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Der ganze Hof war heute in einer freudigen Bewegung, denn man sollte heute ein seltenes, ganz neues Schauspiel genießen und einer Theatervorstellung beiwohnen, die in den Annalen des Berliner Hofes etwas Unerhörtes, nie Erlebtes war. Voltaires neues Drama Catilina, dem er jetzt den Namen Rome sauvée gegeben, sollte im königlichen Schlosse, auf einem in den Zimmern der Prinzessin Amalie eigens dazu errichteten Theater aufgeführt werden, und die Darsteller waren keine gewöhnlichen Künstler und Schauspieler, sondern sie gehörten zum Teil den höchsten Kreisen der Gesellschaft an. Prinzessin Amalie gab die Rolle der Aurelia, Prinz Heinrich den Julius Cäsar und Voltaire den Cicero.
Es war heut in der Frühe des Morgens die letzte Probe gewesen; Voltaire hatte bei derselben sich ganz wieder in seiner zügellosen Wildheit, seiner beißenden Ironie, seinem funkensprühenden Sarkasmus gezeigt. Keiner der Darsteller war seinem Tadel und seinem schnell auflodernden Zorn entgangen, und besonders hatte der arme Dichter d'Arnaud viel von seiner tadelsüchtigen Heftigkeit zu dulden gehabt. D'Arnaud, der einst der Lieblingsschüler Voltaires gewesen, den er dem König selbst empfohlen, d'Arnaud hatte das Unglück gehabt, dem König zu gefallen, und deshalb, besonders seit Friedrich jenes schmeichelhafte Gedicht auf ihn gemacht, haßte ihn Voltaire und sann nur darauf, ihn in der Gunst des Königs zu verkleinern und ihn vom Hofe zu entfernen In einem Briefe an Madame Denis schreibt Voltaire: » Tout le monde me reproche que le roi a fait des vers pour d'Arnaud, des vers qui ne sont pas ce qu'il a fait de mieux; mais songez qu'à quatre cent lieus de Paris, il est bien difficile de savoir si un homme qu'on lui recommande a du mérite ou non: de plus c'est toujours des vers, et bien ou mal appliqués ils prouvent que le vainqueur de l'Autriche aime les belles lettres que j'aime de tout mon coeur. D'ailleurs d'Arnaud est un bon diable, qui par-ci par-là ne laisse pas de rencontrer de bons tirades. Il a du gout, il se forme; et s'il arrive, qu'il se déforme, il n'y a pas grand mal. En un mot, la petite méprise du roi de Prusse n'empêche pas qu'il ne soit le plus singulier de tout les hommes.« Voyez Oeuvres complètes. LVIII, 357.. Heute war es zum ersten Male zu einem offenen Streit zwischen ihnen gekommen, und dazu hatte die Rolle, welche d'Arnaud im Rome sauvée zu spielen hatte, Voltaire die willkommene Veranlassung gegeben. Freilich hatte d'Arnaud nur einige Worte zu sagen, aber der Vortrag derselben genügte dem Dichter nicht. Er behauptete, daß d'Arnaud sie mit absichtlicher Kälte und Nachlässigkeit gesprochen.
D'Arnaud zuckte die Achseln und erwiderte: Eine Rolle von zwei Worten verdient nicht mehr. Sagen Sie mir doch, welche Deklamation für zwei so unbedeutende Worte nicht lächerlich sein würde?
Das genügte, um Voltaires Zorn sogleich zu entflammen. Und diese Rolle übersteigt noch immer Ihre Kräfte, schrie er, Sie wissen selbst diese zwei Worte nicht zu sprechen, wie es sich geziemt.
Und nun begann er mit seiner flammenden Beredsamkeit auseinanderzusetzen, daß auf diesen zwei Worten der ganze Kern des Stückes ruhe und daß diese Rolle die wichtigste sei. Nun trieb er den widerstreitenden d'Arnaud mit seinem beißenden Witz, seiner schlagfertigen Ironie so sehr in die Enge, daß dieser atemlos, wütend, fast erstickend vor Zorn, keine Worte finden konnte, keine Kraft besaß, den geschickten Angriffen mit ebenso schlagfertiger, scharfer Klinge zu begegnen, sondern überwunden und gedemütigt verstummte, während das Lachen des ergötzten Königs und der ganzen Hofgesellschaft die Niederlage für d'Arnaud noch größer und schmerzlicher, den Triumph für Voltaire noch glänzender und ehrenvoller machte. Aber zuletzt hatten alle diese hohen und gelehrigen Schauspieler ihre Rolle doch zur Zufriedenheit Voltaires, der an diesem Tage als Dichter, Regisseur und Schauspieler wirkte, erlernt, und es sollte also heute abend vor der ganzen Hofgesellschaft die Aufführung dieses Dramas stattfinden, welches Voltaire sein Meisterstück nannte.
