Jean Paul
Titan
Jean Paul

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114. Zykel

Seine Reise beschrieb er seiner Geliebten:


In der Hütte des Einsiedlers auf dem Vesuv

»Warum liegt nicht der Mensch auf den Knien und betet die Welt an, die Berge, das Meer, das All? Wie erhebt es den Geist, daß er ist und daß er die ungeheuere Welt denkt und sich! – O Linda, ich bin noch voll von dem Morgen; auch wohne ich noch auf der erhabnen Hölle. Gestern reisete ich am Morgen mit meinem Bartolomeo durch den reichen vollen Gartenweg nach dem heitern Portici, das sich an den Riesen anschmiegt wie Catana an den Ätna. Immer dieselbe große, durch dies erhabene Land ziehende epische griechische Verschmelzung des Ungeheuern mit dem Heitern, der Natur mit den Menschen, der Ewigkeit mit der Minute. – Landhäuser und eine lachende Ebene gegenüber der ewigen Todesfackel – zwischen alten heiligen Tempelsäulen geht ein lustiger Tanz, der gemeine Mönch und der Fischer – die Glut-Blöcke des Bergs türmen sich als Schutzwehr um Weingärten, und unter dem lebendigen Portici wohnt das hohle tote Herkulanum – ins Meer sind Lavaklippen gewachsen, und in die Blumen schwarze Sturmbalken geworfen. Das Steigen war anfangs meiner Seele Erquickung, der lange Berg wurde der vollen Wolke ein Ableiter. Spät nachts im ewigen Steigen kamen wir ohne Genuß der Abendsonne, durch deren roten Glanz auf der Asche wir schnell waten mußten, hier beim Einsiedler an; der Mond war noch nicht herauf, deine Insel noch unsichtbar. Oft donnerte es unter dem Fußboden der Stube. Da wurd' ich auf einmal vom Einsiedler schön an meinen alten Schoppe erinnert, indem er mir erzählte, daß einmal ein hinkender Reisender mit einem Wolfshund hierüber gesagt: im Vesuv sei der Stall der unaufhörlich polternden Donnerpferde. Das war nach allem gewiß nur Schoppe.

In der Mitternacht, meine Linda, als der Mond über den Apennin herüber war und mit einem entzückten langen Silberblick vom Himmel sah und ich an dich dachte, stand ich auf und ging leise hinaus, um wieder zu sehen, wo du wohnest, meine Linda. Draußen war es überall still, ich hörte gleichsam die Erde auf ihrer Bahn im Himmel donnern – die Schatten der Lindenbäume um mich schliefen fest auf dem grünen Rasen – Vesuvs Rauch stieg empor in die reine Luft – über das dampfende Meer hin glänzte wunderlich der Mond, und mühsam sucht' und fand ich endlich den einsamen Berg deiner Insel, hoch ins Blau gezogen, silbern blühend unter den Sternen um ihn her, eine schimmernde Tempelzinne für mein Herz. – 'Dort wohnt und schlummert Sie auf dem Tabor, eine Verklärte des Elysiums!' sagte ich mir. – Um mich war Asche der Jahrhunderte, Stille des Sargs, und nur zuweilen ein Poltern, als werfe man auf jenen den Grabhügel – ich war weder im Land des Todes noch der Unsterblichkeit – Die Länder wurden Wolken – Neapel und Portici lagen verdeckt – das weite Himmelsblau umfing mich – ein hoher Nachtwind bog die Rauchsäule des Vulkans nieder und führte sie wechselnd-beglänzt in langen Wolken durch den reinen Äther fort. – Da sah ich nach Ischia, und sah gen Himmel, o Linda, ich bin aufrichtig, hör' es, daß ich die fromme Liane, die dich so unendlich liebte, bat, jetzt um dich zu schweben und dir das Glück zu bereiten, das sie dir sonst so gönnte. – – Auf einmal wurden die Donner des Berges ganz still, die Sterne blitzten heller; da schauderte mich die Stille und das Leben, und ich ging in die Hütte zurück, aber lange noch weint' ich vor Entzückung über den bloßen Gedanken, daß du glücklich würdest.

