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Sonnete


Von R Sonette

eben übersponnen statt von Saiten
– was soll man sagen zu so eignem Tausche? –
ist jene Zither, der ich eben lausche.
Sie deckt tief unter mir des Talgrunds Breiten.

nun rauscht sie schrecklich auf von jenem Rausche
– dem Spieler, dem sie dient, zu eigner Ehre –,
der in ihr schlief, gezeugt von einer Beere
Giftsaft: mir ist, als ob die Kelter rausche.

Die Kelter rauscht, der Keltrer Schreie gellen
im Wahnsinn, den der Gott den Bakchen schenket:
als Fluch? als Segen? Wüßt' ich das zu sagen!

Nun denn, die Beere selbst will ich befragen
und meine Pulse, wenn, von Gift getränket,
sie mit der Zither Takt wie Schellen schellen.

Bozen, April 1923

   

Aus Mittagsgluten klagen Windesklagen
um heiße Mauern und in schwüle Räume.
Ich höre sie im Schlummer meiner Träume:
ruhlose Stimmen, die am Herzen nagen,

gleichwie Verdammte aus gestorbnen Tagen,
die etwas suchen und nicht können finden,
um ihrer Schanden Male zu verbinden,
und, ohne Antwort, immer wieder fragen.

Die heiße Luft aus Süd, die finstre Wolke,
die schweigend über den Gebirgen türmet,
erscheinet überfüllt mit diesem Volke!

Wo starrt der Fels, den dieses Heer bestürmet,
von Kriegern, die mit bösen Stimmen greinen
wie Kinder, die ein Vater nicht beschirmet,

und, statt zu kämpfen, Regentropfen weinen?

 

Wie ist das Licht so krank, das ich hier sehe,
und farbig, hoch erhaben doch sein Leuchten!
Es fliegen vor dem Mond die aufgescheuchten
Vampire, Fledermäuse, wo ich gehe.

Gebein, die Pinien, ringet auf und wehe
sich los vom Felsen: so, als ob sie keuchten,
die Bäume. Will auch meine Stirn sich feuchten
im Todesschweiß vor dem, was ich verstehe?

O Vampirbiß, du trinkst von meinem Blute!
Warum erscheint die Schönheit mir Verwesung
und infernalisch selbst das Wahre, Gute?

Hier sucht' ich darbend für die Seele Äsung,
ein stärkend Stahlbad dem gesunknen Mute,
doch neue Krankheit fand ich statt Genesung.

Sestri Levante, Frühjahr 1921.

   

Die Lüfte grollen schwere Düsternisse.
Voll rauscht die Milch der Berge durch die Schlünde.
Erhabnes murren dunkle Wolkenmünde,
und bleich und tropfend duftet die Narzisse.

Ich harre, was ein Leuchten mir verkünde:
ob tot im Licht von eines Cherubs Schwinge
verstummen? oder daß ich neu erklinge
im Jubelchor erfrischter Wiesengründe? –

Da, aus Erstickungsnächten freigerungen,
beginnt ein Tanz! glanzfiebernd drängt der Himmel
sich in der Erde kranke Dämmerungen.

Das Ohr erbebt vom Götterkampfgetümmel;
doch dann, von goldnen Fäusten aufgerissen,
klafft weit ein Spalt: mich blendet Lichtgewimmel,

und Freude bricht aus allen Finsternissen.

 

Du stehst vor meinem Sinn, verschwiegne Grotte,
umringt vom Rosenfleische deiner Muscheln,
um deren Eingang Rebenblätter tuscheln
und die darum geweiht dem Traubengotte.

Eidechsen, klug geäugt, am Boden huscheln,
Silenus' Fettwanst streift des Satyrs Zotte:
begeistert um die Wölbung schwebt die Rotte.
Im kargen Efeu hörst du Tropfen ruscheln.

Hier, unterirdisch, ist es aufgesprossen,
was Eros deiner Jugend einst bestimmte:
und mehr als Trauben hast du hier genossen.

O süße Kohle, die hier unten glimmte,
die, unauslöschlich, nimmer ausgegossen
die Wut des Schicksals, wie's auch drob ergrimmte.

   

Ruhlose Pilgrin Seele, flügelmächtig,
gedankenschnell erreichst du jene Grotte,
heut so wie oft, geweiht dem Traubengotte
und einem, der wie er von Nektar trächtig.

