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Poeten wissen tausend Sachen,
Die in dem groben Theil der Welt
Der Wahn und Aberwitz belachen
Und Einfalt für unmöglich hält.
Wir singen: Boreas muß schweigen;
Der Wald erstaunt; es horcht das Meer;
Und wenn wir uns recht wild erzeigen,
So kömmt der Mond gehorsam her.
Wer untersteht sich, uns zu schimpfen,
Als der nicht Midas Strafe weiß?
Wer macht aus Schiffen schöne Nymphen,
Aus Daphnens Haar ein Lorbeerreis,
Aus Byblis Zähren eine Quelle,
Aus Jupiter Europens Stier?
Wer führt den Orpheus in die Hölle?
Wer hat es wol gethan, als wir?
Daß Götter zu den Menschen kommen,
(Wie Phrygien längst wahr befand)
Beschwuren sonst die alten Frommen,
Und ist nur Dichtern recht bekannt.
Wie zärtlich sie der Welt gewogen,
Lehrt aus Philemons güldner Zeit
Ovidius, der nie gelogen,
Und Swift, der Ruhm der Geistlichkeit.
Weil von der Unterwelt zu den gestirnten Höhen
Die Boten selten richtig gehen,
Fiel zweenen weisen Göttern ein,
Als Wanderer, um nicht erkannt zu seyn,
Den Erdkreis selber zu besehen.
Kurz: es gesellte sich, aus grosser Menschenliebe,
Zum Donnergott der Gott der Diebe.
Der schlaue Jupiter entging durch diese Flucht
Der alten Juno Eifersucht,
Die ihm den Nectar recht vergällte,
Und was er nur als Stier und Schwan
Und in der Jugend sonst gethan,
Ihm täglich unter Augen stellte.
Dem Vater folgt Merkur mit kindlich-frohem Muth,
Doch ohne Federhut.
Sie hatten bald, was man die Welt genannt,
Das narrenvolle Rund bis dahin durchgerannt,
Wohin vielleicht nicht ich, noch du, mein Leser, kommen,
Bis an Mäanders fernen Strand.
Als Licht und Tag nun abgenommen
Erblickten sie, zu ihrer linken Hand,
Ein hohes Schloß, das Ueppigkeit und Pracht
Dem Uebermuth zum Sitz gemacht.
Hier wohnt und schwelgt ein trotziger Dynast,
Des armen Landes reiche Last,
Der Liebling eines Herrn, dem oft-geschätzte Horden
In treuer Blösse zinsbar worden.
Bey diesem suchten itzt die Götter kurze Rast,
Sie stellten sich, nach wahrer Pilger Weise,
Vom Mangel aufgezehrt, ermüdet von der Reise,
Und flehten sehr um Streu und Speise.
Sie flehten, doch umsonst; man wies sie höhnisch ab;
Und als Mercur sich gar ins Schloß begab,
So fand auch er, ie mehr er bat:
Nichts sey vermeßner, stolzer, kühner,
Als kleiner Herren kleine Diener,
So oft man ihrer nöthig hat.
Sie eilen schnell in manches Reichen Haus,
Allein viel schneller noch heraus.
Noch etwas wird versucht; sie klopfen an die Hürde,
Die in dem Thale liegt, ob die sie bergen würde.
Da lebet, ohne Mißvergnügen,
Und durch die Heilungkraft der Zeit
Von allen Regungen der Eifersucht befreit,
Ein unbeerbt, zugleich veraltend Par,
Dem, durch des Schicksals seltnes Fügen,
Der langen Ehe Joch nicht unerträglich war.
Der Mann, Philemon, geht, und nöthigt sie herein,
Führt beide vor den Herd, heisst beide frölich seyn,
Ruft das geliebte Weib, und Baucis kömmt auf Krücken.
Sie grüsset ieden Gast mit treuem Händedrücken,
Das endlich Jupiter, der wol zu leben wuste,
Durch einen Kuß vergelten muste.
