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Drittes Capitel.
Allerlei Anknüpfungen.


Als am andern Nachmittage die Gräfin Boochls von Schönfeld zurückkam, wohin sie in leichtem geschmackvollen Hauskleide ohne Bedienung gefahren war, brachte sie einen kostbaren Schmuck von Diamanten mit, den ihr Gemahl, nicht ohne unruhiges Staunen – auf wenigstens zwölf- bis funfzehntausend Francs schätzte. Der Graf konnte einen Ausruf empfindlichen Befremdens nicht unterdrücken, wußte sich aber schnell zu fassen, als ihm die Dame ein: Nun, Herr Graf? zuherrschte. Mit einer abbittenden Verneigung, und seine Worte wählend und wägend, sagte er:

Erlaube mir nur, Franziska, daß ich mich diese Pracht ein wenig Wunder nehmen lasse. Es ist doch – misverstehe mich aber nicht, meine Theure! – ich meine nur, in allem Wechselverkehr der Menschen ist doch ein gewisses, soll ich sagen – ausgleichendes, abmessendes Verhältniß. Wenn du Latein verständest, – wir Juristen haben sogenannte kleine Verträge: do ut facias, ich gebe, damit du thuest, oder facio ut des, ich thue, damit du gebest, und so weiter –.

Nun? Ich verstehe Sie nicht, Herr Graf! fiel die Dame, mit dem Schmuck beschäftigt, ein.

Ich meine nur, – an funfzehntausend Francs, – es ist kein Spaß, und – nun ja – wofür? frage ich. Ich glaube, Franziska –

Was glauben Sie? herrschte sie ihn an. Nur verschonen Sie mich, wenn ich bitten darf, mit allen unwürdigen Artikeln Ihres Glaubens!

Ei nun, – nun ja, ich kann mir freilich schon denken, Franziska, lenkte er ein, – weißt du, – ich glaube, es ist manchmal doch recht vortheilhaft, eine Weile abwesend zu sein.

Da hast du's getroffen, lieber Leo! fiel sie beifällig ein, und dieser Löwenname für einen Mann, der nichts weniger als zu brüllen gewagt hätte, nahm sich in diesem Augenblicke ungemein possirlich aus.

Abwesend, ja! fuhr die Gräfin fort. Es ist unter Umständen eine Klugheit, abwesend zu sein, – selbst auch geistesabwesend; bleibt aber auch unter Umständen ein gewagtes Spiel: wenn man nicht vergessen wird, wird man recherchirt Ich hab's gewagt!

Kühn, wie Ulrich von Hutten! lächelte Boochls mit verbissener Empfindlichkeit, – jacta est alea!

Laß mich mit deinem Latein! fuhr sie fort. Und dann mußt du noch bedenken, Leo, der Schmuck ist sozusagen ein Arrest, ein Beschlag auf die Gevatterschaft. Der König hatte mich, wie ich dir sagte, zu sprechen gewünscht. Sein gnädiges Anliegen war – Nun, du erräthst nun schon, was er sich von uns ausbittet, es möchte ein Sohn oder eine Tochter sein; und – du wirst wol gegen den Namen Jerôme oder Jerôma in deinem Stammbaum nichts zu erinnern haben.

Ah! Das ist 'was Anderes! rief der Graf mit ironischem Aerger aus. Nun, nun, ich sehe, wir stehen sehr gut, Franziska, sehr ausgezeichnet: wir gewähren als eine Gunst, was Andere sich als eine Gnade erbitten! Wir nehmen Pränumeration darauf!