Verborgne Höhlung, lockend, lüstern, nächtig,
wo Patschhand greift in geilen Satyrs Zotte,
Silen und Panther, Iakchos' ganze Rotte,
die Wölbung zieren, thyrsostoll und prächtig.

Dort wartet sie in ihrer Jugend Süße,
die Eros mir an solchem Ort einst weihte.
Ich küsse seiner Priesterin die Füße.

Denn immer find' ich sie, die Benedeite,
auf daß ich lebenslang die Stunden büße
im Liebesgrab, aus dem sie mich befreite.

 

Ich sehe dich die schönen Stufen treten,
veredelt durch die Last auf deinem Haupte.
Du Kind des Südens, Weg- und Feldbestaubte!
Du wanderst hin – du kommst von braunen Beeten:

voll süßen Lebens, eine Totgeglaubte,
erweckt von Träumen oder von Gebeten.
Die alten Götter sind es, die dich säten,
bewegte Frucht. Wir Armen, wir Beraubten!

Erzitternd sehen wir das süße Leben
und fühlen Himmel sich in uns ergießen:
allein, es kann, es darf sich uns nicht geben.

Wir dürfen solche Früchte nicht genießen.
In Wiedersehn und Abschied zu erbeben,
erlaubt uns Schönheit beim Vorüberfließen.

   

Ich war, wo gelber Nebel drang in Hallen
der Götterbilder, die bewahrt der Brite.
Im Nebel fragend, lenkt' ich meine Schritte;
doch Schweigen fiel von den Entthronten allen.

Was wollt ihr, Fremde, hier in unsrer Mitte? –
Dringt solchen Hauches Sinn aus toten Steinen,
von euren Lippen, Bilder, oder meinen,
und ist es Drohung, Klage oder Bitte?

Würd' ich in euch und ihr in mir geboren,
so müßten Gräber wahrhaft sich entriegeln.
Bis dahin bleibt der Liebe Lohn verloren.

Wenn Motten tanzend sich im Marmor spiegeln,
so tanzt in Ptah und Sechmet nur die Motte:
doch ihr Geheimnis kann sie nicht entsiegeln.

Verschleiert bleibt und tot der Gott im Gotte.

1905.

 

Ist's faßbar, daß so vieles ich erlebte
und nun dies Große wiederum erlebe?
Ich sitze hier im Lichte, nein, ich schwebe,
der kaum in Ängsten noch am Boden klebte.

Zwar bittres Pulsen drängt noch in der Rebe,
allein, es regt sich fast wie neuer Glaube
in mir, daß reifen wird die neue Traube
und daß es nochmals heiße Ernten gebe.

Wie mancher Erntekranz ist schon verblühet!
Wie mancher Stimme Lachen schon verklungen!
Wie manche Sonne seit der Zeit verglühet,

als meine Kleinen wie die Böcklein sprungen
und ich, vom Dasein noch nicht abgemühet,
im Tanz des Lebens heiter war verschlungen.

   

Wo Reinheit fern ist, die so innig wir
von Herzen ehren, die so viel gegolten
im Höchsten, das wir suchten, liebten, wollten –
da sind uns Edens Haine ohne Zier.

Und wenn wir, unrein, sie betreten sollten,
sind doch die süßen Sonnen ohne Glanz,
kein Wipfel klingt noch reicht dir seinen Kranz,
der Quelle Flut scheint trübe und bescholten.

Nicht klingend ist, wie einst, der Wellen Tanz,
die sonst mit Silberschleiern dich bewarfen,
und keine Frucht ist ohne Wurm und ganz.

Von allen Tönen hörst du nur die scharfen.
Wo, fragst du schaudernd, sind des Heil'gen Lands
silberne Zimbeln, wo die goldnen Harfen?

 

Schwarz wogt und finster heut allmächt'ge Flut,
ein Ackerfeld, in fürchterlichem Glanze
bewegt. Nacht, scheint's, entringt als Riesenpflanze
sich dieses Schoßes grauenvollem Sud.

Urdonner brummt, es scheint, zu Schiwas Tanze,
des wilden Tänzers, welcher nimmer ruht
– die Kreaturen kennen seine Wut –,
den Hals umkränzt vom Schädelrosenkranze.