So ists, durch einen Kuß; iedoch nur auf die Wangen;
Nicht mit dem Nachdruck und Verlangen,
Womit er oft an Ledens Mund gehangen;
Und gleichwol stösst in ihre Brust
Der träge Kuß recht jugendliche Lust.
Sie stoppelt Scheit und Stroh schon hurtiger zusammen.
Ein Bündel Reiser wird auf dürren Kien gelegt,
Und, als sie Asch' und Kohlen aufgeregt,
Facht, bläst und hustet sie den ganzen Stoß zu Flammen.
Hierauf wird warme Milch, nebst Feld- und Garten-Früchten,
In irdnen Schüsseln aufgetischt,
Bey ungleich-grössrer Lust, als wo das Splitterrichten
Die theuren Bissen würzt, wo Fluch und Wein sich mischt,
Der Schelsucht Auge glüht, der Bosheit Zunge zischt.
Die Fremden besser zu erfreuen,
Umsteckt der milde Wirth den Tisch mit dichten Meien,
Sucht seinen Witz hervor, der, nach des Landmanns Art,
Mit Worten spielt und kein Gelächter spart,
Und schwatzt vom Ackerbau, vom Wiesewachs, von Saten;
Wie heuer recht nach Wunsch des Nachbars Korn gerathen.
Frau Baucis aber lehrt der Wittrung Eigenschaft,
Der Seuchen Art, der Kräuter Kraft,
Und sagt den neuen Tischgenossen,
Wie viele Jahr' in ihrer Eh' verflossen;
Wie dieses Dach von Schilf und den geschwärzten Herd
Ihr langer Fleiß erbaut und noch kein Fluch beschwert;
Was sie besitzen, was noch fehlt,
Das alles wird itzt hererzehlt;
Auch wie sie neulich erst was herrliches geerbet:
Und was? Ein Trinkgeschirr, das noch nicht abgenützt,
Woran Silen, der sich auf Keltern stützt,
Und mit Satyren zecht, aus Buchenholz geschnitzt:
Auf dessen Deckel sey: Philemon, eingekerbet.
Sie foderts, und er bringts, voll Most,
Zum süssen Schluß der Abendkost.
Das frische Naß wird treulich eingesogen;
Doch füllet sich von selbst der Becher wieder an.
Die Alte siehts bestürzt, es stutzt der Bidermann,
Der weder Freund noch Feind in seinem Trunk betrogen.
Nachdem er ihn von neuem ausgebracht,
Hat er auf ieden Gast nunmehr gedoppelt Acht,
Bis Jupiter sich kenntlich macht.
Er sagt: Wir sprechens nicht als Spötter;
Vernehmt die Wahrheit: Wir sind Götter.
Herr Wirth, Frau Wirthin, glaubt es nur:
Ich bin der Zevs, er ist Mercur.
Ihr zweifelt? Können Götter lügen?
Wisst: Ich kan donnern, er kan fliegen.
Philemon schielt ihn an. Ein Strahl vom innern Licht
Erheitert seinen Blick: er glaubt und klügelt nicht.
Ein heilger Schauer fährt durch Baucis kalte Glieder.
Sie sehn im Gast den Gott, und fallen vor ihm nieder.
Ihr Götter! sagt der Greis, wie gütig nehmt ihr an,
Was euch die Dürftigkeit wolmeinend reichen kan.
Es ist kein Sterblicher an Glück uns gleich zu nennen:
O hätten wir nach Wunsch euch itzt bewirthen können!
Doch aller Ueberfluß im schönsten Speisesal
Ist mangelhaft und schlecht zu einem Göttermahl.
Wo solche Gäste selbst die Tafel schmücken wollen,
Muß Erde, Meer und Luft die besten Schüsseln zollen.
Es tagt, und Majens Sohn führt das entzückte Par
Den hohen Berg hinan, der in der Nähe war.
Hier spricht der Donnergott: Der Bosheit Lauf zu hemmen,
Soll der Maeander-Fluß die Frevler überschwemmen.
