Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

V

Die Přibek's waren, was Besitztum anbelangt, in Aujezdl nicht unter den ersten. Auch ragte ihr Bauerngut durch seine Bauart durchaus nicht hervor. Es war aus Holz erbaut, alt und schon bedeutend herabgekommen. Eine Steinmauer mit einer Türe umfasste seinen Hof in der Stirnseite. Gleich neben der Türe erhob sich ein gewölbtes Tor, das mit einem Schindeldach gedeckt war und auf hölzernen groben Tragsäulen ruhte. Unten im Tore war eine alte abgenützte Stampfmaschine Kleinere Hausstampfmaschinen zur Graupenerzeugung, die im Chodengebiete einst allgemein üblich waren. eingemauert.

Im Bauernhofe und auch auf dem Dorfplatze war es stille. Nirgends sah man einen Menschen. Es war ja Sonntag, zeitlich nachmittags. Auch blieb heute bei dieser nasskalten Witterung jedermann lieber in der warmen Stube.

Nur Přibek's Manka Marie. bereitete sich zu einem Gang nach der Stadt vor. Sie stand in ihrer Kammer an einer offenen, mit Blüten bemalten Truhe, deren Inhalt, bunte Kleider, Tücher und Leinzeug, das durch ein kleines Fensterlein einfallende Licht beleuchtete. Es fiel auch auf das Mädchen selbst, auf ihr schönes loses Haar. Es war wie Flachs, goldig schillernd, geschmeidig wie Seide, am Ende sanft gekräuselt, und so lang, dass es fast auf die Fersen hinabwallte. Manka war ein schmuckes Mädchen mit dunklen, feurigen Augen, und wenn sie lächelte, bewunderte jeder ihre schneeweissen Zähne; alles übertrafen aber ihre Haare, die jetzt im goldenen dichten Strome über die Achseln zu den Füssen herunter flossen. Die gelösten teilte sie in Flechten, und diese in Zöpfe bindend, durchzog sie sie mit roten Arrasfäden; ober der Stirne befestigte sie dann ein lichtes Stirnband.

Das Mädchen putzte sich so eifrig, dass es gar nicht merkte, wie sich draussen auf einem kahlen Strauche vor dem Fensterchen ein Sperling niedergelassen hat, der, auf einem vom Winde geschaukelten Ästchen sich wiegend, laut zwitscherte. Dagegen merkte sie aber sofort, dass gegenüber, im Vorzimmer, eine Tür knarrte, dass jemand aus der Hauptstube heraustrat. Sie hatte eben den roten dichtplissierten Rock über sich geworfen. Jetzt band sie ihn um so rascher. Im Vorhause dort ging jemand auf und ab. – Jetzt vernahm man das Geräusch seiner Schritte nicht mehr. Vielleicht blieb er stehen, vielleicht wartete er.

Manka lächelte unwillkürlich. Sie hatte eine Freude, freute sich auf den Gang nach der Stadt, der ihr heute besonders lieb ist. Es kam nämlich vormittags der Onkel Pajdar aus Putzeried, des Vaters Geschwisterkind, und mit ihm auch der junge Šerlovský, gleichfalls aus Putzeried, zu ihnen auf Besuch.

Šerlovský lernte sie im selben Dorfe kennen, als sie dort mit der seligen Mutter bei Verwandten war. Es war dies bereits länger als ein Jahr, und doch hat sie diesen Besuch nicht vergessen – konnte ihn nicht vergessen. Damals sah sie dort den jungen Šerlovský das erstemal und sprach auch zum erstenmale mit ihm. Dann traf sie ihn einigemal in der Stadt nach der Messe; er blieb stets mit ihr stehen und plauderte mit ihr. Heute besuchte er sie, und so unverhofft! Sie empfand etwas just wie einen Stich, als sie ihn erblickte, sie wollte ihren Augen gar nicht trauen! Es war ein angenehmer Schreck. Sie ahnte es, dass seine Ankunft kein Zufall sei, wol aber dürfte er ihr zuliebe hier sein!

