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Zehntes Capitel.

Dankmar's Weiherede.

Das Erbe der Gebrüder Wildungen, sprach Dankmar, erscheint also im Lichte der öffentlichen Meinung als ein ungerechter Rückgriff in den Lauf der Zeiten! Und doch ist es ein sprechender Beweis für den Kampf der Interessen, wie sie sich befehden, vernichten. Auch wir berufen uns auf dasselbe Siegel, von dem der Staat und die Kirche, das Allgemeine und die Gemeinde ihre Rechte herschreiben. Wir zeigen an einem grellen Beispiele, daß sich Gesetze und Rechte wie eine »ewige Krankheit« forterben.

Ob wir gewinnen, ob wir verlieren, die Zukunft wird es zeigen. Man wird Lücken in meinen Beweisführungen entdecken, man wird Papiere finden, man sucht sie wenigstens, die unsere Ansprüche entkräften sollen. Gesucht nur oder gefunden, ich schwinge mich auf einen höheren Standpunkt und will in dem Wettkampfe, den die berechtigten Gewalten aus ererbter Autorität täglich aufführen, einen neuen Mitstreiter auftreten lassen, eine Wiederherstellung jenes Ordens, von dem unsre Erbschaft im Grunde herrührt.

Wenn ich mich in der Geschichte umsehe und eine Macht vermisse, die das Individuum gegen das Allgemeine in Schutz nimmt, so muß ich beklagen, daß jene Idee der geistlichen Ritterorden an dem freilich begründeten Mistrauen der weltlichen und geistlichen Gewalt scheiterte. Philipp der Schöne von Frankreich ließ Hunderte von Tempelherren foltern, verbrennen. Man sagt, weil er sie um ihre Schätze beneidete. Treffender ist der Grund, wenn man sagt, weil er eine Ritterschaft fürchtete, die das heilige Grab nicht mehr behaupten konnte, sich nur noch auf Rhodus und später Malta hielt und in Frankreich allein über dreißigtausend in jedem Augenblick marschfertige Reisige zu gebieten hatte. Neben einer solchen von sich selbst abhängenden Wehrkraft konnte die königliche Gewalt nicht bestehen. Jeden Wink des Papstes konnte der König gewärtig sein von diesen mächtigen Tempelherren ausgeführt zu sehen. Aber auch die Geistlichkeit fürchtete die Tempelherren. Sie hatten im Oriente Duldung gelernt. Statt die Sarazenen zu vernichten, lernten die Templer das Menschliche, Gleichartige, Brüderliche an ihnen schätzen. Tempelherr und Emir schlossen Freundschaftsbünde und sogar die Religionen näherten sich. Diese Ritter hatten die Welt gesehen, ihr geistliches Kleid moderte nicht mit ihnen in der Klosterzelle, ihr Skapulier war das Schwert, sie tummelten sich durch das Leben mit Thatkraft und Selbstgefühl. Frei waren sie von dem Plagedienst der Observanzen. Sie konnten Messe lesen lassen auch in Gegenden, wo ein Fluch der Kirche die Glocken zu schwingen verbot und die Sakramente nicht verabreicht wurden. Sie waren auch der Geistlichkeit, der sie damit großen Eintrag thaten, zu frei, zu weltlich, zu weltmännisch und zu vorurtheilslos.

Die Templer wurden vernichtet. Die St.-Johannesritter setzten die Mission derselben fort. Leider fand man sie nur in der Eroberung des heiligen Grabes, in dem Kampfe mit den Türken. Dieser zuletzt unwahr gewordene Zweck bot kaum einen anständigen Deckmantel für den behaglichen Genuß der reichen Güter des Ordens. Wohlleben, Üppigkeit nahmen überhand. Nur die Malteser behielten ihren Beruf noch, als bewaffnete Missionaire zu wirken. Der Gedanke, Mittler zu sein zwischen Kirche, Staat, Gemeinde kam zu keiner Ausbildung mehr. Nur die Vehme, die heilige, unterirdische, war die letzte Ergänzung des wilden, rechtlosen, verworrenen damaligen Lebens gewesen. Die Gerichte der rothen Erde vertraten die Gerechtigkeit, die keinen weltlichen Hof mehr zu finden schien. Die geistlichen Ritterorden verfielen. Sie, die den Tempel von Jerusalem bewachen sollten, wußten nicht, daß man einen neuen Tempel im eigenen Herzen, einen Tempel der Menschheit gründen, den ausbauen, den bewachen mußte. Sie, die auf Johannes den Täufer verpflichtet wurden, d. h. auf den Geist, nicht auf den Buchstaben des Christenthumes, sie schoben für den Prediger in der Wüste, der vor Christus schon christlich dachte und lehrte, Johannes den Jünger unter und kamen nun immer weiter von ihrem Ursprunge, ihrer ersten Bedeutung ab.

