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6.

Im Jahre 1856 führte Mama die Verhandlungen zwischen Richard Wagner und der Prager Theaterdirektion »Stoeger« bezüglich der Oper Lohengrin, wie sie sie auch vorher schon um den Tannhäuser geführt hatte. Wagner hatte endlich eingewilligt, den Lohengrin, gleich dem Tannhäuser, für fünfundzwanzig Louisdor herzugeben. Soviel mir erinnerlich sprach meine Mutter davon, daß dieser Preis bereits bei der Tannhäuserannahme ausbedingt gewesen sei. Sie erstattete ihm Bericht über die Aufführung. Die ganze damalige Korrespondenz mit Wagner scheint aber verloren gegangen zu sein, da sich Bekannte die Briefe liehen, ohne sie je wieder zurückzuerstatten. Nur einer blieb in den Händen des damaligen Prager Polizeileutnants Päumann und kam nach seinem Tode, zum ersten Mal nach meiner Mutter Ableben, zum zweiten Male in der N. fr. Presse zum Abdruck. Alle Versuche, des Originalbriefes wieder habhaft zu werden, mißlangen. Der Brief lautet:

»Liebste Freundin! Haben Sie tausend Dank für Ihren freundlichen Brief mit dem schönen Inhalte. Daß ich nicht eher antworten konnte, war ein Leidwesen. Ich war von dieser abscheulichen Krankheit schon den ganzen Winter an der schließlichen Vollendung einer großen Arbeit – der Partitur meiner Walküre – verhindert worden, so daß ich nun, als ich nur kaum wieder daran denken konnte, mit leidenschaftlicher Obstination zu nichts eher die Feder in die Hand nahm, als eben zur Beendigung dieser Arbeit. Dies ist denn nun glücklich zustande gebracht, und mein erstes, was ich tue, ist nach Prag zu schreiben. Was nun die Aufführung des Lohengrin betrifft, so muß ich – besonders aus Ihren Nachrichten – wohl glauben, daß einmal wieder ein Wunder geschehen ist, denn wenn ich diese Oper an ein Theater verkaufe, so geschieht es jedesmal mit einer wahren Verzweiflung, da ich, um der infamen paar Taler wegen, mich mit diesem Werke, das ich selbst noch nicht einmal aufführen oder hören konnte, zu Markte bringen muß und, wie ich jedesmal fürchte, mich den größten Mißverständnissen preisgeben soll. Soviel steht fest, daß ich nach Berlin und München den Lohengrin nicht gebe, es sei denn, daß ich ihn selbst dort aufführen könnte. Wenn nun bei Euch manches nicht war, wie es sollte (namentlich scheint mir der Lohengrin-Reichel selbst sehr uninteressant geblieben zu sein, was eigentlich denn doch die Hauptsache nicht zur Wirkung kommen läßt), so sehe ich denn doch, daß soviel und wahrscheinlich das meiste mit ungewöhnlichem Gelingen gekrönt wurde, sonst wäre dieser Erfolg nicht möglich. Daß die Elsa Elsa war Frl. Louise Meyer (nachmals Fr. Dustmann-Meyer). so gut ist, war die Rettung für das Ganze: sie ist die tragische Hauptperson, und wenn das Interesse für sie nicht durchgehends rege wird, so ist jede Hoffnung des Gelingens verloren. (In Breslau hatte man den Fehler gemacht, neben der vortrefflichen Nimbs als Ortrud, eine Anfängerin zur Elsa zu nehmen, und da nun noch der Lohengrin schlecht war, mußte natürlich alles verloren gehen. Partien, wie die Ortrud, so schwer sie erschien, machen sich oft von selbst, während eine matte Dame als Elsa leicht gleichgiltig lassen kann.) Lohengrin mußte, um schließlich als die tragische Hauptperson zu erscheinen, idealisch erhaben und anziehend dargestellt werden, in der Weise, daß er, als er Elsa schließlich anklagt und nach seiner Entdeckung im vollen Schmerze losbricht, so erschüttert und fast schreckt, daß plötzlich Er als der Vernichtete erscheint. Doch hierzu gehört unendlich viel, wenngleich die Wirkung eigentlich doch nicht so schwer wäre, wenn unsere unglücklichen Tenoristen, durch Martha und dergleichen, nicht gar zu gräßlich heruntergekommen wären, so daß jetzt gar nichts mehr mit ihnen anzufangen ist. Nun, begnügen wir uns diesmal und wahrlich, ich bin froh, daß es so ging. Seien Sie versichert, daß Ihre Nachrichten und jede Ihrer Nachrichten und Mitteilungen mich sehr erwärmt und erfreut hat. Der Wunsch, mir endlich Deutschland wieder zu öffnen, ist mir bei dieser Gelegenheit lebhafter erweckt worden als je. Wirklich dachte ich bereits daran, ob es bereits möglich wäre, von der österreichischen Regierung einen Paß zu erhalten, daß ich von hier aus zur Not so reisen könnte, daß ich kein anderes deutsches Land außer Österreich berühre, doch denke ich daran, dieser dummen Lage ein Ende zu machen. Mit großer Freude würde ich Sie gerade in Prag wiedersehen. Ihr etc.

