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Der Heimweg dünkte ihm nur wenig Ellen lang, so sehr war seine Seele mit dem Gedanken an die schöne Libussa beschäftigt, und er gelobte sich, weil er ihrer Liebe doch nie teilhaftig werden könne, auch keine andere zu lieben sein Leben lang. Der alte Ritter freuete sich der Wiederkunft seines Sohnes, und noch mehr da er vernahm, daß der Ausspruch der Tochter des weisen Krokus so gut mit seinen Wünschen übereintraf. Weil nun dem Jüngling von den Göttern der Ackerbau zum Beruf angewiesen war, säumte er nicht die weißen Stiere anzuschirren und an den Pflug zu spannen. Der erste Versuch gedieh nach Wunsche; die Stiere besaßen so viel Kräfte und Munterkeit, daß sie in einem Tage mehr Land umrissen als zwölf Joch Ochsen gewöhnlich zu erwältigen vermögen; denn sie waren rasch und gurrig, wie der Stier im Kalender abgebildet wird, der im Zeichen des Aprilmonats aus den Wolken herabspringt, und nicht so lässig und träge wie der Ochs, der im Evangelienbuch sich so phlegmatisch neben seinen heiligen Gefährten hinflegelt wie ein Schäferhund.
Herzog Czech, welcher den ersten Heereszug seines Volks nach Böhmen geführet hatte, war lange schon entschlafen, ohne daß seine Nachkommen Erben seiner Würde und des Fürstentums wurden. Die Magnaten traten zwar nach seinem Hinscheiden zu einer neuen Wahl zusammen, aber ihre wilde stürmische Gemütsart ließ keine vernünftige Entschließung reifen. Eigennutz und Eigendünkel verwandelten den ersten böhmischen Landtag in einen polnischen Reichstag; indem zuviel Hände nach dem Fürstenmantel griffen, zerrissen sie ihn gar und keiner erlangte ihn. Das Regiment zerfiel in eine Art von Anarchie, jeder tat was ihm gut dünkte, der Starke unterdrückte den Schwachen, der Reiche den Armen, der Große den Kleinen. Es war keine gemeine Sicherheit mehr im Lande, gleichwohl meinten die wüsten Köpfe ihre neue Republik sei gar wohl bestellt: alles, sprachen sie, ist in der Ordnung, und jedes Ding geht seinen Gang bei uns so gut als anderwärts: der Wolf frißt das Lamm, der Weih die Taube, der Fuchs das Huhn. Diese unsinnige Verfassung konnte keinen Bestand haben; nachdem der erträumte Freiheitstaumel nach und nach verdunstete und das Volk wieder nüchtern wurde, behauptete die Vernunft ihre Rechte, die Patrioten, die biedern Bürger, und wer sonst aus der Nation Vaterlandsliebe fühlte, beschlossen einen Rat das Idol der vielköpfigen Hydra zu zerstören und das Volk wieder unter ein Haupt zu vereinigen. »Lasset uns«, sprachen sie, »einen Fürsten wählen, der über uns herrsche nach väterlicher Sitte und Gewohnheit, der die Frechheit zähme und Recht und Gerechtigkeit handhabe. Nicht der Mächtigste, der Kühnste oder der Reichste; der Weiseste sei unser Herzog!« Das Volk, welches der Plackereien der kleinen Tyrannen längst müde war, hatte diesmal nur eine Stimme und gab diesem Vorschlage lauten Beifall. Es wurde ein Landtag anberaumt und die einmütige Wahl fiel auf den weisen Krokus. Man ordnete eine Ehrenbotschaft ab zur Besitznehmung der Fürstenwürde ihn einzuladen. Ob er gleich nicht nach hoher Ehre geizte, so säumte er doch nicht dem Verlangen des Volks nachzugeben. Man bekleidete ihn mit dem Purpur und er zog mit großem Pomp nach Vizegrad dem Wohnsitz der Fürsten, wo ihm das Volk entgegen jauchzete und ihm als Regenten huldigte. Dadurch wurde er inne, daß nun auch die dritte Schilfhülse der freigebigen Elfe ihre Gabe an ihn ausgespendet hatte.
Seine Gerechtigkeitsliebe und weise Gesetzgebung breitete seinen Ruf bald in alle umliegende Länder aus. Die sarmatischen Fürsten, welche einander unaufhörlich zu befehden gewohnt waren, brachten aus der Ferne ihren Hader vor seinen Richterstuhl. Er wog ihn mit untrüglichem Maß und Gewicht der natürlichen Billigkeit auf der Waage des Rechtes, und wenn er seinen Mund auftat, war's als ob der ehrwürdige Solon oder der weise Salomon zwischen den zwölf Löwen von seinem Thron herab das Urteil sprach. Als einsmals einige Aufwiegler sich gegen die Ruhe ihres Vaterlandes konföderiert und die reizbare polnische Nation in Harnisch gebracht hatten, zog er an der Spitze seines Heeres nach Polen, tilgte den Bürgerkrieg, und ein großer Teil des Volkes erkiesete ihn aus Dankbarkeit für den geschenkten Frieden gleichfalls zum Herzog. Er bauete daselbst die Stadt Krakau, die nach seinem Namen genennt ist, und das Recht hat die polnischen Könige zu krönen bis auf diesen Tag. Krokus regierte bis ans Ende seiner Tage mit großem Ruhm. Wie er vermerkte, daß er am Ziele derselben sei und nun bald abdrücken würde, ließ er sich aus den Trümmern der Eiche, die seine Gemahlin Elfe bewohnt hatte, eine Truhe zimmern welche seine Gebeine verwahren sollte, drauf verschied er in Frieden, beweint von den Fräuleins seinen drei Töchtern, welche den väterlichen Leichnam in die Truhe legten und ihn zur Erde bestatteten wie er befohlen hatte; und das ganze Land trug Leid um ihn.