Die geistlichen Ritterorden, die der Papst immer und immer wieder bis auf die neuesten Tage erwecken wollte, hatten sich überlebt. In einer neuen höheren Verklärung mußten sie neu geboren werden und dies geschah für die päpstlichen Interessen in der geistlichen Ritterschaft des Ignazius von Loyola. Die Jesuiten sind nicht weltlich, nicht geistlich allein, sie haben die Klöster verlassen und tummeln sich auf offnem Felde unter den Lebendigen. Es sind die neuen geistlichen Ritter der römischen Hierarchie. Sie haben Schild und Lanze mit dem letzten Ritter, dem Don Quixote von la Mancha, in die Raritätenkammer geworfen und kämpfen mit den Waffen des Geistes für die alte Welt im Gegensatz zur neuen. Die Philipp's von Frankreich, ohne oder mit der Möglichkeit, die Schönen beigenannt zu werden, wiederholen sich überall und zu allen Zeiten in Europa. In Portugal, Frankreich, Rußland vertrieb man die Jesuiten als eine geistbewaffnete Heeresmacht, die im Organismus des modernen, nur dem Fürsten gehörenden Staates keinen Platz gewinnen dürfe, wie die Templer nicht in Frankreich Platz greifen sollten. Man würde nur blind urtheilen, wenn man glaubte, daß Pombal und Choiseul die Jesuiten verfolgten aus Begeisterung für das Licht der Aufklärung. Nein! Die despotischen Alleinherrscher waren es, die ihre Macht nicht getheilt sehen wollten. Sie wollten sich auch sogar der Freunde entledigen, wenn sie ihnen mit der Zeit als Zweideutige oder zu Mächtige erschienen. Da, wo die Jesuiten den Machthabern eine verlorene Gewalt erwerben sollten, sind sie ihnen immer willkommen gewesen; Da aber, wo sie eine errungene Gewalt nun auch zu theilen wünschen, wird man immer geneigt sein, sie wieder zu entfernen.

Ich sprach von dem Tempel, den man in Jerusalem suchte und den man überall hätte finden können. Eine Vorstellung dieser Art war es, die die Freimaurerei entstehen ließ. Wie ein Neugeadelter hat diese Gesellschaft gesucht, ihre Ahnen sich aus der Vergangenheit weither zu verschreiben und sich Vorfahren beizulegen, die nie daran dachten, die Geheimnisse des Schurzfelles zu kennen. Diese Gesellschaft hat das Glück gehabt, in einer Zeit, wo Ungeschmack und Unpoesie die Welt regierte, sich einen gewissen Nimbus organischer Natürlichkeit zulegen zu können und nicht dem Fluche aller künstlichen Mysterien, der Lächerlichkeit vor Laien, anheimzufallen. Ihre Ceremonien erscheinen Vielen ehrwürdig. Das will etwas sagen in einer Zeit, die jede neue Religions- oder Sektenstiftung nicht nur sogleich mit der Polizei, sondern auch mit dem Witze verfolgt. Die Freimaurer haben das Glück gehabt, weder der Polizei noch dem Witze zu erliegen und mancher denkende Kopf sogar hat versucht, aus den Spielereien ihres Ceremoniels abstrakte Wahrheiten, wenigstens der guten Sitte, zu entwickeln. Die moralische Dehnkraft dieses weltlichen Ordens ist aber sehr gering. Sie geht über einen gewissen anständigen Egoismus nicht hinaus. Anständigen Egoismus nenn' ich Den, der seinem Jahrhundert nichts Anderes als Wohlthätigkeiten spendet. Eine rüstige polemische Kraft liegt in der Freimaurerei nirgends. Nur da, wo hinter der Maurerei Carbonarismus steckte, hat man von Märtyrern dieses Ordens gehört. Die Freimaurer haben, als Thatprincip, höchstens eine entschiedene Antipathie gegen die Jesuiten. Eben so ist es umgekehrt. Sie bekämpfen sich gegenseitig. Mit Recht, denn sie sind die entgegengesetzten Pole eines und desselben elektrischen Stabes. Daß die Freimaurer sich erhalten konnten, trotzdem, daß sie von der Vollendung und Besserung der Menschheit sprachen, verurtheilt sie allein schon im Auge des leidenschaftlichen Menschenfreundes, der da weiß, wie ein wahres Streben nach diesem Ziele sie sehr bald würde vernichtet haben. Oder soll uns diese Thatsache doch ermuthigen, an die Möglichkeit einer geheimen Verbrüderung, die nur geistige Zwecke verfolgt, noch glauben zu können?

