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Orpheus.

»Löse, Charon, deinen styg'schen Nachen,
Und bereite dich zur dunklen Fahrt
In der Unterwelt furchtbaren Rachen.«
Doch der Alte: »Heimlich aufgespart
Hab' ich dir im Auge sich entfachen
Einen Funken Lebenslicht gewahrt.
Ungeheißen bist du eingedrungen;
Nur für Tote hat man mich gedungen.«

»Lieber, laß dich Orpheus Bitten rühren;
Ich bin tot, lebendig nur mein Weh!
Konntest du die Seele mir entführen,
Führe mich nun zu Eurydice!
Ach, erschließe die verborgnen Thüren,
Daß ich zu dem hehrsten Gotte fleh',
Mit Eurydice mir dieses Leben
Zu entreißen oder neu zu geben.«

»Freund, dich müssen wohl die Götter lieben,
Denn du hast mit deiner Stimme Laut
Jenes Naß ins Auge mir getrieben,
Das erquickend Lebende betaut.
Sieh, zum Danke führ' ich dich nach drüben,
Daß dein Auge die Geliebte schaut.
Solche Gluten kann ich nicht beneiden,
Die dich von der Erde Busen scheiden.«

Lautlos weit erklaffen nun die Thore,
Die noch keiner zweimal überschritt;
Doch geheimnisvoll jedwedem Ohre
Teilt sich schnell des Gastes Einkehr mit.
Von dem freudelosen Schattenchore
Bald umringt, verzögert er den Schritt,
Dem die Brust sich wechselnd hebt und zittert,
Von des Wiedersehens Näh' erschüttert.

Und schon sahn sie sich. Denn ohne Gleichen
War ihr Bild in seinen Sinn geprägt;
Auch gewandelt von des Todes Zeichen,
Kennt er sie, wie er sie einst gehegt.
Während seine Wangen jäh erbleichen,
Wie sein Herz an kalte Brüste schlägt,
Blüht die Stirn ihr wie die Ros' am Strauche
Von des teuren Lebens nahem Hauche.

Aber schnell hat man sie ihm entrissen,
Und ihm droht der Abgeschiednen Schar;
Denn in diesen öden Finsternissen,
Fern vom wechselfrohen Sonnenjahr,
Ist verhaßt der Klang von Liebesküssen,
Der Musik des Erdenlebens war.
Zürnend zwischen die erschrocknen Gatten
Werfen sich die seelenlosen Schatten.

»Rache! Rache! willst du uns verhöhnen,
Du, der noch im Kranz des Lebens prangt?
Lachen, wenn der Büßende mit Stöhnen
Unter fürchterlichen Strafen bangt?
Forschen, ob uns nach den warmen, schönen
Fluren deiner Erde noch verlangt?
Keine Stätte für bachant'sches Schwärmen
Ist der Ort, wo wir uns ewig härmen.«

Orpheus sprach zu den empörten Rotten
Mit der Stimme, die Apoll ihm gab:
»Nicht um eure Qualen zu verspotten,
Drang ich frevelnd ein in euer Grab.
Doch in diese himmelsfernen Grotten
Riß der Tod Eurydicen hinab,
Seht, Eurydice, die mir Vermählte,
Die mein Lied und mein Gebet beseelte.

Ach, ihr sollt mir nicht den Himmel neiden,
Nicht die Sonne, nicht die grüne Flur!
Zu der Erde tiefsten Eingeweiden
Zog mich mächtig die geliebte Spur.
Wär' ich doch für Tantalus zu leiden
Gern bereit, vergönntet ihr mir nur,
Wo Eurydice verweilt zu weilen,
Ihren Schmerz wie einst ihr Glück zu teilen.«

»Nimmer«, sprachen sie auf seine Bitte,
»Nimmer, seit die feste Erde steht,
Ging ein Atmender in unsrer Mitte,
Wie kein Toter unterm Himmel geht.«
Doch zu Hades selber lenkt die Schritte
Orpheus, wirft sich vor ihn hin und fleht:
»O so will ich, Ew'ger, dich beschwören:
Laß Eurydice mir neu gehören!

