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Der alte König saß auf seinem Thron und regierte. Er hatte eine Krone auf dem Kopf mit einer warmen Unterlage, und an den Füßen trug er Filzpantoffeln. Es war eben schon ein alter König, der sich ein bißchen schonen mußte beim Regieren, während sich die Könige ja sonst immer dabei überanstrengen. Außerdem sahen die Filzpantoffeln wirklich sehr hübsch aus, es waren alle sieben Farben daraufgestickt, denn das Land, das der alte König regierte, lag ganz weit von hier irgendwo hinter dem Regenbogen. Der Regenbogen war das Tor, durch das man hindurchgehen mußte, und darum waren seine sieben Farben die Landesfarben und die Farben auf den Filzpantoffeln des alten Königs. Ordentlich fröhliche Füße bekam man, wenn man die Pantoffeln anhatte, und der alte König war auch immer sehr fröhlich gestimmt, wenn er sie anzog.
Wenn er nun so auf seinem Thron saß und regierte, dann hielt er sein Zepter in der rechten Hand und in der linken einen Reichsapfel. Das war aber kein goldener, sondern ein ganz richtiger Apfel. Der goldene Apfel war dem alten König schon lange zu schwer geworden, er mußte auch jeden Tag mit Flanell abgerieben werden, und das ist so umständlich. Den richtigen Apfel aber konnte man essen, und so aß der alte König eine ganze Menge Reichsäpfel, wenn er so dasaß und regierte. Er nährte sich sozusagen davon. Die Kerne aber spuckte er aus, denn die muß man niemals mitessen, weil das nicht gesund ist und ganz besonders nicht für einen alten König.
Das Land, das der alte König regierte, war nicht groß, denn hinter dem Regenbogen liegen sehr viele Länder, wie jeder weiß, der einmal dahintergekommen ist. Also können die einzelnen Länder auch nicht so groß sein, und das ist auch gar nicht nötig, denn wenn ein Land so sehr groß ist, so muß es auch einen sehr großen König haben, und die sind viel schwerer zu finden als die großen Länder. So war auch das Schloß des alten Königs nicht groß, aber den Thron konnte man ganz schön darin aufstellen, eine Küche war auch noch dabei, und das ist doch schließlich die Hauptsache. In der Küche wurden jeden Tag Pfefferkuchen gebacken. Früher hatte das immer die alte Königin getan, und ihre Pfefferkuchen waren die schönsten in allen Ländern hinter dem Regenbogen. Nun tat sie es schon lange nicht mehr aus dem Grunde, weil sie gestorben war. Aber sie hatte dem Staat ein großes Erbe hinterlassen: das wunderschöne Pfefferkuchenrezept und eine ebenso wunderschöne Prinzessin, und es war sehr schwer zu sagen, welches von beiden das Schönere war. Wenn jemand glaubt, das Schönere müsse doch allemal die Prinzessin gewesen sein, dann hat er noch niemals richtige Pfefferkuchen gegessen, und wenn jemand denkt, die Pfefferkuchen müßten das Schönere gewesen sein, dann hat er noch niemals eine richtige Märchenprinzessin geküßt!
Seitdem nun die alte Königin tot war, buk die Prinzessin die Pfefferkuchen, und dann wurden es immer lauter Pfefferkuchenherzen. Der alte König fand das ein bißchen eintönig, aber die Prinzessin konnte eben nur die Herzen formen, und dabei seufzte sie, besonders wenn sie die Mandeln hineindrückte.
Der alte König wäre vielleicht auch schon gestorben, aber er wollte dem Reich auch gerne ein großes Erbe hinterlassen, und dafür war ihm immer noch kein Rezept eingefallen. So blieb er schon lieber einstweilen leben und regierte seine Untertanen. Er hatte drei ganze Untertanen und einen halben, und von denen war einer noch dazu bloß ein Minister. Der halbe Untertan lebte an der Grenze eines anderen Königreiches, und da er niemand kränken wollte, so hatte er sich aus lauter Gefälligkeit gleichsam in zwei Hälften geteilt und jedem König eine geschenkt. Der Minister aber war der Minister des Inneren und des Äußeren. Wenn er der Minister des Inneren war, dann stellte er seine Füße einwärts, und wenn er der Minister des Äußeren war, dann stellte er sie auswärts. Das war sehr übersichtlich, und das sollte überall eingeführt werden. Aber meistens spielte er mit dem alten König Schafskopf, und dann hatte er die Füße einwärts gestellt, denn das war ja eine innere Angelegenheit.
