Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen
Das wunderbarliche Vogel-Nest
Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen

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CAP. XV.

Moschiach wird von Elias gezettelt / von der Esther außgewebt / und endlich von den grossen Bergen nur eine kleine lächerliche Mauß geboren.

ALs ich nun oberzehlter massen den Eliezer und seine Tochter veranlaßt / mich auch selbst darauff spitzt und freute / daß den 3. Monats-Tag Elul der Elias erscheinen / oder vielmehr mein Verlangen und Begierde gesättigt werden solte / wolte ich gleichwol nicht recht trauen / sondern besorgte mich vor Jüdischer List / und daß sie vielleicht nicht recht glauben und trauen / sondern wann ich meine vorhabende Arbeit beginnen wolte / mich etwan auffopffern möchten / derowegen schliche ich den Tag zuvor in Eliezers Behausung herumber / zu sehen / wie sie sich anliessen / ob sie dem künfftigen Eliæ ein Braut-Bett / oder ein Toden-Grub bereiteten? und fande / daß diß elende Volck betrogen seyn wolte / auff daß erfüllet würde die Weissagung deß Munds der Warheit / wann er spricht beym Evangelisten Johanne Cap. 5. Jch bin kommen in meines Vatters Namen / und ihr habt mich nicht angenommen / so ein anderer kommen wird in seinem eygenen Namen / den werdet ihr annehmen / und weh dem / der in seiner Verstockung also / wie die verblendte Juden / ohne Mittheilung erleuchtender Gnadenblick / von GOtt verlassen wird / daß er ohne Bekehrung in seiner Unbußfertigkeit verharre; Wer solte immermehr vermeynen / daß gelehrte Rabiner sich überreden liessen / dem H. Propheten Eliæ zuzutrauen / daß er Unkeuschheit pflegen / und durch Sünd / und Gott mißfällige Laster den verheissenen Heyland / dem sie nächst GOtt die höchste Heiligkeit zutrauen / erzeugen werde / aber solche Leut / die nur auff die zeitliche Wolfarth / und was dem Fleisch wol thut / gedencken / die können ihnen auch keinen andern als fleischlichen Heiligen einbilden / sie haben allbereit bey 19. falscher Messias und Verführer gehabt / und werden ins künfftig nit auffhören in ihrer Blindheit und Verstossung noch mehrern ihres gleichen zu glauben / biß sie nach und nach entweder abgehen / oder sich hie / da und dort / der ein und ander einzelig bekehret / also / daß am künfftigen grossen Tag deß HErrn wenig mehr von ihrer grossen Menge / die ehemal unzehlbar gewest / übrig seyn werden / massen allein unterm Käiser Ælio Hadriano vom Jahr 131. biß Anno 137. nach Christi Geburt umb ihres Verführers Barchochetæ willen (welches einen Stern-Sohn heisset) viel hundert tausend Juden / Weiber und Kinder umbkommen / Rabba Bereschits Rabba fol. 74. schreibet / es seyen damals allein in der Statt Bethera, so sie bitter nennen / achtmal hundert tausend Menschen drauff gangen / darumb sprach Rabba Juda Echa Rabthi fol. 71. Man soll diesen Menschen hinfort nicht mehr Barkochba / ein Stern-Kind / sondern Barkostba / das ist / ein Lügen-Kind nennen / wie solches Christian Gerson von Recklinghusen / ein gebohrner Jud / und getaufter Widergeborner Christ in der Widerlegung deß Jüdischen Talmuds lib. 2. Cap.  9. erzehlet / da er noch vieler solcher falschen Juden Messias gedencket.

Aber hiervon ferners zu reden / will ich vor dißmal andern überlassen / und allein meine Histori erzehlen / welche deß Jnhalts ist / daß Eliezer seiner Tochter Esther Schlaffkammer nicht allein mit Bettwerck / Sesseln / Küssen und andern Zierden dermassen außgerüstet / als wann ein Königlicher Printz dort hätte logiren sollen / sondern er versahe auch seine Kuche mit den aller delicatesten Speisen / und an allerhand Confect befande sich ein Uberfluß / damit ja Elias wol tractirt und verpflegt werden / und also sein Geschäfft mit seinem desto grösserm Contentement verrichtet werden möchte.

