Leopold Kompert
Am Pflug
Leopold Kompert

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21. Die Richterstochter.

Noch an demselben Abend in später Stunde trug Tille das Tuch zurück. Anschel hatte verlangt, daß sie damit bis zum andern Morgen warten solle; sie war aber darauf bestanden. »Wenn du nicht darfst,« hatte sie gesagt, »und sie darf auch nicht, warum willst du noch eine Nacht darüber hingehen lassen?« Anschel hatte sie den Weg antreten lassen, widerstrebenden Herzens, auf den Lippen ein unausgesprochenes, schwebendes: Nein.

Als Tille zurückgekehrt war, hatte sie rotgeweinte Augen; aber nur Anschel bemerkte dies; er wagte es nicht, sie auszufragen. Vor dem Schlafengehen nahm sie ihr Gebetbuch und betete den langen Abendsegen mit lauter Stimme. Das hatte sie nicht getan, seitdem sie aufs Dorf gekommen. Nachime hörte es mit Staunen, und so eigentümlich befremdend kam ihr dieser sonst so gewöhnliche Vorgang vor, daß sie das Kind besorgt fragte: »Ist dir was, Tille?« Das Kind sah seinerseits die Mutter mit großen, verwunderten Augen an und suchte schweigend sein Lager auf.

Mußte auch dieses Kind der Gewalt jenes Gesetzes folgen, dem alles im Hause seit dem ersten Augenblicke unterworfen war? Wollte sich Tille gegen die Heimsuchungen liebgewordener Vorstellungen dadurch feien, daß sie gleichsam zu dem Gotte ihrer alten Heimat wieder zurückkehrte, der unter den neuen Eindrücken des Dorfes farblos, unentschieden in ihrer Seele geworden war?

Erst im Laufe des nächsten Morgens fand Anschel die ersehnte Gelegenheit, das Kind um die Einzelheiten seiner Sendung auszufragen. Aber Tille schien ihm aus dem Wege zu gehen, und ein Gefühl von Scham hielt ihn andererseits ab, der Schwester ein allzu eifriges Suchen zu zeigen. Endlich traf er sie im Garten unter einem Apfelbaum sinnend stehen.

»Frag mich nicht, frag mich nicht,« rief ihm das Kind entgegen und hielt sich dann beide Hände vor die Augen, als hätte sie dadurch Anschels Gegenwart verleugnen können.

»Was hat sie also gesagt?« meinte Anschel mit jener tonlosen Ruhe, die ebenso angelernt, als tief empfunden sein kann.

»Frag mich nicht,« rief das Kind beinahe flehend.

»So Schlechtes hast du mir auszurichten?« fragte Anschel.

Tille ließ jetzt mit einem Male die Hände von den Augen fallen. Ein tränenüberströmtes Antlitz blickte Anschel an.

»Sagst du mir also nicht, was du ausgerichtet hast?« rief er noch einmal.

»Alles ist aus, Anschel,« sprach das Kind schluchzend, »alles, gar nichts ist geblieben. Erst war sie meine Freundin, jetzt ist sie meine Feindin geworden. Aber ich mach' mir nichts daraus. Wenn aber zwei Menschen auseinandergehen, der eine dahin, der andere dorthin, müssen sie denn im Bösen auseinandergehen?«

»Böse ist sie also gewesen?« meinte Anschel, dessen ganze Seele nur an dem einen Worte zu haften schien.

»Sie hat das Tuch genommen. Ich habe ihr gesagt, du schickst es ihr zurück, weil sie es so verlangt hat. Sie hat es fast zerrissen vor meinen Augen. ›Hab' ich's denn verlangt?‹ sagt sie, und ich meine darauf: ›Du hast mir's ja selbst aufgetragen.‹ Du hättest da ihr Lachen hören sollen, Anschel! ›Gut,‹ sagt sie, ›wenn er mir's zurückgeschickt hat, so wär' ich ein Narr, wenn ich's nicht behalte. Es wird sich schon einer finden, der streckt alle zehn Finger nach dem Tuch aus, wenn ich's ihm nur von weitem zeige. Einer steht vor meinem Fenster, und der wartet schon lange darauf.‹«

»Wer ist das?« sprach Anschel unhörbar vor sich hin.