Das war das ganze Volk, das der alte König regierte; es war freilich noch eine Katze da, die aber ließ sich nicht regieren, denn sie war mit der Prinzessin befreundet und gab ihr gute Ratschläge.
Wie nun der alte König wieder einmal auf seinem Thron saß und dazu seinen Reichsapfel aß und regierte, da kam die Prinzessin herein und sagte: »Guten Tag.«
»Guten Tag«, sagte der alte König.
»Ich habe Herzen aus Pfefferkuchen gebacken«, sagte die Prinzessin, »und wie ich die Mandeln hineindrückte und seufzte, da ist mir etwas eingefallen. Ich werde heiraten.«
»Tue das«, sagte der alte König.
Da freute sich die Prinzessin sehr, daß es dem alten König so recht wäre, und sie fragte: »Weißt du auch, wen ich heiraten will?«
»Nein, das weiß ich nicht«, sagte der alte König, »aber ich denke mir, daß ich das schon erfahren werde.«
»Dann will ich es dir lieber gleich sagen, das ist vielleicht besser«, sagte die Prinzessin, »ich will unseren halben Untertanen heiraten.«
Der alte König ließ vor Schreck seinen angebissenen Reichsapfel fallen. »Das könnte dir schon passen«, sagte er, »aber wer ersetzt mir meinen halben Untertanen? Wir haben so schon nicht viele. Nun willst du auch noch einen wegheiraten, und wenn's auch nur ein halber ist.«
»Daran habe ich auch schon gedacht«, sagte die Prinzessin, »aber es ist ja nur ein halber, und das ist er auch nur aus lauter Gefälligkeit. Und wenn ich erst geheiratet habe, dann will ich mir auch große Mühe geben und fortwährend Kinder kriegen.«
»Das wird mich sehr freuen«, sagte der alte König, »aber wenn du so viele Kinder kriegst, so sind das alles Prinzen und Prinzessinnen, und über wen sollen sie herrschen, wenn wir nur drei ganze Untertanen haben? Denn den halben heiratest du ja weg.«
»Das schadet nichts«, sagte die Prinzessin, »dann können sie über sich selbst herrschen, das ist viel bequemer, denn man hat sich selbst doch immer gleich bei der Hand.«
Die Prinzessin war eben noch sehr jung!
Der alte König schwieg dazu und aß seinen Reichsapfel weiter.
»Ich dachte mir, daß wir in drei Tagen heiraten«, sagte die Prinzessin. »Früher kann ich es nicht machen, denn ich muß ja eine ganze Menge Pfefferkuchen zur Hochzeit backen.«
»Es ist auch nicht nötig, daß du früher heiratest«, sagte der alte König, »denn wenn du nachher fortwährend Kinder kriegen willst, so kommt es auf drei Tage früher oder später auch nicht an.«
»Ich will dann gleich gehn und Herzen aus Pfefferkuchen backen«, sagte die Prinzessin.
»Tue das«, sagte der alte König.
Die Prinzessin ging in die Küche, der alte König aber hörte auf zu regieren und dachte sehr stark darüber nach, womit er seiner Tochter eine Überraschung zur Hochzeit bereiten könne.
Als ihm gar nichts einfiel, ging er zur Tür und rief den Minister des Inneren und Äußeren herein, damit er ihm beim Nachdenken helfen solle. Der Minister kehrte die Füße einwärts und bedachte sich's von innen, er kehrte die Füße auswärts und bedachte sich's von außen, aber es fiel ihm auch nichts ein. Das war recht unangenehm, weil man doch nur drei Tage Zeit hatte und die Prinzessin dann schon heiraten wollte.
Da hörten sie ein Posthorn blasen, die Postkutsche kam angefahren und hielt gerade vor dem Reich des alten Königs.
»Das werden Mandeln und Rosinen sein, die meine Tochter bestellt hat«, sagte der alte König.
