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Dreizehntes Kapitel.


Wir wollen in Zukunft die regelmäßige Tagesbeschäftigung unserer Gesellschaft übergehen, da wir hinreichend zu thun haben werden, um die verschiedenen neuen Vorfälle aufzuzählen, welche jeder Tag mit sich brachte. Als am andern Morgen das Frühstück vorüber war, bemerkte Ready:

»Herr Seagrave, wir müssen jetzt einen Kriegsrath halten und über eine Recognitionspartie für den morgigen Tag einig werden. Haben wir dies abgethan, so werden wir wohl Gelegenheit finden, uns für den Rest des Tages nützlich zu beschäftigen. Die erste Frage ist: aus welchen Personen soll die Partie bestehen? Hierüber möchte ich Eure Meinung hören.«

»Je nun, Ready,« versetzte Herr Seagrave, »ich meine Ihr und ich, wir beide sollten gehen.«

»Oh, doch nicht ihr Beide, mein Lieber,« fiel Frau Seagrave ein. »Ihr könnt doch wohl ohne meinen Gatten zu Stande kommen, Ready.«

»Es wäre mir allerdings lieb gewesen, zur Berathung Herrn Seagrave mitzunehmen, Madame,« versetzte Ready; »aber nach weiterer Erwägung der Sache glaube ich nicht, daß Junker William ein zureichender Schutz für Euch seyn wird. Jedenfalls würdet Ihr dies glauben, und dann kommt es auf das Gleiche heraus. Wenn daher Herr Seagrave nichts dagegen hat, so ist's vielleicht besser, wenn er bei Euch bleibt.«

»So wollt Ihr also allein gehen, Ready?« fragte Herr Seagrave.

»Nein, Sir; ich glaube nicht, daß dies recht wäre. Es könnte sich etwas zutragen – man weiß nicht, was Einen befallen mag, obgleich es sicher genug aussieht; aber wir sind in den Händen Gottes, der über uns verfügen kann nach seinem Gutdünken. Es wäre mir daher lieb, wenn Jemand mit mir ginge, nur handelt sich's noch um die Frage, ob mich Junker William oder Juno begleiten soll.«

»Nehmt mich mit,« sagte Tommy.

»Dich mitnehmen, Meister Tommy?« sagte Ready lachend. »Dann müßte auch Juno dabei seyn, um für Dich Sorge zu tragen. Nein, ich glaube, daß man Dich hier nicht entbehren kann. Die Mamma könnte Dich brauchen, wenn Du fort bist; denn Du bist so geschickt im Sammeln von Brennholz und im Abwarten Deiner kleinen Geschwister, daß Dich Deine Mutter nicht entbehren kann. Ich muß daher schon entweder Juno oder Deinen Bruder William haben.«

»Und wen würdet Ihr vorziehen, Ready?« fragte Frau Seagrave.

»Jedenfalls den Junker William, wenn Ihr ihn mitziehen lassen wollt, da Ihr doch das Mädchen nicht gut missen könnt. Ich fürchtete nur, Ihr würdet Einwendungen erheben.«

»In der That, es will mir nicht recht gefallen, und ich möchte lieber Juno für eine Weile entbehren,« entgegnete Frau Seagrave.

»Meine liebe Frau,« entgegnete Herr Seagrave, »was hat Ready eben erst gesagt? Daß wir in den Händen Gottes sind. Vergiß nicht, wie uns die Vorsehung in so schlimmen Gefahren erhalten und uns sicher hier an's Land geführt hat. Willst Du jetzt nicht auf dieselbe Vorsehung bauen, da die Gefahren hoffentlich bloß eingebildet sind?«

»Ich hatte Unrecht, mein lieber Mann, sehr Unrecht; aber ich fürchte, Krankheit und Leiden haben mich nicht nur angegriffen und ängstlich, sondern auch selbstsüchtig gemacht. Ich muß und will übrigens dieses Gefühl abschütteln. Bisher bin ich Euch bloß eine Last gewesen, hoffe aber, daß ich mich bald besser benehmen und nützlich machen kann. Wenn Du es für räthlich hältst, mein lieber Gatte, daß Du statt Williams Ready begleitest, so bin ich völlig zufrieden. Ich hatte in der That sehr Unrecht, eine Einwendung zu erheben. Begleite immerhin Ready und möge der Himmel euch beide beschützen.«

»Nein, Madame,« versetzte Ready, »Junker William wird vollkommen zureichen. In der That, ich wollte mit Vergnügen allein gehen, da ich nicht fürchte, es könnte sich etwas zutragen; indeß wissen wir nicht, was der Tag bringen mag. Ich könnte unwohl werden – vielleicht Schaden nehmen – Ihr wißt, ich bin ein alter Mann. Und dann dachte ich, wenn mir etwas zustieße, so könntet Ihr mich vermissen – das ist Alles; ich sagte es nicht um meinetwillen.«

»Ich bin davon überzeugt, mein guter alter Freund,« entgegnete Frau Seagrave, »aber eine Mutter ist bisweilen thöricht.«

»Bitte um Verzeihung, nicht thöricht, Madame, nur ein bischen allzu ängstlich,« erwiederte Ready.