»Drauf sag' ich ihr,« fuhr das Kind in seinem Berichte fort, »wie kannst du so etwas meinem Bruder antun? Hat er dir denn gar so viel Böses getan? Du hast ja dein Tuch zurückverlangt, und jetzt sieht es fast aus, als ob dich mein Bruder Gott weiß wie beleidigt hätte. Anschel, bis jetzt hab' ich nicht gewußt, daß sich Menschen so ändern können; jetzt weiß ich's. Sie war gar nicht dieselbe mehr. Sie packt mich bei der Hand. ›Nicht wahr,‹ sagt sie, ›ihr habt ihm dazu geraten, ihr könnt es nicht ertragen, daß er mich gern hat?‹ ›Es weiß es ja keiner,‹ sag' ich, ›was redest du mir ein?‹ ›So hat er mich betrogen,‹ schreit sie drauf, ›dein Bruder hat mich betrogen! . . . Das sag ihm, und er wird bald von mir hören.‹«

Tille mochte wohl des Glaubens sein, die Wirkung ihrer Worte auf das leidende Gemüt ihres Bruders müßte auch äußerlich in Miene und Gebärden sich zeigen; aber an Anschel war keine heftige Erregtheit sichtbar; nur zuckten seine Lippen, als ob er nach Worten ringe.

»Sie hat recht, Tille,« brachte er endlich hervor, »aber betrogen hab' ich sie nicht, das kannst du mir glauben! Wie wär' mir nur das eingefallen? Hab' ich ihr denn etwas versprochen gehabt? Sie hat zurückverlangt, was sie mir gegeben hat, und ich – ich hab' es ihr zurückschicken müssen. Du weißt ja warum? Sag selbst, hab' ich's behalten dürfen?«

Wieder leuchteten die Augen des Kindes voll tiefen Erbarmens zu dem Bruder auf.

»Mich fragst du?« meinte sie mit schmerzlichem Lächeln.

»Du hast ihr doch gesagt,« rief dann Anschel, »warum ich es nicht behalten kann?«

»Glaubst du denn, sie hat das gelten lassen? Sie hat mich nur noch mehr ausgelacht,« sagte das Kind wehmütig.

»Du glaubst nur, daß sie gelacht hat,« meinte Anschel, »aber was hat sie dazu gesagt?«

»Du wirst mich nicht ausreden lassen,« rief das Kind wie von inneren Schauern ergriffen,. »wenn ich dir's sage.«

»Red nur,« sprach Anschel.

Tille hielt eine Weile an sich; sie wehrte sich gegen das Aussprechen eines Furchtbaren. Ihr holdes Antlitz war ein Spiegel dieses Kampfes.

»Ich kann dir's ja doch nicht verschweigen,« rief sie endlich, gewaltsam sich zusammenraffend, »was hättest du denn davon, wenn du nicht alles wüßtest. Es ist ja so alles aus. Willst du also wissen, was sie gesagt hat? Du wirst aber erschrecken.«

»Ich erschreck' nicht mehr,« sagte Anschel.

»Nun gut,« sprach Tille mit erschöpfter Stimme. Sie hat gesagt: ›Gibt's denn keinen Pfarrer in der Welt?‹«

Kaum hatte sie aber diese Worte ausgesprochen, als sie erschreckt beiseite sprang; die Hände hielt sie vor das Gesicht.

»Schweig, schweig,« rief Anschel.

Es war ein merkwürdig prüfender Blick, den das Kind in diesem Augenblicke auf den Bruder warf. Er glitt über ihn hin, schnell wie ein Blitz, und doch lag darin mehr als eine Frage. Wollte sie sehen, wie Anschel nach dieser Meldung sich ausnahm? Zweifelte sie an der Stärke seines Entschlusses? Oder sprach ein Wunsch daraus, Anschel möchte sich die Frage seines Mädchens überlegen?

»Das ist alles, was sie gesagt hat,« meinte sie jetzt und hielt inne.

»Es ist auch ganz genug,« sprach Anschel, wie es schien, gefaßt.

»Anschel,« rief mit einem Male das Kind und trat näher auf ihn zu.