Prinzessin Amalie, welche, wie gesagt, die Rolle der Aurelia spielte, hatte sich für diesen Tag in ihre Gemächer zurückgezogen, sie hatte bei der Königin Mutter um die Erlaubnis nachgesucht, nicht bei der Mittagstafel erscheinen zu dürfen, und diese war ihr bereitwillig gewährt worden, da man sehr wohl begriff, daß die Prinzessin der Ruhe bedürfe, um ihre anstrengende und schwierige Rolle noch in der Stille zu memorieren.
Aber Prinzessin Amalie memorierte weder ihre Rolle, noch war sie mit dem Ordnen ihrer Toilette beschäftigt. Sie lag nachlässig hingestreckt auf dem Diwan und blickte mit tränenvollen Augen auf den Brief hin, den sie in ihren zitternden Händen hielt. Neben ihr auf der Erde kniete das Fräulein von Haak und schaute mit teilnehmenden Blicken zu der Prinzessin empor.
Oh, welche Qual, welche Marter ist dies, sagte Amalie leise, lachen zu müssen, während mein Herz in Verzweiflung ist, die Vergnügungen dieses in Festen und Genüssen schwelgenden Hofes mitzumachen, während es so finster und trauervoll in mir ist, daß ich nicht einmal einen Stern der Hoffnung, einen Schimmer des Glückes sehe. Oh, Ernestine, sage nicht, daß ich ruhig und still sein soll, gönne mir wenigstens den schmerzvollen Genuß, meine Leiden klagen und in der Stille dieses Gemaches meinen Schmerz ausschreien zu können.
Aber teuerste Prinzessin, flüsterte Ernestine, weshalb dieser Schmerz, und wozu soll es nützen, wenn Sie die kaum verharschten Wunden Ihres Herzens wieder aufreißen?
Diese Wunden sind niemals verharscht gewesen, rief Amalie ungestüm. Nein, sie haben ewig geblutet, ewig geschmerzt. Oder denkst auch du so klein, so jammervoll von mir, daß du meinst, einige Jahre könnten genügen, um mich das Vergessen zu lehren?
Habe ich nicht auch lernen müssen zu vergessen? fragte Ernestine schmerzvoll. Ist nicht auch mein Lebensglück zerstört, bin nicht auch ich auf ewig von meinem Geliebten getrennt? Oh, Prinzessin, wie viel glücklicher sind Sie, da Sie doch wissen, wo Sie den unglücklichen Freund mit Ihren Gedanken finden können, während kein Laut aus der Ferne eine Antwort gibt auf meine Klagen, und meine trostlosen, irrenden Gedanken nicht wissen, ob sie den Geliebten im Grabe oder im Gefängnis, in Kummer und Elend oder in Freude und Glück zu suchen haben!
