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Einundzwanzigstes Kapitel.


Lange bevor die Familie auf war, hatte der alte Ready sein Boot bereits geladen und die Fahrt nach der andern Seite der Insel angetreten, die er denn auch schon erreicht hatte, als die Zurückgebliebenen noch nicht einmal angekleidet waren. Nachdem er das Cargo an's Land gebracht hatte, hielt er von dem mitgenommenen Salzfleisch und Zwieback ein kräftiges Frühstück und brachte dann die Gegenstände wieder hinauf, um dann Vorbereitungen für die Ausschlagung des Zeltes zu treffen; denn er wollte die Ankunft Williams und Junos abwarten, damit sie ihm helfen könnten, die Spieren festzumachen und die Leinwand darüber zu werfen.

Gegen zehn Uhr erschien William. Er führte eine der Ziegen an einem Stricke und die anderen folgten nach. Bald darauf stellte sich auch Juno mit den Schafen ein, welche gleichfalls ein einziges gebunden hielt, während die übrigen sich ruhig der Procession anschloßen.

»Hier sind wir endlich!« sagte William lachend. »Wir hatten gewaltig Noth, uns durch den Wald zu arbeiten, denn Nanny wollte stets auf der andern Seite des Baumes laufen, wenn ich auf der einen ging, und dies nöthigte mich oft, den Strick fahren zu lassen. Wir trafen wieder mit den Schweinen zusammen, und Juno hat darüber ein gewaltiges Geschrei angeschlagen.

»Ich halt sie für wilde Thier,« versetzte Juno. »Ah! welch' eine schöne Platz! Missis wird froh seyn, hier zu wohnen.«

»Ja, es ist ein sehr schöner Platz, Juno; und Du wirst im Stande seyn, hier zu waschen, ohne das Wasser sparen zu müssen.«

»Ich habe mir auch schon Gedanken gemacht,« sagte William, »wie wir die Hühner herüberbringen sollen. Sie sind nicht sehr wild, aber dennoch können wir sie nicht fangen.«

»Ich will sie morgen mitbringen, Junker William.«

»Aber, wie wollt Ihr sie greifen?«

»Man wartet, bis sie aufgesessen sind, und kann sie dann nach Belieben wegnehmen.«

»Die Tauben und Schweine werden wahrscheinlich verwildern?«

»Das ist das Beste, was wir von ihnen verlangen können. Die Schweine suchen für sich selbst ihre Nahrung unter den Kokosbäumen und werden sehr schnell züchten.«

»Dann müssen wir sie vermuthlich schießen?«

»Allerdings, Junker William, und die Tauben auch, wenn wir lange genug hier bleiben und sie sich hinreichend vermehrt haben. Es fehlt uns dann nicht an Wild auf dieser Insel, und wir werden bald reichlich mit lebendigen Vorräthen versehen seyn.«

»So Gott will, werden wir mit jedem Jahre reicher. Aber jetzt müßt Ihr mir helfen, das Zelt aufzuschlagen und Alles in Ordnung zu bringen, so daß es Eure Mutter bei ihrer Ankunft gemächlich findet; denn ich kann mir denken, daß sie von dem Gehen durch den Wald sehr müde seyn wird. Es ist ein weiter Weg für sie.«

»Mama fühlt sich viel besser, als in langer Zeit,« versetzte William. »Ich denke, sie wird bald wieder ganz kräftig seyn, namentlich wenn sie an diesem schönen Orte wohnt.«

»Wir haben noch viel zu thun, mehr, als wir vor der Regenzeit erschwingen können – freilich recht Schade, aber das läßt sich nicht ändern. Ueber's Jahr werden wir's gemächlicher haben.«

»Was bleibt uns dann für weitere Arbeit, wenn wir die Zelte aufgeschlagen und den Umzug bewerkstelligt haben?«

»Erstlich müssen wir ein Haus bauen und das wird geraume Zeit dauern. Wir müssen uns dann eben behelfen, wie wir können, bis es fertig ist. Dazu kommt noch die Anlegung eines kleinen Gartens, in welchen wir die Samen säen, die Euer Vater von England mitgebracht hat.«

»Oh! das wird ja allerliebst werden. Wo legen wir ihn an, Ready?«

»Ich habe mich schon danach umgesehen. Wir ziehen einen Zaun über diesen Landstrich und graben alles Gebüsch aus; der Boden ist sehr gut.«

»Was kommt dann zunächst?«

»Wir brauchen ein Magazin für alle die Vorräthe, die wir im Wald und an dem Gestade haben. Freilich müssen sie vorderhand an Ort und Stelle bleiben, bis wir Zeit haben, sie zu untersuchen. Dann berechnen wir, wie viele Fahrten wir brauchen, um Alles in dem kleinen Boote hereinbringen zu können.«

»Ja, das ist sehr wahr, Ready. Haben wir sonst noch etwas zu thun?«

»Alle Hände voll. Wir müssen einen Teich für Schildkröten und einen zweiten für die Fische, ferner einen Badplatz bauen, in welchem Juno die Kinder waschen kann.«

»Ja und mich selbst auch,« versetzte Juno.