Und welch' ein glücklicher Zufall! Heute geht sie in die Kirche, und er, der mit dem Onkel heimkehrt, wird sie bis in die Stadt begleiten. Er misst das Vorzimmer, wartet auf sie, bis sie hinauskömmt, es ist ihm dies lieber, als die Männergesellschaft in der Stube, dachte das erfreute Mädchen bei sich. Das Liedchen, welches sie früher halblaut sang, verstummte auf ihren Lippen, als sich draussen die Schritte vernehmen liessen. Dafür beeilte sie sich umsomehr mit ihrer Toilette. Sie band über den schönen, vollen Busen kreuzweise ein buntfarbiges Tüchlein und um die Hüften schlang sie einen hübschen, mit grünen Blüten gestickten Gürtel. Unter den Gürtelblümlein glitzerten kleine Flitterspiegel und flimmerten wie der glänzende Spiegel eines im tiefen Grün gebetteten Quells.

Manka irrte sich nicht.

Draussen im Vorhause stand der junge Šerlovský, ein Bursche, schmuck wie eine Jungfrau, hochgewachsen und stattlich gebaut. Einigemal ging er auf und ab, dann hielt er bei der Haustür, gegen das Vorhaus gewendet, stille. Seine Blicke hefteten sich auf die niedrige ungefärbte Tür, die oben mit drei eingeschnittenen Kreuzen bezeichnet war. Diese Tür führte ihn in Versuchung. Es zog ihn mächtig an, dort anzuklopfen, die Türe zu öffnen. – Vielleicht ist Manka schon angekleidet. Wie lange sie doch dazu braucht! Jetzt könnte er mit ihr allein sprechen, wie er dies schon lange herbeisehnte, wie er sich darauf freute. Säumt er lange, so kömmt jemand aus der Tür, oder man wird ihn rufen. Ungeduldig, machte er einige Schritte nach vorwärts in das Vorhaus.

»Manka,« rief er leise, »Manka!« Die Schläfen färbten sich ihm dunkelrot. Gleichzeitig fuhr er zusammen. Die Tür öffnete sich plötzlich, und in ihr stand sie, die er soeben mit heisssehnsuchtsvoller Stimme gerufen. Sie war mit ihrem Sonntagsstaate angetan, frisch, lieblich gerötet, lächelnd –

Es schien ihm, als wenn es um ihn plötzlich tagen würde.

»Ich gehe schon,« sagte sie lustig.

»Warte nur, eile nicht! In die Kirche ist es noch Zeit, und wir kommen auch noch heim –«

»Aber die dort in der Stube –« und sie blickte nach der in die Stube führenden Türe, »Lass sie, sie werden es nicht merken. – Bleibe!« sprach er bittend. »Ich freute mich doch so lange auf diesen Augenblick.«

Sie sträubte sich nicht, blieb, zog aber hinter sich die primitive Türklammer an, so dass sich die Tür schloss. Sie standen vor derselben.

Der junge Šerlovský heftete seine strahlenden Blicke auf das schöne Mädchen, und mit einer freudigen Handbewegung rief er lebhaft und voller Aufrichtigkeit:

»Manka, ich höre förmlich schon die Leute bei deinem Kirchengange rufen: Jungfrau Maria! Welch' ein schönes Mädchen ist das!«

Das Mädchen lachte auf.

»Uns brauchst du keine Rosen zu streuen. Spar' dir sie für die Putzerieder Mädchen!«

»Was ich sehe, sehe ich. Meine Augen trügen doch nicht! Aber du glaubst mir nicht. Vielleicht auch das nicht, wie oft ich deiner gedacht –«

Während er sprach, hatte sie unwillkürlich den Blick gesenkt, und als sie ihn wieder zu ihm erhoben hatte, strahlten ihre Augen.

