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In dieser Nacht trat ein Frost ein. Am meisten verspürten ihn die Chodenschlosser Gefangenen. In der öden Büttelstube, in der es kein Mobiliar gab, waren die Alten aus Aujezdl, darunter auch der Erbrichter und der junge Dudelsackpfeifer Řehůřek-Jiskra, eingesperrt. Sie kauerten auf dem schwarzen Fussboden rings um den alten Přibek, der im Schosse seine glitzernde schön beschlagene Čakane hielt, in einem Knäuel. Als man sie am Abend hieher gebracht, waren sie noch ziemlich gesprächig. Sie sprachen über Mathias Přibek, noch mehr jedoch über den jungen Kozina, seinen Mut, seine unerschrockene Rede und sein ganzes heutiges Auftreten, das jedermann überraschte. Jiskra-Řehůřek war der einzige, der dabei seltsam lächelte und sagte: »Und früher wollte mir niemand glauben, als ich ihn einen guten Kerl nannte.«
Doch das traurigste war, dass der alte Váchal recht hatte, der da sagte:
»Was nützt das alles, warum haben Kozina, alle Ältesten und Mathias Přibek gelitten, wenn uns dieser verdammte Wolf unsere Majestätsbriefe frass.«
Die Wucht dieser Worte fühlten alle. Sie verstummten sodann und jeder hing seinen Gedanken nach. Auch der Dudelsackpfeifer empfand jetzt nicht die Lust sich auszusprechen, wie sonst. Spät Abends öffnete sich plötzlich die Tür. Der Büttel trat, mit einer grossen Laterne in der Hand ein und ihm folgten zwei Knechte. Der eine streute Stroh auf den Boden, der andere brachte Brot und Wasser. Sodann entfernten sie sich wieder. Die Gefangenen setzten sich auf das Gestreu und nahmen ihr Nachtmahl; nur der Erbrichter Syka und der alte Přibek rührten ihre Portionen nicht an. Sie hatten keine Lust zum Essen und sie blieben auch allein auf, als alle übrigen die müden Glieder zum Schlafe ausgestreckt hatten.
Die Nacht zog langsam durch die Gegend. Sie war still und hell. Ihr Schein fiel durch zwei kleine Fenster in die Büttelstube und man sah durch diese Fenster die dunkeln, schlummernden Wälder dort draussen. Auf diese Wälder waren die Blicke der beiden Choden gerichtet. Der Schulze Syka liess sich mit gedämpfter Stimme vernehmen:
»Die Wälder dort gehörten alle uns –«
»Jawohl,« stimmte der Greis zu. »Der Grossvater wandelte in ihnen noch als wären sie sein Besitz und war hier Herr, während wir sie jetzt aus dem Fenster unseres Arrestes betrachten.«
Sie verstummten abermals bis der Erbrichter nach einer Weile wieder nach den Wäldern blickte und mit einer raschen Handbewegung hinaus wies:
»Schau' mal, Přibek, welch' ein Stern gerade über diesem Walde!«
Přibek blickte hin und bekreuzigte sich.
»Ein Komet –« sagte er langsam – »ein Zeichen von Gott!«
Über dem langen Rücken des schwarzen Forstes glänzte am dunkelblauen Himmel mit nach oben gewendetem, langem Schweife – ein Komet.
»Und wie gross er ist!«
Jetzt sahen ihn schon alle, einige knieend, einige stehend. Sie erhoben sich, denn sie hatten kein Auge geschlossen und hörten alles.
»Jeder Komet bedeutet etwas,« sagte Přibek. »Ich sah ihrer schon mehrere und immer folgte dann ein Krieg oder Hungersnot und Pest. Aber dieser da! Einen so grossen sah ich noch nicht, ausser damals – ich weidete ja noch Vieh – es war vor dem grossen Kriege, Im Jahre 1619. der dreissig Jahre dauerte. Ich erinnere mich daran so gut, als wäre es gestern gewesen. Wir sassen draussen vor den Fenstern und schauten zum Himmel. Mein seliger Grossvater hat es gut prophezeit, es werde schlimm werden, sehr schlimm. Er war noch aus den guten Zeiten, in denen man am langen Rocke und am Leib goldene Borten trug – uns blieben nur noch diese schwarzen übrig. Und dann musste es der Ärmste noch selbst erleben, um sich zu überzeugen, dass seine Wahrsagung richtig war.