Es ist wahr, sagte Amalie gedankenvoll, unser Los ist ein schmerzvolles und erbarmungswürdiges! Oh, Ernestine, was habe ich nicht gelitten in diesen fünf Jahren, seit ich Trenck nicht mehr gesehen. In diesen fünf Jahren des Schweigens, des Entsagens und der Trostlosigkeit, wie oft habe ich nicht geglaubt, diesen ungesehenen Leiden erliegen zu müssen und zu sterben, während ich mit geschminkten Wangen und lächelnden Lippen mich im Kreise der glänzenden Feste befand, zu deren Mittelpunkt mich die grausame Liebe des Königs erhob. Wie oft, während ich mich heiter zu unterhalten schien, sind meine Gedanken abgeirrt zu dem fernen Geliebten, von dem mir die Lüfte keine Botschaft und die Sterne keinen Gruß mehr brachten, und von dem ich doch wußte, daß er lebte und mein gedachte. Denn wäre er gestorben, so würde er mir erschienen sein, und hätte er mich vergessen, so wäre das ein Dolchstoß gewesen, der mein Herz sicher und auf einen Schlag getötet hätte. Oh, Ernestine, überzeugt zu sein, daß er oft an mich geschrieben, und daß diese Briefe alle in die Hände der Spione und Laurer gefallen sind, mit denen mein Bruder mich umstellt hat. Aber ich bin nicht wahnsinnig geworden, weil ich fühlte, daß Trenck meiner noch eines Tages bedürfen würde. Ich habe mich nicht getötet, weil ich wußte, daß mein Leben ihm noch eines Tages notwendig sein könnte. Ich habe gelebt wie die zur Hölle Verbannten, welche in ihren Qualen immer das Auge geöffnet und das Ohr gespannt halten, weil sie des Momentes harren, wo der Erlöser kommt, sie aus ihrer Qual zu befreien. Und siehst du, mein Moment ist gekommen. Gott hat endlich Erbarmen geübt, er hat das Auge meiner Späher geblendet, und dieser Brief ist sicher in meine Hände gekommen. Ein Brief von Trenck! Oh, Ernestine, er liebt mich, er hat mich nie vergessen, er ist unglücklich und ruft nach mir. Oh, mein Gott, mein Gott, warum hat das Schicksal meine Hände gebunden, warum hat es mich an einem Thron geboren werden lassen, dessen Glanz mich doch nur in den Schatten stellt, statt mich zu durchleuchten. Warum bin ich nicht in Armut und Niedrigkeit geboren, um wenigstens das Recht zu haben, zu meinem Geliebten eilen zu können, wenn er mich ruft, an seiner Seite zu sein, wenn er in Not ist, und sein Unglück mit ihm zu teilen.
Aber Sie, Prinzessin, sagte Fräulein von Haak, Sie können sein Unglück erleichtern. Sehen Sie mich an, ich bin arm und unabhängig, und doch kann ich nicht zu meinem Geliebten hineilen, und doch, wenn er in Not ist, hat er mich nicht gerufen, weil er weiß, daß ich außerstande bin, ihm zu helfen. Sie aber, dank Ihrer erhabenen Stellung, Sie vermögen zu helfen. Trenck bedarf Ihrer, und Sie sind da, ihm beizustehen.
Gott gebe, daß ich es kann! Er bittet, daß ich mich bei meinem Bruder verwende, damit die Fürsprache der preußischen Gesandtschaft in Wien ihm den kaiserlichen Hof von Wien geneigt mache, und er so hoffen dürfe, diese fürchterlichen Prozesse, welche ihm als das einzige Erbteil seines Vetters, des unglücklichen, im Gefängnis gestorbenen Pandurenhäuptlings, geblieben sind, endlich zu Ende zu führen. Oh, Ernestine, ich soll mit meinem Bruder über ihn sprechen! Er weiß nicht, daß sein Name in diesen fünf Jahren niemals über meine Lippen gekommen, daß ich niemals seit jenem verhängnisvollen Tage, als ich meinem Bruder gelobte, Trenck für ewig zu entsagen, mit dem König wieder allein gewesen. Beide haben wir jede vertrauliche Annäherung vermieden. Er, weil er vielleicht meine Klagen fürchtete, ich, weil ich fühlte, daß sich über die Liebe zu meinem Bruder eine Eiskruste gelegt hatte, die ich weder von seinem Lächeln, noch von seiner Güte wollte auftauen lassen, weil ich Trenck liebe, und ihm treu sein will, indem ich meinem Bruder zürne. Aber nun, Ernestine, muß ich mein Herz überwinden, nun muß ich mit meinem Bruder sprechen. Trenck ist in Not, ich werde Mut haben, für ihn zu bitten!
Aber was wollen Euere Hoheit erbitten? Oh, überlegen Sie es wohl, Prinzessin. Wer weiß, ob der König nicht Trenck ganz und gar vergessen hat. Das wäre vielleicht das Beste; man muß dem Löwen nicht das arme Insekt zeigen, das ihn aus seinem Schlummer aufgeweckt, denn alsdann wird er es töten. Trenck ist in Not, weil er Prozesse hat. Senden Sie ihm also Gold, Gold, um die Herren der Gesetze zu bestechen, denn man weiß ja, daß der würdige Reichshofrat ein wenig trübe Augen hat und den Glanz des Goldes oft für den Glanz der Sonne der Gerechtigkeit hält. Senden Sie ihm also viel Gold, und er wird die Tiger zähmen, die den Saal des Gerichts umlagern, und er wird seine Prozesse gewinnen.
