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Es war einmal ein Bär, der hieß Thaddäus Tatzentupf, und seine Frau hieß Thisbe Tatzentupf. Sie hatten zwei Kinder, die kleinen Tatzentupfs, und sie wohnten alle zusammen in einer Höhle im Walde. Es war eine sehr schöne und behagliche Höhle, wie ein jeder bestätigen konnte, der Tatzentupfs besuchte – denn Tatzentupfs hatten ein Schlafzimmer und ein Kinderzimmer, eine kühle Vorratskammer und einen Wohnraum mit einer schattigen und einer sonnigen Ecke. Thaddäus Tatzentupf hatte seine Wohnung auch immer sehr hübsch gefunden, nur in der letzten Zeit fand er allerlei daran auszusetzen. Sie gefiel ihm nicht mehr recht, er wußte selbst nicht, warum. Dann setzte er sich in die Ecke und brummte.
»Du bist angegriffen, Thaddäus«, sagte Frau Tatzentupf und wischte sich die Pfoten mit der Schürze ab, denn sie buk gerade Pfannkuchen, und die kleinen Tatzentupfs standen dabei und holten sich die Pfannkuchen mit den Krallen gleich von der heißen Pfanne weg, wenn die Mutter nicht aufpaßte.
»Ich bin nicht angegriffen, ich bin erbost«, sagte Thaddäus Tatzentupf und schnaufte durch die Nase, »diese Wohnung ist schrecklich. Was ist das wieder für ein Qualm von den Pfannkuchen, man kann ja gar nicht Atem holen, und der ganze Pelz riecht danach!«
»Das ist ein sehr lieblicher Duft«, sagte Frau Tatzentupf, »aber du bist angegriffen, du solltest ein wenig spazierengehen.«
»Ich bin nicht angegriffen, ich bin erbost«, sagte Thaddäus Tatzentupf und wanderte mit schlurfenden Schritten, wie auf Pantoffeln, in der Wohnung auf und ab. »Das Wohnzimmer ist viel zu heiß, die Sonne kommt den ganzen Tag durch die Fensterscheiben und brät einen förmlich.«
»Ich habe es gar nicht zu heiß, und dabei stehe ich hier und backe Pfannkuchen. Es ist doch schön, daß die Sonne scheint«, sagte Frau Tatzentupf, »aber du bist eben angegriffen, Thaddäus.«
»Ich bin nicht angegriffen, ich bin erbost«, sagte Thaddäus Tatzentupf, »was ist das für ein Kinderzimmer, es ist von oben bis unten zerkratzt, der Vorratsraum ist viel zu muffig, es ist unmöglich, daß sich die Nüsse darin halten können, und es gibt auch so wenig Nüsse in dieser Gegend, daß es gar nicht lohnt, hier zu leben. Das Schlafzimmer ist viel zu hell, das ist nichts für den Winterschlaf, auf den ich mich so freue, und überhaupt
»Die Wände im Kinderzimmer müssen zerkratzt sein, das tun Kinder nun einmal, wenn es richtige Bärenkinder sind«, sagte Frau Tatzentupf und stülpte den kleinen Tatzentupfs einen Pfannkuchen über die Nase, »die Nüsse in der Vorratskammer halten sich sehr gut, aber wir haben viele schon aufgegessen, und du solltest neue holen, Thaddäus. Es gibt auch viel Nüsse in dieser Gegend. Im Winter hast du fest geschlafen, daß ich dich kaum wecken konnte, als der Frühling kam. Aber du bist angegriffen, Thaddäus, setze dich in die kühle Ecke des Wohnzimmers und iß einen Pfannkuchen.«
»Ich bin nicht angegriffen, ich bin erbost«, sagte Thaddäus Tatzentupf, setzte sich in die kühle Ecke und aß einen Pfannkuchen.
»Es ist kalt hier«, meinte er nach einer Weile, als er den Pfannkuchen ganz heruntergeschluckt hatte, »es ist eine kalte und feuchte Wohnung, ich habe es immer gesagt, und wir werden uns hier alle noch den Rheumatismus holen.«
»Du hast doch eben gesagt, daß es zu heiß wäre«, sagte Frau Tatzentupf.
