Friedrich von Hagedorn
Versuch in poetischen Fabeln und Erzehlungen
Friedrich von Hagedorn

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Der Ursprung des Grübgens im Kinne.

            Man glaube nie was mancher Dichter spricht:
Nun ruht mein Kiel; nun schreib' ich ferner nicht.
Wie selten weiß ein Dichter aufzuhören!
Apollo darf uns auch im Schlafe stören.
O combien l'homme est inconstant, divers,
Foible, léger, tenant mal sa parole!
J'avois juré, même en assez beaux vers,
De rénonçer à tout conte frivole.
Et quand juré? C'est ce qui me confond.
Depuis deux jours j'ai fait cette promesse.
Puis fiez-vous à rimeur qui répond
D'un seul moment. Dieu ne fit la sagesse
Pour les cerveaux qui hantent les neuf soeurs;
Trop bien ont-ils quelque art, qui vous peut plaire,
Quelque jargon plein d'assez de douceurs,
Mais d'être fûrs, ce n'est là leur affaire.
La Fontaine.

Kein Einfall wird von Barden unterdrückt,
So oft sie nur des Phoebus Ruf entzückt,
Und, falls sonst nichts den steifen Vorsatz beuget,
An Phoebus statt, sich ein Verleger zeiget.

    So gehts auch mir. Oft hab' ich selbst gedacht,
Der sey beglückt, der keine Verse macht,
Der vielen gleicht, die selber niemals dichten,
Und dennoch oft gereimte Zeilen richten.
Da ward mir schon die Poesie zur Qual,
Da schwur auch ich, und zwar zum erstenmal,
Mich sollte nichts in dieser Welt verleiten,
Die volle Bahn der Dichter zu beschreiten.
Der stolze Schwur war viel zu früh gewagt;
Des Menschen Herz ist trotzig und verzagt,
Und meines wird durch süssen Zwang getrieben,
Was ich verwarf bald desto mehr zu lieben.
Mich nimmt bereits die Regung wieder ein.
Was aber soll mein neuer Vorwurf seyn?

    Der holde Gott der Hoffnung und der Freuden,
Der, dessen Stand die Götter oft beneiden,
Weil man nur ihm des Lebens güldne Zeit,
Der Jahre Lenz, die schöne Jugend weiht,
Der, dessen Witz die Klügsten unterrichtet,
Der lächelnd herrscht, die schwersten Händel schlichtet,
Welt und Natur verherrlicht und beglückt,
Den zarten Leib mit Pfeil und Bogen schmückt,
In Federn prangt und die er abgeleget
Dem Hymen schenkt, der ihm die Fackel träget.

    Cytherens Sohn, der wahre Menschenfreund,
Dem manche schön und keine grausam scheint,
Vergnügte nur an seiner Psyche Wangen
Den öftern Wunsch, das heftige Verlangen.
Ihn labte schon die Frucht der süssen Wahl,
Der Wollust Kern, ein rechtes Freudenmahl,
So oft ihr Mund, zu dem er seufzend eilte,
Kuß, Scherz und Schwur mit seinen Lippen theilte
Und ihre Brust nur seiner Götterhand,
Nur seinem Blick' entzückend offen stand.

    So ward die Lust durch ieden Tag vermehret;
So ward sein Witz durch lange Lust bethöret.
Wer leugnet noch, daß Schönheit Wunder thut?
Der Liebesgott verlor den Wankelmuth,
Sein himmlisch Recht, dem lockenden Ergetzen,
Dem freien Kuß kein ehlich Ziel zu setzen.
Sein weiches Herz, geschwächt durch süssen Wahn,
Ward Psychen hold und endlich unterthan.
Er hatte nicht, die mich beherrscht, gesehen;
Und das allein entschuldigt sein Vergehen.

    Um Paphos ist der Venus Aufenthalt.
Dort schmückt den Strand ein ihr geweihter Wald,
Wo manches Par durch sichre Büsche dringet,
Und ieden Kuß der Vögel Chor besinget.
Es stehet dort ein Tempel, dessen Pracht
Die Gegenwart der Nymphen edler macht,
Die sich hieher in starker Zahl begeben,
Zur Venus fliehn und nur der Liebe leben.

    Man glaubt, daß der den Bau errichten hieß,
Dem sie zuerst sich ohne Gürtel wies,
Als Zephyrs Hauch, der nie sich schöner fühlte,
Zum erstenmal mit ihren Locken spielte,
Und was die Welt an Liebreiz in sich hat,
Mit ihr zugleich an das Gestade trat.

    Dort tön't ihr Lob in buhlerischen Chören;
Dort lasset sich die Taube girrend hören;
Dort stimmet noch der halberstorbne Schwan,
Zu ihrem Ruhm, die letzten Lieder an.
Am Tempel selbst grünt bey den Rosenstöcken
Ein heilger Kreis von zarten Mirthenhecken.
Dort dient man ihr; dort opfern Alt und Jung;
Die Spröden auch, doch in der Dämmerung.
Die Könige verlassen Königinnen,
Und suchen dort geliebte Schäferinnen.
Der Schäfer siehts, verlässt die Schäferinn,
Und rächt die That an einer Königinn.