Der knochige Ölbaum starrt gespenstisch zu,
wie steinicht bleicher Gischt den Strand bespringet,
angstvoll entflohn des wilden Tänzers Schuh.

Ein Riesengeier sich herniederschwinget
auf Schiwas gellen Sturmespfiff im Nu:
der mir nun ewig in den Ohren klinget.

   

In dunkler Zeit, wo Sturm das Haus berennet,
von weißer Höh' durch mitternächt'ge Fichten
herbrechend, muß von innen sich belichten,
wer Öl und Docht in Ew'ger Lampe brennet.

Und morgen wird man einen Baum errichten,
den man nach einem Ölgesalbten nennet,
der einen Tod erlitten, den ihr kennet:
wir sehen schaudernd ihn in Nachtgesichten.

Und dieser Baum wird viele Früchte tragen,
die, Lichter, leuchten, Finsternisse tauend.
Sie werden gleichsam eine Höhlung schlagen

in Nacht, so eine Glorie um uns bauend,
im Abglanz des, den nicht zu nennen wagen
die stummen Zungen, glaubend und vertrauend.

23. Dezember 1921.

 

Um Schönheit ringend und um Größe kämpfend,
in Qual und Sorge Höchstes zu erzwingen,
rang ich in dir mit schmerzlichstem Mißlingen,
und dennoch konnte nichts mein Fieber dämpfen.

Die Sieben Hügel hört' ich rauschend klingen
zu meiner Ruhmsucht überhitzten Krämpfen:
betäubt von eigner Pfanne Weihrauchdämpfen,
wie mocht' ich so mein Werk zu Ende bringen?

Doch freilich, hätt' ich dieses Werk gemeistert,
so trat ich zu den Göttern in die Reihe,
die es durch jene waren, die sie schufen.

Nicht von gemeinem Wein war ich begeistert,
ich war es von dem Kelch der alten Weihe,
Rom war's, das mich zum Wettkampf aufgerufen.

   

Ich bin voll Bitterkeit, gedenk' ich eurer,
die mein berauschtes Herz zu Rom umstrickten
mit Seilen, wie sie Opfer oft erstickten
am Galgen: doch mit Qual weit ungeheurer.

Wir sahen Götter auf uns niederblicken!
War irgendein Olymp, ihr Herrn, uns teurer,
und schienen wir nicht, alle heilige Neurer,
zum Flug in seinen Glanz uns anzuschicken?

Aus platter Niederung hierher gerettet,
war nicht die Stunde da, uns zu beflügeln
und so, ein Adlerschwarm, hinanzubrausen?

Ihr habt mich hämisch lachend festgekettet
wie einen Rüden an den Siebenhügeln
und stelltet euch, als müßtet ihr mich lausen.

 

Wie war es doch so leicht, mich zu verhöhnen,
als ich die Fülle meiner Brust euch zeigte,
euch, denen nicht wie mir der Gott sich neigte!
Ach, ihr vernähmet nichts von jenen Tönen,

die mir Apollens goldner Bogen geigte,
und blindgeboren dem Erhabenschönen,
gedachtet ihr das Schicksal zu versöhnen,
leugnend, was ein Hellsichtiger euch zeigte.

Euch gab es Trost, mit Starrheit festzustellen,
ich sei so klein, so blind, so ausgeschlossen
wie ihr von der Begnadung heiligen Quellen.

Und ob auch meine Lippen überflossen
von ihren seligreinsten Feuerwellen,
ihr saht in ihnen nur die Flut der Gossen.

   

Gewiß, euch allen hab' ich längst verziehn,
verzeihen aber heißt noch nicht vergessen.
Denn heut wird im Erinnern zugemessen
als Gold, was damals schlechter Kehricht schien.

Und hat sich so verwandelt unterdessen,
was Neid und Ingrimm damals ausgespien,
wer nun verargt mir, goldne Frucht zu ziehn
aus jenen Saaten und zugunsten wessen?

Absolvo vos! Und nochmals, habt Vergebung!
Doch gebt mir zu, daß keiner einst es dachte,
was er mir, rülpsend, für Geschenke machte.

Dergleichen Einsicht ist gewiß Erhebung.
Erwiesen ist die Kunst, die vielbelachte,
die lautres Gold aus Dreck zu machen dachte.