»Nein, es ist nicht zu heiß, es ist zu kalt«, sagte Thaddäus Tatzentupf, »man friert sogar in seinem dicken Pelz, wie soll das erst im Winter werden?«
»Du bist einfach angegriffen, Thaddäus«, sagte Frau Tatzentupf, »du mußt spazierengehen.«
»Ich bin nicht angegriffen, ich bin erbost«, sagte Thaddäus Tatzentupf, »ich werde auch nicht spazierengehen, aber ich werde ausgehen und uns eine neue Wohnung suchen.«
»Thaddäus!« rief Frau Tatzentupf entsetzt, »eine neue Wohnung, gerade jetzt, wo ich die schönen Pilze zum Winter eingemacht habe!«
»Die Pilze lassen wir da, es gibt anderswo viel mehr Pilze, hier gibt es gar nichts«, sagte Thaddäus Tatzentupf und schnaubte bösartig durch die Nase.
»Thaddäus, die Zeit der Pilze ist doch vorüber, wir müssen jetzt Nüsse ernten«, sagte Frau Tatzentupf. Aber Thaddäus Tatzentupf war bereits verschwunden und hatte sich auf die Suche nach einer neuen Wohnung begeben.
Am Abend kam er wieder.
»Thisbe«, sagte er, »ich habe jetzt eine wundervolle Wohnung entdeckt, eine Wohnung, die wirklich warm ist. Morgen ziehen wir um.«
Am anderen Morgen kramten Tatzentupfs ihre Küchensachen zusammen und zogen um. Thaddäus Tatzentupf schleppte die Pfanne für die Pfannkuchen und einige Vorräte, und Frau Tatzentupf führte die kleinen Tatzentupfs bei der Pfote, und in die Schürze hatte sie Nüsse gewickelt. Aber die schönen Pilze mußte sie dalassen.
Die wirklich warme Wohnung war eine enge Höhle, in die durch ein Loch von oben den ganzen Tag die Sonne schien, und es war so heiß, daß Tatzentupfs in der Nacht kein Auge zutun konnten.
»Es ist entsetzlich hier«, sagte Thaddäus Tatzentupf. Frau Tatzentupf sagte nicht mehr zu ihrem Manne, daß er bloß angegriffen sei. Denn sie war selbst sehr angegriffen.
»Hier kann ich keine Pfannkuchen backen, Thaddäus, sonst schmelze ich«, sagte sie und seufzte.
»Es gibt hier auch keine Haselnüsse«, sagten die kleinen Tatzentupfs. Frau Tatzentupf aber gab ihnen welche aus ihrer Schürze.
»Ich bin erbost«, sagte Thaddäus Tatzentupf, »ich werde eine neue Wohnung suchen, die nicht so heiß ist.«
Am Abend kam er wieder.
»Thisbe«, sagte er, »ich habe jetzt eine wundervolle Wohnung gefunden, die wirklich kühl ist. Morgen ziehen wir um.«
Am anderen Morgen kramten Tatzentupfs ihre Küchensachen zusammen und zogen um. Thaddäus Tatzentupf schleppte die Pfanne für die Pfannkuchen und einige Vorräte, und Frau Tatzentupf führte die kleinen Tatzentupfs an der Pfote.
Die wirklich kühle Wohnung war eine enge Höhle, in die niemals die Sonne schien, das Wasser lief von den Wänden herunter, und beim Erwachen waren Tatzentupfs so naß, als wenn sie gebadet hätten, und alle hatten einen gewaltigen Schnupfen.
»Es ist entsetzlich hier«, sagte Thaddäus Tatzentupf.
Frau Tatzentupf sagte nicht mehr zu ihrem Manne, daß er bloß angegriffen sei, denn sie war selbst sehr angegriffen.
»In dieser Nässe hier kann ich auch kein Feuer machen und Pfannkuchen backen«, sagte sie und seufzte.
»Ich bin erbost«, sagte Thaddäus Tatzentupf, »ich werde eine neue Wohnung suchen.«
»Es gibt auch keine Haselnüsse hier«, sagten die kleinen Tatzentupfs. Frau Tatzentupfs Schürze aber war leer, und so setzten sich die kleinen Tatzentupfs vor die nasse Höhle und weinten und niesten abwechselnd.
Da kam einer der Engel des Waldes, die den Tieren helfen und nachsehen, ob es ihnen gut geht, vorüber, und als er die kleinen Tatzentupfs sah und sie weinen und niesen hörte, fragte er, was ihnen fehle.
»Wir sind umgezogen und haben keine Nüsse mehr«, sagte der eine kleine Tatzentupf und weinte.
»Wir sind umgezogen und haben Schnupfen«, sagte der andere kleine Tatzentupf und nieste.