»Wohlan denn, so soll William mit Euch gehen, Ready – dabei hat es sein Verbleiben,« bemerkte Herr Seagrave. »Was jetzt weiter?«

»Zunächst müssen wir uns für unsere Reise vorbereiten. Wir brauchen etwas Mundvorrath und Wasser, ein Gewehr mit Munition, eine große Axt für mich und ein Beil für Junker William. Wenn Ihr nichts dagegen habt, könntet Ihr uns auch Romulus und Remus mitgeben und die Vixen für Euch behalten. Juno, stecke ein paar Stücke Ochsen- und Schweinfleisch in den Topf. Junker William, wollt Ihr vier Quartflaschen mit Wasser füllen, während ich für jeden von uns aus Segeltuch einen Schnappsack zusammennähe?«

»Und was kann ich thun?« fragte Herr Seagrave.

»Je nun, Sir, Ihr könntet wohl so gut seyn, auf dem Schleifstein die Axt und das Beil zu schärfen, da uns dies vielleicht zu Statten kommen wird. Tommy ist ein starker kleiner Mann und ein Freund vom Arbeiten; er kann den Schleifstein drehen.«

Tommy sprang augenblicklich auf, denn er war stark genug für das ihm zugewiesene Geschäft, obschon ihm das Spielen lieber war, als die Arbeit. Da jedoch Ready gesagt hatte, er sey ein Freund davon, so wünschte er zu beweisen, daß es wirklich der Fall sey, und ließ es auch durchaus nicht fehlen, weil Ready, der seine Schnappsäcke anfertigte, in der Nähe saß. Wenn nun Tommy geneigt war aufzuhören, so lobte er ihn wegen seines guten Verhaltens und machte Frau Seagrave aufmerksam, was er für ein gescheidter Knabe sey; und in der Freude über das Lob trieb er den Schleifstein so eifrig, bis ihm der Schweiß von der Stirne herunterrann. Noch ehe sie sich zum Nachtgebete versammelten, um dann zu Bette zu gehen, waren Axt und Beil geschärft, die Schnappsäcke fertig und alles Uebrige bereit.

»Wann gedenkt Ihr aufzubrechen, Ready?« fragte Herr Seagrave.

»Mit dem Grauen des Tages, weil dann die Hitze noch nicht so groß ist.«

»Und wann wollt Ihr wieder zurückkehren,« fragt Frau Seagrave.

»Wir haben uns auf drei Tage mit Mundvorrath versehen, Madame. Wenn wir daher morgen früh, das wäre Mittwoch, aufbrechen, so hoffe ich, am Freitag Abend wieder einzutreffen. Wenn's thunlich ist, bleiben wir keinesfalls länger aus, als bis Samstag Morgen.«

»Gute Nacht – und Gott befohlen, Mutter,« sagte William; »denn ich werde Dich morgen nicht sehen.«

»Gott segne und beschütze Dich, mein lieber Knabe,« versetzte Frau Seagrave. »Tragt Sorge für ihn, Ready, und lebt wohl, bis wir uns wieder sehen.«

Frau Seagrave ging in das Zelt hinein, um die Thränen zu verbergen, die sie nicht unterdrücken konnte.

»Es ist ihr jetzt Alles neu,« bemerkte Ready. »Noch eine kleine Weile, und sie wird sich nichts mehr daraus machen.«

»Sehr wahr,« sagte Herr Seagrave. »Aber sie ist noch sehr angegriffen und schwach. Auch benimmt sie sich ziemlich gut, wenn wir in's Auge fassen, daß sie sich noch nie eine Stunde von ihren Kindern getrennt hat und der Knabe auszieht, ohne daß sie weiß wohin.«

»Allerdings, Sir, allerdings,« versetzte Ready. »Einer Mutter Furcht ist ebenso natürlich, wie einer Mutter Liebe. Wenn ich finde, daß ich in der anberaumten Zeit nicht Alles, was ich wünsche, in Stand bringen kann, so komme ich jedenfalls zurück, um wieder auf's Neue aufzubrechen.«

»Thut dies, Ready; sie wird dadurch mehr Vertrauen gewinnen. Und jetzt lebt wohl – möge günstiger Erfolg Euch begleiten!«

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