Prinzessin Amalie zuckte verächtlich die Achseln. Er ruft nach mir, und ich sollte ihm nichts geben als ekles Gold! Er bittet, daß ich für ihn handle, und ich sollte aus Feigheit schweigen und ihm meine Hilfe mit Gold abkaufen? Nein, nein, ich werde handeln, und das heute noch! Du weißt, daß ich nur auf die ausdrückliche Bitte des Königs eingewilligt habe, in diesem Drama heute abend eine Rolle zu spielen. Als mein Bruder mich darum bat, fügte er mit seinem gewinnenden Lächeln hinzu: »Bewilligen Sie mir diese Gnade, meine Schwester, und seien Sie gewiß, daß ich Ihnen dafür die erste Gnade, welche Sie von mir fordern wollen, auch bewilligen werde.« Nun denn, ich werde ihn an dies Wort erinnern, ich werde ihn für Trenck bitten, und er darf es mir nicht abschlagen. Oh, Ernestine, ich weiß nicht, wie es kommt, aber mir scheint, seit einiger Zeit liebt der König mich wieder zärtlicher als sonst, sein Auge ruht mit Wohlgefallen auf mir, und oft ist es mir, als sähe er mich an mit Blicken, die um meine Liebe flehten. Sage nicht, daß ich töricht und kindisch bin, aber ich denke zuweilen, meine schweigende Ergebung könne sein Herz gerührt haben, und er sei endlich geneigt, Gnade zu üben und mich glücklich zu machen, glücklich, indem er mir vergönnt, diesem Glanz zu entfliehen, zu vergessen, daß ich eine Prinzessin bin, und mich nur zu erinnern, daß ich ein Weib bin, dem Gott ein Herz gegeben hat, um zu lieben!
Amalie sah nicht die traurigen und schmerzvollen Blicke, mit denen die Freundin sie betrachtete. Sie war ganz Begeisterung und Glut, und mit strahlenden Blicken und hochatmendem Busen von dem Divan aufspringend, fuhr sie fort:
Ja, es ist so, wie ich sage. Mein Bruder will mich glücklich machen!
Prinzessin, wagen Sie es nicht, solchen kühnen Hoffnungen nachzuhängen, rief Fräulein von Haak mit Tränen in den Augen. Niemals wird der König einwilligen, Sie auf eine andere als eine königliche Weise glücklich zu machen.
Amalie lächelte fast. Sagen Sie doch, Ernestine, ist eine regierende Markgräfin von Bayreuth nicht ebenso hochgestellt als ich?
Gewiß, Hoheit, sagte Ernestine befremdet, denn Ihre eigene erhabene Schwester ist ja regierende Markgräfin von Bayreuth.
Ich rede nicht von ihr, sondern von der Witwe des vorigen Markgrafen. Sie hat doch mindestens auch regiert. Nun, jetzt hat sie sich dem jungen Grafen Hoditz vermählt; der König hat es mir gestern selbst mit Lachen erzählt. Er war nicht zornig, und doch ist die jetzige kleine Gräfin Hoditz seine rechtmäßige Tante, wie ich seine Schwester bin.
Hätte der König der Tante befehlen können, wie er's der Schwester kann, so würde er diese Vermählung nicht geduldet haben, sagte Fräulein von Haak.
Prinzessin Amalie achtete nicht auf sie. Mit hastigen Schritten ging sie im Gemach auf und ab, strahlenden Auges und lächelnden Mundes. Dann nach einer langen Pause näherte sie sich ihrer Freundin und legte ihre beiden Hände auf Ernestinens Schulter.
Sie sind eine gute Seele und eine treue Freundin, sagte sie, Sie haben immer ein geduldiges Ohr für meine Klagen gehabt. Oh, denken Sie doch nur, wie schön das sein muß, wenn ich Ihnen einst von meinem Glück erzählen werde! Und jetzt, Ernestine, kommen Sie. Jetzt müssen Sie mit mir noch einmal meine Rolle memorieren und dann wollen wir an meine Toilette denken. Oh, ich will schön sein heute abend, um dem König zu gefallen, ich will spielen wie eine Künstlerin, um sein Herz zu rühren. Wenn ich so spiele, so glühend und wahr, daß er weinen muß über den Schmerz dieses unglücklichen, liebenden Weibes, welches ich darstelle, wird das nicht sein Herz in Liebe erweichen müssen, wird er nicht Mitleid haben mit meinem wirklichen Liebesgram, dem ich in der Rolle einer andern nur Worte verleihe? Kommen Sie also, Ernestine, memorieren wir noch einmal! Ich muß meine Rolle heute abend gut spielen, denn ich will mir das Herz des Königs gewinnen!