»Manka,« fuhr der Bursche fort, näher an sie herantretend, – »die reinste Wahrheit spreche ich. Auch du sei aufrichtig mir gegenüber, damit ich ruhig von hier weggehen kann – Hast du schon jemand in dein Herz geschlossen?«

»Wie du doch das Gewissen erforschen und einem zureden kannst! Just wie der Herr Pfarrer,« antwortete sie heiter.

»Manka, es kann jemand kommen, und dann ist's aus, und ich werde nicht mehr das hören, was ich gerne hören möchte, was ich wissen muss. Deswegen bin ich ja zu euch gekommen, Manka!« rief er eindringlich und flehentlich.

Das Mädchen lächelte, als wollte sie nicht die Wahrheit gestehen, als ob sie überlegen würde. Das Herz pochte ihr aber vor Freude über diese Sprache. Auch begann ihr der stattliche Bursche leid zu tun; als er sie noch einmal eindringlich um Antwort bat, erwiderte sie mit einem entschiedenen »Nein«, was der Erklärung gleich kommen sollte, sie habe keinen Geliebten und hege auch kein Verlangen nach einem solchen. Kaum hatte sie aber die Worte gesprochen, wurde sie rot wie Klatschmohn und senkte besiegt den Blick, als sie der hocherfreute Bursche im selben Augenblicke bei der Hand gefasst hatte. Eine Weile bereits achtete er nicht mehr auf die in die grosse Stube führende Tür; auch Manka hatte sie vergessen und auch jene, die hinter ihr weilten.

Doch das Glück war den jungen Leuten hold. Niemand kam hinaus. –

Die dort in der Stube sassen, achteten auch nicht darauf, dass die jungen Leute nicht in ihrer Mitte weilen. Nur war die Stimmung in dieser geräumigen, einfachen und schmucklosen Stube nicht so fröhlich und heiter, wie dort draussen im Vorhause, wo die jungen Leute standen. Sassen ja dort auch durchwegs ältere und alte Männer, finster, bedächtig und ernst, sowohl in Bezug auf ihren Charakter, als auch auf das Gespräch, das sie führten. Die Anwesenden waren: Mathias Přibek ohne Langrock, nur in Beinkleid und Leibel; neben dem Hausherrn sein Brudersohn Pajdar aus Putzeried, ein breitschultriger und stattlicher Chode, dessen Gestalt und Antlitz jeden Zweifel daran, dass er aus dem Geschlechte des Přibek abstamme, ausschlossen. Ihm gegenüber sass Psůtka aus Possigkau, der aus der Stadt kommend, mit Pajdar hier Einkehr gemacht.

Alle diese sassen auf rohen Bänken rund um einen riesigen Lindenklotz, der seit undenklichen Zeiten bei Přibeks den Tisch ersetzte. Dieser urwüchsige Tisch stand hier nach dem Zeugnisse von Mathias' Vater schon zur Zeit des Grossvaters Mathias's. Jetzt sass der Greis nicht am Tische, sondern den Männern gegenüber auf der Ofenbank in einen Schafpelz gehüllt. Er brauchte ihn wahrlich schon, denn in seinen Jahren pflegt sich das Blut merklich abzukühlen. Gar vielmal hatte er schon den Lenz ins Land ziehen gesehen; wie lange er bereits auf Erden wandelte, wusste er selber nicht recht; man hielt ihn (und gewiss nicht mit Unrecht) für etwas über achtzig Jahre alt. Er selbst mass die Zeit nicht nach Jahren und rechnete auch nicht darnach, sondern nur nach seinem Gedächtnisse. Er pflegte zu sagen, dass er sich gut des grossen Krieges erinnere; Burschen, die bei seinem Beginn geboren wurden, mussten noch mitkämpfen, dauerte ja der Krieg doch geschlagene dreissig Jahre! Der alte Přibek war auch noch Zeuge der Zeiten des alten Chodenruhmes gewesen, als die Choden noch frei waren, ihr Schloss und ihre Rechte besassen, er sah auch den Vater bewaffnet unter dem Kriegsbanner in die Wälder an der Grenze ziehen. Das war damals, als der grosse Krieg ausbrach. Damals trug sein Vater das Chodenbanner, wie es seit jeher den Přibeks geziemte.