Aus eigene Augen sah er noch, wie uns das kaiserliche Heer alles wegschleppte, bis im Stalle kein Zicklein, im Hause keine Brotrinde übrig blieb. In den Jugendjahren ging er noch in Goldborten, auf seine alten Tage sah er aus wie ein lumpiger hungriger Bettler. Nichts blieb ihm als diese Čakane!
O, ich weiss es, wie ihm immer Tränen in die Augen traten, als er dieses Sternes gedachte, oder als das Gespräch auf diese alten Zeiten kam. Aber was war er gegen uns! Es ging ihm schlecht, was würde er aber jetzt erst sagen? Damals blieb uns die Hoffnung – aber jetzt – Dieser Stern« – und die Stimme des Greises zitterte heftig – »was wird der bringen –«
»Uns nichts – auf uns hat der liebe Gott schon vergessen,« klagte der alte Váchal. Aller Blicke wandten sich ihm zu.
Es war dies ein kühnes Wort und zu einer anderen Zeit hätten sie es als Gotteslästerung gerügt, doch in diesem Augenblicke muckste niemand. Sie schienen schweigend zuzustimmen.
Während so Mathias Přibek's Vater voll Kummer den unheilbringenden Stern betrachtete, lag der Sohn im dunklen Zwinger ausgestreckt und schlief. Seinen breiten Kremphut hatte er unter dem Haupte. Die Hände fesselten keine Stricke mehr. Der Traum des auf der harten, kalten Erde ruhenden Riesen-Choden war wohl nicht besonders lieblich, denn er zuckte zeitweilig heftig zusammen und schrie aus dem Schlafe auf. Er rang noch im Traume voll neuer Wut über die ihm zu Teil gewordene tückische Behandlung, überfiel und fesselte man ihn doch ohne weiters im Gemeindehause, als wäre er ein Räuber.
In einer angrenzenden, gleich angenehmen Zelle sass Kozina auf einem an der Wand liegenden wurmstichigen Balken. Er stützte seinen verwundeten Kopf an die rauhe, kalte Wand und blickte in Gedanken versunken zum sternbesäeten Himmelstreifen, den er durch das winzige, verrostete Fenstergitter erspähte. Er dachte lange über die Ereignisse des Tages nach; gebeugt oder gar gebrochen war er aber durchaus nicht.
In seinem Inneren war friedliche Ruhe, eine Ruhe, wie sie die getroffene Entscheidung und die fertige Tatsache mit sich bringen. Er sah klar. Die Unsicherheit und die drückende Schwüle des nahenden Gewitters war geschwunden. Es hat eingeschlagen, dadurch verflog aber auch die so lange den Geist des jungen, ehrliebenden Mannes umnachtende Wolke. Rehabilitierte ihn doch der heutige Tag und zeigte, wie lauter seine Denkungsart war und bewies, dass er keineswegs derjenige sei, für den man ihn allerorten, für den ihn selbst die eigene Mutter gehalten. Ausserdem wurde heute die Wahrheit, an die er selbst glaubte, dass nämlich die alten Chodenrechte bisher in Geltung waren und trotz jeder obrigkeitlichen Ableugnung und trotz dem ihnen auferlegten perpetuum silentium immer noch gelten, öffentlich bestätigt. Was geschah denn, oder was geht denn vor, dass Lamminger plötzlich die Majestätsbriefe so dringend verlangt? Und jetzt sollte man ihm sie ohne Kampf belassen?
Er gedachte der Kinder und der Mutter. Wie sie ihn doch dort im Gemeindehause anblickte, als er sie merken liess, er kenne ihr Geheimnis, und dann, als man ihn Abends hierher ins Schloss abführte! Jetzt sind sie sicherlich alle beisammen – die Kinder dürften schon schlafen – und Hančí, die Arme, sie weint. Sicherlich dürften die Kinder nach ihm gefragt haben, der kleine Paul, Hanálka, das kleine Köpfchen – –
Kozinas müde Augenlider senkten sich, bis sie der Schlaf zudrückte. Der unermüdete Geist schwang sich aber aus dem Gefängnisse über den Wald hinaus, um vor dem einfach bemalten Himmelbette zu verweilen, wo zwei allerliebste Kinder, ein pausbackiger Knabe und ein goldhaariges Mädchen ruhten. Über diese beugte sich ein junges, hübsches Weib, das glückselig seine zwei Knospen betrachtete. – –
Am nächsten Tage führte Lamminger seine Gäste: den Obersten Grafen Stampach und den jungen Rittmeister Grafen von Vrtba und Freudenthal Nachmittags in die Schlosskanzlei.