Jch hatte mir ein rauhes Haarigs Kleid / sampt einem ledernen Gürtel zugerichtet / damit meine Esther / wann sie mich in solcher Beschaffenheit fühlete / desto weniger an deß Eliæ Person zu zweifeln hätte / und als ich deß Eliezers / seines Weibs und seiner Tochter bereitfertige Gutwilligkeit / nicht weniger auch gesehen / wie fleissig sie die gantze Zeit über / seit sie die Bottschafft vom Engel Uriel empfangen / an der Tochter geschmückt / geschminckt und auffgebutzt / zog ich solchen Elianischen Habit an / nam meinen Bisam-Knopff mit mir / macht mich unsichtbar / und fande mich auff die veranlaßte Zeit in der Esther Zimmer / worinn ich meine Gegenwart / gleich durch den gewöhnlichen Geruch (den beydes Tochter / Vatter und Mutter schon zuvor in Eliezers Schlaffkammer geschmäckt) und durch ein sanfftes Geräusch zu erkennen gab / darauff Vatter und Mutter / sampt der Esther Dienerin abwichen / und uns allein liessen / sie war nur in ein zartes Hembd / und in einen Damastenen Schlaff-Beltz / durchauß mit Mardern gefüdert / angekleidet / ihre Arm und der Hals waren mit Zahl Perlen geziert / und der Kopff allerdings gezöpfft und auffgebendelt / wie bey den Juden-Bräuten der Brauch ist / der Tisch war mit allerhand Confect überstellt / darbey auch grosse überguldte Pocal mit Canari und Spanischem Wein gefüllt / nicht mangleten / das Bett aber war mit Seidenen Umbhängen / mit einer mit Gold und Perlen gestickten Seidenen Decke / mit dem aller-gelindesten Gefüder / und was Leinen seyn solte / mit dem allerzartesten Holländischem Leinwad an Küssen und Leylachen dermassen kostbarlich außgerüstet und geziert / daß es gut / und Majestätisch genug gewest wäre / wann gleich der Türckisch Käiser / oder der Persisch Schach selbst seinen Sitz und Tummelplatz darauff hätte haben sollen.

Weil ich dann nun mit der Sprach so artlich Jüdeln und parlaren konte / daß du selbst / wann du mich reden hören / einem Läuffer-Botten seinen Spieß entzwey geschoren hättest / ich wäre ein Portugiesischer / aber zu Amsterdam geborner Jud gewesen; Siehe / so thät ich das Maul gegen der Esther auff (aber doch machte ichs nicht so laut / daß mans vor der Thür hätte hören und verstehen kennen) und log ihr so einen Hauffen guts daher (wann man anders die Lügen gut heissen dörffte) daß ihr das Hertz im Leib vor Freuden auffhupffte! nemlich brachte ich ihr erstlich einen Gruß auß dem Paradeiß von allen Patriarchen und Propheten deß Alten Testaments mit vieler Glückwünschung / neben der Bottschafft vom König der Welt (dann also pflegen die Juden Gott zu nennen / wann sie am aller andächtigsten seyn / ob gleich wir Christen nach dem Exempel unsers Erlösers / den bösen Geist einen Fürsten dieser Welt titulieren) daß sie den Moschiach von mir empfahen und gebären solte / dessen sich das gantze Himmlische Heer erfreute; worbey ein jedes Gottselig Gemüth betrachten kan / wie gar ausgelassen / Gottlos- und leichtfertiger Weise die jenige / so einmal angefangen in dem wüsten Unrath und Schlamm der Sünden fortzuwatten / mit dem Himmel selbst / und seinen heiligen Einwohnern zu schertzen pflegen / worbey solche Gottsvergessene gleichwol die Grösse und Abscheulichkeit ihrer begehenden Sünd / ohn Zweifel auß Verblendung deß bösen Feinds / dannoch weder mercken / achten noch betrachten; Meine Esther nam alles viel bekannter und vor warhafftiger an / als ehemalen ihre Vor-Eltern die Warheit / so ihnen die Propheten / oder das H. Evangelium / so ihnen Christus selbst / und seine Apostel verkündiget; Sie sagte / vollbringe an mir / was dir der HErr befohlen hat / und dauchte sich schon in ihrem Sinn / neben ihrem künfftigen Sohn zu Jerusalem eine großmächtige Käiserin über die gantze Welt zu seyn.

Es beichtet einsmals ein Welscher unter andern auch diese Formalia: Bin ich auch auff das Kürbe mit die Leyrere lustig gesin! Was mehr? fragte der Beichtvatter: Hab ich auch mit ihm auff das Hew der gantze Nacht geschlaff! Was weiters? fragte der Beichtvatter ferners; Ehe / antwortet der Welsche / der übrig könt ihr ja wol selbst merck; also will ichs hier auch mit meiner Erzehlung machen; die Esther war willig / ich war von Begierden hitzig / das Bett war gedeckt / die Gelegenheit war vorhanden / die Abend-Demmerung war da / also / daß auch ein Schaf mercken kan / was wir weiters miteinander begiengen; Was soll ich dann ein langs und breits darvon erzehlen? Jch hatte halt ein süsse annehmliche Nacht / und gedachte am wenigsten daran / daß so eine kurtze schnöde Wollust die ewige Verdammnus nach sich schleppte / welches / wann ich mir solches / meiner Schuldigkeit nach / zu bedencken belieben lassen / mir solche wol verbittern / oder wol gar verleiden können.