Sobald das Trauergepränge geendiget war, versammleten sich die Stände zu beratschlagen wer den erledigten Fürstenthron wieder einnehmen sollte. Das Volk stimmte einmütig für eine Tochter des Krokus, nur konnte man sich nicht über die Wahl unter den drei Schwestern vergleichen. Fräulein Bela hatte im Grunde die wenigsten Adhärenten, denn sie besaß kein gutes Herz und bediente sich ihrer Zaubertalente oft Schaden anzurichten; aber sie hatte sich bei dem Volke in solche Furcht gesetzt, daß es niemand wagte aus Sorge ihre Rache zu reizen eine Einwendung gegen sie vorzubringen. Da nun gestimmt wurde, waren alle Wahlherrn stumm, keine Stimme war für sie, aber auch keine gegen sie. Mit Untergang der Sonne gingen die Volksrepräsentanten auseinander und verlegten das Wahlgeschäft auf den folgenden Tag. Da wurde Fräulein Therba in Vorschlag gebracht; aber das Vertrauen auf ihre Kraftsprüche hatte ihr den Kopf schwindelnd gemacht, sie war stolz und übermütig, begehrte wie eine Göttin verehrt zu sein; und wenn ihr nicht stets Weihrauch duftete, war sie launisch, mißmutig, eigensinnig, und offenbarte alle die Eigenschaften, die das schöne Geschlecht um den Besitz dieses schmeichelhaften Beiworts bringen. Sie wurde zwar weniger gefürchtet, als ihre ältere Schwester, aber darum nicht mehr geliebt. Um dieser Ursache willen ging's auf dem Wahlfeld so stille zu, als bei einem Totenmahle und es kam nicht zum Umstimmen. Am dritten Tage wurde Fräulein Libussa proponiert. Sobald dieser Name ausgesprochen wurde, hörte man ein trauliches Flüstern im Wahlkreis, die ernsten Gesichter wurden entfaltet und klärten sich auf, jeder der Wahlherrn wußte seinem Beisitzer eine gute Eigenschaft von dem Fräulein anzurühmen. Der eine lobte ihre Sittsamkeit, der andere ihre Bescheidenheit, der dritte ihre Klugheit, der vierte ihre Unfehlbarkeit in der Weissagung, der fünfte ihre Uneigennützigkeit gegen die Ratfragenden, der zehnte ihre Keuschheit, andere neunzig ihre Schönheit und der letzte ihre Häuslichkeit. Wenn ein Liebhaber ein solches Realregister von den Vollkommenheiten seiner Geliebten entwirft, so ist es immer zweifelhaft, ob sie die Inhaberin einer einzigen davon sei: allein das Publikum irrt sich nicht leicht zum Vorteil, wohl aber oft zum Nachteil des guten Rufs in seinen Urteilen. Bei so allgemein anerkannten lobenswerten Eigenschaften war Fräulein Libussa freilich die wichtigste Thronkompetentin, wenigstens in petto der Wählenden; doch der Vorzug der jüngern Schwester vor der ältern hat in Ehehaften laut Zeugnis der Erfahrung sogar oft den Hausfrieden gestört, daß zu besorgen war, er dürfe in einer noch wichtigern Angelegenheit den edlen Landfrieden unterbrechen. Diese Betrachtung setzte die weisen Vormünder des Volks in große Verlegenheit, daß sie zu keinem Beschluß kommen konnten, es fehlte an einem Sprecher, der das Schwunggewicht seiner Beredsamkeit an den guten Willen der Wahlherren anhängen mußte, wenn die Sache in Gang kommen und die guten Gesinnungen tätig und wirksam werden sollten, und dieser trat auf wie gerufen.