In der geräumigen geweissten Stube war es angenehm. Es loderte ja im Kamine ein ausgiebiges Feuer. In der Nähe des Kammes liessen sich die Edelleute in lederne Lehnstühle nieder und fuhren in dem, bereits auf dem Herwege gepflogenen Gespräche fort. Der Herr von Chodenschloss führte das Wort.
»So lange sie ein Pergamentstückchen in den Händen haben, geben sie nicht Ruh'. Sie sind sehr pfiffig, darum schwiegen sie jetzt so lange, wie sich ihnen aber eine Gelegenheit bieten würde – Oh, Sie kennen sie nicht, meine Herren, es ist ein harter, zäher Volksstamm. An jeglicher ihrer Gewohnheiten halten sie starr fest. Ich weiss, wie es zuging, als sie zu meines Vaters Zeiten die Waffen ausliefern mussten. Wie lange wehrten sie sich da, ehe sie diese alten Büchsen und Pistolen hergaben – und selbst das geschah nicht auf einmal. Da gab es Eintreibungen, Drohungen und Strafen –«
»Nun und schliesslich gewöhnten sie sich auch an ein Leben ohne Waffen,« sagte Graf Stampach lächelnd.
»Freilich gewöhnten sie sich – und so wird's auch mit den Dokumenten der Fall sein.«
»Waren denn diese Bauernbengel so militärisch organisiert?« fragte der junge Rittmeister.
»Sogar ihre Fahne und einen Fahnenträger hatten sie.«
»Ei!«
»Dieser grosse Chode, der im Gemeindehaus alle übrigen um Kopfeshöhe überragte, das ist ihr letzter Fahnenträger. Er hat die Fahne, welche sie erst dann, als sie alle Waffen ausgeliefert hatten, abführten, hier übergeben. Sie hielten sie lange verborgen, bis ihr Versteck doch ausgeforscht wurde. Sie war, so wie gestern die Freiheitsbriefe, in Aujezdl und zwar beim Vater dieses grossen Bauers aufgehoben. Als ich den Musketier hingeschickt, folgten sie die Fahne nicht aus, und erst nach argen Drohungen überbrachten sie sie selbst. Meine Herren, das war ein Schauspiel! Der grosse Přibek trug sie selbst und mit ihm zog fast das ganze Dorf her; sein Vater, der Erbrichter, die Schoppen und sämtliche Männer. Das war das Ehrengeleite der Fahne!« setzte Lamminger spöttisch lächelnd hinzu. »Als sie die Fahne sodann hier in der Kanzlei abführten, fing der alte zu weinen an und so mancher von diesen Dickschädeln wischte sich Tränen aus den Augen.«
»Just wie alte Soldaten,« bemerkte der Oberst.
»Und existiert diese Fahne noch, oder wurde sie vernichtet?« fragte der Rittmeister.
»Sie dürfte wahrscheinlich noch irgendwo hier unter altem Gerümpel stecken. Der Verwalter wird sicherlich davon wissen. Wünschen sie die Herren vielleicht zu sehen?«
Beide äusserten den Wunsch die alte Bauernfahne besichtigen zu dürfen. Lamminger läutete dem Verwalter, der draussen schon wartete. Über Auftrag seines Herrn brachte er die Chodenfahne. Sie stand hinter einem grossen, dunkeln Registraturschrank. Nach einigen Anstrengungen gelang es dem Verwalter, die Fahne aus diesem unwürdigen Verstecke herauszuziehen, er reinigte sie sodann draussen vom Staube und brachte sie den Herren.
»Die Stange ist gebrochen,« sagte er, als er die Fahne, die die Edelleute umringten, entrollte. Sie war aus Seide; ihre ursprüngliche Farbe war weiss, mit einem schwarzen Streifen als Einfassung. Jetzt waren die Farben freilich stark verblichen und die Fahne hatte hie und da auch einen Riss.
»Die Risse stammen nicht daher, dass die Fahne vielleicht morsch wäre, das sind Wunden aus ehrenvollen Kämpfen,« sagte der Oberst, der sich über die Löcher neigte.
»Und hier ist ein Wappen – ein Hundekopf,« rief der junge Graf von Vrtba, auf die alte vergilbte Stickerei deutend.
»Einen Stierkopf würden sie eher verdienen,« setzte Lamminger spöttisch hinzu. Sodann wendete er sich mit der Frage, wie sich die Choden benommen haben, an den Verwalter.
