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In uralten Zeiten bildeten tiefe Wälder, die sich von dem Gebirgskamm der Grenzberge auf viele Meilen in das Innere des Landes erstreckten, die natürliche und mächtige Verschanzung unseres Königreiches. Eigens dazu bestimmte »Wachposten« hüteten die Übergänge dieses Grenzforstes, indem sie gleichzeitig die »Landespforten«, stabile Festungen und Schanzen, die zum Schutze der Fusssteige an den Grenzen errichtet waren, überwachten.

Allmählich – namentlich im 13. Jahrhunderte, in welchem fremde Ansiedler massenhaft uns zuströmten – hörten selbst unsere Könige auf, die Grenzwälder als Landesschanze zu schonen und vergaben einen Teil nach dem anderen an Fremde zum Ausroden.

Am längsten und besten erhielt sich der Grenzurwald an der Westseite gegen Baiern, an den Abhängen und Gebirgsfüssen des grossartigen Böhmerwaldes. Einen Teil desselben und die wichtigsten Wege, welche hier von Taus nach Deutschland führen, hüteten seit undenklichen Zeiten die Choden, ein kerniger, abgehärteter Volksstamm, von stattlichem Wuchs und tapferen Geistes.

Ihre Dörfer, früher dicht an den königlichen Forsten gelegen, verbreiteten sich sowol in den Niederungen als auch auf den Anhöhen, jedoch immer so, dass sie vor sich, gegen die Grenzseite zu, Hügel und Berge als urwüchsige Schutzwälle gegen den Feind hatten. Sie ziehen sich, an den Übergängen und wichtigsten Fusssteigen verstreut, einem Gürtel gleich auf etwa sechs Meilen längs der Grenze hin.

So liegen von Taus am entferntesten gegen Südost in der Nähe des Neumarker Engpasses die Dörfer Lhota (Melhut) und Pocinovice (Putzeried), nordwestlich von diesen zwischen den Neumarker und Furter Wegen: Kýcžov (Klitschau), Medákov (Medaken), Tlumaèov (Tilmitschau) und Stráž (Hochwartl), am meisten gegen Nordwest von hier am Wege nach Waldmünchen sind die Dörfer: Ujezd (Aujezdl), Draženov (Trasinau, Drasenau), Postøekov (Possigkau), Chodov (Meigelshof) und der heutige Marktflecken Kleneè (Klentsch). Die deutschen Benennungen sind späteren Ursprunges, da diese Orte nur böhmische Bevölkerung hatten. Trotzdem gebrauche ich im Weiteren dort, wo es heute einen deutschen Namen gibt, den letzteren. Anmerkung des Übersetzers.

Wann die Choden, diese böhmischen Grenzer, hier eingeführt wurden, lässt sich mit Bestimmtheit nicht sagen. Soviel ist aber sichergestellt, dass sie ihren Dienst tapfer versahen, zur Zeit feindlicher Invasion die Pfade und Wege mutig verteidigten und in allen Kriegen und Kämpfen, die je in ihrem Bezirke und in der Umgebung stattfanden, wacker mitkämpften.

Ebenso steht fest, dass sie dem Fürsten Bøetislav bei Brùdek (Viertel) tapfer mithalfen, die Deutschen zu schlagen, wie es auch unzweifelhaft ist, dass sie auch in anderen Kämpfen, namentlich in den ruhmreichen Husitenzeiten, nicht müssige Zuschauer waren.

In Friedenszeiten begingen sie die Grenze und achteten darauf, dass die deutschen Nachbarn unsere Grenzen nicht beengen, den böhmischen Urwald nicht widerrechtlich roden, darin nicht jagen und überhaupt hier nicht Waldfrevel treiben. Dabei mussten die Choden – wie alte Denkschriften beurkunden – so manchen blutigen Strauss mit den Wilderern und bairischen Schädigern, namentlich mit den Furtern bestehen. Verlässliche Genossen waren den Choden auf diesen Begehungen und Warten grosse und starke Hunde, und eine gute Gefährtin die » Čakana«, Čekan, Čakan, im Chodischen »Čakana«, ist ein Streitkolben aus hartem Holze in der Höhe von ca. 1–5 m. An dem unteren Ende war ein starker, scharfer Dorn, oben eine Hacke mit einem Streithammer. Der Stiel war oben bis auf einen Schuh mit Blech und Nägeln stark verziert. Die Čakana trugen in allen Zeiten verheiratete Männer auf ihren Dienstesgängen oder wenn sie nach Baiern, in die Stadt, zu Hochzeiten, Taufen u. ä. ausgingen. in späteren Zeiten die Büchse, sowol die lange als auch die kurze, Waffen trugen sie zu jeder Zeit, auch dann, als nach den Landtagsbeschlüssen den übrigen Bewohnern unseres Königreiches das Waffentragen nicht mehr gestattet war.

Wann immer der böhmische König ihre Gegenden durchzog, bewillkommneten ihn die bewaffneten Choden mit ihrem Hauptpanier, das ein Hundskopf Hievon ihr Spitzname »Hundsköpfler« (Psohlavci). Conf. P. Stranský: De republica Bojema. im Wappen zierte, und nachdem sie den König nach uraltem Brauche mit einem Fässchen Honig bewirtet hatten, gaben sie ihm das Geleite als Ehrenwache durch die Berge über die Grenze.