Wladomir, einer der böhmischen Magnaten, der nächste nach dem Herzog, hatte schon lang nach der reizvollen Libussa geseufzet und bei Lebzeiten des Vater Krokus um sie geworben. Er war einer seiner getreuesten Vasallen und von ihm wie ein Sohn geliebt, darum hätte der gute Vater wohl gewünscht, daß die Liebe beide zusammenpaaren möchte; doch der spröde Sinn des Fräuleins war unüberwindbar und er wollte ihrer Neigung auf keinerlei Art Gewalt tun. Fürst Wladomir ließ sich durch diese zweifelhaften Adspekten gleichwohl nicht abschrecken, und vermeinte durch Treue und Beständigkeit den harten Sinn des Fräuleins auszuharren und durch seine Zärtlichkeit geschmeidig zu machen. Er begab sich in das Gefolge des Herzogs solang er lebte, ohne daß er dem Ziele seiner Wünsche dadurch um einen Schritt näher kam. Jetzt glaubt' er eine Gelegenheit gefunden zu haben durch eine verdienstliche Tat ihr verschlossenes Herz sich zu eröffnen, und ihrer edelmütigen Dankbegierde abzugewinnen, was ihm die Liebe nicht freiwillig zu gewähren schien. Er beschloß dem Haß und der Rache der beiden gefürchteten Schwestern sich preiszugeben, und mit Gefahr des Lebens seine Geliebte auf den väterlichen Thron zu erheben. Da er die Unentschlossenheit des hin und her schwankenden Wahlrates bemerkte, nahm er das Wort und sprach: »So ihr mich hören wollt ihr männlichen Ritter und Edlen im Volk, so will ich euch ein Gleichnis vorlegen, daraus ihr abmerken könnet, wie ihr das vorhabende Wahlgeschäfte zu Nutz und Frommen des Vaterlandes gedeihlich vollenden möget.« Nachdem man nun Stillschweigen geboten hatte, fuhr er also fort: »Die Bienen hatten ihren Weisel verloren, und der ganze Stock war unlustig und traurig, sie flogen träge und sparsam aus, hatten zur Honigbereitung wenig Lust und Mut, und ihr Gewerbe und Nahrung geriet in Verfall. Darum dachten sie mit Ernst auf ein neues Oberhaupt, das ihrer Polizei vorstünde, damit nicht Zucht und Ordnung gar zerfiel. Da kam die Wespe geflogen und sprach: ›Wählt mich zu eurer Königin, ich bin mächtig und furchtbar, das stolze Roß scheut meinen Stachel, selbst eurem Erbfeinde dem Löwen kann ich damit Trotz bieten und ihn in die Schnauze stechen, wenn er sich eurem Honigbaume nahet; ich will euch schützen und wahren.‹ Diese Rede gefiel den Bienen wohl. Aber nach reifer Überlegung antworteten die weisesten unter ihnen: ›Du bist rüstig und furchtbar; doch eben diesen Stachel der uns verteidigen soll, fürchten wir; du kannst nicht unsere Königin sein.‹ Drauf kam die Hummel herbeigesumset und sprach: ›Nehmt mich zu eurer Königin! Hört ihr nicht, daß das Geräusch meiner Flügel Hoheit und Würde ankündiget? Es fehlt mir auch nicht an einem Stachel zu eurem Schutze.‹ Die Bienen antworteten: ›Wir sind ein friedsames und geruhiges Volk; das stolze Geräusch deiner Flügel würde uns nur Unlust machen, und die Geschäftigkeit unsers Fleißes stören; du kannst nicht unsere Königin sein.‹ Da begehrte die Imme Gehör: ›Ob ich gleich größer und stärker bin als ihr‹, sprach sie, ›so kann euch meine Übermacht doch nie zum Nachteil und Schaden gereichen denn sehet der gefährliche Stachel fehlt mir ganz, ich bin sanften Gemüts, überdas eine Freundin der Ordnung und Häuslichkeit, weiß dem Honigbau vorzustehen und die Arbeit zu fördern.‹ Da sprachen die Bienen: ›Du bist würdig uns zu regieren, wir gehorchen dir, sei unsre Königin!‹«
Wladomir schwieg. Die ganze Versammlung erriet den Sinn seiner Rede, und die Gemüter befanden sich in einer vorteilhaften Stimmung für Fräulein Libussa. Doch in dem Augenblicke da man Umfrage halten wollte, flog ein krächzender Rabe über das Wahlfeld; dieses ungünstige Anzeichen unterbrach alle fernern Deliberationen und die Fürstenwahl wurde bis auf den zukünftigen Tag verschoben. Fräulein Bela hatte den Vogel von schlimmer Bedeutung abgeschickt, das Wahlgeschäfte zu stören, denn sie wußte wohl wohin sich die Gemüter der Wahlherrn neigten, und Fürst Wladomir hatte ihren bittersten Groll gegen sich erregt. Sie hielt mit ihrer Schwester Therba einen Rat, worinnen beschlossen wurde, an ihrem gemeinschaftlichen Verunglimpfer Rache auszuüben, und einen schwerbeleibten Alp abzuschicken, der ihm die Seele aus dem Leibe drücken sollte. Der kecke Ritter ahndete nichts von dieser Gefahr, ging wie er gewohnt war, seiner Gebieterin aufzuwarten, und erhielt den ersten freundlichen Blick von ihr, aus dem er sich einen Himmel voll Wonne weissagte, und wenn sein Entzücken noch durch etwas vermehrt werden konnte, so war es das Geschenk einer Rose die an dem Busen des Fräuleins prangte, und welche sie ihm darreichte mit dem Gebot, sie an seinem Herzen welken zu lassen. Er deutete diese Worte ganz anders als sie gemeint waren; denn es gibt keine trüglichere Wissenschaft als die Hermeneutik der Liebe, da sind die Irrtümer recht wie zu Hause. Dem verliebten Ritter war daran gelegen, die Rose so lang als möglich frisch und blühend zu erhalten, er stellte sie in einen Blumentopf in frisches Wasser, und schlief mit den schmeichelhaftesten Hoffnungen ein.
In der schauerlichen Mitternachtsstunde kam der Würgengel von Fräulein Bela ausgesandt herangeschlichen, blies mit seinem keuchenden Atem die Riegel und Schlösser an den Türen des Schlafgemachs auf, fiel mit Zentnergewicht auf den schlafenden Ritter, und würgte ihn so zusammen, daß er im Erwachen vermeinte es sei ein Mühlstein ihm auf den Hals gewälzet. In dieser ängstlichen Beklemmung, da er wähnte der letzte Augenblick seines Lebens sei vorhanden, dacht er zum Glück noch an die Rose die im Blumentopfe vor seinem Bette stund, drückte sie an die Brust und sprach: »Welke mit mir dahin schöne Rose und stirb an meinem erkaltenden Busen, zum Beweise daß mein letzter Gedanke noch an deine holde Besitzerin gerichtet war.« Augenblicklich wurd ihm leicht ums Herz, der schwere Alp konnte der magischen Kraft der Blume nicht widerstehen, sein drückendes Gewicht wog keine Flaumfeder mehr auf, die Antipathie des Rosenduftes scheuchte ihn bald darauf gar aus dem Schlafgemach, und die narkotische Eigenschaft dieses Wohlgeruchs wiegte den Ritter wieder in seinen erquickenden Schlummer. Bei Sonnenaufgang saß er frisch und munter wieder auf und ritt auf das Wahlfeld, zu erforschen welchen Eindruck seine Gleichnisrede auf die Gemüter der Wahlherrn gemacht habe, und acht zu haben, welchen Gang diesmal das Geschäfte nehmen würde; auch allenfalls wenn ein widriger Wind sich erhübe, der den schwankenden Nachen seiner Hoffnung und Wünsche auf den Strand zu setzen drohen möchte, sich ans Ruder zu legen und solchen zurechte zu steuren.
