Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen
Das wunderbarliche Vogel-Nest
Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen

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CAP. III.

Was vor den verlohrnen Schatz eingetauscht worden.

UNser accord und Abred war / daß ich mit diesem fahrenden Schüler / wie er sich nannte / und genennet seyn wolte / in den Wald an den jenigen Ort gehen solte / wo der Rest meines verlohrnen Guts verborgen lege / da solte ich selbigen / wann anders mir also beliebte / wieder empfahen / und ihm vor seine Mühewalt geben was ich selber wolte:

Demnach wir nun in den Anfang desselbigen Walds kamen / machte er mit seinem Stab einen doppelten Ring auff die Erde / und zeichnete seltzame Caracteres umb denselben herumber / stellte mich zu ihm hinein / und murmelte etliche Wort daher / welche so kauderwelsch waren / daß ich keins auß ihnen verstehen konte: bald darauff erschiene ein Schlang von erschröcklicher Gestalt / aber von lieblichen Farben vor dem Creys / sie war entsetzlicher Grösse / und hatte gleichsam das Angesicht einer von den allerschönsten Jungfrauen / fornen zween Füß wie man den Greiffen anmahlet / und auff dem Rücken zween Flügel wie die Fledermäuse haben / ohne daß sie nicht so abscheulich schwartz / sondern Rosenroth außsahe / und hin und wider mit vielen Augen / eben als wie die Pfauenschwäntz besetzt waren / ihr Leib war überall mit güldenen und silbernen Schuppen bekleidet / so / daß es schien / als ob sie mit eytel Nagelneuen Müntzen von obgemeldten zweyerley Metallen bedeckt gewest wäre: auff dem Kopff war sie mit einem Diadema von allerhand kostbaren Edelgesteinen bekrönet / der Schwantz aber / so zimlich lang / wol gefärbt / und zierlich geringelt war / endet sich endlich in eine erschröckliche Feuerflamm / die mich von einer grausamen Hitz zu seyn bedunckte / weil ohne unterlaß die Feuerfuncken so häuffig und schnell darauß stoben / als wann Vulcanus, Sterops und Brontes ein höchstglüendes Eysen gewaltiger Weise auff ihrem Amboß mit vielen schwären Hämmern getrieben hätten: dieser erschröckliche Anblick verursachte mir viel Millionen / ja unzahlbar mehr Millionen grausamer Forcht und Pein / als mich anfänglich das holdselige Jungfräuliche Angesicht dieses abentheuerlichen Monstrums erfreuet hatte: dann gleich wie dieser Schlangen gantzer Leib sehr angenehm / lieblich und erfreulich anzusehen war / also war hingegen der Schwantz umb so viel tausend tausend mal tausendmalen mehr abscheulich und heßlicher!

Sie fragte den fahrenden Schüler / was sein Begehren wäre / daß er sie zu sich in diesen Wald gefordert / nachdem sie zuvor ihre blau-lassurte Füsse an den äussersten Rand deß Rings gesetzt hatte? Er antwortet / ich begehr zu vernehmen / ob und wo gegenwärtiger Verlustigte in diesem Wald widerumb zu seinem verlohrnen Gut gelangen möge? Sie sagte darauff / der gröste Rest deß verlohrnen wäre zwar noch an seinem Ort / wohin es die Diebin verborgen / anzutreffen / auch wol zu bekommen / so fern ihn nicht irgend ein anderer vor unserer Hinkunfft erblickt / welcher darmit unserer Erhebung zuvor käme: gleichwol aber möchte das Glück diß Spiel karten wie es wolte / so würde jedoch an deß verlohrnen Schatzes statt ein solch edel Kleinod zuerhalten seyn / welches mit deß Verlustigten entfrembdem Gold und Silber / noch mit seinem Haab und Gut / so er noch besesse / bezahlt werden möge / wormit ich mich / wann mir dasselbe beschehrt sey / wol contentirt befinden werde.