Die Gefahr, einen neuen Geheimbund zu stiften, ist nicht gering. Wenn ich den Gedanken der Templer und der Ritter vom heiligen Johannes, dem Johannes der Wüste, dem Täufer, wieder aufnehme und den Bund der Ritter vom Geiste beantrage, so kenn' ich die gewaltigen Schwierigkeiten. Allein diese Schwierigkeiten sind zu beseitigen, wenn nur der Gedanke klar und es bewiesen ist, daß eine solche Bundesgenossenschaft der gleichen Geistesstimmung wünschenswerth, nothwendig erscheint. Eine Wahrheit, die einmal erkannt ist, bricht sich in jeder noch so schwierigen Form ihre Bahn.

Welchen Ausweg soll uns unser jetziger Kampf bringen? Ich sehe Interessen, ich sehe Theorieen. Jene sind ebenso leidenschaftlich wie diese. Die Interessen und die Theorieen, beide beanspruchen ein ursprüngliches Recht. Was läßt sich dagegen einwenden? Soll Blutvergießen entscheiden? Ich bin nicht für das Blut. Ich weiß wohl, die Geschichte ist aus dem Blute erwachsen. Aber der moralische Mensch kann, darf nicht sagen: Ich will diese oder jene Wahrheit dadurch beweisen, daß ich ihr diese oder jene Menschen zum Opfer bringe! Kein Einzelner kann Das sagen, was eine Gemeinde, ein Staat, ein Volk sagen darf. Solche Stimmungen der Gewalt hängen auch von der größeren oder geringeren Entzündlichkeit der historischen Krisen ab. Der Denker, der sittliche Mensch, der sich nur auf sich und die Menschheit bezogen fühlt, kann nicht Blut predigen, nicht fordern, daß aus der Vernichtung des Lebens Leben sprieße. Die Interessen der Existenz sind berechtigt. Die Menschen, die uns die Träger der Irrthümer scheinen, leben wie wir. Allen droht einst das Maß der ewigen Vergeltung. Was erlaubt uns wol, vorzugreifen und die Geschichte mit Gewalt zu bestimmen? Mag's ein Attila, ein Napoleon thun! Mag's ein Timoleon oder ein Ravaillac thun! Der Pranger, das Blutgericht, vielleicht eine Ehrensäule wird's ihm lohnen. Sein Name wird bleiben mit goldenen oder mit schwarzen Buchstaben. Das ist die ewige Persönlichkeit, die nicht aussterben wird! Aber wenn man zu uns kommt in unsre Denkerwüste und frägt: Was sollen wir thun, um in's Himmelreich zu kommen? Was sollen wir thun, um unsern Beruf als Menschen und Staatsbürger zu erfüllen? Dürfen wir da sagen: Dies und Das ist richtig, Dies und Das ist nothwendig, ergreift diesen Stab oder diese Fahne? Man sagt es alle Tage, man lehrt und predigt so an allen Straßenecken, aber wir kommen nicht weiter damit. Die Theorieen bleiben unpraktisch und die Interessen regieren doch die Welt.