Doch das hatte diesmal eben keine Gefahr, der ernste Wahlsenat hatte Wladomirs Parabel die Nacht über so sorgfältig wiedergekäuet und verdauet, daß sie in Geist und Herz übergegangen war. Ein flinker Ritter, der diese günstige Krisis witterte und in Ansehung der Herzensangelegenheiten mit dem zärtlichen Wladomir sympathisierte, strebte diesem die Ehre, das Fräulein auf den böhmischen Thron zu setzen, entweder zu entreißen oder doch mit ihm zu teilen. Er trat auf, zückte das Schwert, rief mit lauter Stimme Fräulein Libussa zur Herzogin von Böhmen aus, und gebot wer es also meine, solle gleich ihm das Schwert zücken, die Wahl zu verteidigen. Alsbald blinkten viel hundert blanke Schwerter auf dem Wahlfelde; ein lautes Freudengeschrei kündigte die neue Regentin an, und allenthalben ertönte der freudige Volksruf: »Libussa sei unsre Herzogin!« Man ordnete einen Ausschuß ab, an dessen Spitze Fürst Wladomir und der Schwertzieher sich befanden, dem Fräulein die Erhebung zur Fürstenwürde kund zu tun. Sie nahm mit dem bescheidenen Erröten, welches den weiblichen Reizen den höchsten Ausdruck von Grazie mitteilt, die Herrschaft über das Volk an, und der Zauber ihres wonniglichen Anblicks machte jedes Herz ihr Untertan. –
Das Volk huldigte ihr mit großem Frohlocken, und obgleich die beiden Schwestern sie neideten und ihre geheimen Künste anwendeten, sich an ihr und dem Vaterlande der vermeinten Verschmähung halber zu rächen, durch den Sauerteig der Verunglimpfung und des Tadels aller Handlungen und Taten ihrer Schwester unter der Nation eine schädliche Gärung zu bewirken, und die Ruhe und Glückseligkeit der sanften jungfräulichen Regierung zu untergraben: so wußte Libussa doch diesem unschwesterlichen Beginnen weislich zu begegnen und alle feindseligen Anschläge und Zaubereien dieser Unholdinnen zu vernichten, bis sie müde wurden ihre unwirksamen Kräfte weiter an ihr zu versuchen.
Der seufzende Wladomir harrete indes mit sehnlichem Verlangen auf die Entwickelung seines Schicksals. Er wagte es mehr als einmal den endlichen Erfolg desselben aus den schönen Augen seiner Gebieterin zu lesen; aber Libussa hatte ihnen tiefes Stillschweigen über die Gesinnungen ihres Herzens geboten, und einer Geliebten ohne vorgängige Unterhandlung mit den Augen und ihren bedeutsamen Blicken eine mündliche Erklärung abzufordern, ist immer ein mißliches Unternehmen. Das einzige günstige Anzeichen, welches noch seine Hoffnung belebte, war die unverwelkliche Rose, die nach Verlauf eines Jahres noch immer so frisch blühete, wie den Abend da er sie aus der Hand der schönen Libussa empfing. Eine Blume aus der Hand eines Mädchens, ein Strauß, eine Bandschleife, oder eine Haarlocke, ist freilich immer mehr wert als ein ausgefallener Zahn; aber alle diese schönen Dinge sind doch nur zweideutige Pfänder der Liebe, wenn sie nicht durch zuverlässigere Äußerungen eine bestimmte Deutsamkeit erhalten. Wladomir spielte also in der Stille die Rolle eines seufzenden Schäfers an dem Hofe seiner Huldgöttin, und harrete was Zeit und Umstände in der Folge zu seinem Vorteil ergeben würden. Der ungestüme Ritter Mizisla betrieb seine Intrike weit lebhafter, er drängte sich bei jeder Gelegenheit hervor um bemerkt zu werden. Am Tage der Huldigung war er der erste Lehnsmann, welcher der neuen Fürstin den Eid der Treue schwur; er folgte ihr untrennbar allenthalben nach wie der Mond der Erde, um durch ungeforderte Dienstbeflissenheit seine Anhänglichkeit an ihre Person darzutun, und bei öffentlichen Feierlichkeiten und Aufzügen blänkelte er mit dem Schwert ihr in die Augen, um die Verdienste desselben in gutem Andenken zu erhalten.