Der Morgen ging auf; und mitten in seinem dunkeln Winter traten wir die Reise nach der Feuer-Schlucht und Rauchpforte an. Wie in einer abgebrannten dampfenden Stadt ging ich neben Höhlen um Höhlen, neben Bergen um Berge vorbei und auf dem zitternden Boden einer ewig arbeitenden Pulvermühle dem Pulverturm zu. Endlich fand ich den Schlund dieses Feuerlands, ein großes glühendes Dampf-Tal wieder mit einem Berg – eine Landschaft von Kratern, eine Werkstätte des Jüngsten Tags – voll zerbrochner Welt-Stücken, gefrorner, geborstener Höllenflüsse – ein ungeheuerer Scherbenberg der Zeit – aber unerschöpflich, unsterblich wie ein böser Geist und unter dem kalten reinen Himmel sich selber zwölf Donnermonate gebärend.

Dunkelröter steigt auf einmal der breite Dampf, wilder gehen die Donner ineinander, heißer raucht die schwere Höllen-Wolke – plötzlich fährt Morgenluft herein und schleppt den flammenden Vorhang den Berg hinab – – Da stand die helle gütige Sonne auf dem Apennin, und der Somma und Ottayano und Vesuv blühten im Friedens-Glanz, und die Welt ging langsam nach der Sonne auf mit Gebürgen, Inseln und Küsten. Der Ring der Schöpfung lag auf dem Meere vergoldet vor mir, und wie die Zauberstäbe der Strahlen die Länder berührten, so fuhren sie lebendig empor. – Und der alte Königs-Bruder des Vesuvs, der Ätna, saß auf seinem goldnen Thron und schaute über sein Land und Meer. – Und wie Schnee rollte von den Gebürgen der lichte Tag in das Meer herunter, in Glanz zerrinnend, und floß über das weite glückliche Kampanien und in dunkle Kastanien-Täler. – Und die Erde wurde unabsehlich, und die Sonne zog im weiten Strahlen-Netz die süß-gefangne Welt im schönsten Äther weiter.

O Linda, da prangte deine Insel ausgebreitet, stolz gelagert im Meer mit herunterfließendem Morgenrote, ein hochmastiges Kriegsschiff – und ein Adler, der Vogel des Donnergottes, flog in die selige Weite, als trag' er mein Herz in seiner Brust zu deinem Epomeo hin. – O ich möchte ihm nach, sagte mein Geist. – Der heiße Boden tat Donnerschläge, und der Rauch umhüllte mich. – Ich möchte sterben, damit ich dem Adler nachflöge und jetzt in Ischia wäre ...«

*

Hier hielt die heftig erregte Seele sich innen. Er ging oder glitt den Abhang nach Portici herab. In einem gegenseitig vorher festgesetzten Hause glaubt' er seinen Freund wiederzufinden. Aber er fand weder Dian noch den erwarteten Brief von Linda. Entkräftet von Gehen, Wachen und Glühen, fiel er im kühlen, stillen Zimmer in einen Traumschlaf. Da er erwachte, stand die Mitternacht des italienischen Tags um ihn, die Siesta – alles ruhte unter dem heißen stillen Lichte – im Himmel war keine Lerche – die grünen Sonnenschirme neben seinem Fenster, die Fichten, standen ungeregt in der Erde, und nur die Pappeln wiegten leise die neugeborne Blüte des Weins, die in ihren Armen lag – und der Efeu, der von Gipfeln hing, schwankte ein wenig. – Solche Schattenzweige spielten einst in Lilar in Charitons Zimmer, als er Lianen erwartete und damals an Italien dachte. – Der große ebene einfache Garten von Portici nach Neapel, ein von Wellen umspültes Garten-Gewebe von Dörfern, Baumwäldchen und Landhäusern, führte sein Auge über Blüten nach seinem Paradies im Meer. – Diese einsame stille Zeit voll Sehnsucht erweichte unendlich sein schönes Herz. Er endigte so den abgebrochnen Brief:


