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An einem schönen Frühlingsmorgen
Betrat ein Wolf voll Nahrungssorgen
Der fetten Anger keimend Grün.
Da sah er mit erwünschten Freuden
Ein wolbefleischtes Füllen weiden,
Das seinen Zähnen reizend schien.
Er hatte grosse Lust zur Beute;
Nur daß er ieden Gegner scheute,
Der stärker war als Lamm und Schaf.
Drum sollt' es ihm durch List gelingen,
Den jungen Streiter zu bezwingen,
Der an Gewalt ihn übertraf.
Er nähert sich dem stolzen Pferde:
Er schwört, daß auf der ganzen Erde
Kein Wurzelmann ihm ähnlich sey.
Erhabner Houyhnhum, spricht er weiter:
Ich kenne Stauden, Pflanzen, Kräuter,
Von hier bis in die Tartarey.
Ich kann den Kranken Hülf erteilen,
Spatt, Kropf, Geschwulst und alles heilen,
Dem andrer Helfer Rath gebricht.
Mir müssen Krampf und Würmer weichen;
Den Koller weiß ich wegzuscheuchen;
Und was versteh ich sonsten nicht!
Itzt bin ich darum hier erschienen,
Mit meiner Wissenschaft zu dienen;
Wenn ihnen diese rathen kan.
Sie gehn zu frey, zu rasch im Felde:
Dieß zeigt, daß ich die Wahrheit melde,
Uns Aerzten nicht viel Gutes an.
Dürft ich, weil sie zu sehr sich regen,
Ein Band um ihre Schenkel legen;
Gewiß, sie sollten Wunder sehn.
Ich fordre nichts für Cur und Mühe,
Weil ich den Geiz vor allem fliehe;
Die Heilung soll umsonst geschehn.
Das Füllen dankt ihm und versetzet:
Ich habe mich am Huf verletzet,
Und spüre dort die schwerste Pein.
Herr Doctor! kommt, beseht den Schaden,
Könnt ihr der Schmerzen mich entladen?
Nichts, spricht der Wolf, wird leichter seyn.
Er will auch keine Zeit verlieren,
Und stellt, den Anschlag auszuführen,
Sich unverzüglich hinters Pferd.
Das will, aus gleichgeschwinden Pflichten,
Ihm zum voraus den Lohn entrichten.
Ein Arzt ist seines Lohnes werth.
Der Houyhnhum sucht ihn klug zu machen,
Schlägt aus, zerquetscht des Wolfes Rachen
Und wiehert ihm die Worte zu:
Nichts giebt ein grösseres Vergnügen,
Als den Betrüger zu betrügen;
Freund! das beweisen ich und du. |