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O mein Vaterland

O mein Vaterland, heil'ges Heimatland,
wie erbleichtest du mit einemmal.
Banger Atem ging durch Feld und Tal,
bleiern wuchs empor der Wolken Wand.

O mein Vaterland, heil'ges Heimatland,
wer denn rief das Wetter dir herein,
daß der jähen Blitze fahler Schein
dich umzucket wie ein Weltenbrand?

»Das tat meine Ehr', die untadlig war,
tat mein unbeflecktes Friedenskleid,
tat, die ich gebar, die große Zeit –
und die große Zeit, die mich gebar!«

Ist es so bestellt, furcht' ich keine Welt!
Weh ihr, wenn dein Herz uns nicht mehr schlägt,
deine heilige Seele uns nicht trägt
und dein Strahlenblick uns nicht erhellt!

O mein Vaterland, heil'ges Heimatland,
welche Prüfung mußt du nun bestehn! –
»Kind, sie muß geschehn, muß vorübergehn;
nimm du nur die Sichel in die Hand!

Denn du mußt ein Gras mähn mit fester Faust,
mußt es furchtlos mahn in Wetternacht,
mähn, ob Blitz und Donner um dich kracht,
blutiger Eisenhagel dich umsaust.

Und es ist ein Gras, das von Blute träuft!
Kein Erbarmen kann dir sein erlaubt.
Zischend sinkt vom Halme Haupt um Haupt,
und zu Leichenbergen wird's gehäuft.

Unermüdlich mußt du stehn und mahn,
Schnitter, dich entbindet nur der Tod:
erst nach einem blutigen Morgenrot
darfst du neue Körner in mich sä'n.

Wenn dein Arm erlahmt, wenn dein Herz erbebt,
tilgt mich Gott von dieser Erde aus,
Schutt und Asche wird dein Elternhaus,
und der deutsche Name hat gelebt.«

O mein Vaterland, heil'ges Heimatland,
was du sagst, ich will es gerne tun:
Mähen will ich, mähen und nicht ruhn! –
Eh ich nicht die letzte Garbe band

und der Tod mich löst aus meiner Pflicht,
bin ich mit dem letzten Hauche dein.
Deine Ernte soll geborgen sein,
schwör' ich dir vor Gottes Angesicht!

Und wie ich, dein Kind, sind sie all' gesinnt,
die dein heißgeliebter Boden großgesäugt;
sei gewiß, daß sie kein Wetter beugt,
weil sie eines, deines Blutes sind.

Und dann harrt ein Tag, sonnenstark und frei,
wo dein Himmel sich uns wieder klärt,
deinen Söhnen neu und treu bewährt.
Komme, komme, deutscher Völkermai!

Agnetendorf, Anfang August 1914.


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