Er winkt; der Strom gehorcht. Man sieht das Schloß, das Land,
Wo sich kein liebreich Aug' auf fremde Noth gewandt,
Von Wind und Fluth bestürmt, mit Schrecken untergehen.
Philemons Wohnung bleibt auf einer Insel stehen;
Doch nicht als Hürde mehr. Was Schilf, was irden war,
Wird Marmor oder Gold; ihr Tischgen zum Altar;
Die Kann' ein Opferkelch; die Pfosten werden Seulen;
Und, mehr Bequemlichkeit dem Tempel zu ertheilen,
Ihr Bett ein Kirchensitz, der noch, nach alter Kraft,
Die Hörer gähnen lehrt und oft den Schlaf verschafft.
Dieß grosse Wunderwerk erweckt den treuen Beiden
Verwirrung, stumme Lust und ehrfurchtreiche Freuden,
Erstaunen, Dankbarkeit und neue Zuversicht,
Bis unser Phrygier das Schweigen unterbricht:
Ach! mögte Jupiter mich Armen würdig finden,
In diesem neuen Bau die Opfer anzuzünden,
Des Lebens kurzen Rest, als Priester, ihm zu weihn!
O sollt' ihm diese Hand den ersten Weihrauch streun!
Der Gott erhöret ihn, und will ihm auch vergönnen,
Nebst ihr noch einen Wunsch ohn Anstand thun zu können.
Falls, ruft Philemon aus, ein Flehen dir gefällt,
Das itzt die Liebe wagt, die uns zuerst gesellt;
Wird mir und Baucis einst der Tod zugleich erscheinen,
Und keines ie von uns des andern Grab beweinen.
Der Wunsch der Zärtlichkeit, der Wünsche Widerspiel,
Die oft der Ehstand heckt, erreicht sein edles Ziel.
Der Götter Gunst versprichts. Ein Donner lässt sich hören;
Der Blitzt zertheilt die Luft; Zevs eilt zur sechsten Spheren.
Hievon verbreitet sich der bald-erschollne Ruhm,
Und iedermann besucht das neue Heiligthum;
Zum Theil, Philemon selbst um alles zu befragen;
Zum Theil, aus frommer Pflicht ihm Gaben anzutragen,
Die er, voll vom Beruf, den ihm sein Glück bestimmt,
Mit priesterlicher Hand oft abweist, öfter nimmt.
An einem Feiertag, als er im Vorhof gehet,
Und Reisenden erzehlt, woher der Bau entstehet,
Verwandelt sich sein Haupt; zu Blättern wird das Haar;
Den Leib deckt Rind' und Mos; und Baucis wirds gewahr,
Und sucht ihm, doch umsonst, die Rechte hinzureichen.
Sie wird zum Lindenbaum, sowie ihr Mann zur Eichen.
Der wolerfüllte Wunsch ist ihrer Treue Lohn,
Und ieder Vater zeigt die Bäume seinem Sohn.
Man siehet ihre Zweig' am allerschönsten grünen
Und vielen Liebenden mit holdem Schatten dienen.
Der Ruf legt ihnen bald die Zauberwürkung bey:
Hier reize Laub und Gras zur süssen Buhlerey.
Man sagt gar, daß allhier auch spröde Schäferinnen
Das Schmeicheln und zuletzt den Schmeichler liebgewinnen;
Daß manche, deren Stolz den Hirten widerstand,
Zum erstenmal ihr Herz hier voller Mitleid fand;
Daß einer Phyllis Kuß den Lycas hier beglücket,
Und er sie drauf gelehrt, was noch weit mehr entzücket.
Der nächste Lenz verrieth die ihm erzeigte Huld,
Der Baum, der arme Baum, nicht Phyllis, trug die Schuld.
Die Mutter hätte bald Philemon nebst der Frauen,
Wenn Zevs sie nicht beschützt, erbärmlich abgehauen. |