 

Dem Andenken des Bildhauers Weizenberg

I

Ein Bauernbursch: du kamst auf nackten Sohlen
von Estland, Rom dein Ziel, das du erreichtest,
begeistrungstrunken. Bis du dann erbleichtest
an Lipp' und Scheitel und an kalten Kohlen

dir deine starren Hände nicht erweichtest.
Dein Glaube hat, Begeistrung, dich bestohlen
um Heimat, Ehe, Kinder. Unverhohlen:
vernichtend ist, was du der Jugend beichtest!

Du hattest Grund, an eine Kraft zu glauben,
die so ins reinste Opfer dich gerissen,
und an die Weihe in den Sieben Hügeln.

Sie aber taten nichts als dich berauben.
Das nackte Elend hat dein Herz zerrissen.
Du bist verblutet mit gebrochnen Flügeln.

 

II

Noch seh' ich dich inmitten deiner Götter,
die niemand ehrte, du enttäuschter Schöpfer.
Du riefst: Oh, wär' ich doch ein schlechter Töpfer
statt Göttervater und zugleich ihr Spötter!

Ein Schwert, so mach' ich mich zum eignen Köpfer!
Ein Beil, so schmettr' ich meine Marmorwerke:
zu Staub! Zerstörend bleibt mir jene Stärke,
die schaffend mich betrog. Gebt her den Klöpfer,

mit dem ich nutzlos auf den Meißel pochte
jahrzehntelang, durch mühevolle Tage
und schlaflos lange, martervolle Nächte!

Und wer den Stein zu wecken nicht vermocht«;,
dem öffnet wohl, mit einem Meisterschlage,
die eigne Gruft die stets betrogne Rechte.

Agnetendorf, 16. Dezember 1921.

 

Hier sah ich neunzig Sonnen sich erheben
aus heiliger Flut: wie eine Purpurqualle
enttauchte jede leis dem Wasserschwalle,
um schnell befreit und strahlend zu entschweben.

O mächt'ge Sonnen, eine so wie alle,
ich fühle noch mein innerstes Erbeben
von eures Aufstiegs ungeheurem Leben
stärker von Feuerball zu Feuerballe.

O neunzig Sonnen, landend an dem Ufer,
dran meines Gartens Pinien sich geheftet,
den Fels berennend, dran ich mich geklammert

als ein betäubter Beter, Frager, Rufer:
mein sel'ges Auge habt ihr nicht entkräftet,
ihr neunzig Sonnen, die ihr drauf gehämmert.

   

Glückselige Küste, grünen Meerestiefen
furchtbar enthoben, pinienüberdachet:
hier hab' ich morgendlich herangewachet
Eos und ihn, den Gott, den Steine loben.

Wie haben heil'ge Zauber sich verwoben
damals der Seele, die noch heute lachet!
Vom Purpurlicht, von Blütenglut entfachet
und diamantnem Funkensturm durchstoben,

gedenkt sie deiner, süß erhabne Stätte,
im Leichenweiß des Nordens und in Nächten,
wo schwarze Stürme klagen um ihr Bette.

Und trotzdem wird es Licht in ihren Schächten;
von goldnen Eimern eine goldne Kette
ergießt sich, füllt sie ganz mit ihren Prächten.

 

Wenn Schatten dringen, Wirrwarr, in die Säfte
und Sehnen sind wie überspannte Geigen
und Gluten, sich durch qualenreiches Schweigen
hindrängend, unterwühlen deine Kräfte:

da sollten jene Himmelsboten steigen
herab, die wir so viele Male nannten,
und jene, die uns bis zum Reißen spannten,
fortscheuchen, sprengend ihren Flammenreigen.

Allein, wo sind die himmlischen Gesandten
in solcher Not, die Höllenbrunst zu kühlen?
und schwer errungner Weisheit Talismane,

wo sind sie? Nein, wir bleiben die Verbannten.
Und wenn wir Hauch der Paradiese fühlen,
so blähn sie nur die Segel unsrem Wahne.

Agnetendorf, 6. Dezember 1921.

   

Madonna, o wie oft zu deinem Haine
hast du mich aus des Nordens Nacht gezogen.
Ich sagte: oft! und habe nicht gelogen,
denn hundert Male rechn' ich jedes eine.

O sel'ger Gipfel, drauf du glühst aus Steine,
der Marmor von der Sonne Glanz durchsogen,
von Pinienhäuptern köstlich überbogen,
von Duft umflossen wie von süßem Weine.