Für die schweren und oft gefahrvollen Dienste genossen die Choden besondere Privilegien und Rechte.

Seit jeher waren sie ein freier Stamm, der keiner anderen Obrigkeit als dem Könige allein untertan war. Auf ihrem Gebiete durfte sich kein Adeliger ankaufen oder niederlassen. Robot und andere Untertanendienste, die das gesamte Bauernvolk drückten, leisteten die Choden nicht. Die Wälder, die sie bewachten, konnten sie frei benützen und in uralten Zeiten jagten sie hierin auch anstandslos, an Bären und Wölfen, deren es im Böhmerwalde noch im 17. Jahrhunderte in Menge gab, ihre Kraft stählend.

Zoll und Mauten zahlten sie im ganzen Königreiche keine, Handwerke betrieben sie in ihrem Bezirke vollständig frei. Unbehindert konnten sie, wohin es ihnen beliebte, übersiedeln, sich einheiraten und hatten freies Versammlungsrecht.

Ihr eigenes Gericht »des Choden-Rechtes« tagte jede vierte Woche im Schlosse oder in ihrer Burg zu Taus und bestand aus dem von der königlichen Regierung ernannten »Choden-Richter« und den Schöppen oder Richtern der Chodendörfer.

Auf dem Chodenschlosse residierte der Burggraf von Taus oder der Hauptmann, sodann der Chodenrichter und der beeidete Schreiber, ihre höchsten Beamten. Im Chodenschlosse wurde auch ihre Fahne, das Petschaft und die ihnen von den Königen Johann von Luxenburg, Karl IV., Wenzel IV., Georg von Podìbrad und anderen verliehenen Privilegien aufbewahrt. Dort versammelten sie sich auch im Bedarfsfalle in Waffen und unterbrachten hier auch in Kriegszeiten ihre Weiber, Kinder und das beste Eigentum.

Die letzten Dienste verrichteten die Choden im verhängnisvollen Jahre 1620, indem sie an der bairischen Grenze an geeigneten Orten Verhaue herstellten. Damals befahl ihnen Friedrich, der Winterkönig, auf das strengste: »sie mögen nach ihrer Pflicht und der Ordnung des jeweiligen Dorfes gemäss sorgfältige Wache halten. Dies sei ihnen nicht nur bei Tag, sondern viel mehr in der Nacht zur Pflicht gemacht, damit diese Orte gegen plötzliche Einfälle der Feinde geschützt seien. Die Choden mögen sich ununterbrochen bis zur bestimmten Zeit hier aufhalten, vor der festgesetzten Frist weder bei Tag noch freilich umsoweniger bei Nacht entfernen. Nachdem sie sich auch eine ordentliche Militärfahne, die eine Person gut handhaben würde, verschafft, sollen sie den Fahneneid leisten. – Damit bei diesen Wachen besser Ordnung gehalten werde, möge stets einen Tag der Richter und den anderen Tag der Schreiber bei ihnen bleiben –« Das Original der Urkunde ist böhmisch. Anmerkung des Obersetzers.

Damals ertönten das letztemal durch den tiefen Böhmerwald die Wachrufe der Chodenposten, damals wehte das letztemal über den Häuptern der böhmischen Grenzer die schwarzeingesäumte mit einem Hundskopfe gezierte weisse Fahne.

Dann kam die Schlacht auf dem Weissen Berge.

Die Hochflut des allgemeinen Elends ergoss sich mit einer unersättlichen Welle auch in die Bergstille des freien Chodenlandes. Am vierzigsten Tage nach der Altstädter Execution wurden die freien Choden durch eine Verschreibung Karls von Lichtenstein als Vertreters des Kaisers um 7500 fl. an den Reichs-Hof-Rat Wolf Wilhelm Lamminger, Freiherrn von Albenreuth, einen der kaiserlichen Kommissäre und Leiter des schrecklichen Trauerspieles vom 21. Juni des Jahres 1621, pfandweise abgetreten. Um neun Jahre später wurden die Choden demselben Lamminger als vollständiges Erbeigentum um 56.000 fl. verkauft.

Der neue Herr wollte freilich ihre Freiheiten und Privilegien nicht anerkennen und er hat sie auch nicht anerkannt, indem er die Choden wie Leibeigene und robotpflichtige Untertanen behandelte.

Damals entbrannte der letzte und grösste Chodenkampf. Es verteidigten ja freiheitsliebende Männer ihre Rechte gegen Gewalt und Unrecht. Über sechzig Jahre währte dieses ungleiche Ringen. Von Zeit zu Zeit erschien den Choden beim Wiener Hofe ein Hoffnungsschimmer, als sie ihre Freiheiten reklamierten; schliesslich gewann aber Lammingers Sohn und Nachfolger, Maximilian, den Prozess, und den Choden wurde das Urteil zugestellt, wonach ihr Begehren ein für allemal abgewiesen wird, da ihre Privilegien annulliert und bereits ungültig seien, und den Choden bei strenger Strafe ein perpetuum silentium angeordnet wird.

Dies geschah im Jahre 1668.

Tatsächlich herrschte dann im Chodengau ein silentium – eine Grabesstille und sie wurde auch dann nicht unterbrochen, als im Jahre 1680 im ganzen Königreiche Böhmen der fürchterliche Bauernaufstand losbrach.

Ein perpetuum silentium war es aber doch nicht. Die Choden unterbrachen es. Und hier setzt unsere Geschichte ein.


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