nächste / so sie erlangen mögen / zu Hülff ergreifen (und solte es gleich ein scharpffe Dornhecke / oder nur ein schwaches zerbrechliches Glas seyn) solches auch so fest fassen / und im Leben und sterben so starck halten / daß mans ihnen auch nach dem Tod (so fern sie anders demselben Würger im Wasser bestehen / und überwinden müssen) mit Mühe wiederumb auß den Händen zu bringen hat!

Aber deßwegen bilde dir darumb nicht ein / viel weniger glaube es / (wie ich ehemal Närrischer Weise gethan) daß die Geistliche in ihren Nöthen der Schwartzkünstler Hülffe suchen / dann sie sind viel zu heilig und zu verständig darzu; Es würde einer sein hundert-Thaler Pferd / wann es ihm gleich von tausend Hexen geritten worden wär / ehe hundert-tausendmal verrecken lassen / und lieber die gantze Zeit seines Lebens zu Fuß gehen / als daß er nur einen Segensprecher auch nur mit dem geringsten Wunck umb Hülff anspreche! Also auch in allen andern Fällen; Ja wann es gleich an ihr eygen Leben gieng / dann sie wissen / daß sie / gleich wie sie im HErrn gelebt / also auch im HErrn sterben.

Also sind sie viel Gewissenhafftiger und vorsichtiger als ich war / thun auch weit anders als ich thät / da mir die Springinsfeldische Leyrerin all mein Gold und Silber / so viel ich dessen in gemüntzten groben Sorten in meinem zurück-gelegten Schatz vermochte / außgefischt;

O ihr verfluchte Reichthumb / was habt ihr nur mit mir begonnen? So lang ich euch besessen / habt ihr mich mit einem solchen Last der Hoffart beladen / die allein genug gewest wäre / mich in den tieffsten Abgrund der Höllen hinunder zu trucken! geschweige was massen euer Uberfluß meinen eytelen und schnöden Begierden den Weg der verdammlichen Wollüste also richtig gebahnet / daß ich gantz unanstössig auff dem selben zu meinem Verderben fortwandern: und also der Stricke nicht wahrnehmen / viel weniger ihnen entrinnen konte / die mich zur ewigen Verdamnus zu ziehen anfiengen /dann ich lebte wie der reich Mann / Luc. 16. und hätte ich so fort gefahren / so wär ich auch billich wie er gestorben.

Ach! was waren aber dieselbe eytele Wollustbarkeiten? die vermeintlich / und doch so schnell zergängliche Freuden! die Thorheiten so falscher Ergötzungen: die Erfüllungen meiner närrischen Begierden / und dergleichen gegen den schweren Sorgen zu schätzen / damit ihr mich mehr als Henckermässiger weise so Tags / so Nachts grausamlich gequälet? nicht allein euch zu erhalten / sondern auch zu vermehren / damit ich nicht durch eure Schmälerung oder gäntzlichen Verlust und ruin zugleich umb mein groß Ansehen / Ehr und reputation: umb mein herrlich sanfft Leben / und andere den Menschlichen Sinnen angenehme und erwünschte Ding käme; die ich allein auß euch so überflüssig zu geniessen mir einbildete / und mit euch zu verlieren besorgte.

Aber / ich muß noch einmal sagen / ihr verfluchte Reichthumb! mit diesem allem wars euch noch lang nicht genug? Es war bißher nur Kinderspiel / und mir ein angenehmes süsses Gifft gewesen / vermittelst dessen ihr mich mit meinem damahligen guten Contentament auf einem lustig-scheinenden Weg unvermerckt richtig gegen der Verdamnus zuführet (den ich zwar jetzt / da mir die Augen geöffnet seyn / umb der untermischten Bitterkeit willen mit gesunder Vernunfft nicht lustig nennen kan) zuletzt aber woltet ihr mir / O verrätherische Reichthümber / den Hertzstoß mit gewaltsamer Tyranney und höchster Marter beibringen; dann siehe / nachdem die Leyrerin ihren Diebsfang glücklich gethan / und mein Schatz ausgeflogen war / hätten billich mit meinem Reichseyn auch die jenige Ubel aufhören sollen / mit denen ihr die Menschen peinigt die euch besitzen; Aber ach! da liesset ihr mich erst allerdings die Höllische Qual selbst empfinden; Ja / ich gestehe mehr als gern / daß es damahl umb mich und meiner Seelen Heyl knapp gestanden / und sehr nahe geschehen gewest wäre / so fern mich die Barmhertzigkeit deß Höchsten durch seinen guten Engel nicht erhalten / so gar ein kurtzer Schritt war zwischen mir und der gäntzlichen Verzweifflung; dann gleich wie mich zuvor die Sorg gefrettet / das Meinige zu verwahren und zu vermehren / also schmirzte michs jetzt umb so viel desto mehr / weil es Pritsch: und keine Hoffnung da war / solches wieder zu bekommen.

Jch hatte nirgends keine Ruhe mehr / keine kam mir in mein Gemüth / und kein Schlaff in meine Augen; Jn Summa / ich war von aussen und innen durchgehends beschaffen / gleich als einer / der in eine Jungfer verliebt ist / und an Erhaltung der Gegen-Lieb verzweifelt; Jch kan auch meine damahlige Unsinnigkeit sonst keiner andern Thorheit besser vergleichen / als eben deren / darinn die Närrisch-verliebte versuncken / dann ich lieffe / rennet / und thät manchen unnützen Trab; Jch gieng mit dem Saul nach Endor / und schickt mit dem Ochosias nach Ekron; keinen Teuffelsbanner liesse ich unbesucht; keinen Hexenmeister ungefragt; aber alles vergeblich: da wolte kein zusprechen der Verwandten bey mir hafften / kein Trost der Geistlichen mehr helffen / noch ihr ernstliche Vermahn / und Abwarnungen etwas verfangen; Nichts bessers konte ich als seufftzen; und was mich noch am allermeisten schmirzte / war diß / daß sich Leute fanden / welche ich doch mein Tage nicht beleidigt / sondern ihnen vielmehr alles guts erwiesen / die sich meines Unglücks freuten / und daß sie mich so nidergeschlagen und gedemütigt herein gehen sahen; dann ich wurde am Leib mager / am Verstand untüchtig und stumpff / von Kräfften schwach / von Farb bleich / von Humeur melancholisch / und mit einem Wort / allerdings so elend / wie die erst obengedachte Unglückselig-Verliebte zu seyn pflegen.

Ach! ich grosser Narr! was hab ich doch nur gedacht? Jch hatte ja noch wol so viel im Vermögen / wanns gleich kein baar Gelt / noch so viel Gold und Silber war / als ich verlohren / benebens noch darzu bey jederman einen guten Credit; geschweige meiner ansehenlichen Freundschafft / die mich nicht verlassen; so / daß ich mich besser als noch viel nicht können / nicht allein mit Ehren ausbringen / sonder auch widerumb ein stattliches erringen und gewinnen mögen; Aber was halffs? Meine Thorheit muste auffs höchste kommen / damit ich ja mit Schmertzen erführe / was mir die Leut ohne das ansahen / nemlich / daß ich wider alle Vernunfft und Billichkeit das Gelt mehr als Gott geliebt.


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