Du kennst mich, o geliebteste Madonne,
und wartest mein als deines treusten Ritters,
daß er in dir und Südens Glut sich sonne.

Du, die voll Güte sich erfreut des Flitters,
gewähre mir noch einmal jene Wonne,
im Kuß zu nahn der Masche deines Gitters.

Sestri Levante, 1921.

 

Ich würde ohne Ende schildern müssen,
sollt' ich dies Grab aus seinem Dunkel heben
und was es barg, das neue heiße Leben:
so jung, so neu, im ersten süßen Keime.

Vergeblich sind die Worte, die ich reime.
Wer trank wohl je von solchem Honigseime,
der jeden, auch den letzten Wunsch erfüllte
und uns in tausend Paradiese hüllte.

Nur Eros selber weiß davon die Kunde.
Die da in Phokis wohnen, wollen schweigen,
sie unterbrechen drum Gesang und Reigen,

um sich vor Eros' Majestät zu neigen,
der dieses Grab so überirdisch ehrte
und es in Liebesglut so ganz verklärte

und zu Unsterblichkeit den Staub verkehrte.

 

Zeit und Ewigkeit

Der einsam stieg, nur immer um zu steigen,
durchs maiengoldne Tal, durch Juligluten,
durch stille Seeen, schäumend wilde Fluten,
durch Wälder, bis der Klippen kahles Schweigen

begann, der einsam stieg, wo Firnen ruhten,
die unbetretnes Weiß Äonen zeigen,
ihm widerfährt ein Ding, so ernst als eigen,
denn einen Bruder trifft er im Verbluten.

Was tun? So gipfelnah dem reinsten Ziele,
gilt's jetzt dem Rettungswerke sich ergeben:
den Wunden in die tiefre Hütte schleifen

und, weiter abwärts steigend, Helfer viele
aufrufen, um das andre fremde Leben
mit tausend Retterhänden zu ergreifen.

 

Ritter, Tod und Teufel

Was in sich einig ist, ist in sich stark:
drum, deutsches Volk, sei einig, einig, einig!
Dein Rock ist heute etwas fadenscheinig,
allein, noch bist du unversehrt im Mark.

Verlästerung umtanzt dich tausendbeinig
und überschüttet dich mit jedem Quark,
wutheulend zimmert man an deinem Sarg,
nie war dein Weg so dornenvoll, so steinig.

Trotzdem, trotz alledem: nicht wirst du fallen,
nie eine Beute deiner Quäler werden,
bleibst du ein Leib mit deinen Gliedern allen.

Neu, unvermindert wirst du blühn auf Erden,
zerfleischest du dich nicht mit eignen Krallen,
so toll sich Tod und Teufel auch gebärden!

Agnetendorf, 21. Oktober 1921.

 

Hieronymus Gustavillanus

Sohn des Titanen, auf dem Holzstoß flammend,
was du auch tatest, um den Zorn der Pfaffen
zu reizen, boshaft kalter Gottesaffen –
vergaßen sie, wes Lenden du entstammend

geboren wardst? – Doch nein! Die feigen Waffen,
sie galten deinem Vater! Dich verdammen,
es hieß: durch den erlauchten Toten rammen
im Sarg den Pfahl und den beiseite schaffen,

der zwar Sankt Petri Riesenkuppel baute,
die wohl die Kirche, doch ihn selbst nicht faßte.
Statthalter Gottes, denen vor ihm graute,

versahen sich des Schlimmsten von dem Gaste,
der demutsvoll gebückt zu Boden schaute.
Doch wehe, wenn ihn Simsons Wut erfaßte!

 

Schmarotzer

Schmarotzer drängen sich um deine Reste,
mein armer Bruder. Ein nichtsnutz'ger Schleicher
stiehlt Seelen. Doch er wird deshalb nicht reicher,
so viel er deren kröpft beim Fledderfeste.

Als dich besuchen kam der Gast der Gäste,
da stand im andern Sinn ein ewig gleicher
an deinem Bett, schlau wartend, daß den Speicher
der Tod eröffne und er dann sich mäste.

In seiner Seele waren nicht Gedanken,
viel eher wohl entartete Harpyien,
entartet im Gesang, nicht in den Pranken.

Wir hörten ihre Trauermelodien;
Hyänen strichen die bestaubten Flanken
und hatten grenzenlose Phantasien.


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