»Wir sind umgezogen und können keine Pfannkuchen backen«, sagte Frau Tatzentupf und steckte eine geschwollene Nase zur Höhle hinaus.
Da schenkte der Engel des Waldes den kleinen Tatzentupfs Nüsse und half Frau Tatzentupf Feuer machen, so daß sie Pfannkuchen backen konnte.
Am Abend kam Thaddäus Tatzentupf wieder.
»Thisbe«, sagte er, »ich habe keine Wohnung gefunden, ich bin erbost!« und dabei nieste er dröhnend.
»Du suchst eine Wohnung, Thaddäus Tatzentupf, ich werde dir eine schöne Wohnung zeigen«, sagte der Engel des Waldes.
»Das wäre sehr nett von dir«, sagte Thaddäus Tatzentupf und bedankte sich viele Male. »Es sind heute wirklich schreckliche Zustände, du glaubst nicht, welche Mühe ich mir schon gegeben habe, und in der alten Wohnung war es einfach nicht mehr auszuhalten, ich war erbost.«
»Das kann ich mir gut vorstellen, Thaddäus Tatzentupf«, sagte der Engel des Waldes, »aber du wirst bald in einer sehr schönen Wohnung sein.«
Am anderen Morgen kramten Tatzentupfs ihre Küchensachen zusammen und zogen um. Thaddäus Tatzentupf schleppte die Pfanne für die Pfannkuchen und einige Vorräte, und der Engel des Waldes ging neben ihm und war ihm behilflich. Frau Tatzentupf aber führte die kleinen Tatzentupfs an der Pfote.
Thaddäus Tatzentupf redete eifrig auf den Engel des Waldes ein. »Es sind heute wirklich schreckliche Zustände mit den Wohnungen, ich bin erbost«, sagte er und machte erbitterte Bewegungen mit der Pfote, in der er die Pfanne für die Pfannkuchen hielt.
Der Engel des Waldes sagte gar nichts dazu, aber er führte Thaddäus Tatzentupf und seine Familie auf vielen gewundenen Wegen zu einer wunderschönen Höhle.
»Das ist die Wohnung, Thaddäus Tatzentupf«, sagte er.
Frau Tatzentupf und die kleinen Tatzentupfs fühlten sich gleich zu Hause. Frau Tatzentupf buk Pfannkuchen, und die kleinen Tatzentupfs standen dabei und fuhren mit ihren Krallen in die heiße Pfanne hinein. Thaddäus aber wanderte mit schlurfenden Schritten, wie auf Pantoffeln, in der Wohnung auf und ab und beschnupperte sie von allen Seiten. »Thisbe«, sagte er und rieb sich die Pfoten vor Vergnügen, »solch eine schöne Wohnung habe ich noch niemals gesehen. Diese kühle Vorratskammer, dieses nette Kinderzimmer mit den reizenden Krallenzeichnungen an der Wand, dieses dämmerige Schlafzimmer für den Winterschlaf, auf den ich mich so freue, und im Wohnraum ist eine sonnige und eine schattige Ecke, und vor dem Hause stehen so viele Nußbäume, daß man reichlich Vorräte sammeln kann. Und dazu dieser liebliche Duft der Pfannkuchen, der einem in die Schnauze steigt.«
»Papa«, riefen die kleinen Tatzentupfs und kamen aus dem Kinderzimmer gelaufen, »wir haben auch die Pilze wiedergefunden, die Mama für den Winter eingemacht hat und die wir nicht mitnehmen konnten. Es ist doch schön, daß wir wieder in der alten Wohnung sind!«
Thaddäus Tatzentupf schnüffelte verlegen und kratzte sich den Kopf mit der Kralle.
»Ich hätte nie gedacht, daß das die alte Wohnung ist«, sagte er, »wie konnte ich das bloß nicht gleich sehen?«
»Ich habe dich von einer anderen Seite an die Wohnung herangeführt«, sagte der Engel des Waldes, »und wenn du wieder einmal umziehen willst, dann wende dich gleich an mich. Du kannst dir viel Mühe damit ersparen, Thaddäus Tatzentupf.«
Thaddäus Tatzentupf ist niemals wieder umgezogen. Er blieb in seiner schönen Wohnung und aß Pfannkuchen. Wenn er aber einmal brummte, dann sagte Frau Tatzentupf: »Du bist angegriffen, Thaddäus, besieh dir die Wohnung einmal von der anderen Seite.«