Ha! Sehr geistreich bemerkt! spottete die Gräfin, indem sie etwas hastig den ausgebreiteten Schmuck wieder zusammenlegte. Sie sind wieder einmal sehr witzig, ungemein! Ich sehe wohl, es ist auch für den Witz gut, wenn er länger abwesend war: er frappirt mehr. Aber – er kommt zur rechten Zeit, sehr apropos! Ich will Ihnen sagen, wozu Sie ihn brauchen können. Wir müssen ohne Verzug eine Fête geben. Der König erwartet es, und wir haben noch andere Rücksichten, z. B. Morio mit seiner Verlobten, und Fürstenstein, der sich nun bald mit der ungesalzenen Mademoiselle Salha erklären wird.

Ich dachte dich zu überraschen, Franziska, entgegnete er; aber mir will das weniger gelingen. Ich hatte nämlich schon vor deiner Ankunft Alles zu einem exquisiten Abende vorbereitet, womit ich – deine Rückkehr feiern wollte. Wir können es morgen, übermorgen loslassen, wie du willst, wie dir's angenehm ist.

Guter Mann, lächelte sie ihn mit so bezaubernder Freundlichkeit an, daß er die dargebotene Hand nicht ungeküßt lassen, ja nicht widerstehen konnte, sich an ihre üppige Brust zu werfen und sie zärtlich zu umarmen.

Ha! rief er dabei mit wiederholtem Einathmen durch die Nase, – das ist ein feiner Wohlgeruch in deinen Kleidern! Hm! Deliciös! Hat man so 'was in dem frommen Münster, Fränzchen? Vielleicht Magdalenen-Narde?

Für morgen geht's nun nicht, sagte sie ausweichend. Aber du wirst am besten wissen, wie bald deine liebenswürdige Aufmerksamkeit ausgeführt werden kann. Ich überlasse dir das Arrangement und die Einladungen. Darin übertriffst du alle Ceremonienmeister der Welt. Jetzt geh, ich muß mich ankleiden und noch zur Königin ins Theater. Apropos! Ich vergaß dem Kutscher den guten Wagen zu bestellen. Sei so gut, lieber Leo –!

Er verneigte sich mit den empfindlich höflichen Worten:

Der gute Leo wird den guten Wagen bestellen. Ueberhaupt – wie gut ist es, meine Gnädige, wenn, – ich sage, wenn Alles gut ist! – –

 

Es war nicht das erste mal, daß der zu Haus wie bei Hofe gleich beeiferte Mann die festliche Gelegenheit besorgte, wo seine Gemahlin jene Zuthätigkeit des Königs empfing, mit der sie, um Neid oder Argwohn der Gesellschaft unbekümmert, sich gern brüstete. Diesmal übertraf aber der gefällige Gemahl sich selbst durch den Glanz des Festes. Er hatte sogar der Ungunst seiner schmal gebauten Wohnung, die ihm eine ausgedehnte Zimmerreihe versagte, durch täuschende Kunst einen Vortheil abgewonnen, und durch geschickte Veranstaltung auch die Hausflur mit in den ausgeschmückten Rahmen des Festes gezogen. Sie war nämlich mit Teppichen belegt, und mit blühenden Staudengewächsen, mit Myrten- und Orangenbäumen so geschmackvoll besetzt, daß man durch einen Garten einzugehen glaubte, der sich überdies durch ein Transparent täuschend erweiterte. Durch das Wunder von Farben und Licht war den Augen der Gäste eine Allee zu einem entfernten Tempel vorgezaubert, der freilich als Mittelpunkt der Perspective nur den Blicken, nicht den Füßen der Beschauer erreichbar blieb. Die Treppe in einen emporgewundenen Laubgang, einen sogenannten Berceau verwandelt, führte nach einem Saale und einem Sälchen, beide prachtvoll ausgeschmückt und mit doppelter Musik – dort zum Tanz, hier zur Ausfüllung der Ruhepausen besetzt. Ein Vorzimmer war zum Büffet mit ausgesuchten Erfrischungen eingerichtet, und im obern Stockwerk standen zum Souper kleine Tische gedeckt.