    Da sollte nun der frohe Gott der Ehen
Sein grösstes Werk beglückt vollendet sehen.
Was theils verliebt, theils liebenswürdig war,
Versammlete sich um das neue Par.
Idalia, und, als Begleiterinnen,
An ihrer Hand, die zarten Huldgöttinnen.
Mit Heben kam die sanfte Schmeicheley,
Die Mittlerinn vergnügter Buhlerey,
Und Phoebus selbst. Er fand in Psychens Zügen
Der Daphne Reiz und Macht, ihn zu besiegen.
Er sang und seufzt', er schien gerührt zu seyn;
Doch wirkte dieß die Vaterhuld Allein.
Es führten dort der Frühling und die Freude
Der Floren Zug in buntem Feierkleide.
Der gute Zevs erschien bey diesem Mahl,
Ob Juno gleich ihm seinen Adler stahl,
Aus alter Furcht, er mögt' auf solchen Reisen
Wo Venus herrscht, sich wie er pflag erweisen.
Der Gott des Weins, der schon beim Eintritt trank,
Lallt' einen Wunsch zu iedem Lustgesang.
Mercurius kam gaukelnd hergeflogen,
Und Iris stieg von dem gefärbten Bogen.
Arcadien vermisste seinen Pan;
Mit diesem kam der feiste Comus an,
Um dessen Haupt die frische Rose blühte,
Der tanzend jauchzt' und bald von Nectar glühte.
Der braune Mars, in neuer Kriegestracht,
Wies Faust und Schwert Vulcan und dem Verdacht.
Auch ließ sich itzt, auf nicht zu fernen Höhen,
Voll starker Lust, der Gott der Gärten sehen.
Der Nymphen Schar, den leichten Zephyrus
Beschäftigten der Kuß und Gegenkuß.
Nur hatte sich Diana vorgenommen,
Zu diesem Zwey erst übers Jahr zu kommen.
Sie blieb voritzt, aus Lust zur Jagd, davon;
Wer jagte mit? Vielleicht Endymion.

    Der Flöten Scherz, die Eintracht reiner Saiten
Verkündigen dieß Fest der Zärtlichkeiten.
Man öffnet bald des Tempels güldnes Thor.
Cytherens Sohn führt seine Braut hervor
Und nähert sich den jubelvollen Reihen,
Die froh-umkränzt der Liebe Blumen streuen.

    Ein leicht Gewand spielt um der Psyche Leib,
Versteckt und zeigt der Welt das schönste Weib.
Die Freundlichkeit, der Anmuth Wunderblühte,
Schmückt ihren Mund, den Sitz der sanften Güte.
Die frische Brust nimmt aller Herzen ein,
Scheint weiß als Schnee, ist reizender als Wein.

    Es sammlet sich mit frölichem Gedränge,
Auf Hebens Wink, der fremden Nymphen Menge,
Die insgesamt um diesen Vorzug flehn,
In Psychens Dienst, in Amors Gunst zu stehn.
Er wählt die ihr, vielleicht auch ihm, zu dienen,
Die würdigsten, das ist, die jüngsten schienen.
Witz, Aug' und Herz treibt ihn von Par zu Par.
Bald rührt den Gott ein wallend, lockicht Haar,
Ein runder Arm, ein Hals, der fleischicht steiget,
Und bald ein Fuß, der mehr verspricht, als zeiget,
Bald mancher Mund, der, wann er scherzt, entzückt
Und, wann er küsst, durch ieden Kuß beglückt.
Bald merkt er sich zwo Wangen, die vor allen
Berechtigt sind, durch Lächeln zu gefallen,
Und sucht und findt was er stets gerne fand,
Manch heitres Aug' und manche schöne Hand.

    Der trägen Schar der Augen, die nichts sagen,
Wird hier kein Amt von Amor angetragen;
Und ieden Mund, der ohne Kraft und Geist
Sich kindisch ziert und nur die Zähne weist,
Die der Natur, den zarten Huldgöttinnen
Ein Scheusal sind, der Freuden Gegnerinnen,
Die schwache Brust, die mit dem Alter ringt,
Nach Buhlern seufzt und sie zur Keuschheit zwingt,
Die Mißgestalt, die eitler Hochmuth leitet,
Die Pracht beschimpft und stiller Hohn begleitet;
Die alle schickt Cupidens Eigensinn
Zum nahen Schwarm der spitzen Nasen hin,
Die, wolgepart mit hagern, welken Wangen,
Hier müssig stehn und keinen Preis erlangen.

    Was gegentheils dem Bräutigam gefällt
Sieht sich von ihm den Reihen zugesellt,
Die seine Wahl, auf ihren Wunsch, betroffen,
Aus Psychens Wink, Befehl und Huld zu hoffen.

    Indem er drauf die er sich ausgewählt,
Den Würden nach, vertheilet, stellt und zählt,
Bezeichnet er die ihm recht artig scheinen,
Der Nymphen Kern, die Lust und Witz vereinen;
Und ihren Ruhm bewährt ein Liebespfand,
Ein neuer Reiz, ein Werk von seiner Hand.
Denn iedem Kinn, das seine Wahl beglücket,
Wird von ihm selbst das Grübgen eingedrücket,
Das, wie man weiß, nur solche Schönen ziert,
Durch die noch itzt der schlaue Gott regiert,
Durch die sein Recht sich ewig kräftig zeiget,
Den Neid beschämt und täglich höher steiget;
An welchen man der Anmuth höchsten Wehrt
Und Amorn selbst in ihren Grübgen ehrt,
Die iederzeit durch dieses Vorzugszeichen
Die schönsten sind und dir, o Phyllis, gleichen.


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