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Legende

Es wohnte in seines Grundherrn Schutz
ein armer Konz in Mangel und Schmutz.
Die Hütte, in den Boden gekrochen
vor Alter, die Fenster ausgebrochen,
glich einem zerzausten Krähennest.
Kein Sparren im Dache saß mehr fest.

Der arme Teufel in seiner Hütte
vernahm eines Abends verirrte Schritte.
Der Sturm brach wild über Höhen und Wald.
Die Nacht war finster und bitter kalt.
Da hob er sich auf und dachte bei sich:
da draußen ist einer, ärmer als ich!
Und griff einen Span und kroch vor das Loch,
gebückt wie der Ochse unterm Joch.
Und sieh: des Kienspans Flackerlicht
leuchtete einem ins Angesicht.
Der war halbnackt und schwieg und stand
und regete weder Fuß noch Hand.
Aber er war von solcher Statur,
daß unser Holzfäller bei sich schwur:
hier winke ein weidlicher Gotteslohn,
er sei ein verirrter Königssohn! –
Die Wasser tosten zu Tale hinab.
Der Fremde kratzte die Sohlen ab,
schritt durch den holprigen Flur so leis
wie einer, der alle Wege weiß,
saß nieder am qualmigen Herde zur Rast
und ward des armen Konzen Gast.
»Dein Brot war gut! Dein Trunk war rein!
Viel reiner strahlt deines Herzens Schein.
Du hast mich an Leib und Seele erquickt,
Gott selber hat dir ins Auge geblickt.
Nun muß ich weiter, gedenke mein,
es soll dir, Bruder, vergolten sein!
Denn siehe, ich schreite durch Nacht und Graus
in meines Vaters goldenes Haus.
Und wie du mich heute bewirtet hast,
so lädt dich morgen mein Vater zu Gast:
mein Vater in seinem Königssaal,
allwo er regieret das Jammertal.«
Der arme Konz stand vor der Tür,
die Wasser tosten für und für.
Die Nacht war finster wie ein Brett,
kein Steg trug über des Baches Bett.
»Nicht dorthin, Fremdling!« – Da quoll ein Glanz
der blendete unseren Konzen ganz,
und in dem Glanz, der schwebend zog,
der Fremdling übern Strudel flog,
durchsichtig wie ein bleicher Rauch,
zergehend wie ein Nebelhauch.

Agnetendorf, 8. Dezember 1909


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