Der König und die Königin, von der Musik begrüßt, nahmen ihre erhöhten Sitze ein, empfingen Aufwartungen und eröffneten die Polonaise, – Jerôme mit der Dame des Hauses, Katharina mit dem dazu aufgeforderten Grafen Boochls. Die Gräfin hatte den neuen Schmuck auf decolletirter Brust ausgelegt, den räthselnden Blicken trotzend, und stolz zu des Königs sehr gemessener Unterhaltung umherblickend. Jerôme besaß den Tact, auch ohne Rücksicht auf seine Gemahlin, den äußern Anstand zu wahren. So hielt er sich auch gegen die Gräfin mit vieler Würde. Doch war sein Gang wie immer etwas schwankend und gebückt neben der hochmüthigen Gräfin, und diese Erscheinung wiederholte sich in dem äußerst devoten, unruhig aufmerksamen Benehmen des Grafen neben der majestätisch getragenen Königin.

Kaum war die Polonaise geendigt, so hob im kleinen Nebensaal die Harmoniemusik an, sanft und entfernt genug, um Unterhaltung dem müßigen Ohre zu gewähren, ohne die mündliche Unterhaltung zu stören. Es waren für diese Pausen des Tanzes französische und italienische Musikstücke gewählt, und wurden unter Blangini's Leitung von den deutschen Musikern der Kapelle mit Widerwillen gespielt, waren aber bei Hofe der deutschen Musik vorgezogen. Man rühmte dem Könige zu Gehör den italienischen Meister so geflissentlich, daß einige Freunde der deutschen Partei eine Absicht darin vermutheten. Es war ihnen schon früher nicht unbemerkt geblieben, daß man Blangini auf Kosten Reichardt's beim König in Gunst und Geltung zu setzen und zu befördern suchte.

Hinter einem benachbarten Spielzimmer lag ein stilles Gemach, zu verliebter oder vertrauter Unterhaltung mit Polstersitzen und gepaarten Sesseln zwischen blühenden Stauden eingerichtet. Hier war, von der durch alle Zimmer geführten Polonaise her, die Gräfin Antonie an Bülow's Hand zurückgeblieben, als sie einen ihrer weißseidenen Schuhe zu befestigen, austreten mußte. Der Tanz war verrauscht, und Beide, ganz allein im Zimmer zurückgeblieben, setzten in leiser Unterhaltung ihr deutsches Gespräch fort.

Wie gesagt, meine Gnädige, ein so kräftiger und geistreicher junger Mann, wie ihn mir auch schon meine Frau geschildert, übersieht leicht ein kleines Liebesunglück. Er wird die so schnell verwandelte Zuneigung einer Creolin für Das nehmen, was sie war. Ihre Gunst wird ihm ein gutes Selbstgefühl für die Gesellschaft geben, und ihre Treulosigkeit, wenn er mit jugendlicher Sentimentalität eine Laune so schwer bezeichnen will, fällt weit hinaus – ins Klima der Antillen, und lenkt ihn vielleicht desto sehnsüchtiger nach einem deutschen Herzen. Denken wir blos an sein Fortkommen! Er scheint etwas Schwärmer, und eine Beschäftigung mit Ziffern und Zahlen in meinen Bureaux könnte ihm heilsam werden. Aber ich müßte mich umständlich mit ihm besprechen, ihn selbst in die Arbeit einschießen, und daran bin ich jetzt durch meine bevorstehende Reise nach Paris gehindert, vor der sich ein Berg von Arbeiten erhoben hat. Es muß damit bis zu meiner Rückkunft anstehen.

Was? Sie gehen nach Paris? Das ischt mir ja 'was Funkelneues! sagte die Gräfin.