Aber es waren keine Mandeln und Rosinen, sondern es war gerade das Gegenteil. Es war eine auswärtige Angelegenheit. Der Postbote brachte eine gewaltig große Kiste von einem Kaiser, der über ein sehr großes Land herrschte, womit aber nicht gesagt ist, daß der Kaiser auch ebenso groß war wie das Land. Ich habe auch ganz genau gewußt, wie das Land hieß, aber ich kann mich eben nicht darauf besinnen. Der Kaiser mit dem großen Land hatte ein großmächtiges Schreiben dazu geschrieben, worin er dem alten König versicherte, daß er ihm sehr wohlaffektioniert sei und ihm aus allerhöchster Wohlaffektioniertheit einen Generaloberhofzeremonienmeister schicke. Der wäre eine besonders große Erfindung seines Landes, er wäre am Kopf aufzuziehn und der Schlüssel wäre in der Kiste.
Da freute sich der alte König sehr, denn nun hatte er ja die Überraschung für die Hochzeit der Prinzessin, und er schenkte dem Postboten einen Reichsapfel. Der Minister ging mit auswärts gekehrten Füßen um die Kiste herum, denn es war eine auswärtige Angelegenheit, und zwar so auswärtig, wie noch keine gewesen war. Auf dem Deckel war ein amtlicher Stempel »Nicht stürzen!«, und die ganze Kiste war von allen Seiten gehörig vernagelt. Der alte König klemmte sein Zepter zwischen die Nägel und brach den Deckel auf; er war schrecklich neugierig, was wohl darin sein möge, denn unter einem Generaloberhofzeremonienmeister konnte er sich beim besten Willen nichts denken, und ich hätte es auch nicht gekonnt. Zuerst kam Stroh, dann noch einmal Stroh, und dann kam der Generaloberhofzeremonienmeister. Der war ganz aus Blech gemacht, hatte eine herrliche bunte Uniform mit goldenen Aufschlägen, einen Orden auf dem Bauch und ein Loch im Kopf, wo man den Schlüssel hineinstecken und ihn aufziehn konnte.
Als der alte König das alles sah, mußte er sehr lachen und schrieb gleich eine Postkarte an den Kaiser in dem großen Land, auf das ich mich eben nicht besinnen kann. »Schönen Dank für Deinen Generaloberhofzeremonienmeister. Er wird uns sicher viel Spaß machen, und wenn meine Tochter heiratet, wollen wir ihn aufziehn.« Die Postkarte warf er gleich selbst in den Briefkasten, der am Regenbogen hing.
Der alte König und der Minister, der jetzt nur noch Minister des Äußeren war, packten nun den Generaloberhofzeremonienmeister aus all dem vielen Stroh heraus und stellten ihn auf die Beine. Da sahen sie, daß er einen ganz krummen Rücken hatte.
»Das kommt vom langen Liegen in der Kiste«, sagte der alte König, »es wird sich schon wieder geben.«
»Das glaube ich nicht«, sagte der Minister, »mir scheint überhaupt, dies ist eine ganz besonders auswärtige Angelegenheit.«
»Vielleicht wird es besser, wenn man ihn aufzieht«, sagte der König und steckte den Schlüssel in seinen Schlafrock, »aber wir wollen ihn erst aufziehn, wenn die Prinzessin Hochzeit feiert.«
»Ich will ihn dann solange in die Ecke stellen«, sagte der Minister des Äußeren.
»Tue das«, sagte der alte König.
Als nun die drei Tage um waren und die Prinzessin Hochzeit feiern sollte, da schien der Regenbogen besonders schön, und im ganzen Lande duftete es nach Pfefferkuchen. Der Minister des Inneren und des Äußeren versammelte erst sich selbst, weil er doch gleichsam zweimal da war, und dann versammelte er die zwei anderen Untertanen, die noch übrig waren, und alle gratulierten und bekamen Pfefferkuchen. Der halbe Untertan aber saß bei der Prinzessin und küßte sie, und auf ihrem Schoß saß die Katze, die sich nicht regieren ließ, und gab der Prinzessin gute Ratschläge für die Ehe. Besonders riet sie ihr, sie solle es auch so machen wie die Katze und sich auch nicht regieren lassen. Und das versprach die Prinzessin zu tun. Der alte König saß auf seinem Thron und freute sich. Er hatte sein Zepter in der einen Hand und in der anderen den Reichsapfel, aber diesmal den goldenen, und er hatte alles mit Flanell abgerieben, so daß es glänzte. Den Schlafrock und die Filzpantoffeln hatte er auch an, und es war wirklich schön.
