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XXX.
Die tugendhaften Verschwörer

Herr Geoffrey Saxton, sonnverbrannt und im Abendanzug, plauderte mit den Eugene Gilsons, während Claire Toilette machte für's Theater.

Frau Gilson bemerkte: »Sie ist ein reizendes Ding. Wir haben sie schrecklich gern. Aber ich glaube, sie weiß nicht, was sie will im Leben. Hat keine regelmäßige Beschäftigung, kein bestimmtes Interesse. Sie sucht herum und ist zerfahren. Wer ist dieser Daggett-Bursche … irgend ein Student – den sie gern zu haben scheint?«

»Nun, da Sie davon zu sprechen angefangen haben – ich wollte nicht der erste sein damit. Ich will ihm nicht unrecht tun. Was hat sie Ihnen von ihm erzählt?« fragte Jeff vertrauensselig.

»Nichts, nur daß er Maschinenbau studiert und schrecklich tapfer ist und lauter solche unbequeme Tugenden besitzt, und daß sie ihm im Yellowstone-Park oder sonstwo begegnet ist und er sie vor einem Bären – oder war es ein Strolch? – jedenfalls aus irgend einer überflüssigen Gefahr gerettet hat.«

»Ich will nicht anmaßend sein, Eva, aber die Wahrheit ist, daß dieser junge Daggett ein unmöglicher Mensch ist. Er war wohl hier auf Besuch, nicht? Was ist Ihnen an ihm aufgefallen?«

»Nichts. Er ist schweigsam und so fad wie lauwarmer Tee, aber vollkommen unauffällig.«

»Dann ist er klüger, als ich gedacht habe! Daggett ist alles eher als fad und unauffällig, und wenn er diese ehrenwerte Rolle spielen kann –! Er scheint der Sohn irgend eines gewöhnlichen Arbeiters in Middle-West zu sein; er ist gar kein Ingenieur, er ist in Wirklichkeit Taxi-Chauffeur oder dergleichen; und er ist auf der Straße auf Claire und Henry B. gestoßen, hat sich aufgedrängt und hat es verstanden, sich die Leute irgendwie zu verpflichten – weit entfernt davon, schweigsam und unbedeutend zu sein, scheint er irgend einen geheimen Charme zu besitzen, der« – Jeff seufzte – »Ich begreife es überhaupt nicht. Ich kann es einfach nicht begreifen! Ich bin ihm in Montana begegnet; da war er mit dem größten Aufschneider, dem entsetzlichsten Menschen, den ich in meinem ganzen Leben jemals gesehen habe – irgend ein Pinky Westlake, oder irgend so ein Name – einfach ein Betrüger! Er versuchte, Herrn Boltwood und mich für den gewöhnlichsten und offenkundigsten Minen-Schwindel zu interessieren. Und dieser Daggett war sein Partner – sie reisten tatsächlich zusammen. Doch ich will mich bemühen, nicht ungerecht zu sein. Ich bin nicht ganz sicher, daß Daggett von der Unehrenhaftigkeit seines Partners wußte. Das ist es nicht, was mich an dem Burschen stört. Aber er ist sonst ganz unmöglich. Wenn er sich in Acht nimmt, kann er es vielleicht verbergen, aber wenn er Gelegenheit dazu hat – wirklich ich glaube nicht zu übertreiben, wenn ich sage, daß er mit fünfunddreißig in Hemdärmeln essen wird und wenn er die Zeitung wird lesen wollen, sich die Schuhe ausziehen und die Füße auf den Tisch legen wird. Doch Claire – Sie wissen, was für ein gutes Herz sie hat und wie sie voll Don Quichoterien steckt – sie bildet sich ein, weil dieser Kerl einen Pneudefekt oder etwas ähnliches unterwegs für sie repariert hat, daß sie ihm verpflichtet sei, und je ärger er ist, umso mehr glaubt sie, muß sie ihm helfen. Und Sachen dieser Art – Ach, es ist einfach zu schrecklich, aber es hat Fälle gegeben, wissen Sie, in denen ebenso prachtvolle und wohlerzogene und feine Mädchen wie Claire, zu Heiraten weit unter ihrem Stande verleitet worden sind, einfach durch ihre Anständigkeit und durch geschickte Abenteurer!«

»Oh!« stöhnte Frau Gilson; und »Du lieber Gott!« jammerte Herr Gilson, und »Wirklich, ich übertreibe nicht«, sagte Jeff begeistert.

»Was sollen wir machen?« fragte Frau Gilson; während Herr Gilson, der ein schneller und findiger Kopf war, ausrief: »Bei Zeus, Jeff, Sie sollten sie selbst entführen und heiraten!«

»Ich möchte gerne. Aber ich bin zu alt.«

Sie versicherten ihm, voll Überzeugung, daß er ein blühend junger Kerl sei; und mit gewisser Befriedigung schlug Jeff vor: »Ich will Ihnen sagen, was wir machen könnten. Es ist natürlich ein alter Trick, aber er ist gut. Ich schätze, daß Daggett nicht oft auf Besuch hier gewesen ist. Warum sollte man ihn nicht so oft hier haben, daß Claire seine Ungehobeltheit bemerkt und seiner überdrüssig wird?«

»Ja, das wollen wir tun«, rief Frau Gilson angeregt aus. »Wir wollen ihn zu allen möglichen und unmöglichen Gelegenheiten hier haben. Wenn Claire ihn nicht einlädt, will ich es tun.«


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