Es hat sich auch sehr schnell gemacht, meine verehrte Freundin, erwiderte er. Aber der Kaiser dringt immer heftiger auf Abzahlung der rückständigen Contribution und auf die Organisation unsers Heeres, das er auf 10,000 Mann Infanterie, 2000 Mann Cavalerie und 500 Mann Artillerie bestimmt hat. Was außerdem der Hof und was der junge hungerige Staat consumirt, brauche ich Ihnen nicht zu sagen: Sie leben ja an diesem Hofe. Zu alldem kommt aber noch, daß wir mit westfälischem Gelde ein französisches Armeecorps von 12,500 Mann, das die Garnison von Magdeburg bildet, kleiden und löhnen müssen. Ebenso ungeduldig ist der Kaiser über die Verzögerung mit den vollen 6000 Mann, die wir nach Spanien schicken sollen. Napoleon bedenkt nicht, oder will nichts davon wissen, daß er uns die besten Domänen zu Belohnungen für seine Generale entzogen hat, und daß, so lange unser Westfalen die Verbindungslinie mit den besetzten preußischen Festungen, dem Militärdepot in Danzig und dem Großherzogthum Warschau bleibt, die unaufhörlichen Durchmärsche mit Einquartirung, Vorspann u. s. w. die Hülfsquellen unsers Landes vollends erschöpfen. Da nun unsere Unterhandlungen, durch Zwischenbehörden erschwert, zu keinem Ziele führen: so gehe ich nun selber nach Paris, um den Kaiser zu Milderung der Ansprüche oder wenigstens zur Geduld wegen Abtragung derselben zu vermögen, bis wir mit dem nahen Reichstage neue Mittel durch neue Steuern oder durch ein Anlehen beschaffen können.

O Sie geplagter Finanzminischter, Sie! rief die Gräfin. Wissen S' was? Ich höre jetzt soviel von Metall- und Quellenfühlern reden: Sie sollten so 'ne Wünschelruthe haben. Aber, bleiben S' lang aus?

So kurz wie möglich, eben des bevorstehenden Reichstages wegen, antwortete der Minister. Sollte nun aber Ihr liebenswürdiger Protegé, statt zur Administration überzugehen, lieber der deutschen Wissenschaft treubleiben wollen, so ginge meine Meinung dahin – Aber bei Gott! da kommt ja meine Meinung eben leibhaftig daher! Ist das nicht so drollig, wie der Mann da selbst? Nehmen wir's für eine gute Vorbedeutung! He, Herr Staatsrath! Kommen Sie doch ein wenig hierher!

Dieser Zuruf galt dem Staatsrathe Johannes von Müller, der denn auch gleich mit sehr lebhaften Verneigungen herbeikam. Bülow räumte ihn den Platz neben der Gräfin, und nahm für sich selbst einen nächsten Stuhl.

Sie kommen wie gerufen, sagte er. Haben Sie keine Professur auf einer unserer fünf Universitäten für einen vortrefflichen und – hübschen jungen Gelehrten, einen wissenschaftlichen Alkibiades?

Fünf, sagen Sie? Nun ja, Excellenz, so lange ich ihnen das Leben fristen kann, antwortete Müller, sollen mir auch die fünf bleiben. Stehen Sie mir bei gegen die feindseligen Absichten, die man gegen einige derselben hat, – Vous l'homme par excellence! Sie Geldwirth und Conservator Westfalens, – qui fait feu et flamme dans la partie financière! Auf Ehre, Baron, es wäre großes Unrecht, das kleine Helmstädt, das mit dreißig umliegenden Dörfern aus dem Heim der Minerva gefüttert wird, durch Zerstörung seiner altbraunschweigischen Universität verhungern zu lassen. Und Rinteln hat einen eigenen, kleinen, aber zu den Gehalten und Freitischen hinreichenden Stiftungsfonds. Was? Soll denn Alles und Alles in das Danaidenfaß des – tresor public geworfen werden?

Jedenfalls braucht Göttingen frische Kräfte, versetzte Bülow.