»Was willst du?« fragte er leise.

»Anschel,« . . . . sagte Tille und legte schmeichelnd seine Hand auf des Bruders Arm. »Muß alles aus sein?«

»Ja,« tönte es von den Lippen Anschels zurück.

»Was wirst du jetzt tun?« sagte noch das Kind.

Gesenkten Hauptes ging Anschel ins Haus zurück; er hatte keine Antwort auf die letzte Frage. Tille folgte ihm nach. Als sie in den Hof traten, wandte sich Anschel noch einmal um und winkte die Schwester an sich:

»Red' mir nichts mehr davon, Tille,« sagte er oder bat vielmehr.

»Kein Wort, verlaß dich drauf,« entgegnete das Kind.

Fast gegen unsern Willen werden wir jetzt aus dem Bereiche dieser Geschichte um einige Häuser weiter gedrängt. Am Hause des Richters bleiben wir stehen; wir müssen über die Gartenplanke hinüberblicken, über die jenes weiße Tuch gereicht worden war. Das Liebeszeichen jener Nacht hat seinen Weg wieder zurückgefunden. Sehen wir, was sich daran schließt!

Es ist ein eigentümlich Weh, das der gedemütigten Liebe, mit keinem andern zu vergleichen, von denen ein Menschenherz durchzittert wird. Es kann sich zu Höhen erheben, zu denen hinanzusehen das Auge schwindelt; aber auch in die Tiefe von Abgründen versinken. die kein Senkblei noch erforscht hat. Zwischen Anschels entsagender und Annas gedemütigter Liebe lagen eben diese Höhen und Tiefen; die Tochter des Richters gehörte nicht zu jenen Charakteren, die sich erheben können.

An demselben Morgen, der jene Unterredung zwischen Anschel und Tille belauschte, erscholl aus jenem Hause ein wildes Lied. Gerade um diese Zeit ging Elieh an diesem Hause vorüber.

Er stellte sich an die Gartenplanke hin, und durch eine Spalte konnte er sie bemerken, die in so sonderbarer Weise sich all seines Denkens und Sinnens bemächtigt hatte . . .

So war es dem Bocher zum ersten Male gegönnt, seine Sinne an ihrem ganzen Wesen sattsehen zu lassen. Bis dahin war sie ihm aus der Ferne in unsicheren Umrissen erschienen; jetzt hatte er sie nahe; jede ihrer Bewegungen konnte er belauschen, keine entging ihm. Sie stand am Brunnen und schöpfte Wasser in einen Trog. Wie schön, wie groß sie war. Wie ihr die trotzige Miene so lieblich stand! Plötzlich flog eine Henne über den Hof, von der Katze verfolgt, und da sie keinen Ausgang fand, hob sie die Flügel und setzte mit ängstlichem Geschrei über die Planke, wo sie matt und müde neben Elieh niederfiel.

Unbewußt was er tat, bückte sich Elieh nieder und ergriff das flatternde Tier, das sich umsonst dagegen wehrte. Gleich darauf trat Anna zum Tor hinaus. Als sie den Bocher erblickte, blieb sie erschrocken stehen, seine Ähnlichkeit mit Anschel mochte ihr aufgefallen sein. Elieh reichte ihr die Henne hin, die das Mädchen fast zögernd empfing.

Elieh stand ihr zum ersten Male von Angesicht zu Angesicht gegenüber.

»Du hättest die Henne nicht fangen müssen,« sagte das Mädchen, indem sie das scheue Tier mit ihren Händen streichelte, »sie hätt' den Weg schon zurückgefunden.«

»Sie ist mir grade vor die Füße geflogen . . . hätte ich sie da nicht aufheben sollen?« entgegnete Elieh stockend.

Das Mädchen schaute auf; über Eliehs Antlitz flog die Röte einer Fieberhitze, dann heftiges Erblassen.

»Bist du schon lange im Dorfe?« fragte mit einem Male das Mädchen.

»Weißt du das nicht?« entgegnete leise Elieh.

»Bist du denn mit ihnen gekommen?« fragte nach einer Weile das Mädchen, und die Richtung ihrer Augen blickte nach dem Hause seiner Familie hin.