Wenn mich Einer frägt, was soziale Wahrheit ist, ich weiß es nicht. Ich kann den möglichen communistischen Staat nicht beweisen. Und doch will ich auch nicht rathen, daß man im gemeinsamen Verkehr des Ideen- und Vorsatzaustausches sich mit Allgemeinheiten begnüge, wie die Freimaurer! Bilde dich selbst, dann bildest du die Welt! Bessere dich selbst, dann wird die Welt besser! Das sind Trivialitäten, gefährliche Gemeinplätze sogar und ganz ohnmächtige den Jesuiten gegenüber! Die wissen Alles in nächster Nähe zu fassen, die erblicken überall die Möglichkeit einer Anwendung ihrer Principien, die treten sogleich in medias res und haben Gift, Dolch, Strang, Bibel, Himmel und Hölle, Dialektik und Weisheit sogar zur Hand und wissen sie anzuwenden. Das jesuitische Gegengift, das die Freimaurer bieten, ist laues Wasser. Man wäscht damit seine Hände wie in lauester Unschuld und bleibt ein aparter selbstzufriedener Egoist.

Ich sehe, die Menschheit ist zersprengt, nicht nur den Interessen, auch schon dem Geiste nach. Wir haben eine Religion, die christliche, die in ihrer eigentlichen Bedeutung nur noch Wenige bindet. Man sieht sich in den Kirchen, man befolgt den Ritus seiner Confession, man erklärt sich auch leidenschaftlich für den Namen des Heilandes, doch legt sich Jeder die Bedeutung desselben anders aus und eigentliche Christen gibt es gar nicht mehr. Also gerade diese Auslegung ist das Wichtigste, um diese Auslegung streitet man sich und vergoß um sie sogar Blut. Im Staate sehen wir uns erst dann, wenn uns der Kampf zusammenführt. Wir rufen immer erst mit der Trommel, mit dem Lärmsignal der Gefahr, wo schon die gute Sache halb verloren ist. Da ist es für die Gleichgesinnten zu spät! Da sind gleich Tausende, die gerade für den Kampf nicht abkommen können, Tausende, die uns mißverstanden, Abertausende, die in einer Lage sind, heucheln zu müssen. Das ist der wahre Jammer der Zeit, diese Lüge, diese Zaghaftigkeit, dieser Scheindienst der Wahrheit, eine Folge der völligen Nichtorganisation der Geisteskämpfe. Erst auf dem blutigen Schlachtfelde erkennen wir Den, der neben uns im verschlossenen Visir kämpfte. Und Den, der mit der Fahne in der Hand niedersank oder der die Bresche des feindlichen Lagers siegreich stürmte, Den hat man sonst vielleicht für seinen Gegner gehalten!

Ich will einen geheimen, keinen heimlichen Orden stiften. Die Gesellschaften, aus deren Schooße die Verschwörungen und Revolten hervorzugehen pflegen, sind heimliche Gesellschaften. Die Jesuiten- und Freimaurerbünde sind geheime, nicht heimliche. Ihr Ritus bringt es wol mit sich, daß sie nicht Jeden zulassen, der auf ihre Symbole nicht vereidigt ist, aber ihr Wirken, so versteckt es ist, ist nicht eigentlich heimlich, auch ihre Symbolik ist es nicht. Sie sind geheim, ohne unzugänglich zu sein. Ich will gar nicht unmöglich machen, daß man von Diesem oder Jenem sage: Er ist Einer von den Rittern und Reisigen vom Geiste! Nur dürfen, wenn die Genossen einen Convent halten, nicht Fremde, nicht Laien zugegen sein. Das Dunkel soll auch anziehen und schützen.

Jeder Geheimbund braucht erstens einen Gedanken, zweitens Symbole, drittens Hülfsmittel.