Ja! rief Müller warm. Der König war herrlich in Göttingen! Die Universität wird bleiben. Einen bessern Regenten können wir jetzt nicht bekommen. Mehr und mehr gewöhnt auch er sich an die Nation, wenn er nur immer mit – Ministern umgeben ist, die der innern Verhältnisse kundig sind. Es ist aber und bleibt eine leidige Sache, daß Alles durch Präfecte, Unterpräfecte und Maires gehen soll. Die ernste Bildung steht dabei auf dem Spiel und ich kämpfe dawider, was ich vermag. Doch wir vergessen unsers Alkibiades! Nun?

Bülow theilte ihm das Allgemeinste über Hermann mit, wobei er sich auf die Empfehlungen der Gräfin berief. Müller fragte nach dem Namen und der Herkunft des Candidaten.

Teutleben aus Halle, antwortete Bülow. Ein sonderbarer Name, – man sollte glauben gesucht, affectirt für unsere französisch melirte Zeit, nicht wahr?

Verzeihung! fiel Müller ein. Es ist ein alter literarischer Name. Ein Mitstifter der sogenannten fruchtbringenden Gesellschaft oder des Palmenordens zu Weimar im Jahre 1617 war ein Kaspar von Teutleben, der Mehlreiche zubenannt.

Also ein Mann für Ihre Mühle, lieber Staatsrath! lachte Bülow. Aber Gräfin, – was der Müller für ein Gedächtniß hat! Stupend!

Mich freut's nur, lieber Staatsrath! sagte sie, daß Sie von Ihrer schweren Krankheit sich so charmant erholt haben, um sogar die luschtigen Abende zu besuchen, wo man Sie sonscht nie zu sehen bekam.

Unterthänigst verbunden, gnädige Durchlaucht! verneigte er sich. Nur ausnahmsweise bin ich heut hier: Seine Majestät haben mich hierher befohlen, – wahrscheinlich um einige Touren in einer Française anzugeben, ha ha! Mon Dieu, wo geh' ich sonst auch hin! Wöchentlich haben wir wenigstens zwei mal Staatsrath; ein paar mal geh' ich zu Hof; einmal etwa zu einer Partie Schach bei meinem lieben Siméon; sonst lebe ich wie ein Einsiedler. Aber es geht mir nun wieder gut! Danke der gnädigen Theilnahme! Alle meine Uebel kommen von moralischen Ursachen: von Aerger und Gram, wenn die Sachen schief angefangen werden, oder nicht gehen, oder barbarische Vorurtheile das Gute bekämpfen.

In diesem Augenblicke kam Graf Boochls mit suchenden Blicken herein. Er suchte Müller'n, der zum König gerufen wurde und sich mit den Worten empfahl:

Schicken Sie mir Ihren Alkibiades! Ich will sehen, in welche Fakultät er paßt. Bin sehr verlangend, ob er gar ein Abkömmling Kaspar's von Teutleben ist.

 

Auch die Gräfin hatte sich erhoben, und Bülow geleitete sie nach dem Saale. Sie begegneten den Baron Reinhard.

So spät, Excellenz? fragte die Oberhofmeisterin.

In der That, Durchlaucht, es muß später sein, als ich dachte, versetzte er; es ist Alles so bewegt. Ich fragte eben die Generalin Salha, was das für ein Aufruhr sei. Ei, antwortete sie mir mit etwas – scharfem Lächeln, ein vornehmer Verbrecher ist am Pranger.

Wie, Madame? frage ich, und sie wirft einen Blick nach der Gräfin Boochls, der ich mich eben als angekommener Gast präsentirt hatte. Wirklich stand die reizende Frau da, mit tändelnder Hand an ihrem kostbaren Diamantenschmucke spielend, der auf die Brust herabhing, und mit einem Lächeln, das allen Frauenneid der Welt herausfoderte. Der Schmuck ist, – glaub' ich, neu, der Anwesenheit eines Königs werth und – ich begriff die Situation. – Ei, Madame, sagte ich der Generalin, wenn der Schmuck der Verbrecher ist, so ist er ja bereits auch gehenkt.