Wohl versteh' ich euch und euer Grollen.
Sieht des Lichtes vorgezogner Sohn
Ixions Rad an sich vorüberrollen
Und den Stein, der Sisyphus entflohn,
Lest ihr in dem Blick, dem mitleidvollen,
Des Beglücktern übermüt'gen Hohn.
Sollen wir, so sprecht ihr, den Verhaßten
Seiner prahlerischen Qual entlasten?

Träumt euch hin zu den vergangnen Tagen,
Einmal noch zurück zu Lust und Schmerz!
Legtet ihr nicht damals Wunsch und Klagen
Kindlich hoffend an der Götter Herz?
Schwebte dann auf ihrem Sonnenwagen
Die Erfüllung strahlend erdenwärts,
O so seid der schönen Gnadenstunde
Nun gedenk, und schließt mir meine Wunde!

Tausenden war nie ein Gott gewogen,
Eros, der den Donnrer unterwarf.
Seine Wahl ist, wie er spannt den Bogen,
Und sein Pfeil ist wechselnd stumpf und scharf.
Doch wie Cypria aus Meereswogen
Stieg das Glück, das ich nicht halten darf,
Von der Liebe Gottheit mir beschieden
Makellos aus meines Busens Frieden.

Hab' ich es auf ewig nun verloren?
Mir an Armut ist kein Bettler gleich!
Bald hat er ein fühlend Herz beschworen,
Seinen Thränen wird ein Busen weich.
Doch verstoßen von des Todes Thoren,
Flüchtig aus des Sonnengottes Reich,
Such' ich Raum nur, um aus harten Steinen
Meines Lebens Trümmer zu verweinen.

Trag' ich denn nach andrer Gut Begehren?
Hängt mein Wunsch an einem fremden Weh?
Seid ihr glücklicher, wenn ich mit leeren
Händen ungetröstet von euch geh'?
Die mir eure strengen Mienen wehren,
Mein Gemahl ist's, ist Eurydice,
Diese eine nur, ein bleicher Schatten,
Doch das ganze Leben ihrem Gatten.

Einmal bannt auch mich in eure Grüfte
Aller Menschen unergründlich Los;
Gönnt mir denn, da mir noch wehn die Lüfte,
Einen Frühling in der Liebe Schoß!
Ach, vergaßet ihr des Veilchens Düfte
Und den Kranz, der eure Stirn umschloß,
Wenn zum Tanze bei der Abendröte
Pan euch lockte mit dem Klang der Flöte?

Götter! seh' ich eure Lider zittern?
Kann des Wehs vertrauter Klagelaut
Den entschlafnen Widerhall erschüttern?
Wie, wenn wetterschwer der Himmel graut,
Und herüberrollt ein fern Gewittern,
Der Erquickung harrt das dürre Kraut:
Schmacht' ich, der am Boden welk gelegen,
Einer Thräne mildem Tau entgegen!«

Da des Sängers Klage nun verklungen,
Und ein leiser Nachhall fern verschied,
Steht von Schwermut noch die Schar durchdrungen,
In sich bergend das vernommne Lied,
Still, wie Niobe vom Stein bezwungen.
Aber dann von ihren Lippen flieht
Tiefes Schluchzen, wie wenn Kinder weinen,
Unerhört in diesen wüsten Hainen.

»Süße Stimme, o geliebtes Tönen,
Wie ein sel'ger Nachen schifftest du
Uns der Erdenheimat fernen, schönen,
Unvergessenen Gefilden zu.
Die Gequälten hören auf zu stöhnen,
Und die Eumenide gönnt sich Ruh;
Sisyphus läßt ab, den Stein zu wälzen.
Sieht er Hades Felsenbrust zerschmelzen.

Lebewohl! Die Gattin sei dein eigen!
Geh, dich führt ein guter Genius.
Auf zur lichten Sonne läßt dich steigen
Unversehrt der wilde Tartarus.
Durch das alte, lebenlose Schweigen
Fließt nun wiederum der Thränenfluß;
Leise nur von den beseelten Steinen
Widerhallt noch dein gesungnes Weinen.«

*


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