Die Ritter vom Geiste sind die neuen Templer. Sie haben den Tempel zu schützen und zu bewachen, den die Menschheit zur Ehre Gottes auf Erden zu erbauen hat. Ihre Waffe ist der Geist. Ihr Leben ist die innere Mission eines Kreuzzuges gegen die Feinde dieses Gottestempels. Der Geist als Lehre ist die Wissenschaft. Der Geist als Glaube ist die Gesinnung. Den Geist, der dem Verstande entstammt, kann Niemand bannen, Niemand zum einheitlichen Gedanken eines Bundes machen wollen. Der Geist aber, der dem Herzen entstammt, ist der Wecker zu den edelsten Verpflichtungen. Die Religion hat nun Formen, um unsre sittlichen Verpflichtungen, der Staat Formen, um unsre politischen schon von vornherein gefangen zu nehmen. Die Religion des Geistes sollte keinen solchen bindenden Cultus haben dürfen? Ich sage, gebt dem Geiste einen Cultus und in hundert Jahren ist die Welt weiter, als wohin wir sie bei der jetzigen Verworrenheit der Zustände erst nach einem halben Jahrtausend werden kommen sehen. Religion, das Bindende, das Gleichgesellende, liegt in unsrer Epoche. Überall zeigt sich ihr Bedürfniß. Nur befriedigt es nicht auf dem alten Wege! Nur nicht innerhalb des alten Zwanges und der alten Dogmen! Man binde sich auf den Glauben unsrer Freiheit, auf den Glauben des Geistes, auf die gleiche Gesinnung! Aus solcher Grundlage, aus so geackertem, gesäetem Boden muß eine gute Frucht hervorgehen.

Ritter vom Geiste sind Mitglieder eines geheimen Bundes, den ich lieber Brüder vom Geiste nennen würde, wenn ich nicht streitbare gewaffnete Brüder begehrte. Ich will einen Bund von Männern, die ihr Leben, ihre nächsten und entfernten Pflichten nur auf ein Ziel beziehen, den endlichen Sieg von Wahrheiten, die leider noch immer in Frage stehen, noch immer von Willkür beanstandet werden. Dieser Bund soll den Kampf der Zeit nicht aufheben zu wollen sich anmaßen, wol aber der Aufgabe vertrauen, diesen Kampf abzukürzen. Man hat den Reubund lächerlich gefunden. Und doch ist sein Einfluß nicht gering. Er wird nicht ruhen, bis er mindestens die Wahlen in seinen Händen hat. Laßt uns einen größeren, einen Treubund stiften dem Geiste! Die Wahrheiten liegen auf der Hand; aber Tausende entziehen sich ihnen! Die Blätter der Geschichte sind aufgeschlagen. Man will sie nicht lesen. Wir wissen, wohin die Menschheit steuert, und stecken falsche Flaggen, falsche Leuchtflammen auf. Oder sollte es so schwer sein, das Wesen der Gesinnung auf einige große Wahrheiten zu abstrahiren, die feststehen, wie den Völkern Jahrhunderte lang die Wahrheiten der Bibel feststanden? Es mögen nur wenige Sätze sein. Aber einige Tausend Menschen in allen Theilen der Erde auf diese wenigen Sätze in Eid und Pflicht genommen, macht, daß gewisse Gebäude umstürzen wie Aschenhaufen, zerreißt dichte Vorhänge wie Spinneweben, lockert die Lüge von selber ohne Handanrühren. Jetzt gewinnt man plötzlich Menschen, die sonst ruhten, für die Arbeit des Geistes. Jetzt sieht man Kämpfer, die kämpfen müssen aus Ehrgefühl! Jetzt wird es heißen: Nicht mehr beten für die gute Sache sollt Ihr, sondern auch arbeiten für sie!

