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Zehntes Kapitel.


Sobald Ready auf dem Schiffe wieder angelangt war, ging er zuerst in die Kajüte hinunter, um Frau Seagrave und William mitzutheilen, was inzwischen geschehen war. Frau Seagrave war natürlich ängstlich darüber, daß sich ihr Gatte allein am Ufer befand, und Ready theilte ihr mit, sie hätten mit einander ausgemacht, daß Herr Seagrave die Muskete abfeuern sollte, im Falle sich etwas zutrüge. Dann ging er nach dem Segelraum hinunter, um nach einiger Leinwand zu sehen, und fand daselbst ein neues Bramsegel, Nadeln, Fingerhut und Zwirn. Kaum hatte er dies herausgeschafft und damit den Fuß der Leiter erreicht, als sich der Knall der Muskete vernehmen ließ und Frau Seagrave in größtem Schreck herausstürzte. Ready ergriff ein anderes Gewehr, sprang in's Boot und ruderte so schnell er konnte dem Ufer zu. Als er ganz athemlos daselbst anlangte, fand er – was er früher nicht gesehen hatte, da er bei'm Rudern den Rücken dem Lande zukehrt hielt – Herrn Seagrave und Juno eifrig mit dem Zelte beschäftigt, während Meister Tommy laut hinausheulend auf dem Boden faß. Es stellte sich nun heraus, daß der Knabe, während Herr Seagrave und Juno an ihrem Geschäfte fortmachten, nach der Stelle hingeschlichen war, wo die Muskete gegen einen Kokosbaum gelehnt stand, und gelegentlich den Drücker gezogen hatte. Das Gewehr ging los, und da die Mündung nach oben gerichtet war, so hatte die Ladung ein paar große Kokosnüsse heruntergeholt, die dicht neben Tom niederfielen und ihn, wenn sie ihn getroffen hätten, wahrscheinlich getödtet haben würden. Herr Seagrave, welcher wohl wußte, welchen Schreck der Knall an Bord des Schiffes verursachen mußte, hatte ihn tüchtig ausgeschmält, und er weinte jetzt aus Leibeskräften, um zu beweisen, wie gar reuig er sey.

»Da ist's am Besten, wenn ich augenblicklich wieder an Bord zurückgehe,« sagte Ready, »um Frau Seagrave Kunde davon zu ertheilen.«

»Ich bitte, thut dies, mein lieber Freund,« versetzte Herr Seagrave.

Ready ruderte sodann an Bord zurück, berichtete den Stand der Dinge und nahm dann seine Arbeit wieder auf.

Er schaffte nun den Beutel des Segelmachers, sammt Nadeln und Fingerhut, zwei Matratzen, etliche Decken aus der Staatskajüte des Kapitäns und die Pfanne mit dem Ochsen- und Schweinefleisch in das Boot, worauf er eine Spiere zum Nachtauen am Sterne des Bootes befestigte. Jetzt glaubte er, genug geladen zu haben, und erreichte, da er keine Personen zu führen hatte, das Land wohlbehalten genug. Nachdem er unter Herrn Seagraves und Junos Beistand Alles nach dem Hügel geschafft hatte, machte er die Spiere für das zweite Zelt fest und überließ es sodann den Beiden, es gleich dem andern zu befestigen, während er selbst wieder an Bord zurückkehrte. Juno hatte das Zelt nett gereinigt und sagte, sie habe weder Schlangen noch Insekten unter den Blättern gefunden. Ehe sich Ready entfernte, gab er Tommy einen Stock und sagte ihm, er solle das Fleisch bewachen und nicht leiden, daß es die Hunde fraßen, worauf denn der Knabe seinen Posten antrat und mit der Gravität eines Richters Wache hielt. Ready machte noch zwei weitere Fahrten nach dem Schiffe und brachte Bettzeug, einen, Sack mit Schiffszwieback, einen andern mit Kartoffeln, Teller, Messer, Gabeln, Löffel, Bratpfannen, sonstigen Kochapparaten und noch allerlei andere Gegenstände mit sich. Er zeigte sodann Juno, wie sie die Enden des ersten Zelts mit der Leinwand, welche er an's Land gebracht hatte, ausfüllen sollte, so daß es von allen Seiten verschlossen war – eine Arbeit, welche das Mädchen mit Nadel und Zwirn recht gut zu Stande brachte. Sobald sich der alte Seemann überzeugt hatte, daß Juno recht gut allein zu Stande kommen konnte, sagte er:

»Herr Seagrave, wir haben nur noch zwei Stunden Tag, und es ist jetzt an der Zeit, daß Frau Seagrave gleichfalls an's Land komme; seyd dafür so gut, mich zu begleiten, damit wir sie und die Kinder holen. Ich denke, wir werden die erste Nacht gut durchkommen, und wenn uns Gott schönes Wetter schenkt, können wir morgen noch viel ausrichten. Ueberhaupt müssen wir das günstige Wetter benützen und recht fleißig seyn, um so viel möglich an's Land zu schaffen; denn ein einziger guter Sturm wird, aller Wahrscheinlichkeit nach, das Schiff in Stücke schlagen. Ich habe die Ladung des Raumes selbst besorgt und weiß, wo die meisten Dinge zu finden find, fürchte aber, es wird nicht möglich seyn, alle die Gegenstände, welche wir brauchen können, herauszuschaffen.«

Sobald sie das Schiff erreicht hatten, begab sieh Herr Seagrave zu seiner Gattin hinunter, um ihr zu sagen, daß er gekommen sey, sie abzuholen. Sie war sehr aufgeregt und von ihrer Krankheit noch immer sehr schwach, benahm sich aber demungeachtet muthig genug und erreichte unter dem Beistand ihres Gatten das Deck. William kam mit dem Bübchen nach, während Ready die kleine Caroline trug. Es kostete einige Mühe, bis man sie Alle in das Boot gebracht hatte; als es aber endlich geschehen war, ruderte der alte Seemann ab. Mrs. Seagrave fühlte sich so unwohl, daß ihr Gatte sie mit seinen Armen unterstützen mußte, weshalb dann William eines der Ruder ergriff. Sie kamen wohlbehalten an's Land, und Frau Seagrave wurde nach dem Zelte geführt, wo man sie auf eine der Matratzen niederlegte. Sie verlangte etwas Wasser.

»Gerade dies habe ich mitzubringen vergessen,« sagte Ready. »Was ich nicht ein einfältiger alter Bursche bin! Doch ich will augenblicklich wieder an Bord gehen. In meinem Eifer, alles Andere an's Land zu schaffen, habe ich das größte Bedürfniß des Lebens vergessen! Freilich hatte ich im Sinne, sobald wie möglich auf der Insel darnach auszusehen, da wir uns damit viele Mühe erspart haben würden.«

Ready kehrte eiligst an Bord zurück und schaffte zwei Tönnchen Wasser an's Land, die er mit William nach dem Zelte hinaufrollte. Juno war inzwischen mit ihrer Aufgabe völlig zu Stande gekommen, und sobald Frau Seagrave etwas Wasser getrunken hatte, erklärte sie, daß sie sich viel besser befinde.

»Heute kehre ich nicht mehr an Bord zurück,« sagte Ready. »Ich fühle mich müde – in der That sehr erschöpft.«

»Das glaube ich gerne, mein guter Mann,« versetzte Herr Seagrave. »Ihr habt viele Nächte gar nicht geschlafen und den ganzen Tag über schwer gearbeitet. Denkt mir ja nicht daran, heute noch etwas Weiteres anfangen zu wollen.«

»Ich habe den ganzen Tag nichts gegessen und nicht einmal, meinen Durst gestillt,« erwiederte Ready sich niedersetzend.

»Ihr fühlt Euch unwohl, Ready?« sagte William.

»Ein Bischen schwach, Junker William; ich bin nicht mehr so jung, wie ich gewesen. Könnt Ihr mir nicht ein wenig Wasser geben?«

»Halt, William, das will ich besorgen,« sagte Herr Seagrave eine Zinnkanne aufnehmend, die er für seine Gattin gefüllt hatte. »Da, Ready, trinkt dies.«

»Es wird mir bald wieder besser seyn, Sir. Ich will mich nur ein wenig niederlegen und dann ein Bischen Zwieback und etwas Fleisch genießen.«

Der arme alte Ready war in der That ganz erschöpft, fühlte sich aber bald wieder neubelebt, sobald er Einiges zu sich genommen hatte. Juno war eifrig beschäftigt: sie hatte den Kindern etwas Salzfleisch und Zwieback zu essen gegeben. Der kleine Albert, Tommy und Caroline lagen zu Bette und das zweite Zelt war beinahe bereit.

»Es wird für diesen Abend zureichen, Juno,« sagte Herr Seagrave. »Wir haben heute genug gearbeitet.«

»Ja, Sir,« versetzte Ready; »aber ich glaube, wir sollten noch Gott für seine Gnade danken, ehe wir uns schlafen legen. Hat er uns nicht große Verpflichtungen aufgelegt? Denn wäre das Wetter schlecht und das Wasser rauh gewesen, wie wäre es möglich, daß wir jetzt so gemächlich am Leben seyn könnten? Ist dies nicht Erbarmens genug?«

»Ihr erinnert mich an meine Pflicht, Ready. Wir wollen, ehe wir uns niederlegen, dem Herrn für seine Güte danken und ihn um seinen weiteren Schutz bitten.«

»Thue so, mein lieber Gatte,« sagte Frau Seagrave von ihrem Zelte aus. »Ich kann Dich hören und will mich Deinem Gebete anschließen.«

Herr Seagrave sprach nun ein Dankgebet, worauf sie sich Alle zur Ruhe begaben.

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