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Albano und Linda – Schoppe und das Porträt – das Wachskabinett – das Duell – das Tollhaus – Leibgeber
Albano wollte am Tage darauf sich einkerkern, bitter weinen und büßen und sich nicht erquicken durch den Sonnenschein der Liebe; aber er fand abends folgendes von unbekannter Hand geschriebene Blatt auf seinem Tisch:
»Herr Graf. Man benachrichtigt Sie hiemit, daß Freitags nachts, da Sie verreiset waren, der sel. Hauptmann R. v. Froulay Ihre Rolle bei der Gräfin Romeiro durch alle Akte durch im Flötental gespielt. Sie müssen sich der Nebenbuhler wegen eine andere Stimme und der Gräfin nachts Augen schaffen, wiewohl es dieser nicht so ganz unangenehm sein mag, sich auf diese Weise öfters in Ihnen zu täuschen. Leben Sie wohl und künftig ein wenig bescheidener!«
Bleich starrte er das Totengerippe an, das zwei Riesenhände gewaltsam aus blühenden jugendlichen Gliedern auf einmal herausgezogen emporhielten. Aber das Feuer der Pein schoß schnell wieder auf und erleuchtete den Jammer rings umher. Mit schmerzlicher Gewalt, mit blutigen Armen mußte sein Geist den felsenschweren Gedanken, den Leichenstein seines Lebens hin- und herwerfen, um zu prüfen, ob er sich einfüge in die Totengruft: – in Roquairols ganzes Spiel und Ende und Leben griff der Jammergedanke so fassend ein – aber wieder nicht in Lindas Charakter und in den göttlichen Augenblick, den er mit ihr in Lianens letztem Garten zugebracht – und doch wieder sehr in ihre schnelle Versöhnung und in einzelne Worte – und gleichwohl war vielleicht dieses vergiftete Blatt nur eine Frucht der rachsüchtigen Fürstin, von deren Zorn über Roquairols eignen und Affen-Mord ihm Dian erzählet hatte.
So schmerzlich bewegte er sich auf seinen Wunden hin und her und entschloß sich, noch diesen Abend Linda aufzusuchen, wo sie auch sei: als er von ihr dieses Briefchen bekam:
»Komme doch diesen Abend zu mir ins Elysium; es wird gewiß heiter sein. Jetzt lad' ich ein wie du neulich. Du sollst mich auf die schönen Berge führen, und es soll mir genug sein, wenn du nur sehen und genießen kannst. Julienne brauchen wir immer weniger. Dein Vater dringt auf unsere Verbindung durch Vorschläge, die du heute hören und wägen sollst. – Komme unausbleiblich! – In meinem Herzen stehen noch so viele scharfe Tränen über das böse Trauerspiel. Du mußt sie verwandeln in andere, du Geliebter!
Die Blinde.«
Er lachte über das Verwandeln; »in gefrorne eher«, sagt' er. Die heiße Liebe war ihm ein heftiger Kuß in die Wunde. Er ging nach Lilar, dumpf, hastig, tief in einen roten Mantel gewickelt wie gegen böses Wetter – blind und taub gegen sich und die Welt – und wie ein Mensch, der stirbt, den Augenblick erwartend, wo er entweder vernichtet hinabraucht oder neu belebt in göttliche Welten hineinfliegt.