Die Ritter vom Geiste streiten, sichtbar und unsichtbar, allein für die Gesinnung, für nichts also, was sich als positive Schöpfung ankündigt. Daß es Republikaner, Freigeister, Monarchisten sein sollen, sag' ich nicht, ebensowenig was sie sonst sind. Sie haben nur zu schwören, daß sie Alles thun werden, was in ihren Kräften liegt, um z. B. der Monarchie, wo sie herrscht, diejenigen Bedingungen vorzuschreiben, die es möglich machen, sie der Republik vorzuziehen. Es liegt in der Natur einer Zeit, die mehr aufzuräumen, als zu bauen hat, daß ihre Wahrheiten mehr negativ als positiv sind. Die Ritter vom Geiste werden sich klarer über Das sein, wozu sie sich nicht verwenden lassen, als über Das, was sie von selber wollen. Die Gewissenscollisionen, der Fluch unsrer Zeit, müssen seltner werden. Ein Geistesbruder, der in seiner Überzeugung gebunden ist, wird sich nicht zu Dingen hergeben, die seinem Schwure widersprechen. Er wird für das Opfer, das er zu bringen hat, vom Orden schadlos gehalten. Die Apostasieen, die Verfolgungen, in denen die Apostaten gehässiger sind als Alle, werden gebrandmarkt und seltener werden. Man wird nicht mehr eine Meinung für sein Haus und eine für den Staat, eine für sein Gewissen und eine für seinen Erwerb haben. Die Anlehnung an Gleichgesinnte macht stark. Das Vorbild edler Männer reizt zur Nachfolge und eine unreine, niedrige Seele, die sich des glänzenden Schildes der hohen und reinen Gesinnung bedient, wird nicht mehr Bestand haben und Verwirrung unter die Kämpfenden bringen können.

Wie der Tempel der Menschheit beschaffen sein muß, um Raum für den Glauben reiner Herzen, für Freiheit und Glück des irdischen Lebens zu gewähren, kann man mit dem Griffel des Malers nicht anschaulich machen. Aber der Architekt kann uns schon soviel sagen, er wisse, was Harmonie, was Ebenmaß ist, er wisse, was in den Grundbau und was in die Kuppel gehört. Die freie Presse ist vom Fundamente, während das Recht der Arbeit in die Kuppel gehört. Nicht was wir bauen, wissen wir; nur wie wir zu bauen haben, ist uns klar nach ewigen und in der Brust eingeschriebenen Gesetzen. Der Tugendbund unter Napoleon wurde nicht gestiftet, um Deutschland diese oder jene Verfassungsform zu geben, nicht um den fremden Eroberer vom Boden des Vaterlandes zu verjagen, sondern nur um diejenige Gesinnung zu erzeugen, die von selbst auf die Vaterlandsliebe, die politische Tugend und jene unausgesprochnen Zwecke führte. Wohlan! Auch die Ritter vom Geiste kämpfen nur für die endliche Vernichtung des von der Theorie längst verworfenen und in der Praxis förmlich unvertilgbar scheinenden Alten. Dieser Bund soll aufräumen und das rasch.

Der Katechismus der Grundwahrheiten des neunzehnten Jahrhunderts ist so groß nicht. Man hat über des deutschen Volkes Grundrechte sich geeinigt, man hat einst in Frankreich die Menschenrechte zusammengefaßt, als die Revolution dort noch gehalten und eine historische Offenbarung war. Die Grundrechte aller Völker sind den Rittern vom Geiste Grundpflichten. In schwierigen Dilemmen, die eine Tagesfrage wohl veranlassen könnte, würde unbedingter Gehorsam gegen die Vorschriften des höchsten Ordens-Kapitels unerläßlich sein.

Ein Orden muß nicht nur Organisation, sondern auch Symbole haben. Wohl weiß ich, daß künstliche Grillen ein historisches Wachsthum nicht ersetzen. Dennoch war Alles in dieser Art historisch Gewordene das erste mal auch nur ein begeisterter Einfall. Als Jesus bei Tische saß und zum letzten male mit den Seinen zur Nacht speiste, ergriff er das Brot und den Wein und setzte diese beiden ihm naheliegenden Zufälligkeiten als Erinnerungssymbole seines Wirkens und seines Lebens ein, die heilig geblieben sind. Er sah sein Ende in der Nähe, er gab das Brot zum Gedächtniß seines Lebens, den Wein zum Gedächtniß seines Todes. Das Kreuz am Mantel der Templer, so einfach, ließ diese bald erkennen. Die Devisen des Mittelalters, die oft ein ganzes Geschlecht durch alle Menschenalter begleiteten, waren Eingebungen des Augenblicks. Ein Wappen entstand zufällig und den Zufall heiligte die Gewohnheit. Die Freimaurerei ist künstlich ersonnen. Lessing hat bewiesen, daß ihre Symbolik durch einen Wortwitz entstanden ist (Masonie statt Massenie) man hat eine Symbolik sich hier sogar, wie man zu sagen pflegt, aus den Fingern gesogen und sie hat sich erhalten. Ich will die Symbolik, die ich mir für die Ritter vom Geiste ersonnen habe, nicht heute schon ausführlicher erörtern, nichts anführen von der Stufenfolge der Grade und Ämter, die ich den alten Templern nachzubilden gedachte; ich will nur noch, da es zu spät wird, von dem dritten Punkte sprechen, von den Mitteln.