Doch Libussa schien nach dem gewöhnlichen Weltlaufe die Beförderer ihres Glücks gar bald vergessen zu haben; denn wenn ein Obelisk einmal aufrecht stehet, so achtet man nicht mehr auf die Hebel und Werkzeuge die ihn in die Höhe gehoben haben; wenigstens erklärten sich die Kompetenten ihres Herzens also des Fräuleins Kaltsinn. Indessen irrten sie beide in ihrer Meinung; die edle Thronbesitzerin war weder unempfindlich noch undankbar; aber ihr Herz war nicht mehr ein freies Eigentum damit zu schalten und zu walten wie sie wollte. Der Machtspruch der Liebe hatte bereits zum Vorteil des schlanken Wildschützen entschieden. Der erste Eindruck, welchen sein Anblick auf ihr Herz gemacht hatte, wirkte noch so mächtig, daß kein zweiter ihn auslöschen konnte. In einer Zeit von drei Jahren war von den Farben der Einbildungskraft, womit diese das Konterfei des anmutsvollen Jünglings entworfen hatte, nichts abgebleicht oder verwischt, und die Liebe war also vollkommen bewähret. Denn die Leidenschaft des schönen Geschlechts ist von der Natur und Beschaffenheit, daß wenn sie drei Mondenwechsel die Probe aushält, sie alsdann auch dreimal drei Jahre und länger Bestand zu haben pfleget, laut Zeugnis und Beweis des augenscheinlichen Beispiels unserer Tage. Als die Heldensöhne Deutschlands über ferne Meere schwammen, den Hauszwist der eigenwilligen Tochter Britanniens mit dem Mutterlande auszufechten, rissen sie sich aus den Armen ihrer Schönen unter wechselseitigen Eidschwüren der Treue und Beständigkeit; doch ehe sie noch die letzte Tonne des Weserstroms im Rücken hatten, waren die Entschwommenen gutenteils von ihren Chloen vergessen. Die wankelmütigen Mädchen ersetzten flugs den leeren Raum, aus Kummer ihr Herz unbeschäftigt zu fühlen, durch das Surrogat neuer Intriken; aber die Lieben und Getreuen, welche Standhaftigkeit genug besaßen die Weserprobe auszuhalten, und da sich ihre Herzensbesieger schon jenseit der schwarzen Tonne befanden, noch keine Untreue sich hatten lassen zuschulden kommen, haben wie man sagt bis zur Wiederkehr der edeln Heldenscharen ins deutsche Vaterland ihr Gelübde unverbrüchlich bewahret; und erwarten nun von der Hand der Liebe die Belohnung ihrer ausharrenden Beständigkeit.
Es war also minder wundernswert, daß unter diesen Umständen Fräulein Libussa dem Gewerbe der blühenden Ritterschaft die um ihr Herz buhlte widerstehen konnte, als daß die schöne Königin von Ithaka eine ganze Freierkohorte vergeblich nach sich seufzen ließ, da ihr Herz nur den graubärtigen Ulyß im Hinterhalte hatte. Rang und Geburt hatten indessen die Verhältnisse des Fräuleins und des Geliebten ihres Herzens so sehr aus dem Gleichgewicht gesetzt, daß ein näheres Verein als die platonische Liebschaft, die jedoch als ein leeres Schattenspiel weder nährt noch wärmt, nicht leicht zu hoffen stund. Ob man gleich in diesen fernen Zeiten die Geschlechtsklitterung so wenig nach Stammbaum und Pergamenthaut würderte, als man die Käfergeschlechter nach Fühlhörnern und Flügeldecken, oder die Blumen nach Staubfäden, Staubwegen, Kelch und Honigbehältnis ordnete: so wußte man doch, daß mit der hohen Ulme sich nur die köstliche Rebe paart, und nicht der Gartenzwirn der an dem Zaune kriecht. Eine Mißheirat von einer Differenz des Standes um einen Zoll breit, erregte damals freilich nicht so viel pedantischen Lärm als in unsern klassischen Zeiten; dennoch fiel ein Unterschied von einer Elle breit, zumal wenn in den Zwischenraum Mitwerber eintraten, welche die Entfernung der beiden Endpunkte versichtbarten, damals schon merklich in die Augen. Alles das und noch viel mehr erwog das Fräulein reiflich in ihrem klugen Sinn, darum gab sie der Leidenschaft dieser betrüglichen Schwätzerin kein Gehör, so laut diese auch zum Vorteil des vom Amor begünstigten Jünglings sprach. Sie tat als eine keusche Vestalin das unwiderrufliche Gelübde, in jungfräulicher Verschlossenheit ihres Herzens lebenslang zu verharren und keine Anfrage der Ehewerber zu beantworten, weder mit den Augen, oder durch Gebärden, oder mit Worten und dem Munde; doch mit dem Vorbehalte, zu billiger Entschädigung dafür zu platonisieren soviel ihr beliebte. So ein klostermäßiges System war den beiden Adspiranten so wenig zu Sinne, daß sie den ertötenden Kaltsinn ihrer Gebieterin nicht reimen konnten; die Gefährtin der Liebe, die Eifersucht, raunte ihnen peinlichen Argwohn ins Ohr; einer meinte, der andere sei sein glücklicher Nebenbuhler, und ihr Beobachtungsgeist spähete unermüdet, Entdeckungen zu machen, die sie beide scheueten. Doch Fräulein Libussa wog mit Vorsicht und Schlauheit den beiden ehrenfesten Rittern ihre sparsamen Gunstbezeigungen auf so gleicher Waage zu, daß keine Schale das Übergewicht bekam.