Als er Lilar betrat, verzerrte sich der Garten nicht wie neulich, sondern er verschwand ihm bloß. Er ging nahe an einigen vermummten Leuten vorüber, die ein Grab zu machen schienen. »Unrecht ists doch,« (sagte einer davon) »er gehört auf den Anger wie jedes Vieh.« Albano blickte hin, sah eine bedeckte Leiche, glaubte schaudernd, es sei der Selbstmörder, bis er den zweiten Gräber sagen hörte: »Ein Affe, Peter, wenn er vornehm gehalten wird, in Kleidern, sieht reputierlicher aus als mancher Mensch, und ich glaube, er stände auch wieder von Toten auf, wenn man ihn nur ordentlich taufte.« –
Eben da ihm der Gibbon der Fürstin, der hier begraben wurde, wieder jenen gewittervollen Freitag vor die Seele zog: erblickte er Linda unweit des Traumtempels am Arme einer sehenden Kammerfrau. Sie grüßte ihn, nach ihrer Weise vor andern, nur leicht, sagte zur Frau: »Justa, bleib nur hier im Traumtempel, ich gehe hier auf und ab.«
Durch diese Einschränkung auf die Perspektive des Traumtempels schloß sie jedes schöne sichtbare Zeichen der Liebe aus, und Albano kannte an ihr schon jene stille Zufriedenheit mit der bloßen Gegenwart des Geliebten so wie zuweilen die Wildheit ihres süßen Mundes. Als er sie zitternd berührte und nahe neben sich wiedersah: so überfiel ihn dieses Wesen voll Macht mit der ganzen göttlichen Vergangenheit. Aber er verzögerte nicht die Frage der Hölle: »Linda, wer war Freitag abends bei dir?« – »Niemand, Guter; wenn?« versetzte sie. – »Im Flötental« – stammelte er. – »Mein blindes Mädchen«, antwortete sie ruhig. – »Wer noch?« fragte er. – »Gott! dein Ton ängstigt mich« (sagte sie) – »Roquairol brachte in jener Nacht den Affen um. Ist er dir begegnet?« –
»O schrecklicher Mörder! – Mir?« (rief er) »Ich war verreiset die ganze Nacht, ich war mit dir in keinem Flötental« – – »Sprich aus, Mensch,« (rief Linda, ihn an beiden Händen mit Heftigkeit ergreifend) »schriebst du mir nicht die rückgängige Reise und kamst?« – »Nichts, nichts,« (sagt' er) »lauter Höllenlüge. Das tote Ungeheuer Roquairol brauchte meine Stimme – deine Augen – und so ists – sage das übrige.« – »Jesus Maria!« schrie sie, von der Schlagflut getroffen, worein die schwarze Wolke zerriß – und griff mit beiden Armen durch die Laubzweige des Laubengangs und preßte sie an sich und sagte bittend: »Ach Albano, du bist gewiß bei mir gewesen.«
»Nein, bei dem Allmächtigen nicht! – Sage das übrige«, sagt' er. – »Weiche auf ewig von mir, ich bin seine Witwe!« sagte sie feierlich. – »Das bleibst du«, sagt' er hart und rief Justa aus dem Traumtempel.
»So lebt er fort, dein Schmerz, mein Schmerz, ich sehe dich nie mehr. Ich will Lebewohl zu dir sagen. Sage du keines zu mir!« sagt' er. Sie schwieg, und er ging. Justa kam, und er hörte sie noch in der Laube beten: »Laß, o Gott, mir diese Finsternis morgen, verschone mit deinem Tageslicht die schwarze Witwe!« Das Mädchen weckte sie auf, nahm sie an der Hand, und sie freuete sich am Arm derselben ihrer Nachtblindheit.
Albano ging in die Nacht. Auf einmal stand er wie hinaufgetragen auf einer jähen Felsenspitze, unten schlug ein schäumender Strom. Er kehrte sich um und sagte: »Du irrest dich, böser Genius; mich ekelt des Selbstmords, er ist zu leicht und gehört für Affen-Mörder – aber es gibt etwas Besseres, und du sollst mich begleiten.«
Er verirrte sich – konnte den Weg zur Stadt nicht finden – glaubte wieder in Lilar zu sein und trieb sich bange umher ohne Ausweg, bis er zuletzt ermüdet niedergezogen in den Arm des Schlummers sank. Als er erwachte am Morgen: war er im Prinzengarten, und die Schlummerinsel wehte mit ihren Gipfeln vor ihm. Eine jähe Felsenspitze über einem reißenden Strom gab es in der ganzen Landschaft nicht.
Er sah den Himmel an und den Tag und sein Herz. »Ja, so ist denn das Leben und die Liebe!« (sagt' er) »Ein gutes, rechtes Feuerwerk, besonders wenn man eine Linda durch viele Zurüstungen haben soll! Lange steht es da mit einem bunten hohen Schaugerüst, voll Statuen, mit kleinern Gebäuden, Säulen und wunderlich und verspricht noch mehr, als es schon verkleidet und verrät – Dann kommt die Nacht in Ischia, ein Funke springt, die Formen reißen, es schweben weiße, helle Paläste und Pyramiden und eine hängende Sonnenstadt am Himmel – in der Nachtluft entfaltet sich gewaltig eine rege fliegende Welt zwischen den Sternen und füllt das Auge und das arme Herz, und der glückliche Geist, selber ein Feuer zwischen Himmel und Erde, schwebt mit - einen ganzen Augenblick lang, dann wirds wieder Nacht und Wüste, und am Morgen steht das Gerüst da, dumm und schwarz.« –