Und Prinzessin Amalie hielt sich selber Wort. Sie spielte ihre Rolle mit einer vollendeten Meisterschaft. Die Worte der Liebe und des Schmerzes flossen wie ein Strom von Glut und Begeisterung von ihren Lippen, die Schwüre der Treue, die Klagen der Sehnsucht, die Verzweiflung des Entsagens waren nicht mehr die hochstelzenden Phrasen einer Schauspielerin, sondern sie waren Wirklichkeit und Wahrheit. Man glaubte an ihre Tränen, an ihre Verzweiflung, und als Amalie mit wirklichen Tränen, mit wirklichem Erblassen von den Qualen ihrer Liebe erzählte, da hörte man in diesem glänzenden, von Kerzen und Brillanten funkelnden Saal nichts als Seufzen und Schluchzen.
Die Königin Elisabeth Christine, in ihrem eigenen Liebesgram aller Etikette vergessend, legte ihre Hand über ihr Angesicht, und zwischen ihren schlanken, von Brillanten funkelnden Fingern quollen dicke Tränen hervor.
Die Königin Mutter, befremdet über ihre eigene Rührung, flüsterte leise, daß es sehr heiß sei, und indem sie mit dem goldgestickten Taschentuch sich Kühlung zufächelte, trocknete sie verstohlen eine Träne aus ihren Augen fort.
Selbst der König war gerührt, der Glanz seiner Augen ward trüber, und eine tiefe, unaussprechliche Wehmut zitterte um seine Lippen.
Voltaire aber war außer sich vor Entzücken, seine Augen hingen mit einer verzehrenden Glut an jeder Bewegung, jedem Blick Amaliens, sein Mund strömte über von Lobeserhebungen, von Dank und Entzücken, und in seiner Begeisterung alles andere vergessend, rief er, als er der Prinzessin nach ihrer großen Szene hinter den Kulissen begegnete: Sie sind es würdig, Schauspielerin zu sein und in Voltaires Tragödien zu spielen!
Prinzessin Amalie lächelte und ging schweigend vorüber. Was kümmerte sie das Lob Voltaires. Sie wußte nur, daß sie ihren Zweck erreicht, daß sie das Herz des Königs gerührt hatte. Dies Bewußtsein machte sie mutig und begeisterungsvoll, und als nach Beendigung der Vorstellung der König zu ihr kam, als er sie herzlich umarmte und mit zärtlichen Worten ihr dankte für diesen herrlichen und genußreichen Abend, den er dem Dichtergenius Voltaires nicht allein, sondern auch dem wundervollen Spiel Amaliens schuldete, da erinnerte Amalie ihn lächelnd daran, daß er ihr noch eine Gnade zu bewilligen habe.
Ich bitte Sie, meine Schwester, erwiderte der König heiter, verlangen Sie heute abend etwas recht Großes von mir, denn ich bin ganz in der Stimmung, es Ihnen zu bewilligen.
Amalie sah ihm mit einem bangen und flehenden Ausdruck in das lächelnde Angesicht. Sire, sagte sie, bestimmen Sie mir morgen vormittag eine Stunde, in der ich zu Ihnen kommen darf, um Ihnen meine Bitte vorzutragen, deren Gewährung Sie mir schon im voraus versprochen haben.
Des Königs Antlitz hatte sich leicht beschattet. Das trifft sich in der Tat sehr günstig, sagte er. Ich wollte Sie auf morgen früh um eine Unterredung bitten, und nun kommen Sie meinem Wunsche zuvor. Ich werde morgen früh um zehn Uhr bei Ihnen sein, und auch ich habe Ihnen dann eine Bitte vorzutragen.
Ich erwarte Sie also morgen früh um zehn Uhr, mein Bruder, und dann werde ich Ihnen sagen, welche Gnade ich von Ihnen erbitte!
Und wenn ich Ihnen das bewilligt habe, wird es an Ihnen sein, meine Schwester, zu bewilligen, was ich von Ihnen erbitten will!