»So wie gestern. Weder Kozina, noch Přibek, ja nicht einmal dieser Dudelsackpfeifer gaben einen Laut von sich, als ihnen der Musketier mit dem Haselstock die Schläge applizierte.«
Ohne ein Wort zu erwidern kehrte sich Lamminger den Offizieren zu.
»Ist es den Herren gefällig?«
»Ja, wir können beginnen,« antwortete der Oberst. Lamminger gab dem Verwalter ein Zeichen, dieser lehnte die Fahne mit der Stange in der Nähe des Kamines an die Wand und ging hinaus. Nach einer Weile kehrte er mit seinem chodenschlosser Kollegen und zwei Herrschaftsbeamten zurück. Ihnen folgten die Gefangenen, zuerst Přibek und Kozina. Sie stellten sich vor den Herrschaften im Halbkreise auf. Der Verwalter, der die Absicht seines Herrn schon kannte, stellte vor Lamminger das Kistchen mit den »Choden-Sachen« auf den Tisch. Wie es der alte Přibek und der Dorfrichter Syka wahrnahmen, fuhren sie zusammen. Mathias Přibek heftete jedoch seinen finsteren Blick auf die alte Fahne.
»Kennt ihr das?« begann mit eisiger Kälte Lamminger, indem er auf das Kistchen hinwies. »Euere Majestätsbriefe sind auch darin.«
Nach diesen Worten hob der Verwalter den Deckel und nahm langsam eine Urkunde nach der anderen so hervor, dass sie alle die Dokumente sehen konnten.
»Alle sind da!« bemerkte er mit einem Seitenblick auf den Erbrichter Syka wie unwillkürlich. Syka zwinkerte mit den Augen und sagte:
»Alle, gnädiger Herr –«
»Nehmt also Abschied von ihnen!« antwortete der Verwalter. Er nahm sodann eine grosse Schere, schnitt alle Siegel ab, warf eines nach dem anderen in das flatternde Kaminfeuer und schleuderte auch einen Majestätsbrief nach dem anderen nach. Die Flammen zischten und loderten auf. In einem Augenblicke war die durch Jahrhunderte hochgehaltene und anerkannte Bürgschaft der Chodenfreiheit und ihrer Rechte vernichtet. Mit der einzigen Ausnahme Přibeks hat keiner der anwesenden Choden die Wohltaten und Privilegien der soeben dem Verderben geweihten Choden-Rechte verkostet. Sie kannten die goldene Freiheit nur aus den Erzählungen der Alten, jeder wusste und glaubte jedoch, dass dieses ihr Kleinod noch nicht vernichtet ist und dass der Zauberstab, der ihnen wieder zum Schatze ihrer Freiheit verhilft, die von den Vorfahren geerbten Majestätsbriefe seien. Und jetzt vernichtete sie die Flamme, ein bisschen Asche bleibt von den Freiheitsbriefen – und mit ihnen erstirbt auf immer jede Hoffnung auf Erleichterung und Befreiung von der unwürdigen Leibeigenschaft!
Lamminger musterte die Choden. In seinem eisigen Blicke leuchtete ein Strahl selbstsüchtiger Schadenfreude auf; sah er doch, dass er sich nicht getäuscht und dass sein Entschluss gut war. Endlich! Gestern trotzten sie noch, selbst als er ihnen mit der Soldateska und dem Galgen drohte. Und jetzt! Siehe da, wie sie die Dickschädel hängen lassen und wie finster selbst der breitschultrige Přibek die alles vernichtenden Flammen betrachtet! Und dieser – doch halt! Diesen Kozina, dessen Widerstand selbst die Prügelstrafe nicht zu brechen vermochte, sollte auch dieses Schauspiel nicht erschüttern und er könnte dabei lächeln? Und doch lächelte er und mit welcher Verachtung! Nun das Lachen wird ihm schon bald vergehen. Tiefe Stille herrschte in der Amtskanzlei, während der Verwalter die Majestätsbriefe in die Flammen warf, und diese Stille wurde nur durch das Zischen und Knistern im Kamin gestört, so oft der Verwalter eine Pergamentrolle oder ein Siegel in die Flammen schleuderte. Ehe der Verwalter den letzten Freiheitsbrief in die verhängnisvolle Feueresse warf, wandte er sich noch mit folgenden Worten den Choden zu:
»Mit eueren Majestätsbriefen ist's aus. Jetzt, wo dieselben vor den hochgeborenen Herren (er nannte ihre Titel), vor den Herren Beamten unserer gnädigen Obrigkeit und vor eueren eigenen Augen vernichtet wurden, werdet ihr vielleicht Vernunft annehmen und es aufgeben, sich immer und immer wieder auf sie zu berufen.«
Schon wollte er die letzte Urkunde ins Feuer werfen, als er wahrnahm, dass sein Gebieter sprechen will. Er hielt einen Augenblick inne, die Pergamenturkunde in der erhobenen Rechten haltend.