»Du hast mich gleich in der ersten Nacht, wo wir gekommen sind, gesehen, und ich dich,« sagte Elieh mit Mühe.

»Ich habe dich gesehen?« rief das Mädchen und trat einige Schritte gegen das Tor zurück.

»Du weißt vielleicht davon nichts,« sagte Elieh, »aber ich weiß davon. Ich bin da auf dem nämlichen Platze gestanden . . . du hast aber mit einem andern gesprochen.«

»Warst du der?« rief das Mädchen, und das Trotzige ihres Antlitzes nahm einen beinahe düstern Ausdruck an.

»Und mit dem andern hast du gesprochen,« fuhr Elieh fort, dem mit dem Sprechen ein Gefühl von Mut gekommen war, »mit mir aber nicht! Mit ihm bist du gegangen und gestanden; auf mich aber hast du nicht gesehen. Als wenn ich in der Welt gar nicht wäre, sieht kein Mensch auf mich – nicht mein Vater, nicht meine Mutter, nicht meine Geschwister, ich bin allen wie ein Niemand . . . Und so wie es meine Familie macht, so hast du es auch gemacht. Du hast mich gesehen, aber ich bin dir wie nichts vorgekommen; du hast gewußt, daß ich im Dorf bin, aber hast du dich darum gekümmert? Wenn aber der andere sich nur von weitem gezeigt hat, da ist ihm dein Herz entgegengesprungen . . . Warum? Bin ich kein Mensch? Hab' ich keine Augen und kein Herz? Weiß ich nicht, daß du schön bist, wie nur etwas in der Welt?«

Die Worte flossen ihm rasch, in leidenschaftlicher Erregtheit über die Lippen. Wer lehrte ihn so sprechen? in einer Sprache, die er eigentlich nie gelernt? War es Wojtechs Gebetbuch? War es eine jener unerklärlichen Kraftanstrengungen der Seele, die aus ungesehenen Quellen schöpft?

Heute noch ein kränklicher »Bocher«, dem die Eltern den Talmud gleichsam als Vorbereitung zu einem frühzeitigen Tode überließen, hatte er über Nacht geistige und leibliche Fesseln gesprengt, und stand nun als der Elieh da, der solche Worte sprach!

Das Mädchen hatte ihn schweigend angehört, aber auf seinen Mienen war der düstere Trotz verschwunden, es fürchtete sich. Vielleicht dachte sie, ein Wahnsinniger stünde vor ihr. Sie sah besorgt um sich her; plötzlich griff sie nach dem Tore und stieß es auf. Elieh trat rasch auf sie zu.

»Fürchtest du dich vor mir?« rief er; »warum läufst du vor dem andern nicht fort? Wie lange habe ich auf diesen Augenblick schon gewartet, und jetzt willst du mich hier stehen lassen? Ich muß dir ja alles sagen . . . Willst du denn, daß ich noch einmal sterbe? Einmal hast du mich vom Tode aufstehen gemacht . . . soll ich dir nicht einmal danken dafür?«

Diese Worte mochten das Mädchen noch mehr in dem Glauben bestärken: Elieh spreche als ein Unsinniger zu ihm. Sie ermannte sich in ihrer Furcht, sie konnte sogar lachen.

»Ich hab' in meinem Leben keinen Toten gesehen,« rief sie, »wie hätte ich einen wieder zum Leben bringen können?«

»Soll ich dir sagen, wie?« begann Elieh sogleich.

»Du weißt vielleicht nicht, daß ich auf den Tod krank war, und daran warst du schuld! . . . Meine Mutter und unser Knecht Wojtech haben schon geglaubt, die Seele hätte mich verlassen; denn ich habe nicht mehr geatmet. Aber ich habe doch von mir gewußt; mitten in meiner Lage hab' ich nur an dich gedacht! Da war's in einer Nacht, . . . alles war ruhig in unserm Hause; nur Wojtech und meine Mutter haben bei mir gewacht. Aus dem Wirtshause her hab' ich die Musik gehört, . . . mein Kopf, hab' ich gemeint, zerspringt mir davon. Meinst du von der Musik? Nein. ich habe gedacht, daß du jetzt dort bist und mit anderen tanzest . . . Auf einmal höre ich Schritte vor unserm Hause, . . . es klopft einer an das Fenster. Du bist's gewesen! . . . du hast damals gerufen und davon bin ich gesund geworden. Von der Minute an war ich für immer gesund! Jetzt sag': ist das wahr oder ist's nicht wahr?«