Des fruchtlosen Harrens müde, verließen beide das Hoflager ihrer Fürstin, und begaben sich mit geheimer Unzufriedenheit auf ihre Kriegspfründen, die ihnen Herzog Krokus verliehen hatte. Beide brachten so viel Unmut mit in ihre Heimat, daß Fürst Wladomir allen seinen Vasallen und Nachbarn zur Last fiel; Ritter Mizisla dagegen wurde ein Weidmann, verfolgte Rehe und Füchse über die Äcker und Gehege seiner Untertanen, und ritt oft nebst seinem Gefolge, um einen Hasen zu hetzen, zehn Malter Getreide zunichte. Darüber entstund groß Seufzen und Wehklagen im Lande; gleichwohl war kein Richter da dem Unfug zu steuren; denn wer rechtet gern mit einem Mächtigern? Und so gelangten die Bedrückungen des Volks nie zum Throne der Herzogin. Jedoch vermöge ihres Seherblickes blieb ihr kein Unrecht innerhalb der weiten Grenzen ihres Gebietes verborgen, und weil ihre Gemütsart den sanften Zügen ihrer lieblichen Gestalt entsprach, betrübte sie sich innig über den Frevel ihrer Lehnsleute und die Gewaltsamkeit der Großen. Sie ratschlagte mit sich selbst wie diesem Unheil abzuwehren sei, da gab ihr die Klugheit ein, den weisen Göttern nachzuahmen, welche bei ihrer Gerechtigkeitspflege die Verbrecher nicht flugs auf frischer Tat strafen, obgleich die langsam nachschreitende Rache sie früher oder später dennoch erreicht. Die junge Fürstin betagte ihre Ritterschaft und Stände zu einem gemeinsamen Landgerichte, und ließ öffentlich ausrufen, wer eine Klage habe oder einen Unbill rügen wolle, solle frei und ungescheut hervortreten und sicher Geleit haben. Da kamen von allen Orten und Enden des Reichs die Geklemmten und Bedrückten herbei; auch Haderer und Streitköpfe, und alle die eine rechtliche Notdurft zu verrichten hatten. Libussa saß auf dem Throne wie die Göttin Themis mit Schwert und Waage, und sprach das Recht ohne Ansehen der Person mit untrüglichem Urteil: denn die labyrinthischen Gänge der Schikane führten sie nicht irre wie die stumpfen Köpfe dämischer Schöppen, und jedermann verwunderte sich über die Weisheit, mit welcher sie die verworrene Zaspel der Prozesse in Sachen des Mein und Dein auseinander wirrte, und über die unermüdete Geduld, den verborgnen Faden des Rechts, ohne ein falsches Ende zu reißen, herauszufinden, durchzustecken und aufzuwinden.
Nachdem das Gewühl der Parteien um die Schranken der Gerüchtsbühne sich nach und nach vermindert hatte, und die Sitzungen sollten aufgehoben werden, begehrten noch am letzten Tage des gehegten Rügegerichts ein ansässiger Grenznachbar des reichbegüterten Wladomir, und die Deputierten von den Untertanen des jagdbaren Mizisla Gehör, um eine Beschwerde anzubringen. Sie wurden vorgelassen, der Landsaß hub zuerst sein Wort also an: »Ein fleißiger Pflanzer«, sprach er, »umzäunte ein kleines Bezirk am Ufer eines breiten Flusses, dessen Silberstrom mit sanftem Getöse ins lustige Tal hinabgleitete: denn er dachte der schöne Strom wird mir von dieser Seite zum Schutz dienen, daß das gefräßige Wild meine Saaten nicht verwüstet, und dann wird er die Wurzeln meiner Fruchtbäume wässern, daß sie bald aufwachsen und mir reiche Früchte bringen. Aber da der Gewinn seiner Arbeit reifte, trübte sich der betrügliche Fluß, seine stillen Gewässer fingen an zu brausen und aufzuschwellen, überströmten das Gestade, rissen ein Stück des fruchtbaren Ackers nach dem andern mit sich fort, und wühlten sich ein Bette mitten durch das angebaute Ackerland, zum großen Herzeleid des armen Pflanzers, der sein Eigentum der Willkür des gewaltsamen Nachbars zum boshaften Freudenspiel dahingeben mußte, dessen reißender Flut er selbst kümmerlich entrann. Mächtige Tochter des weisen Krokus, dich fleht der arme Pflanzer an, dem übermütigen Strome zu gebieten, daß er seine stolzen Wellen nicht mehr über die Flur des arbeitsamen Landmanns wälze, und dessen sauren Schweiß die Hoffnung der fröhlichen Ernte verschlinge, sondern innerhalb der Grenzen seines eigentümlichen Bettes ruhig dahinfließe.«
Während dieser Rede umwölkte sich die heitere Stirn der schönen Libussa, männlicher Ernst leuchtete ihr aus den Augen und alles um sie her war Ohr, ihren Rechtsspruch zu vernehmen der also lautete: »Deine Sache ist schlicht und gerade; keine Gewalt soll deine Gerechtsame beugen. Ein fester Damm soll dem ungezähmten Flusse Maß und Ziel setzen, den er nicht übersteigen soll, und von seinen Fischen will ich dir siebenfältigen Ersatz geben des Raubes seiner verwüstenden Fluten.« Drauf winkte sie dem Ältesten der Gemeinde zu reden, und er neigte sein Angesicht zur Erde und sprach: »Weise Tochter des ruhmvollen Krokus, sag uns an, wes ist die Saat auf dem Felde, des Sämanns der das Samenkorn in die Erde verborgen hat, daß es aufkeime und Frucht bringe, oder des Sturmwindes, der sie zerknickt und zertrümmert?« Sie antwortete: »Des Sämanns.« »So gebiete dem Sturmwind«, sprach der Worthalter, »daß er nicht unsere Fruchtäcker zum Tummelplatze seines Mutwills wähle, die Saaten zertrete und die Obstbäume schüttele.« »Dem geschehe also«, gegenredete die Herzogin; »ich will den Sturmwind bezähmen und aus eurer Flur verbannen, er soll mit den Wolken kämpfen und sie zerstreuen, die von Mitternacht heraufziehen und das Land mit Hagel und schweren Wettern bedräuen.«