»Das Schönste kommt aber noch, das ist eine Überraschung«, sagte der alte König und holte den Generaloberhofzeremonienmeister aus der Ecke.
Er steckte ihm den Schlüssel in das Loch im Kopf und zog ihn auf. Im Kopf gab es nur ein schwächliches Geräusch, aber die Wirkung war eine sehr spaßhafte, so daß alle sehr lachen mußten. Der Generaloberhofzeremonienmeister verbeugte sich, und da er an sich schon einen krummen Rücken hatte, so verbeugte er sich so tief, wie das ein richtiger Mensch gar nicht fertigbekommen hätte. Die Prinzessin fand ihn auch sehr komisch. Aber als er gar nicht aufhören wollte, sich zu verneigen, da kriegte sie es satt.
»Steh doch einmal gerade!« sagte sie.
Doch der Generaloberhofzeremonienmeister verstand das nicht, denn das hatte noch niemals jemand zu ihm gesagt, und er konnte es ja gar nicht verstehen, weil er eine Puppe war, mit einer Uniform und mit einem Orden auf dem Bauch. Da ärgerte sich die Prinzessin sehr, denn es war eine Märchenprinzessin. Und sie stand auf, gab dem Generaloberhofzeremonienmeister einen tüchtigen Puff in den Rücken und bog ihn gerade. Da aber gab es einen Knacks, und der Generaloberhofzeremonienmeister war kaputt. Der alte König bemühte sich, ihn wieder aufzuziehen, aber es war nichts mehr zu machen.
»Es ist eigentlich schade um ihn«, sagte der alte König, »er war so sehr komisch.«
»Es schadet gar nichts«, sagte die Prinzessin, »zuerst muß man lachen, aber dann ist es auch genug. Ich denke, wir packen ihn wieder ein und schicken ihn zurück, denn auf der Rumpelkammer habe ich keinen Platz, dazu nimmt er zuviel Raum ein. Er paßt auch gar nicht in die Länder hinter dem Regenbogen.«
Da packten sie den Generaloberhofzeremonienmeister wieder in die Kiste und schickten ihn dem Kaiser in das große Land zurück.
Der Kaiser aber in dem großen Land ärgerte sich sehr, als er die Kiste aufmachte. Er ließ auch gleich seinen Generaloberhofmechanikus kommen und befahl ihm bei seiner allerhöchsten Ungnade, er solle den Generaloberhofzeremonienmeister sofort wieder in Ordnung bringen. Der Generaloberhofmechanikus besah sich den Schaden von allen Seiten und machte ein sehr bedenkliches Gesicht. Schließlich meinte er, die Kleinigkeit im Kopf wollte er gern reparieren, dann könne der Generaloberhofzeremonienmeister wieder spazierengehn. Aber wer einmal einen wirklich geraden Rücken habe, dem sei er nicht krumm zu machen, und für den Hofdienst wäre er keinesfalls zu gebrauchen. Da wurde der Kaiser sehr böse, er nahm dem Generaloberhofzeremonienmeister seinen Orden vom Bauch und stellte ihn als ein warnendes Exempel öffentlich aus. Und alles Volk lief herbei, um ihn anzuschauen; denn in dem großen Land, auf das ich mich eben nicht besinnen kann, hatte noch keiner einen Generaloberhofzeremonienmeister mit einem geraden Rücken gesehen. So etwas war einfach noch nicht dagewesen …
Im Märchenland hinter dem Regenbogen aber waren alle sehr glücklich und zufrieden. Der alte König regierte nicht mehr, er aß seine Reichsäpfel und spielte Schafskopf mit dem Minister, der deshalb bloß noch Minister des Inneren war und nur noch einwärts ging. Der halbe Untertan regierte das ganze Land, und das genügte allen vollkommen. Nur die Prinzessin regierte er nicht, denn die machte es wie die Katze und ließ sich nicht regieren. Sie hatte es nun einmal der Katze versprochen. Aber dafür kriegte sie fortwährend Kinder, genau so, wie sie es ja auch versprochen hatte. Die Kinder waren alle Prinzen und Prinzessinnen, und da sie zuwenig Untertanen hatten und niemand beherrschen konnten, so beherrschten sie sich selbst. Und das ist auch noch niemals dagewesen!