»Erfüllet jetzt ordentlich euere Pflichten, wie es sich robotpflichtigen Leibeigenen geziemt, sonst erschwert ihr euch euere Stellung,« sprach Lamminger in strengem Ton. »Ihr sehet ja selbst, dass alles vergebens ist –«
Ein Wink und das vergilbte Pergament flatterte über dem Kamin und versank in den Flammen. Im selben Augenblicke entstand eine mächtige Bewegung. Die an die Wand gelehnte Chodenfahne glitt im selben Momente ab, und fiel geräuschvoll über das Kamingitter in die Flammen. – Gleichzeitig war aber auch schon Mathias Přibek mit einem einzigen grossen Satze da und entriss heftig die Fahne den Flammen, um sie vom Verderben zu retten. Es war aber schon zu spät. Die Seide fing schon Feuer und wie Přibek die Fahne emporhob und sie dadurch unwillkürlich entfaltete, brannte sie auch schon lichterloh.
Lamminger, die Offiziere und alle wichen in der Verwirrung zurück. Die Kanzlei füllte sich mit Qualm, durch den die Flammen der lodernden Chodenfahne züngelten. Mathias Přibek senkte sie zur Erde und wollte mit der Rechten die Flammen ersticken. Es war aber schon zu spät. In der Linken blieb ihm nur die nackte Fahnenstange. Umsonst hatte er seine Rechte versengt. Doch die Chodenfahne ging wenigstens in seinen Händen zu Grunde und blieb nicht zum Spotte im Besitze der herrschaftlichen Bauernschinder. Qualm und Brandgeruch beschleunigten den Abschluss der ohnehin ihrem Ende zuneigenden Handlung.
Lamminger ersuchte seine Gäste in das Nebengemach zu treten und ärgerte sich sowohl auf den Verwalter als auch auf diesen »Bauernbengel«, den aber der Oberst scherzend in Schutz nahm, indem er bemerkte, dass ein gutes Soldatenblut in seinen Adern rolle. Wäre dieser Riese nur um einiges jünger, so wollte ihn der Oberst gewiss in sein Regiment einreihen, wo ihm ganz bestimmt niemand gleich käme.
Etwa eine halbe Stunde später ritten beide Grafen, von ihren Kürassieren begleitet, von Chodenschloss wieder gegen Aujezdl zu.
In später Nachmittagsstunde verliessen endlich die bis dahin gefangen gehaltenen alten Choden aus Aujezdl den Schlosshof. Der letzte, der das Burgtor passierte, war der alte Přibek mit seinem Sohne Mathias; ersterer stützte sich auf seine mächtige Čakane, letzterer trug auf der Schulter die Fahnenstange des letzten Chodenbanners. Man liess sie ihm zum Spotte. Der Verwalter von Chodenschloss wollte sie ihm zwar in der Kanzlei abnehmen, aber sein Kauther Kollega, Koš, sagte lachend:
»Lass ihm den Prügel zum Andenken, damit ihnen wenigstens etwas von ihrer Herrlichkeit übrig bleibe!«
Als er fortging, lachte noch das Hausgesinde über seine Fahne. Er zuckte aber mit keiner Wimper und sah – nicht vielleicht weil er sich schämen würde, aber vorsichtshalber – zu Boden, denn er fürchtete, dass er durch seine Blicke noch mehr das Gesinde reizen würde, und sich dann möglicherweise zur sofortigen Vertreibung und Züchtigung der herrschaftlichen Spötter hinreissen lassen könnte.
Der neben Kozina einherschreitende Erbrichter Syka sah ersteren einigemal an, als erwartete er eine Bemerkung. Der junge Bauer schwieg aber, als verstände er diese fragenden Blicke nicht. Es war eine traurige Heimkehr. Sie sprachen kein Wort, nur der alte Váchal liess sich einmal vernehmen:
»Jetzt ist's mit allem aus, ja aus!«