Fürst Wladomir und Ritter Mizisla waren beide Beisitzer des allgemeinen Landgerichtes. Als sie die angebrachte Klage und die ernste Sentenz der Fürstin hörten, erbleichten sie, und sahen mit verbissener Wut stier vor sich hin zur Erde, durften sich's nicht austun wie sehr sie's wurmte daß sie durch den Urtelsspruch aus einem weiblichen Munde kondemniert wurden. Denn obwohl zu Schonung ihrer Ehre die Kläger gar bescheidentlich der Anklage einen allegorischen Schleier umgehangen hatten, und der rechtliche Bescheid der Oberrichterin diese Decke selbst klüglich respektierte: so war das Gewebe davon doch so fein und durchsichtig, daß jeder der Augen hatte wohl sehen konnte wer dahinter stund. Weil sie nun von dem Richterstuhle der Fürstin an das Volk zu appellieren nicht wagen durften, da das gegen sie gefällete Urtel ein allgemeines Frohlocken erregte, so unterwarfen sie sich demselben wiewohl mit großem Unwillen. Wladomir leistete seinem Nachbar dem Landsassen siebenfältigen Ersatz des ihm zugefügten Schadens, und Nimrod Mizisla mußte bei ritterlichen Ehren angeloben nicht mehr die Kornfelder seiner Untertanen zum Jagdrevier der Hasenhetze zu wählen. Zugleich wies ihnen Libussa eine rühmlichere Beschäftigung an ihre Tätigkeit zu üben, und ihrem Rufe, der wie ein zerschelletes Gefäß, jetzt nur Übellaut von sich hören ließ, wieder den Anklang ritterlicher Tugenden zu geben. Sie stellte beide an die Spitze ihres Heeres, das sie aussandte gegen Zornebock den Fürsten der Sorben, welcher ein Riese und dabei ein mächtiger Zauberer war, und damals eben damit umging Böhmen zu bekriegen. Dabei legte sie ihnen allen beiden die Pönitenz auf, nicht eher zum Hoflager zurückzukehren, bis der eine den Federbusch, der andere die güldnen Sporen des Unholds zum Siegeszeichen ihr darbringen würde.
Die unverwelkliche Rose bewies auch in diesem Kriegszuge ihre magische Kraft. Fürst Wladomir wurde dadurch für sterbliche Waffen so unverwundbar wie Achill der Held, und so schnell, leicht und gewandt wie Achill der Schmetterling. Die Heere trafen auf der mitternächtlichen Grenzscheidung des Reichs zusammen, man gab das Zeichen zur Schlacht. Die böhmischen Helden flogen durch die Geschwader wie Sturm und Wirbelwind, und mäheten die dichte Lanzensaat, wie die Sense des Schnitters einen Weizenacker. Zornebock erlag unter ihren kräftigen Schwertstreichen; sie kehrten im Triumph mit der bedungenen Beute nach Vizegrad zurück, und hatten die Makel und Flecken welche vorher ihre ritterliche Tugend beschmitzten in dem Blute der Feinde rein abgewaschen. Die Herzogin Libussa begabte sie mit allen Ehrenzeichen der Fürstengunst, entließ sie, da das Heer auseinander ging, in ihre Heimat, und gab ihnen gleichsam als einen neuen Beweis ihrer Gunst einen purpurroten Apfel aus ihrem Lustgarten zum Andenken auf den Weg, mit dem Beifügen solchen friedlich unter sich zu teilen ohne ihn zu zerschneiden. Sie zogen nun ihre Straße, legten den Apfel auf einen Schild, und ließen ihn zur Schau vor sich hertragen, indem sie zusammen beratschlagten wie sie es mit der Teilung klüglich anstellen möchten, um den Sinn der milden Geberin nicht zu verfehlen.
Ehe sie an den Scheideweg kamen der sie trennen sollte um jeden nach seiner Wohnung zu führen, pflogen sie ihren Partagetraktat in aller Güte; jetzt aber kam's drauf an, wer den Apfel an welchem sie beide gleichen Anteil hatten verwahren sollte, denn einem konnt' er doch nur zuteil werden, und beide versprachen sich davon große Wunderdinge, die jeden nach dem Besitze lüstern machten. Darüber wurden sie mißhellig, und es war an dem daß das Schwert entscheiden sollte, wem das Waffenglück den unteilbaren Apfel zugedacht habe. Da trieb ein Schäfer mit seiner Herde denselben Weg daher, den wählten sie, vermutlich weil die drei wohlbekannten Göttinnen sich auch an einen Schäfer gewendet hatten ihren Apfelstreit zu entscheiden, zum Schiedsrichter, und trugen ihm die Sache vor. Der Schäfer bedachte sich ein wenig und sprach: »In dem Geschenke des Apfels liegt tiefer verborgener Sinn, wer vermag ihn aber auszugraben als die kluge Jungfrau die ihn darein verborgen hat? Ich wähne der Apfel sei eine betrügliche Frucht, die an dem Baume der Zwietracht gereift ist, und die purpurrote Schale deute auf blutige Fehden unter euch ihr Herrn Ritter, daß einer den andern aufreibe und keinen Genuß von der Spende habe. Denn sagt mir, wie ist's möglich einen Apfel zu teilen ohne ihn zu zerlegen?