Der fahrend Schüler wolte sie hierauff durch Beschwerung zwingen / uns beydes / den verborgenen Schatz / und auch den Weg dahin zu zeigen / aber sie antwortet / sie würde durch einen höhern Gewalt genöthigt / dem Glück zu folgen / welches allbereit jetzt beschlossen / und sich eylichst auff den Weg gemacht hätte / einen andern zu bereichern / und als der fahrend Schüler mit seinem Beschwerungszwang fortzufahren sich unterstehen wolte / stellte sie sich so unbändig und grausam / daß ich froh war / daß er sie beurlaubte; sie wurde auch gleich darauff von einer nackenden Jungfrauen / deren Gestalt wir offt durch die Mahler auff einer geflügelten Kugel stehend / und mit einem Segel in Händen / abgebildet sehen / angefesselt / und anderwärts hingeführt.

Derohalben machte der Kerl einen andern Ring / trat mit mir hinein / und beschwur darauff auch einen andern Geist / welchen er fragte / von was Tugend und Würckung das jenige Kleinod sey / so an statt meines verlohrnen Guts zu erhalten wäre? Er bekam zur Antwort / es hätte die Krafft / den / der es bey sich trüge / unsichtbar zu machen / und dasselbe wäre allbereit in einem Ameyshauffen anzutreffen / und zwar allernächst darbey / allwo mein verlohrnes hin verborgen worden / welchen Ameyshauffen der beschworne Geist / damit er der Beschwerer ihn zu seiner Ankunfft eygentlich fünde / mit einer darauff stehenden Feuerflamm / die sonst niemand als wir beede wurden sehen können / signiren / uns aber durch seines Commando Untergehörige / auff daß wir solchen ohnfehlbar antreffen möchten / dorthin begleiten / und den Weg weisen lassen wolte;

Zuletzt eröffnet der Geist dem fahrenden Schüler auch auß besonderer guten Vertraulichkeit / daß durch eben dieses Stück mir das Meinig durch ein Weibsbild entfrembdet worden / als die mich unsichtbarlicher Weise bestohlen;

Demnach löschte der fahrende Schüler den gemachten Ring widerumb auß / als er zuvor dem Geist wiederumb abgedanckt / oder ihn fortgeschafft hatte / so bald selbigs geschehen / umbgabe uns ein grosser hauffen Wölffe / welche uns anfänglich von hinderwärts halb Monweis umbschlossen hielten / gleich als wie die Türcken ihre Schlacht-Ordnungen zu machen pflegen; endlich aber uns schier gar umringten / biß auff eine Lucken / deren wir immerhin zugiengen / weilen sie die Wölff oder Geister in der WölffGestalt uns dieselbige zu solchem Ende an ihrer Umbzirckung offen gelassen / biß wir zuletzt zu dem Ameyshauffen kamen / und die zuvor angedeute Feuerflamm auff demselben lustig flackern sahen.

Daselbst setzten wir sich nider / worauff die gedachte Flamm so bald verlosche / der Alte aber sagte zu mir / wol mein Herr / hier ist der Ort / wo er entweder seines Schatzes und verlornen Gelts / oder deß Mittels sich unsichtbar zu machen / theilhafftig werden kan / er erwöhle mir bald eins auß beeden / ehe die Glücks-Stund vollends verstreicht / das ein oder das ander zu erhalten; Jch dachte bey- und sagte zu mir selber / nach der erschienenen Schlangen auff Schrauben gestelltem Bericht / ists mißlich / ob du deinen verlornen Schatz wieder bekommst oder nicht? Wer weiß / ob ihn seyther vielleicht nicht jemand gesehen und ausgenommen? Zu dem weistu selbst wol / wie eine grosse Menge Thaler auff offenem Marck darvon unter das Volck verworfen worden! Wer weiß demnach / wie gering der noch vorhandene Rest / so hier verborgen ligen soll / seyn möchte / ob er auch noch so vermöglich / daß er vor die Kunst / sich unsichtbar zu machen / zu erwehlen sey? Welche rare Kunst ich vorlängst zu können / ohne das offt gewünscht; Sagte derowegen zum fahrenden Schüler / Gelt und Gut hab ich noch mehr / will derowegen mich deß verlohrnen / und hier verborgenen allerdings verzeihen und begeben: und selbiges unter die jenige Schätze gerechnet haben / die sonst auch hin und wider verborgen ligen: wers find / mag es / so viel ich daran habe / und Recht darzu zu haben vermeynen möchte / meinetwegen / und mit meinem Willen als sein Eygenthumb behalten: doch mit dieser Außgescheidenheit / so fern ich das Kleinod erhalte / wormit ich mich unsichtbar machen kan; als welches ich vor meinen verlohrnen Schatz annehmen will.