Ohne äußere Mittel fürcht' ich, kann auch dieser Orden nicht bestehen. Wohlthätigkeit, Unterstützung der um ihrer Überzeugung Willen Leidenden gehört ganz eigentlich zu seiner Aufgabe. Die Gefahren, in die sich der muthige Volkstribun, der gewissenhafte und überzeugungstreue Beamte stürzt, sollen verringert werden. Der Jüngling soll nicht mehr zittern, einen Weg einzuschlagen, der ihm vielleicht unmöglich macht, die Wahl seines Herzens an sein Leben zu ketten, einen greisen Vater, eine hinterlassene Mutter zu ernähren. Mit Freuden bieten wir Beide, Siegbert und ich, die Reichthümer, die uns vielleicht zufallen dürften, zu diesem großen Zwecke dar. Es ist leider nicht eine einzige höhere Wahrheit in der Welt nachzuweisen, die ganz ohne irdische Beihülfe zum Siege gelangte. Auch die Apostel lehrten: Schicket Euch in die Zeit, denn es ist böse Zeit! Als Mohammed anfangs eine entsagende Gotteslehre predigte, sammelte er wenig über ein Dutzend Bekenner um sich. Als er sie mit irdischen Elementen mischte und sie auf die Stammesinteressen der arabischen Häuptlinge bezog, wuchs sein Anhang von Tag zu Tag um Tausende und Abertausende. Vom zweideutigen Siege der Reformation ganz zu schweigen! Der Orden der Ritterschaft vom Geiste kann die Güter dieses Lebens nicht entbehren. Der Gegner muß mit derselben Waffe, die ihn so stark macht, besiegt werden. Gleichviel, ob wir dem Orden eine harmlosere oder strengere Symbolik geben, ob wir an die Jesuiten oder die Freimaurer anknüpfen: der Staat wird uns verfolgen, er wird Alles aufbieten, uns mit Stumpf und Stiel auszurotten. Wie vermeidet man da wenigstens das Übermaß der Gefahr? Wie parirt man wenigstens den Stoß des Gegners? Wir sind fünf Bekenner; schließt sich Egon von Hohenberg uns an, so sind wir sechs. Sechs brave Menschen haben sechs brave Freunde! Mit zwölf Aposteln hält sich eine Lehre. Kann uns das Kreuz dort über uns erschrecken? Ermuthigen soll es uns! Ich scheine Euch fortgerissen von meinem Gefühl, aber ich sage Euch: der Tod schreckte mich niemals, wenn ich ihn mit einem Freunde erlitte. Die Templer starben in Masse und sangen freudig, vielstimmig, todesmuthig aus den Flammen. Schon als Knabe tröstete mich Friedrich von Baden, der neben meinem geliebten Konradin auf Neapels Blutbühne stand. Sie starben im Bunde, als Freunde, als Brüder. Doch denk' ich... bis zum Tode wird es nicht kommen und was die Gefangenschaft betrifft, so wäre einer der ersten Paragraphen unsres Ordens Der, daß wir Die, die um den Orden leiden, zu befreien haben. Gelingt es auch nicht immer, so ginge doch Niemand in den Kerker, ohne daß die Aussicht auf eine rettende Hand, wie die Apostel die Hoffnung auf Engel, ihn begleitete. Eine Nebelgestalt in weißem Geistergewande, die Hoffnung wenigstens, würde mit ihm durch die geöffneten eisernen Pforten schlüpfen und traulich ihn trösten, wenn er über die Folgen seiner redlich erfüllten Ordenspflichten muthlos verzweifelte und ihn nur das Eine emporhalten könnte: Die Ritter vom Geiste werden dich nicht verlassen, du wirst sie hören, ihre Nähe empfinden; sie wachen über dich!

Dankmar endete mit diesen Worten und es trat eine lautlose feierliche Stille ein.


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