»Selbes ist wahr,« sagte das Mädchen nachdenklich, und warf einen aufmerksamen Blick auf Elieh, »ich bin die gewesen, die damals an das Fenster geklopft hat. Aber, daß es dir hätte gelten sollen,« setzte sie stockend hinzu, »davon weiß ich nichts.«

»Ich weiß, wem es gegolten hat,« rief Elieh schmerzlich, »du brauchst mich nicht erst daran zu erinnern. Aber er hat geschlafen und hat nicht gewußt, daß du es gewesen warst! Ich aber, ich habe gewacht, ich habe dich gesehen. Mich hast du vom Tode aufstehen gemacht! Kommt dir das nicht vor, als ob's eine besondere Schickung wäre? Unser Wojtech hat's für ein Wunder gehalten.«

»Glaub das nicht,« sagte das Mädchen tief errötend, »ich hab' einen Spaß gehabt in jener Nacht, aber an etwas Ernstes hab' ich nicht gedacht.«

»Hat er vielleicht nicht geschlafen,« rief Elieh, »kannst du das ableugnen? Frag ihn, ob er im Ernst an dich denkt? Ich seh' ihm's ja an, an was er denkt.«

»Weißt du das auch?« schrie sie und trat an Elieh nahe heran, daß ihn ihr Atem berührte.

»Ich weiß alles!« sagte Elieh.

Warum erzittert das ganze Wesen des Mädchens unter diesen Worten? Sie sah den Bocher mit einem Blicke an, der ihm tief bis an die Seele drang. Er selbst mußte die Augen davor niederschlagen. Da sagte sie halblaut:

»Heute nacht komme her, das Tor wird offen sein . . . und du wirst nicht warten müssen. Ich habe mit dir zu reden.«

Elieh antwortete nicht; als er aufschaute, war das Mädchen fort . . .

Als die Nacht herangebrochen, die volle, sternenstrahlende Nacht, stand Elieh an der Hausplanke. Welch eine tiefe atemlose Ruhe in der Natur, in dem ganzen Dorfe! Welch eine warme, drückende Luft!

»Pst! Bist du da?«

»Ja!«

»So komm!«

Das Tor der Hausplanke öffnet sich geräuschlos. Elieh schleicht über den Hof; eine Hand leitet ihn und diese Hand ist fieberhaft heiß. Da regt sich etwas Schwarzes, Geheimnisvolles zu seinen Füßen, . . . es flattert auf. Es ist eine Henne, vielleicht dieselbe, die heute am Morgen fliehend vor der Verfolgung an ihn herangezogen kam. Fand der arme Vogel seitdem keine Ruhe? . . .

Halb und halb ist die Nacht vergangen, die geheimnisschwere, dunkle Nacht! Haben Engel gewacht, droben über den goldenen Sternen? Schliefen sie, während ihre heimtückischen Stiefbrüder hohnlachend sich niedersenkten, um auszuführen, was verräterische Leidenschaft und gedemütigte Liebe sich zuraunten? . . .

Als Elieh wieder an das Tor der Hausplanke kam, flatterte die Henne nicht mehr. Die ersten Streifen der kommenden Morgenröte fuhren auf am östlichen Himmel; die Luft zog schneidend kalt. Leise öffnete, unhörbar schloß sich das Tor. Ebenso geräuschlos schwang er sich über das niedere Tor des väterlichen Hauses. Alles war stille . . . Als er niederstieg, stießen seine Füße an eine lebendige Körpermasse. Es war Wojtech, der die Abwesenheit Eliehs bewacht hatte. Schlaftrunken fuhr der Knecht in die Höhe, und wie aus tiefstem Traume erwachend, lallte er:

»Hab' ich nicht recht gehabt, hochwürdiger Herr?«

Elieh eilte ohne Antwort auf seine Kammer.


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