Darauff setzten wir sich beyde zu dem Ameyshauffen / darvon der fahrend Schüler eine Hand voll nam / und mich fragte / ob ich ihn sehe? Jch antwortet ja: er aber ergriffe eine andere Hand voll / nachdem er die vorige weggelegt / und fragte mich wieder wie zuvor / ob ich ihn noch sehe / verfuhre auch so lang solcher Gestalten / biß er eine Hand voll ergrieff / durch deren Krafft und Würckung er mir in einem Huy verschwandt: Gleichwol bliebe er noch an seinem vorigen Ort sitzen / und fragte mich wie zuvor / ob ich ihn sehe? Welches mir überauß verwunder- und entsetzlich vorkam / sonderlich / daß ich ihn so nahe bey mir hörete / und doch nicht sahe? Da ich ihme nun gesagt / daß ich ihn nicht sehe / sagte er / so halte der HErr sein Naßtüchel auff / und empfahe das jenige / so er an statt seines verlohrnen Guts zu haben verlangt; Jch thäts / und empfieng also das Genist auß dem Ameyshauffen / worauff ich den Alten alsobald wieder sahe! Er befahl mir / das Naßtüchel fleissig zusammen zu knüpffen / damit das stück / welches unter der Ameysen zusammen getragenen Sachen wäre / und vielleicht nur in einem einzigen kleinen Steinlein oder Würtzlein bestünde / nicht verloren würde; Jch folgte mit höchster Sorg und Auffsicht / damit ja kein einzigs Stäublein darvon käme; nam aber indessen in acht / ob mir der fahrend Schüler auch nach den Augen sehe oder nicht / wann er mit mir redet / oder nach den Händen / als ich das Naßtüchel zubande; dann wann ich dergleichen von ihm vermerckt / so hätte ich gleich geschlossen / er als ein Zauberer möchte sich durch ein ander Mittel unsichtbar gemacht / und mich vor meinen Schatz / als auff welchen ich verziehen / mit diesem liederlichen Genist abzuspeisen / und wie einen andern Narren fortzuschicken im Sinn haben / umb ihne alsdann allein zu erheben und zu behalten / aber nachdem ich im geringsten nichts dergleichen an ihm vermercken konte / faste ich schon ein ander Hertz / und war viel vergnügter / als wann man mir / ich weiß nicht was / sonst grosses gegeben hätte.

Nachgehends probirten wir die Würckung meines Schnupfftüchleins offt / dann der fahrend Schüler ermaß ohnschwer was ich argwohnte / darumb gab er mir selbst Ursach mich der Gewißheit zu versichern / und in mir durch die öfftere augenscheinliche Erfahrung einen festen Glauben zu setzen: und was solchen gewiß machte / war diß / daß ich das Naßtüchlein selbst nicht sehen / dasselbe aber wol greiffen konte / wann ichs irgends hin von mir legte;

Als ich nun solcher Gestalt meiner Sachen gewiß worden / liesse mich der fahrend Schüler von sich / nicht wissend / ob er in derselben Glücks-Stund / wie er sie nannte / etwas von meinem Schatz / darüber ich jedem Finder völligen Gewalt / und genugsames Eygenthumbs-Recht geben / erhalten habe oder nicht.


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