Zürich, März 1856.
Richard Wagner.«

Auszüge aus den Briefen meiner Mutter an Freunde.

Prag, 1856.

»Wie gerne hätte ich längst geschrieben, wenn es nur in meinen Kräften gestanden hätte. Seit mehreren Wochen fühle ich mich schon elend; dazu kamen noch die anstrengenden Proben von der Oper Lohengrin, die oft von morgens acht bis Nachmittag um drei Uhr dauerten und ich immer der Übung wegen eine Stunde früher schon im Theater war. Dazu kam noch, daß ich einige Silberstickereien für die Oper übernahm, die mich regelmäßig bis zwölf und ein Uhr Nachts an der Arbeit festhielten. Ich hatte meinem Körper zuviel zugetraut und mich damit recht elend gemacht, da ich ohnehin alle Besorgungen für Kinder und Haushalt zu versehen hatte. Was tut man nicht alles um der Kinder willen! Sie glauben nicht, wie schrecklich mutlos und herabgestimmt ich bin, wie ich mich zusammennehmen muß, um nicht in eine vollständige Lethargie zu verfallen, denn ist man erst auf dem Punkt angelangt, so ist man verloren … Ich war so angegriffen, daß ich während der Proben von Lohengrin öfters aus dem Orchester hinausgehen mußte, um mich auszuweinen. Die herrliche, hinreißende Musik von Wagner hat mich schrecklich aufgeregt, ich könnte immer weinen, dann erst wird mir wohler …

In den nächsten Tagen erwarten wir S. M. den Kaiser, der zur silbernen Hochzeit des alten, hier lebenden Kaiserpaares herkommt. Es soll während seiner Anwesenheit zweimal Lohengrin und Tannhäuser gegeben werden. Es wird für mich eine schlimme Woche, da ich mich so wenig wohl fühle. Bald mehr und ausführlicher. Ich will noch ein paar Worte an den Wagner schreiben und ihm den Erfolg der Oper melden. Lebt noch einmal wohl …

Marie.«

 

Aus Wagners »mein Leben«. (Seite 836.)

»Rührend war es für mich, die aus meiner frühesten Jugend her mir bekannte Marie Löwe, (im Buch irrtümlich mit e geschrieben, anstatt Loew) welche vom Gesang jetzt ganz zur Harfe übergegangen war, für dieses letztere Instrument im Orchester angestellt und bei meinen Konzerten mitwirkend, nach so langen Jahren wieder anzutreffen.«

 

Mit der Stickerei für Lohengrin kam es folgendermaßen. Mama hatte, zu irgendeinem besonderen Anlasse, ihrem alten Freund und Kollegen Hassel eine Rokokoweste gestickt, die im Theater allgemein bewundert ward. Darauf aufmerksam gemacht, frug sie Direktor Stoeger, ob sie gewillt wäre, die Flitterstickerei des Lohengrinkostümes zu übernehmen, was denn auch geschah. Wie viele Opfer es sie gekostet, ersieht man aus ihrem Briefe. Wir Kinder ahnten nichts davon, waren aber überglücklich, wenn wir tagsüber helfen durften, ihr die Flitter zurechtzulegen. Fast zwanzig Jahre später saßen wir alle drei in Bayreuth und bestickten die weißen Beinlinge mit blauer Wolle für Siegmund, den Wälsung; freilich mit anderen Gefühlen!


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