Als ich mich nun die Nacht durch genugsam abgeramlet / gab ich der Esther zu vernehmen / da es Tag worden / daß ich nothwendig denselben Tag bey etlichen Beschneidungen gegenwärtig seyn müste / ich würde mich aber auff den Abend wieder bey ihr einstellen / erlabte mich darauff mit etwas von Confect, und einem Trunck Spanischen Wein / schiede bey ereignender Gelegenheit / mit Hinderlassung deß gewöhnlichen guten Geruchs von dannen / daheim außzuschlaffen / solches triebe ich etlich Täg und Nächte nacheinander / biß ich deß Handels müd / satt und überdrüssig / die gute Esther aber / wie durch solche Geschäfft zu geschehen pflegt / geschickt war / und demnach wir den letzten Morgen voneinander schieden / hinderliesse eines dem andern einen köstlichen Ring zur Gedächtnus.

Nach diesem dunckte sich Esther warhafftig keine Sau seyn / und nicht allein sie / sondern auch ihre Eltern prangten mit dem Heyl / das ihnen wiederfahren / als aber das Gerüchte von ihrer seltzamen Schwängerung unter den Juden erschollen / hielten sie es zwar vor den Christen heimlich / damit ihrer Frucht (und gesamter Jüdischer Zucht) welche ins künfftig / wie sie glaubten / das Christenthumb zerstören würde / keine Ungelegenheit zuwachsen / oder vielleicht ein Herodianisch Stücklein gespielt werden könte / sie selbst aber freuten sich untereinander höchlich / glorierten mit ihrem Glauben / wünschten einander Glück auff die Räis ins gelobte Land / luden einander zu Gast / sandten einander Geschenck / und ehrten die Esther so hoch als eine Göttin; der getaufte Eraßmus bekam von seinem alten vertrauten Bekandten auch Wind hiervon / welches ihn in seinem angenommenen Christenthumb fast wanckelmüthig machte / worvon ich aber in nächstfolgendem Capitel reden werde.

Je mehr sich nun der Juden Jubel mehrete / je näher ruckte die Zeit herbey / daß Esther ihnen ihren Heyland gebären / und also ihre Freud gantz vollkommen machen solte / bißher war ihrer wie einer Fürstin gepflegt worden / jetzt hatte man wie auff eine Königliche Kindbett zugerichtet / massen nicht nur allein die erfahrne Juden-Weiber / so mehr darbey gewesen / sondern auch die aller-vornehmste und reichste Juden der Statt / und die allergelehrteste Rabbiner der Synagog sich zu ihrer Niderkunfft einfanden / ihren neugebornen Erlöser / den sie in Mutterleib schon angebetet / auch jetzo bey der ersten Athemschnappung zu küssen / und ihn mit herrlichen Præsenten zu verehren; Jch hatte die Tröpffin überredet / sie würde allerdings ohne Schmertzen gebären / aber siehe / da es jetzo an dem war / fienge sie an zu wintzeln wie andere Weiber / und als sie ihrer Bürde entbunden worden / fande sich (ach Adonay! welches leyder das allerschlimmste vor die Juden war) an statt deß Messiæ nur ein Töchterlein.

Da kriegten die Anwesende erst lange Nasen / und henckten die Schnäbel allerdings biß auff den Boden / noch dennoch waren die Allergelehrteste unter ihnen so närrisch / so blind / und so verpicht auff deß Messiæ Ankunfft / daß sie mit nichten glauben konten / was sie mit ihren eygenen Augen sahen / sondern sie sagten und über disputirten auch die andere / solches zu glauben / es wäre in der Welt gar nichts neus / daß Weibliche Bilder geboren worden / die sich hernach / wann sie Mannbar gewesen / erst in Mannsbilder verändert / wurde demnach beschlossen / daß man diese Creatur / ob gleich nicht wegen seltzamer Geburt / doch wegen der wunderbarlichen Empfängnus herrlich aufferziehen solte; wer wissen könte / sagten sie / was Gott damit vermeynte / daß er das Mannlich Glied bey dieser Geburt verborgen / vielleicht müste es allererst im dreyzehenden Jahr seines Alters beschnitten werden / oder / wer wolts wissen können? vielleicht möchten die Goim solche Geburt erfahren / und ihren Moschiach in zarter Jugend zu tödten suchen / ehe er Wunderwerck zu thun / und das Hauß Jsrael zusammen zu bringen / und ins gelobte Land zu führen vermöchte / welcher alsdann aber unter der Gestalt eines Weibs-Bildes vor solchem ihrem Beginnen wol versichert / und genugsam verborgen seyn würde / man müste derowegen nur Gott walten lassen / der vielleicht sie hiermit versucht / und ihren festen Glauben und beharrliche Beständigkeit dardurch probirte / gleich wie er ihrem Vatter Abraham auch gethan hätte.


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