Der alte Přibek pflegte gerne davon zu erzählen. Er schilderte, wie man Verhaue herstellte, wie die Männer aus jedem Dorfe »klassenweise« auf volle vierundzwanzig Stunden in den Wald in Dienst gingen; Brot und gedörrtes Fleisch mitnahmen, wie er selbst dazumal als kaum fünfzehnjähriger Bursche vom Elternhause in die Wälder davongelaufen und zu den Verhauen unter die Männer gegangen ist und daselbst Tage und Nächte bei den Lagerfeuern verbrachte. Welch eine Zeit, welch eine Veränderung! Was hat er doch schon gesehen und erlebt, und was erwartet ihn noch! Soeben lauschte er den sonderbaren Nachrichten, die ein Gewitter vorhersagten. Es erzählten eben sowohl Psůtka aus Possigkau als auch der »Bursche« der Schwester, Pajdar aus Putzeried, dass die Obrigkeit in allen Chodendörfern nach den alten geschriebenen Majestätsbriefen fahndete und dass auch gestern Syka zu ihr auf die Burg zu Chodenschloss beschieden wurde und dass man ihn, wie dies übrigens überall geschehe, durch arge Drohungen zu bewegen suchte, zu verraten, wo die alten Dokumente verborgen seien.

»Er war jedoch stumm wie ein Fisch und alle anderen desgleichen,« bemerkte Psůtka, der von Syka erzählte.

Mathias Přibek schwieg finster und horchte zu, bis er plötzlich den Kopf erhebend, sich vernehmen liess:

»Er war stumm und schwieg! Wir schweigen auch! Das treffen wir. Grössere Robot wird uns auferlegt und alle schweigen wir, man schlägt uns, wir schweigen, die Wälder wurden uns genommen, wir schweigen, Grenzbäume werden gefällt, wir werden um Felder bestohlen, und wir schweigen auch stumm wie die Fische –«

»Du hast nicht geschwiegen und auch Kozina nicht,« fiel ihm Psůtka ins Wort. »Und was ist schon geschehen und was wird da noch kommen!« –

»Was könnte geschehen?« fragte Mathias bündig.

»Glaubst du, die Herren werden dir und dem Kozina dies so hingehen lassen?«

»Ob hingehen lassen oder nicht! Aber Zeit haben sie schon genug gehabt, und doch kamen sie noch nicht und ich denke, sie werden sich's überlegen!«

Jetzt stand sein alter Vater vom Herde auf und schritt langsam zum Tische. Der Greis war so gross wie sein Sohn Mathias, nur dass ihn das Alter ein wenig geknicket hatte: sein Kopf war vorgebeugt, die Schultern ein wenig tiefergesetzt. Die Stirne war kahl, dafür wallte ihm vom Scheitel langes, schneeweisses Haar bis an den geöffneten Pelz hinab, den er mit der linken Hand an den Hüften zusammen hielt. Er zog die dichten, grauen Augenbrauen finster zusammen; die Augen leuchteten auf, als er, die Rechte erhebend, mit einer auf sein Alter noch klangvollen Stimme anhob:

»Recht hast du, Bursche! Einst wäre so etwas nicht möglich gewesen. Das ganze Dorf und alle hätten sich erhoben, wenn jemand einen Grenzstein beseitigt hätte, und wenn's selbst der Fürst gewesen wäre, geschweige denn dieser Schwabe!«