In Portici

»O meine Linda! Ich bin dir wieder näher, aber die Ferne zwischen uns wird mir hier in der Stille so weit! O Linda, ich liebe dich mit Schmerzen, in der Nähe, in der Ferne – o mit welchen verlör' ich dich erst? – Warum bin ich denn deiner Liebe so gewiß? Oder so ungewiß? Leise spricht dein Herz zu mir. Leise Musik und Liebe ist einer entfernten gleich, – und die ferne auch wieder der leisen. Hat mich der erhabne Säulenstuhl des Donnergottes neben mir so sehr erschüttert, oder denk' ich zu lebhaft an das hohle tote Herkulanum unter mir, wo eine Stadt ein Sarg ist: weinend und beklommen seh' ich über das Meer an die stille Insel, worauf du wohnst. – O daß es so lange wird, bis wir uns sehen, daß du nicht gleich jeden Gedanken aus meinem Herzen schöpfst und ich aus deinem! Warum stellt mir das Ausbleiben deines Briefs auf einmal größere Schmerzen, ach die größten vor die Seele? Warum denk' ich: die tiefsten Schmerzensstriche auf unserer Stirn, die Runzeln des Lebens sind nur kleine Linien aus dem ungeheuern Bauriß, den der Weltgeist zieht, unbekümmert, welche Stirnen und Freuden seine Glückslinie schmerzhaft durchschneide? – Wenn diese Linie einmal durch unsere Liebe ginge – O vergib den voreilenden Schmerz; in diesem Leben, dem Wechsel zwischen Strichgewittern und Sonnenblicken, ist er wohl erlaubt ...«

*

Hier unterbrach ihn die Freude und Dian in Begleitung eines Ischianers, der einen Brief von Linda brachte, um seinen mitzunehmen. Er las ihn heftig und gab seinem noch die Worte wie eine Freudenträne mit: »Übermorgen komm' ich auf die Insel. Was ist die Rede gegen ein Herz! Du bist mächtig, du hältst mein ganzes blühendes Dasein empor in den Himmel, und es stürzt auf dich, wenn es stürzt. Lebe wohl! Ich fürchte wahrlich weder das heiße Ö1 noch die Flamme der Psyche.« –

Hier ist Lindas Brief:
 

»Wir beide leben sehr still, seit der artige Flüchtling auf Bergen und in Palästen umherschwärmt. Wir sprachen fast zu viel von ihm und ließen uns noch dazu die schwatzende Agata holen, um gar von seiner Reise zu erfahren. Ihre Julie ist voll Segen und Hülfe für Linda. Noch nie sah' ich eine so klare, bestimmte, scharf durchblickende und doch kalte Natur, die nur gebend liebt, mehr als liebend gibt. Sie wird zwar nie die Schmerzen fühlen, die Venus Urania ihren Erwählten schenkt; aber sie ist eine geborne Mutter und eine geborne Schwester; und ich frage sie zuweilen: warum hast du nicht alle Brüder und alle Waisen?

Seit dem Erdbeben bin ich etwas kränklich. Ich habe es vielleicht nicht gewohnt, zu lieben und so zu sterben. Ich nehme ein philosophisches Buch – denn Dichter greifen mich jetzt zu heftig an – und glaub' ihm noch zu folgen, wenn ich schon längst weggezogen bin über das Meer. Ich lese jetzt das Leben der herrlichen Guyon, diese weiß, wie man liebt – dieser göttliche Affekt gegen das Göttliche, dieses Selbst-Verlieren in Gott, dieses ewige Leben und Bestehen in einer großen Idee – diese wachsende Heiligung durch die Liebe und die wachsende Liebe durch die Heiligung! Mir entsinkt das Buch, ich schließe die Augen, ich träume und weine und liebe dich. O Albano, komme früher. Was willst du jetzt an Bergen und Ruinen suchen? Kommen wir nicht wieder? Aber ihr zerstreueten Männer! Nur die Weiber lieben, es sei Gott oder euch leider. Die Guyon, die heilige Therese, die etwas prosaische Bourignon liebten Gott wie kein Mann (außer der heilige Fenelon); der Mann geht mit dem höchsten Wesen nicht viel besser als mit dem schönsten um. Albano, hast du eine andere Sehnsucht als ich, begehrst du mehr auf der Erde als mich, mehr im Paradies als mich: so sag es, damit ich aufhöre und sterbe. Wahrlich, wenn du deine Schwester umarmest: so bin ich eifersüchtig und möchte deine Schwester sein, und dein Freund Schoppe und dein Vater und alles, was du liebst, und dein Ich, wenn du es liebtest, und dein ganzer Himmel und dein ganzes Du im Ich, dein Ich im Du.