 

Die Gräfin entfernte sich lächelnd, und trat auf Morio zu, der sich ihr mit seiner Braut näherte. Reinhard und Bülow gingen in den Saal, und kamen zufällig in die Nähe des Königs, der sich mit dem Staatsrathe Müller zurückgezogen hatte. Er winkte sie herbei.

Wir reden eben von den um sich greifenden Bewegungen in Spanien und von etwa für Deutschland zu besorgenden Unruhen, sagte er. Für solchen Fall wünscht mein kaiserlicher Bruder zu wissen, welche Maßregeln dagegen von Westfalen aus zu treffen sein möchten.

Sire, antwortete Müller, alle Völker Europas sind in einer Gährung begriffen: eine Weltumgestaltung bereitet sich vor, unaufhaltsam. Welche von den europäischen Nationen sich zuerst im Sinn und für das Bedürfniß der Zukunft constituirt, die wird über die andern herrschen. Das allein scheint mir zu helfen, aber auch als Universalmittel zu helfen gegen alle Revolutionen; diese sind nur Symptome, nicht die Krankheit.

Gut! versetzte Jerôme, halb zerstreut, entwickeln Sie diese Idee in einem Berichte mit Rücksicht auf die aufrührerischen Schriften, die sich in Deutschland mit jedem Tage vermehren und Gefahr drohen, indem sie Abhilfe einer vorgeblichen oder übertrieben geschilderten Noth versprechen.

Bei den Deutschen, Sire, ist ein weiter Weg von der Feder bis zum Dolche, entgegnete Müller. Ein Deutscher kann lange schreiben, bis er gelesen wird; er wird lange gelesen, ehe er Eindruck macht und die Gemüther ergreift, und von da bis zu einer That können Generationen vergehen.

Ein Adagio im Nebensaal war beendigt und Graf Boochls brachte dem Meister Blangini herbei, ihn dem König vorzustellen. Jerôme sagt ihm einige freundliche Worte über die Wahl und Ausführung der Abendmusikstücke. Die Gönner des Maestro hatten ihm diese Auszeichnung bereitet, wie ihn denn die französische Partei auf alle Weise zu heben suchte. Er war seit kurzem zum Hofconcertmeister ernannt worden, und die ersten Familien suchten ihn, den Musiklehrer der Königin, für den Unterricht ihrer Töchter zu gewinnen. Der Maestro galt, und verdiente Geld.

Blangini war nicht ohne Talent und Verdienste; wer aber beides am lebhaftesten anerkannte, war er selbst, – ein kleiner, schwarzer, etwas welker Italiener in den Vierzigen, lebhaft in seinem Benehmen und von liebenswürdigen Manieren. Nur seine Abholden fanden ihn schneidermäßig aussehend. Vielleicht nur, weil ihm Farbe und Schnitt der Dienstkleidung nicht gut zu Gesicht stand, und er sich darin etwas geckenhaft benahm. Das Orchesterpersonal hatte Braun mit Goldstickerei zur Uniform, und Blangini, eitel wie er war, gefiel sich gar sehr in seinem habit français, gestickten Rock, Weste und Beinkleid. Die Auszeichnung, worin er eben vor dem Könige stand, entzückte ihn, und er nahm schon bei Jerôme's Lob den Anlauf, sich über seine Compositionen auszubreiten, als ihn Graf Boochls am Kleide zupfte, und Jerôme ihn mit einer Handbewegung entließ.

Eine Française wurde angespielt, und Adele, die Braut, gab dem herbeieilenden General Rewbel die Hand. Diese Gelegenheit ergriff Morio, die Gräfin Antonie um ein paar Augenblicke bei Seite zu bitten. Man konnte ihm anmerken, daß er bereits wiederholt das Büffet besucht hatte; er war aufgeregt, aber in heiterer Stimmung.