»Nun, ich ziehe nicht in Abrede, daß Dir ein bischen Waschen nicht schaden wird, Juno, obschon Du sonst ein säuberliches Mädchen bist. Aber zuvörderst, Junker William, müssen wir die Quelle zweckmäßig fassen, damit wir immer hinreichend süßes Wasser haben. Das ist Arbeit genug für wenigstens ein Jahr und ich zweifle nicht, daß wir im Laufe der Zeit immer wieder etwas Neues auffinden.«

»Gut; wenn nur einmal Mama und die Kinder hier sind, so wollen wir eifrig an's Werk gehen.«

»Es wäre mir lieb, wenn's einmal abgethan wäre, Junker William,« sagte Ready. »Ich hoffe übrigens, daß mein Leben erhalten bleibt, bis es geschehen ist. Ich möchte euch gerne gemächlich und in einer Lage zurücklassen, daß ihr ohne mich fortkommen könnt.«

»Aber warum sprecht Ihr so, Ready? Ihr seyd zwar ein alter Mann, aber doch noch stark und gesund.«

»Jetzt wohl noch, Junker William; aber wißt Ihr, wie's in dem Buche heißt? – ›In der Mitte des Lebens sind wir im Tode.‹ Ihr seyd jung, gesund und habt Aussicht auf ein langes Leben; aber wer weiß, ob Ihr nicht morgen abberufen werdet und Eure Eltern über Eurer Leiche weinen müssen. Kann ein alter Mann, der von Mühseligkeiten ausgenützt ist, ein langes Leben erwarten? Nein, nein, Junker William. Der Jüngling, der auf die Dauer seiner Tage pocht, ist ein Thor; aber der Alte, der es thut, ein verrückter Sünder. Dennoch wäre es mir lieb, wenn ich hier bleiben dürfte, so lang ich mich nützlich machen kann, und dann hoffe ich im Frieden hinzufahren. Ich möchte diese Insel nicht wieder verlassen, Junker William, und habe eine Art Vorahnung, daß meine Gebeine hier ruhen werden. Gottes Wille geschehe.«

Jetzt trat eine geraume Pause ein, während welcher alle Drei in ihrem Geschäfte fortmachten, die Zeltleinwand ausbreiteten und sie auf den Boden mit Pflöcken befestigten. Endlich unterbrach William das Schweigen.

»Ready, habt Ihr nicht gesagt, daß Euer Taufname Masterman sey?«

»So ist es, Junker Willy.«

»Das ist ein wunderlicher Taufname. Wurdet Ihr nach einer andern Person so genannt?«

»Ja, Junker William, nach einem reichen Manne.«

»Wißt Ihr auch, Ready, daß ich gar zu gerne einmal Eure Geschichte hören möchte – ich meine die Geschichte Eures ganzen Lebens von der Zeit an, als Ihr ein Knabe wart.«

»Nun, dazu kann wohl Rath werden, Junker William, denn manche Abschnitte meines Lebens können Andern zur Lehre dienen. Doch das kann erst geschehen, wenn wir alle unsere Arbeit hinter uns gebracht haben – vorderhand noch nicht.«

»Wie alt seyd Ihr, Ready?«

»Vierundsechzig vorbei, Junker William – ein schönes Alter für einen Matrosen. Ich hätte auf keinem Schiffe mehr Beschäftigung finden können, wenn ich nicht bei vielen Kapitänen so gut bekannt wäre.«

»Aber warum sagt Ihr, ein schönes Alter für einen Seemann?«

»Weil die Matrosen viel schneller leben, als andere Leute, zum Theil um der Anstrengungen willen, die sie durchzumachen haben, theilweise aber auch, weil sie so viel Branntwein trinken. Dann sind sie außerdem oft so rücksichtslos und gleichgültig gegen ihre Gesundheit, daß ihre Kräfte viel früher zusammenbrechen, als bei denen, welche am Lande leben.«

»Ihr trinkt aber nie Branntwein?«

»Nein, Junker William, obschon ich in meinen jüngeren Tagen so thöricht war, wie Andere. Nun, Juno, wir sind jetzt fertig, und Du kannst das Bettzeug hereinbringen. Wir haben noch zwei oder drei Stunden übrig, Junker William; was fangen wir zunächst an?«

»Meint Ihr nicht, es wäre gut, die Feuerstelle für's Kochen bereit zu hatten? Juno und ich können die Steine herbeiholen.«

»Ihr seyd ein sehr verständiger Junge – ich würde dasselbe vorgeschlagen haben, wenn Ihr's nicht gethan hättet. Ich werde morgen vor euch Allen hier seyn und will Sorge dafür tragen, daß ihr bei eurer Ankunft ein Nachtessen findet.«

»Ich habe eine Wasserflasche im Schnappsack mitgebracht,« versetzte William; »nicht so fast um des Wassers willen, als weil ich die Ziege melken und die Milch für das Brüderlein mit zurücknehmen will.«

»Ihr habt Euch damit nicht nur als einen verständigen, sondern auch als einen liebevollen Jungen erwiesen, William. Gut, während Ihr und Juno die Steine holt, will ich alle die Dinge, die ich in dem Boote mitgebracht, unter die Zelte stauen.«

»Sollen wir die Ziegen und Schafe loslassen, Ready?«

»O ja, wir haben nicht zu besorgen, daß sie sich verlaufen. Das Gras ist hier besser und in reichlicherer Menge vorhanden, als auf der andern Seite. Ihr könnt Euch darauf verlassen, daß sie hier bleiben.«

»So will ich Nanny loslassen, sobald Juno sie gemolken hat; ich wüßte sonst nichts Weiteres zu thun vor unserer Rückkehr. Laß sehen, Juno, wie viele Steine wir auf einmal tragen können.«

Nach einer Stunde war die Feuerstelle fertig. Ready hatte Alles gethan, was er konnte, und die Ziegen wurden, sobald sie gemolken waren, losgelassen. Dann traten William und Juno ihren Rückweg durch den Wald an. Ready ging nach dem Gestade hinunter. Als er daselbst anlangte, bemerkte er eine kleine Schildkröte, auf die er langsam von vorne zuschlich. Nachdem er sie auf den Rücken gelegt hatte, sagte er: »Das gibt einen guten Braten für morgen,« und stieg dann in's Boot, um wieder nach der Bucht auf der anderen Seite zurückzurudern.

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