Ich will Euch einiges von meiner Geschichte erzählen. Still ging ich lange über die Erde – ich sah die Höfe, die Nationen und Länder und fand, daß die meisten Menschen nur Leute sind. Was ging es mich an? Man sage gar von nichts: das ist bös, sondern nur: das ist dumm – und denke nicht mehr daran. Was ich nicht liebe, existiert für mich auch nicht, und anstatt lange zu hassen oder zu verachten, hab' ichs vergessen. Ich wurde für stolz und phantastisch gescholten und konnt' es niemand rechtmachen. Aber ich bewahrte und nährte mein Inneres, denn kein Ideal darf aufgegeben werden, sonst erlischt das heilige Feuer des Lebens, und Gott stirbt ohne Auferstehung. – Ich sah die Männer und fand immer bloß den Unterschied unter ihnen, daß die einen fein, verständig und zart waren ohne Enthusiasmus und Gemüt, die andern sehr herzlich und enthusiastisch mit bornierter Roheit, alle aber selbstsüchtig; wiewohl sie, wenn ihr Herz voll und nicht im Abnehmen ist, eben wie der volle Mond die wenigsten Flecken zeigen. Neben den Lehren meiner großen Mutter, neben Ihrem großen Vater bestand keiner. Ihren Roquairol konnte man weder lieben noch hassen noch achten noch fürchten, wiewohl sehr nahe an alles dieses zusammen kommen.

Es machte viel auch, daß ich immer reisete; Reisen erhält oft kälter. Wenn ich nach der Küste sehe und denke, daß ein großer Römer bald in Baja, bald in Deutschland, bald in Gallien, bald in Rom war, und daß ihm die Erde eine große Stadt wurde: so begreif' ich leicht, daß ihm die Menschen zu Massen wurden. Reisen ist Beschäftigung, was uns Weibern immer fehlet. Die Männer haben immer zu tun und schicken die Seele auswärts, die Weiber müssen den ganzen Tag daheim bei ihrem Herzen bleiben. In der Schweiz legt' ich mir (so wie die Prinzessin Idoine) eine kleine Ökonomie an, und ich weiß, wie man über kleine Ziele, die man täglich erreicht, sich über das hohe tröstet, das wie ein Gottes-Thron in der Höhe liegt.

Da kam ich gerade in dieser stillen Woche des Lebens an den Eissee in Montanvert. An pittoresken Bergen, Ebenen, Klüften hatt' ich mich in Spanien satt gesehen, und an Eisbergen in der Schweiz. Aber ein Eismeer in dieser Höhe, ein einsames uraltes blaugrünes Meer, von roten Felsen umstanden, eine breite Wüste voll reger aufstehender Wellen im Sturm, die ein plötzlicher Tod, ein Medusenhaupt so mitten im Leben starr und fest gemacht! Es schlug ein Gewitter, mir sonst furchtbar, damals mit Flammen den Berg herauf, ich merkt' es kaum, meine Seele hing sinnend an der Stille eines versteinerten Sturms, an der Ruhe des – Eises! Ich erschrak, weinte ungewöhnlich den Berg herab, und in derselben Woche legt' ich das ökonomische Spielwerk beiseite und reisete fort.

Ich machte aber keine Wettergebete, sondern wohnte drunten ohne Klage in der Regenschlucht eines dunkeln kalten Daseins. Da brachte mich das Schicksal auf den Epomeo, und da wollten die Götter, daß es sich änderte.