Der Greis verstummte plötzlich. Psůtka und Pajdar sprangen von ihren Stühlen auf und eilten zum Fenster. Der schmetternde Klang einer Trompete ertönte bis in die Stube hinein, kurz und scharf, dann erklang er aber aufs neue, langsamer und gedehnt. Ruhig trat Mathias Přibek ans Fenster und sah, wie seine Gäste, auf den Dorfplatz hinaus. In diesem Momente kam auch Manka in die Stube geeilt und ihr folgte auf dem Fusse der junge Šerlovský. Das ungewohnte und erschreckende Trompetengeschmetter machte mit einem Schlage dem glücklichen Gespräche vor Mankas Kammer ein Ende. Der Bursche wäre hier in seinem Liebesrausch vielleicht bis zur Dämmerung gestanden – doch die liebe Hoffnung konnte er sich jetzt doch auf den Weg mitnehmen, dass Manka früher nicht die Wahrheit sprach, dass sie doch an jemanden denke, und dieser jemand sei – er selbst.

Rasch trat sie an den Grossvater mit der Frage heran, was da los sei, was geschehe?

Nahe am Tische stehend, hatte der Greis aufmerksam gelauscht. Wie aus brütendem Sinnen erwachend, sagte er kurz:

»Soldaten sind's –«

Manka erschrak. Ihr Blick heftete sich nach diesem Worte auf den Vater. Er stand noch immer regungslos am Fenster, finster, jedoch ruhig die Vorgänge betrachtend.

Der Lärm draussen wurde immer grösser. Das stille, öde Dorf belebte sich mit einem Schlage. Die Leute rannten aus den Gebäuden heraus, riefen einander an und fragten einander, was geschehen sei? Hie und da lief jemand über den Weg, andere rannten herunter in der Richtung, woher der Trompetenschall kam. Auf einmal blieben aber alle, die gegangen oder gelaufen waren, stehen, und alle verstummten auf eine Weile. Zwischen den Zäunen kam ein Pferdekopf, nach ihm der zweite, dritte zum Vorschein und schon brachen zwischen den Gebäuden im Trab vier Reiter hervor. Drei waren kaiserliche Kürassiere, der vierte war in Civilkleidung. Auf den Köpfen der Soldaten erglänzten Helme mit Helmbügeln. Die Brust bedeckte vorne und hinten ein schwarzer Kürass, unter dem der weisse Waffenrock mit breiten, roten Aufschlägen hervorlugte, und über den Kürass hing auf gelbem Riemen der Kavalleriekarabiner. Die roten Pantalons dieser schweren Reiter steckten in hohen Stiefeln.

In den Händen glänzten die gezückten Pallasche.

»Tausend Teufel!« rief Psůtka. »Das ist der Chodenschlosser Verwalter!«

»Und er weist hieher!« ergänzte rasch Pajdar. »Mathias, fliehe, noch ist es Zeit, sie kommen, um dich abzuholen!«

Mit einem Schrei stürzte sich Manka auf ihren Vater und bat ihn, er möge den Rat befolgen und über den Hof in die Felder fliehen. Er stiess sie sanft weg, als hörte er sie gar nicht.

»Warum soll ich fliehen?« sprach er zu den Männern gewendet. »Bin ich ein Mörder?«

»Richtig, Bursche, auch ich denke so,« stimmte sein alter Vater zu. Das Pferdegestampfe ertönte jetzt knapp vor dem Bauernhofe und gleichzeitig hörte man die Stimme des Verwalters, der das Tor zu öffnen befahl.

Die männlichen Gäste sahen einander besorgt an. Manka blickte auf den Vater, der entschlossen hinaus ging, um das Tor zu öffnen. Es knarrte und ein Kürassierpferd wieherte schon auf dem Hofe. Die Scheiden der Pallasche erklirrten, als zwei Kürassiere von den Pferden absassen. Der Verwalter ihnen nach.

»Hier ist er selbst –« rief er auf Přibek hinweisend. »Du gehst mit uns und zwar sofort!«

»Wohin?« frug der, knapp vor dem Verwalter stehende Chode, dessen Gestalt selbst die zwei grossen sich seitwärts von ihm postierenden Kürassiere überragte.