« Die beiden Ritter nahmen die Rede des Schafhirten zu Herzen und gedachten es liege große Weisheit darinnen. »Du hast recht geurteilet«, sprachen sie, »hatte der schändliche Apfel nicht schon Zorn und Hader unter uns erreget? Stunden wir nicht gerüstet, um die betrügliche Gabe des stolzen Fräuleins zu kämpfen, die uns hasset? Stellte sie uns nicht an die Spitze ihres Heeres daß sie gedachte uns zu fällen? Und weil's ihr damit nicht gelungen ist waffnet sie nun unsern Arm mit dem Dolche der Zwietracht gegen uns selbst. Wir sagen uns los von dem arglistigen Geschenke, keiner von uns soll den Apfel haben. Er soll dein sein zum Lohne deines ehrlichen Bescheids; dem Richter gebühret die Frucht des Prozesses und den Parteien die Schelfen.«
Die Ritter zogen hierauf ihre Straße, während daß der Hirte das Objektum Litis mit all der Gemächlichkeit die den Richtern gewöhnlich ist verzehrte. Die zweideutige Spende der Herzogin wurmte sie sehr, und da sie bei ihrer Heimkunft fanden, daß sie nicht mehr mit ihren Lehnsleuten und Untertanen so willkürlich schalten konnten wie vorhin, sondern den Gesetzen gehorchen mußten, die Fräulein Libussa zu gemeiner Sicherheit ins Land hatte ergehen lassen, vermehrte sich ihr Unmut noch viel mehr. Sie traten miteinander in Verein zu Trutz und Schutz, machten sich einen Anhang im Lande, und es geselleten sich viel Aufwiegler zu ihnen, die schickten sie in den Gespanschaften herum das weibliche Regiment zu verschreien und zu verunglimpfen. »O der Schande!« sprachen sie, »daß wir einem Weibe untertan sind die unsere Siegslorbeeren sammlet einen Spinnrocken damit aufzuschmücken. Dem Manne gebühret Herr zu sein im Hause und nicht der Frau, das ist sein eigentümliches Recht, so ist es Sitte überall bei allem Volk. Was ist ein Heer ohne Herzog, der vor dem Kriegsvolk einherzeucht, anders, als ein unbehülflicher Rumpf ohne Haupt? Lasset uns einen Fürsten setzen der über uns Herr sei und dem wir gehorchen.«
Diese Reden blieben der wachsamen Fürstin nicht verborgen, sie wußte auch wohl von wannen der Wind kam und was sein Sausen verkündete, darum beschied sie einen Ausschuß der Stände zu sich, trat mit dem Glanze und der Würde einer Erdengöttin mitten unter sie, und die Rede ihres Mundes floß wie Honigseim von ihren jungfräulichen Lippen. »Es ist ein Gerücht im Lande«, redete sie die Versammlung an, »daß ihr einen Herzog begehret der vor euch herziehe in Streit, und daß ihr es unrühmlich achtet mir ferner zu gehorchen. Gleichwohl habt ihr durch eine freie und unbeschränkte Wahl nicht einen Mann aus eurem Mittel, sondern eine von den Töchtern des Volks erkieset, und mit dem Purpur bekleidet, daß sie über euch herrschen sollte nach der Sitte und Gewohnheit des Landes. Wer mich nun eines Fehls in Verwaltung des Regiments zeihen kann, der trete frei und öffentlich auf und zeuge wider mich. Hab ich aber nach der Weise meines Vaters Krokus Rat und Gerechtigkeit gehandhabt, die Hügel eben, die Krümmen gerade, die Tiefen wegsam gemacht; hab ich eure Ernten gesichert, eure Herden dem Wolf entrissen und den Obstbaum gehütet; hab ich den steifen Nacken der Gewaltsamen gebeugt, dem Niedergedrückten aufgeholfen, und dem Schwachen einen Stab gegeben, sich daran zu halten; so kommt es euch zu, eurer Zusage nachzuleben, und mir treu, hold und gewärtig zu sein, wie ihr mir gehuldiget habt. Wenn ihr vermeint, es sei unrühmlich einem Weibe zu gehorchen, so hättet ihr das bedenken sollen, ehe ihr mich zu eurer Fürstin bestelltet; ist ein Unglimpf darinnen, so fällt er ganz auf euch zurück. Aber euer Beginnen veroffenbaret daß ihr euren eignen Vorteil nicht verstehet: die weibliche Hand ist sanft und weich, gewöhnt mit dem Wedel nur kühle Luft zu fächeln; aber sennig und rauh ist der männliche Arm, drückend und schwer, wenn er das Gewicht der Obergewalt erfaßt. Und wisset ihr nicht, wo ein Weib regiert, daß da die Herrschaft in der Männer Gewalt ist? Denn sie gibt weisen Räten Gehör: wo aber die Spindel vom Thron ausschließt, da ist Weiberregiment; denn die Dirnen die des Königes Augen gefallen, haben sein Herz in Händen. Darum bedenket euer Vornehmen wohl, daß der Wankelmut euch nicht zu spät gereue.«
Die Rednerin vom Throne schwieg, und ein tiefes ehrerbietiges Stillschweigen herrschte im Versammlungssaale, niemand unterstund sich ein Wort gegen sie vorzubringen. Doch Fürst Wladomir und seine Konföderierten gaben drum ihr Vorhaben nicht auf und flüsterten sich ins Ohr: »Die schlaue Waldgems sträubt sich die fette Weide zu verlassen, aber das Jägerhorn soll noch lauter ertönen und sie dennoch fortscheuchen«Invita de laetioribus pascuis, autor seditionis inquit, bucula ista decedit, sed jam vi inde deturbanda est, si sua sponte loco suo concedere viro alicui principi noluerit.
Dubravius.