Aber nun muß es so bleiben. Wenn ein seltenes Wesen zu einem seltenen Wesen gesagt hat: Du bists!, so sind sie nur durch- und füreinander. Die Psyche mit der Lampe wird es nicht fühlen, wenn die Lampe ihre Locken und ihre Hand und Herz ergreift und verbrennt, während sie selig den schlummernden Amor anschauet-, aber wenn der entschlüpfende heiße Öltropfe aus der Lampe den Gott berührt und er aufwacht und ihr zornig entfliegt – auf ewig – auf ewig – Ach du arme Psyche! – Was hilft dir der Tod im aufgelösten Eismeer? – – Hat denn noch kein Mann den Schmerz der verlornen Liebe empfunden, damit er wisse, wie noch tausendmal härter er eine Frau verheere? Welcher hat denn Treue, die rechte, die keine Tugend und keine Empfindung ist, sondern das Feuer selber, das den Kern der Existenz ewig belebt und erhält? –

Ich bin krank, Albano, sonst weiß ich nicht, wie ich zu diesen tristen Ideen komme. Ich bin so ruhig im Innersten; ich habe nur die Saiten, nicht die Stimmung gezeigt. Wir sollen nicht auf die Zukunft wirken und sehen, sondern auf die nächste Gegenwart. Erschiene je die Zeit – ich habe weder Reue noch Geduld – je die Zeit, wo du mich nicht mehr und recht liebtest: ach ich würde stiller, stärker, kürzer sein als jetzt, und was gibt es weiter, als entweder für den Geliebten sterben – oder durch ihn?

Komme bald, Holder! Es ist sehr schön um uns, es hat geregnet, alle Welt jubiliert und sieht die Sonnen-Tropfen und hat sich einen Himmels-Trank gesammlet; auch ich habe für dich Tassen und Vasen in der Eile hinausgestellt. Komme, ich will dir das Ölblatt und den Myrtenzweig bringen und um das Haupt Rosen und Violen winden. Komme, ich dachte sonst nicht, daß ich so oft nach dem Posilippo sehen würde. –

L.«

»N.S. Auch die Nebenbuhlerin sieht nach dem Posilippo und freuet sich auf dein Wiedersehen. Doch übereile nichts. Addio, caro.

J.«

*

Albano fand in diesem Charakter eine stille Rechtfertigung und Erfüllung aller Foderungen, die er früher bei Lianens Leben immer an ein geliebtes Wesen machen mußte; er nahm aber in der Unschuld seiner Liebe nicht wahr, daß gerade diesem Wesen die in seinem Briefe regierende Sehnsucht nach Krieg und Taten nicht gefallen könne.

Er besuchte nun die unterirdische Stadt in ihrem Gottesacker, gleichsam neben der Cestius-Pyramide des Vulkans. Dian ging mit ihm das Herkulanum als ein antiquarisches Lexikon durch, um ihm die ganze Haushaltung der Alten bis zum Mahlen hinauf aufzublättern; aber Albano war bewegter als sein Freund von dieser mitten in der Gegenwart wohnenden Vergangenheit, von den stillen Häusern und nächtlichen Gassen und von den häufigen Spuren der fliehenden Verzweiflung. »Wären denn nicht diese Leute alle jetzt doch tot ohne den Vesuv?« fragt' ihn Dian heiter im heitern Lande. »Ich frag' Euch lieber,« (fuhr er fort) »ob ein Baumeister, wenn er aus dieser Kunstkammer oder Kunststadt gekommen, in Eurem Deutschland noch viel Lust haben kann, nach der größten Ruine der Erde die erbärmlichen winzigen für Eure Fürstengärten anzugeben.« – Sie sahen in einem dunkeln Vorhaus eben eine irdene Maske an, die man in Gräber stellte, mit Lampen wie Augen darhinter. Da blickte ihn Albano starr an und sagte: »Sind wir nicht blitzende Larven aus Erde am Grab?« – »Pfui, die häßliche Idee!« sagte Dian.

Noch lange draußen im lebendigen Sonnenschein gingen ihm dunkle Gedanken nach, neben dem glänzenden Portici stand der Vesuv als Scheiterhaufen und der Todesengel darauf. Er dachte an Hamiltons Weissagung, daß das schöne Ischia einst auf der Mine eines Erdbebens sterbe. Selber Lindas Brief betrübte ihn mit dem bloßen Gemälde ihres möglichen Verlusts.

In Neapel besah er noch einige Merkwürdigkeiten; dann schifft' er sich am andern Morgen nach dem Eden der Wellen ein.


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