»Frage nicht und komm! Willst du nicht gehen –« fuhr ihn der Verwalter an.

»Drohet nur nicht – ihr wisst, dass ich mich nicht fürchte,« antwortete Přibek und ein spöttisches Lächeln spielte um seine Lippen.

»Rasch – und wo ist dein Vater?«

Nach diesen Worten des Verwalters fuhr Přibek zusammen.

»Was wollt ihr mit dem alten Vater?«

»Er geht auch – und jetzt rasch, wir haben keine Zeit!«

»Um zu sehen, was für Henker ihr seid!« liess sich im Vorhause eine Stimme hören und an der Türschwelle hielt der alte Vater des Mathias inne. Ein kalter Windstoss hatte sein weisses Haar flattern gemacht; er stand hier emporgerichtet, so stolz er nur konnte, fest die Soldaten und den Verwalter musternd.

Sodann wandte er sich an seine Enkelin als ihn diese ganz bestürzt an der Hand fasste. Gleichzeitig erklärte sein Sohn entschieden dem Verwalter, er werde erst gehen, bis man ihm gesagt haben werde, wohin man ihn zu führen gedenke?

»Damit du auf einmal nicht gar zu erschreckst, zuerst auf die Erbrichterei und dann zu uns,« fertigte ihn der Verwalter spöttisch ab.

»Und unser Vater?«

»Ebenfalls.«

»Und was soll er dort –«

»Was gibst du dich mit diesem erst lange ab, Mathias!« liess sich der Greis vernehmen. »Wir gehen. Manka, bringe dem Vater den langen Rock –«

Als sie dem Vater die weisse Scherke reichte, sagte dieser:

»Dummes Mädel, klage nicht, wir kommen ja bald zurück; besorge einstweilen die Wirtschaft gut!«

Vor dem Bauerngute hatten sich die Nachbarn versammelt. Sie alle betrachteten verwundert den sonderbaren, aus dem Bauerngute Přibeks kommenden Zug. Voran ritt der Verwalter von Chodenschloss, ihm nach drei Kürassiere, zwischen denen die beiden Přibeks, durch einen Reiter von einander getrennt, einherschritten: der alte im Pelze stützte sich auf die Čakana, sein Sohn ging ohne eine solche, mit hoch erhobenem Haupte. Manka schritt mit dem jungen Šerlovský, dem Onkel Pajdar und Psůtka hinter ihnen. Die Männer flössten dem erschrockenen Mädchen Mut ein.

Als sie sich dem Dorfrichteramte näherten, erblickten sie vor demselben andere zwei Kürassiere, zwischen denen der junge Kozina mit verbundenem Kopfe stand. In dessen Nähe sein Weib, blass, verweint, Hanálka in den Armen haltend. Neben der jungen Bäuerin hielt die alte Kozina den kleinen Paul an der Hand. Die alte Kozina weinte nicht: aber ihr verdüstertes Antlitz, ihr Blick, der auf dem Sohne ruhte, verrieten, dass in ihrem Inneren nicht Ruhe herrsche. –

Vor der Erbrichterei war schon eine grosse Menge versammelt, alt und jung, Männer und Weiber. Alle sahen den Přibeks entgegen, doch kehrten sie sich bald um, denn, mir nichts dir nichts, erschien ganz unverhofft der Dudelsackpfeifer Řehůřek Jiskra, der sich zum Verwalter vorgedrängt hatte, vor diesem die Mütze abnahm und halbspöttisch, halbernst diesen ansprach: »Herr Verwalter, ich war auch dort bei jenem Tanz unter der Linde!«

Lauter zustimmender Beifall begrüsste diese Bemerkung des Dudelsackpfeifers, da ertönte aber etwas weiter der Ausruf:

»Jungfrau Maria, es kommen noch andere Soldaten!«


 << zurück weiter >>