Ich habe Ihnen noch meinen Dank abzustatten, Gräfin, sagte er. Sie haben ein Wunder an meiner Adele gethan.

Sie verstand ihn, und es läßt sich denken, wie unruhig sie ward.

Offen gesprochen, wie ein Mann von Ehre, fuhr der Kriegsminister fort. Im Augenblicke, wo ich das Unbesonnenste vornehmen wollte, erfuhr ich mein Glück. Nur der König war mir zuvorgekommen, sonst wäre ich in die deutsche Lection jenes Abends hineingestürmt, hätte den Sprachmeister, die Schülerin, die – nun ich weiß nicht, was ich Alles gethan hätte. So gehe ich zu Le Camus; wir warten und wüthen nach Allem, was ich wußte oder was ich glaubte, und können uns nicht entschließen, zu Hardenberg zu gehen, wo wir eingeladen waren. Unsere Ungeduld nimmt immer zu, – sieh, da kommt Adele stürmisch in das Zimmer, erschüttert bei meinem Anblick bricht sie in Thränen aus, und ehe wir zu Vorwürfen kommen können, liegt sie in meinen Armen: Vergib, ich bin dein! Nur diese Worte kann sie vorbringen. Ich bin wie vom Himmel gefallen, ich vergebe ihr all' ihr unliebenswürdiges Betragen gegen mich und bin der glücklichste General einer ganzen Armee von Glücklichen – General en chef, wenn Sie wollen. Aber zu meiner Beschämung fühle ich auch, daß ich das Ihnen zu verdanken habe. Wie Sie das bewirkt, weiß ich nicht, Madame; wie es durch die deutsche Grammatik geschehen, bleibt mir ein Räthsel. Adele ruft nur immer Ihren Namen in einem Ton, der uns eine Scene vermuthen läßt. Nicht wahr?

So wissen Sie also von den deutschen Lectionen? fragte Sie zerstreut, überlegend.

An demselben Tage vor Tische beim König hatte es mir Bercagny, aber auf boshafte Weise mitgetheilt.

Bercagny? rief sie erstaunt, ja betroffen aus.

Nun, Sie wissen ja, die Spitzbuben haben ihre Schnüffelhunde allerwärts. Sie werden auch nicht lauter zuverlässige Domestiken haben.

Die Gräfin erschrak und ward nachdenklich darüber, wer von ihren Leuten im Dienste der Polizei stehen könnte, bis Morio wiederholt der deutschen Lectionen erwähnte. Sie suchte sich zu fassen und nahm eine heitere Miene an.

Lernen Sie aus meinem Verfahren Adelen kennen und behandeln, General! sagte sie. Sie waren viel zu heftig gegen den deutschen Unterricht, – Adele trotzte, – der Widerspruch führte sie zum Unterricht, der Unterricht zur Erkenntniß. Sie war ein Kind –

O Sie glauben nicht, wie Sie sich verwandelt hat! fiel Morio ein. Ernst, gehalten, voll Würde, voll Stolz, und doch gegen mich nachgiebig, zuvorkommend! Ich hätte eine so rasche Umwandelung nicht für möglich gehalten.

Das freut mich! erwiderte die Gräfin aufathmend. Das sind weibliche Tugenden, die selbst um den höchsten – Preis erkauft nicht zu theuer sind!

Sie wollte sich mit diesem Ausspruch ihrer Selbstberuhigung zurückziehen; doch der General hielt sie noch fest, indem er, nach Worten suchend, leiser fortfuhr:

Noch ein Räthsel, Gräfin, beunruhigt mich etwas. Adele hat eine Art von Widerwillen gegen den Monsieur – Dings, den jungen Sprachmeister, gefaßt. Denn gehabt kann sie dergleichen nicht haben, – solchen Abscheu, nicht vorher. Wie mag das kommen? Adele steht mir nicht Rede darüber. Und der Mensch hat die Kühnheit gehabt, sich in Fürstenstein's Hôtel bei Adelen anmelden zu lassen, als sie allein zu Hause war, – einige Tage nach jenem Abende. Sie hat ihn natürlich abweisen lassen. Mir hat es der Bediente gesteckt. Der junge Mann hat einen Augenblick angestanden, ein Billet abgeben zu lassen, hat's aber doch zurückbehalten, und ist fortgestürmt. Hat er etwa noch Bezahlung zu fodern, oder – hat er sich beigehen lassen, sich – zu verlieben? Der Teufel soll ihn holen, wenn er sich eine Unziemlichkeit –!

Die Gräfin war erschrocken. Sie wußte nicht gleich, was sie dem barschen Mann sagen könnte, und zog sich mit ihm mehr nach dem entlegensten Zimmer zurück. Endlich nahm sie in leisem, aber leichtem Tone das Wort:

Haßt ihn, sagen Sie? Ich halte es nicht für Haß oder persönliche Abneigung, General. So launenvolle Mädchen, wie Adele war, springen in ihren lebhaften Empfindungen gern in Extreme über, und kommen nur nach und nach zum liebenswürdigen Maß. Sie übertreiben jede Regung ihres Herzens. Als Adelens Neigung auf die deutsche Sprache fiel, war sie Ihnen wol auch nicht so abgeneigt, als sie es Ihnen wegen Ihres Widerspruchs zeigte. Ich dachte mir wol, sie würde durch einen Versuch geheilt werden. Ich ließ sie unter meiner Aufsicht sich mit der Sprache beschäftigen. Sie war nun befriedigt, und faßte desto leichter eine Abneigung gegen die Sprache, die ihr zu schwer fiel, und diese Laune mag sich nun auf den Lehrer geworfen haben. Sie möchte sich überreden, er sei schuld, daß sie nur wenig gelernt und begriffen hat. So wollen wir es uns erklären. Aber sprechen Sie ihr nie davon, – beschämen Sie das reizbare Herz nicht, und sie wird sich zurechtfinden! Bezahlung hat der junge Mann nicht zu fodern; er hat für mich gehandelt, ich bin seine Schuldnerin und auf dem Weg, etwas für ihn zu thun. Wahrscheinlich hat er Adelen nur gratuliren wollen und – vielleicht ein Gedicht für sie in der Tasche gehabt. Das ist recht deutsch, lieber General! Die deutsche Jugend hat ein poetisches Friesel zu überstehen!

Sie begleitete die letzten Worte mit einem erzwungenen Lachen, zu dem sich aber ein unfreiwilliges Erröthen einstellte. Sie entzog sich dem General, und eilte nach dem Saale zurück, wo sie in der dunstigen Luft und Lust des Abends schwer ausathmete. Sie sah sich nach einem einsamen Plätzchen um; aber Ahnungen und Sorge folgten ihr auch dorthin. Der Gedanke, daß mit Adelens Verlobung vielleicht nicht abgethan sei, was sie aus Unbedachtsamkeit mitverschuldet habe, kehrte lebhaft zurück. Der Verdruß über den Verrath der deutschen Lectionen und daß einer ihrer Dienstboten in Verbindung mit der geheimen Polizei stehe, kam dazu. Und sollte sie sich nicht auch über Adelens Widerwillen gegen Hermann ängstigen und um ihrer selbst willen Sorge machen?

Nach einer Weile stand sie auf, die unbedachtsame Braut aufzusuchen, sie zu warnen, und ihr zur Beruhigung des argwöhnischen Morio eine gelegentliche Freundlichkeit gegen den jungen Doctor anzuempfehlen.

Doch, abgesehen auch vom Gelingen, – wie demüthigend waren nicht solche Ausflüchte und Schritte für eine so hohe Frau! Wie erniedrigt durch eigenen Leichtsinn fühlte sich nicht ein so fürstliches Herz!



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